• Da werde ich meinen Beitrag mit einem Edit.-Hinweis ergänzen. Ich habe Hinweise auf sehr frühe Brandmauern (13./14. Jh.) auch schon in andern Städten gesehen, dort aber nicht flächendeckend, sondern nur bei einzelnen Bauvorhaben, bsp. in Zürich, wo einige dieser Brandmauern dokumentiert wurden und auf historischen Ansichten noch im 19. Jahrhundert auffallend empor ragen.

    Die Geschichte mit "den eigenen vier Wänden" kommt vom Holzbau her, wo dies der Statik wegen zwingend erforderlich war. Bei der allgemeinen Versteinerung der Städte blieb man diesem Prinzip aber noch lange treu.

    Bei Marlesgrube44 haben links aber ganz sicher Veränderungen stattgefunden. Stelle Dir beim 2. Obergeschoss die linke Seitenwand vor (dort wird sich kaum eine Dachfläche befinden, auch wenn ein Regenwasserabflussstutzen vorhanden ist; eine Mansarddachfläche wohl ebenfalls nicht, was für die Gotik eh eigentümlich wäre). Im 1. Obergeschoss dürfte die Seitenwand genau darunter liegen, aber beim Erdgeschoss?? Dort besteht plötzlich ein Fenster... also ohne Stahlträger funktioniert sowas nicht.

  • @frank1204, Tübinger, Riegel: danke für den sehr interessanten Austausch.
    Was mir zunächst einfiel bei den Ehgräben in St.Gallen und den kommunalen Mauern in Lübeck, vielleicht ist das falsch und tatsächlich in Wirklichkeit nur bauartbedingt (Voll-Fachwerkhäuser/ halbsteinerne Häuser) - man sollte dem mal nachgehen anhand anderer Beispiele - war ein möglicherweise anderer "allemannischer" vs. "lübisch/hansisch/norddeutscher" Eigentumsbegriff. Also daß man im Süden mehr Wert auf abgeschlossene 4 100% eigene Wände legte als im Norden, wo man sich eher zu Gemeineigentum zusammenfand.
    Ist natürlich nur so eine luftige Hypothese, müßte man anhand südlicher Steinhäuser oder halbsteinerner Häuser erst überprüfen, ob es dafür Anhaltspunkte gibt. Ich komme da nur drauf, weil ich in Südbaden aufgewachsen bin und seit längerem in Berlin lebe und mir schon ein paar Mal verschiedene "Eigentumsvorstellungen" aufgefallen sind.
    Will mich dazu jetzt nicht ausmähren, denn das führt zu sehr vom Thema "Lübeck" weg, aber vielleicht regt das den einen oder die andere an, mal bezüglich der unterschiedlichen Stadtbauarten die Augen offen zu halten.

  • Zitat von Riegel

    Bei Marlesgrube44 haben links aber ganz sicher Veränderungen stattgefunden. Stelle Dir beim 2. Obergeschoss die linke Seitenwand vor (dort wird sich kaum eine Dachfläche befinden, auch wenn ein Regenwasserabflussstutzen vorhanden ist; eine Mansarddachfläche wohl ebenfalls nicht, was für die Gotik eh eigentümlich wäre). Im 1. Obergeschoss dürfte die Seitenwand genau darunter liegen, aber beim Erdgeschoss?? Dort besteht plötzlich ein Fenster... also ohne Stahlträger funktioniert sowas nicht.

    Das sieht bei Marlesgrube 44 links in der Tat auf den ersten Blick etwas merkwürdig aus. Auf den zweiten Blick erkennt man aber, dass das Fenster direkt an der Brandwand liegt, die bis zur Regenrinne hinaufreicht. Und die Wand ist auch dicker als auf den ersten Blick zu sehen, denn das Stück hinter dem Regenfallrohr kommt ja noch hinzu. Zudem dann sicher nochmal die gleiche Dicke versteckt im Nachbarhaus - da kommt dann schon was zusammen. Wie gesagt - da wurde nichts um- oder neugebaut.

    Übrigens kannst Du die gleiche Konstruktion bei Dankwartsgrube 15 (siehe Bild unten) auf der rechten Seite sehen. Und hier steht rechts noch ein historisches Haus, d.h. da wurde garantiert keine Seitenwand weggerissen.

    Es handelt sich hier um optische Täuschungen, die durch die eingerückten Giebel entstehen, die den Eindruck erwecken, die Außenkante des Hauses läge an der Giebelaußebseite - und unten ist da dann plötzlich ein Fenster bzw. ein Tor wo das Auge eine geschlossene tragende Wand erwartet.

    Dankwartsgrube_15_kl.jpeg
    Dankwartsgrube 15, 2009/2017, Fotos von mir

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (16. Juni 2023 um 16:41) aus folgendem Grund: Bild wiederhergestellt

  • Und noch eine kürzlich abgeschlossene Sanierung (es geht jetzt Schlag auf Schlag ;) ), Schlumacherstraße 8:

    Schlumacherstrasse_8-2009-2017.jpeg
    Schlumacherstraße 8, links August 2009, rechts August 2017, Fotos von mir (der Farbunterschied links kommt zustande, weil ich das Bild aus 2 Fotos zusammensetzen musste).

    Eine ganz wunderbare Rehabilitation des durch einen Umbau - wohl in den 70ern - zuvor total entstellten Hauses!
    :thumbup::applaus:
    Vom Originalzustand waren nur noch die schönen Dachgauben und das obere Abschlussgesims erhalten. Ich meine, in den Gauben Jugendstil zu erkennen, daher vermute ich das Baudatum um ca. 1910. Die "70er-Jahre-Pissoir-Klinker" wurden entfernt und die Fassade neu verputzt, das EG wieder auf die alte Höhe gebracht und mit einem Gesims bekrönt, wodurch die Fassade überhaupt erst wieder Proportionen bekommen hat Auch die neuen Sprossenfenster in EG und OGs sowie deren Einfassungen und die Fassadenfarbe sind wunderbar.

    Eine ganz tolle Sache - ich bin froh, dass wir momentan in einer Zeit leben, in der viele schlimme Verschandelungen der 60er und 70er wieder rückgängig gemacht werden! :)

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (16. Juni 2023 um 16:45) aus folgendem Grund: Bild wiederhergestellt

  • Das ist phantastisch!

    Gestern erst habe ich mir über genau dieses Thema Gedanken gemacht. Da war ich nämlich in Mönchengladbach-Rheydt. Mir ist aufgefallen, daß dort viele Häuser mit eben dieser weißen, oder orangefarbenen Verklinkerum herumstehen. Den Formen nach zu urteilen, sind darunter noch die Vorkriegshäuser erhalten. Ich dachte mir, wie positiv sich manche Straßen verändern könnten, wenn man nur diese blöde Verklinkerung entfernen würde.

    Das Beispiel aus Lübeck ist der Knaller. :daumenoben:


  • Dankwartsgrube 15, 2009/2017, Fotos von mir

    Hochinteressant die zwei "Restaurierungsstadien"! Für mich als Laien hatte die "Version" links auch schon eine recht stimmige Erscheinung. Ich denke das man bereits in den 70er oder frühen 80er versucht hat, das Haus stimmig herzurichten. Rechts hat man dann (vermutlich nach neueren Erkenntnissen (?)) die Fenster zurückgebaut, in den Obergeschossen sogar geteilt und mit Luken geschlossen, sodass dort kein Licht mehr einfällt. Bei den anderen Fenstern wurde schöne Sprossenfenster mit Denkmalglas eingesetzt, die sich vermutlich nach außen öffnen. So zumindest meine Interpretation. Links gut, rechts perfekt.
    Frank weiß man mehr über Geschichte und Restaurierung?

  • Ich hatte doch dazu schon auf der vorigen Seite in Beitrag 168 geschrieben - bitte dort lesen.

    Als Ergänzung: Das linke Bild von 2009 zeigt einen Umbauzustand - wie so oft - aus dem 19.Jhdt. Die zwar auf historisch gemachten, aber doch sehr merkwürdigen Kippfenster sind aber sicher 20. Jhdt.
    Rechts (2017) im Dachgeschoss wieder eine Annäherung an den mittelalterlichen Originalzustand. Ob die Luken geschlossen bleiben oder noch Fenster bekommen, weiß ich noch nicht. Ich werden das beobachten und dann berichten, wenn ich mehr weiß.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ein mittelalterliches Speichergebäude in der Schwönekenquerstraße 22, dessen Baugeschichte bis ins 15. Jht. zurückreicht, wird von Privatpersonen und mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz saniert.

    Zitat

    Das Haus Nummer 22 ist ein seltener Typ des kleinen mittelalterlichen Speichers mit geringen Deckenhöhen und originalen Balkenlagen und Dachstuhl. Der später zum Wohnhaus umfunktionierte Speicher gehörte zu den mittelalterlichen Brauhäusern in der Fischergrube. Die mittelalterlichen Ausfachungen sind gut erhalten. Der Holzeinschlag datiert nachweislich auf 1472. Auch die Brandwände und Fragmente der Straßenfassade des Gebäudes sind spätmittelalterlich und stammen aus dem 15. Jahrhundert.


    Alter Speicher wird saniert

    DSD fördert Speicher-Wohnhaus in Lübeck

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Und wieder vermelde ich eine abgeschlossene Sanierung - gerade frisch ausgerüstet: Das traufständige Renaissance-Kleinhaus Bei St. Johannis 36 wurde mit Fenstern und Tür in historischen Formen sehr schön rehabilitiert :thumbup: :

    Bei_St_Johannis_34_36-2009-2017.jpeg
    Abb.1: Bei St. Johannis 34 (rechts mit wunderschönem getreppten Renaissance-Zwerchgiebel) und die jetzt sanierte Nr. 36 (links). Beide Häuser unter einem Dach mit Nr. 38 (ganz links angeschnitten).
    Linkes Foto: Vorzustand am 2.8.2009; rechtes Foto: Aktueller Zustand vom 22.10.2017. Die gelbe Farbe geht mir ein ganz klein wenig zu sehr in Richtung Textmarker, aber das ist jammern auf hohem Niveau.


    Bei_St_Johannis_2017.jpeg
    Abb.2: Das sanierte Haus im Zusammenhang: Straßenabwicklung Bei St. Johannis, südliche Westseite.

    Fotos von mir

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 20:11) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Die Sanierung scheint noch nicht abgeschlossen. Für eine solche cremige Farbe stünde dem "Hus" auch ein neu gedecktes Dach in zinnoberrot sehr gut. Falls dazu Bieberschwanz Verwendung finden kann, sollte dieser Weg beschritten werden.

  • Biberschwanz ist für Lübeck ja nun absolut untypisch und sollte hier daher bitte möglichst nicht verwendet werden.
    Ursprünglich/mittelalterlich waren die Dächer mit Mönch und Nonne gedeckt (es gibt davon noch einige Reste). Heute dominiert die S-Pfanne, die zumindest aus der Ferne noch eine ähnliche, plastische Optik bietet. Biberschwanz erzeugt dagegen eine relativ plane/flache Dachoberfläche und ist in der Lübecker Altstadt so gut wie nicht zu finden.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Durch den folgenden LN-Artikel vom 13.10.2017 ist man auf die letzte Bombenlücke, wo die Straßen Fischergrube und Ellerbrook aufeinandertreffen, wieder aufmerksam geworden. Der Platz mit Schotterasphalt, Unkraut und mit Graffiti beschmierter Wand ist sehr unansehnlich und hier wünscht man sich daher eine Rekonstruktion der Gebäude von vor 1942, siehe Bildergalerie.

    http://www.ln-online.de/Lokales/Luebec…te-Bombenluecke

    http://www.ln-online.de/Lokales/Fotost…ke#n26162801-p1


    https://www.google.de/maps/@53.87074…m/data=!3m1!1e3

  • Durch den folgenden LN-Artikel vom 13.10.2017 ist man auf die letzte Bombenlücke, wo die Straßen Fischergrube und Ellerbrook aufeinandertreffen, wieder aufmerksam geworden. Der Platz mit Schotterasphalt, Unkraut und mit Graffiti beschmierter Wand ist sehr unansehnlich und hier wünscht man sich daher eine Rekonstruktion der Gebäude von vor 1942, siehe Bildergalerie.

    Rekonstruktionen wird es leider - wie immer in Lübeck (Ausnahme: Fischstraße 17) - nicht geben. Nicht einmal annähernd etwas ähnliches wie die historische Bebauung. Überhaupt kann ich dem ganzen Projekt zwischen Fischer- und Beckergrube kaum etwas positives abgewinnen, außer dass der Blockrand endlich wieder geschlossen wird und die Straßenräume neu entstehen.

    Hier der schon seit 2009 geplante Entwurf von Heske Hochgürtel Lohse für die Ecke.

    Wie man sieht ein modernistischer Entwurf, der sich zwar bemüht, die historische Bebauung zu zitieren, aber dabei in den wichtigsten Merkmalen versagt. Der Bau weist keine Unterteilung in Einzelfassaden auf (allein Regenfallrohre würden schon Wunder wirken!), die Giebelandeutungen verkommen (wie beim Studentenwohnheim im Gründungsviertel) zu quergestellten Staffelgeschossen; die hier eigentlich vorgeschriebenen Satteldächer fehlen gleich ganz und die mit der Gießkanne verteilten Fenster bringen einer erhebliche Unruhe in das "Ensemble" und lassen Symmetrien nicht zu. Lediglich die zu sehende kleinteilige Bebauung im Ellerbrook wäre aktzeptabel.

    Ich hatte eigentlich die Hoffnung gehegt, dass man durch das sehr gute Konzept im Gründungsviertel inzwischen erkannt hat, wie altstadtgerechtes Bauen funktioniert, nämlich Häuser in historischer Kubatur auf den historischen Parzellen. Sehr schade, dass man nun offenbar diesen alten und in meinen Augen überholten Entwurf wieder herauskramt. Ich hoffe, dass man hier zumindest noch Änderungen in Richtung Teilung in mehrere Fassaden und Satteldächer vornimmt. Im Übrigen schreibt dies auch die seit Januar 1982 gültige Gestaltungssatzung für die Lübecker Innenstadt dies als geltendes Baurecht vor! Das Grundstück liegt wie alle kriegszerstörten Teile zwar nur im weniger strengen Bereich B, aber auch hierfür ist zu lesen:

    §27 Breite von Gebäudeabschnitten
    Neubauten (...) sollen in Gebäudeabschnitte (Fassaden) zwischen 6,5m uns 16m gegliedert werden.

    §28 Dachausbildung
    (1): Das Dach soll als Satteldach mit einer Neigung von mindestens 30° ausgebildet werden.
    (2): Die geneigten Dachflächen sind mit einer geschuppten Deckung (z.B. Hohlpfanne) in den Farben ziegelrot bis rotbraun zu versehen. (...)

    Der vorliegende Entwurf wäre also streng genommen nicht genehmigungsfähig. Aber das scheint in der Lübecker Bauverwaltung niemanden zu interessieren - P&C, Haerder und "Beckergruben-Eck" wurden ja auch genehmigt, die der Satzung noch in vielen weiteren Details widersprechen und nicht einmal Lochfassaden aufweisen.

    Hier nochmal zum besseren Verständnis einige Bilder:

    20171026_131310.jpeg
    Abb.1: Die zu bebauende Ecke Fischergrube/Ellerbrook, hinten die Türme von St. Marien.
    In der Mitte zu sehen die schon 2011 mit dem ersten Bauabschnitt errichtete Innenhofbebauung. Diese ist von der Baumasse her im engen Innenhof viel zu massiv und 3 Stockwerke zu hoch. In den Innenhöfen befanden sich historisch kleine Ganghäuschen mit Erd- und Dachgeschoss. Die rechts zu sehende historische Restbebauung am Ellerbrook wird bei weitem überragt und selbst die Häuser links an der Fischergrube sind niedriger. Hier wurde offenbar nur auf Gewinnmaximierung gezielt!


    20171026_131251.jpeg
    Abb.2: Blick etwas weiter nach links die Fischergrube hinauf: Ein buntes Sammelsurium aus allen möglichen Baustilen. Da stehen Renaissance-Häuser direkt neben 60er-Jahre-Vorstadt-Wohnblöcken und die Rückseite des Stadttheaters aus einer Mischung von Jugendstil und Neugotik neben dem schrecklichen 70er(?)-Jahre-Neubau der Sparkasse. Der geplante modernistische Entwurf würde das Chaos nur noch weiter vergrößern.
    Auf der linken Seite immerhin eine ganz ordentliche, wenn auch nicht weltbewegende Bebauung aus den 90ern mit Einzelfassaden und Satteldächern.


    20171026_131343.jpeg
    Abb.3: Blickrichtung um 180° gedreht: So sieht der erhaltene untere Baublock eine Straßenecke weiter aus. Passt der Neubau-Entwurf wirklich hierzu???


    20171026_131052.jpeg
    Abb.4: Die noch erhaltenen 5 historischen Häuser Ellerbrook 9-17. Eigentlich waren ursprünglich auch noch die Nummern 5 und 7 erhalten, aber die sind im Laufe der Zeit leider "abhanden gekommen". Nr. 9 leider total verwahrlost und leerstehend, Nummern 11, 13 und 15 ganz ordentlich saniert (die Fenster könnten allerdings besser sein) und Nr. 17 leider total entstellt. Ich werde nie begreifen wie man bei einem ohnehin so kleinen Haus noch fast die gesamte Wohnfläche im EG für eine Garage opfern kann! disgust:)


    20171026_130936.jpeg
    Abb.5: Den Ellerbrook weiter hinauf in Richtung Beckergrube: Hier zu sehen die ebenfalls zum Projekt gehörende Bebauung von 2011. Positiv die Unterteilung in Einzelfassaden, zeigt sie sich dadurch doch ebenfalls bemüht, die historische Bebauung zu zitieren. Aber auch hier gelingt das nicht wirklich, weil alles ein Stockwerk zu hoch ist, die Fassaden alle zu gleichförmig sind, nur ein Eingang für fünf Fassadenabschnitte existiert und der leicht gekrümmte Verlauf der Straße mit einem schnurgeraden Fassadenverlauf ignoriert wird.


    20171026_130900.jpeg
    Abb.6: Ecke Beckergrube/Ellerbrook: Die größte Katastrophe des Projekts steht an der Beckergrube: Ein langgestreckter Bau über mehrere historische Parzellen ohne Unterteilung und mit Flachdach. Selbst das angedeutete Staffelgeschoss wurde in Wirklichkeit zu einem Vollgeschoss "aufgewertet" und lässt den Bau gerade an der Ecke noch wuchtiger erscheinen.


    20171026_130736.jpeg
    Abb.7: Das ganze Teil noch einmal in voller "Pracht". In der Presse wurde es seinerzeit als sich sehr gut in die Altstadt einfügend gelobpreist. Dass das völliger Blödsinn ist, ist doch offensichtlich. Nicht einmal die beige Farbe der Klinker passt zur Altstadt. In jedem Wohngebiet außerhalb wäre der Bau besser aufgehoben gewesen. Was hätte man in dieser geschundenen Straße mit drei giebelständigen Häusern auf den historischen Parzellen an städtebaulicher Aufwertung erreichen können! Mal ganz davon abgesehen, dass natürlich auch dieser Bau bei Beachtung der Gestaltungssatzung überhaupt nicht hätte genehmigt werden dürfen! :wuetenspringen:
    Ganz links übrigens die erhaltene historische Bebauung im unteren Bereich der Beckergrube.

    Alle Fotos von mir

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    2 Mal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 20:15) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Um- und Neubau Lübecker Figurentheater am Kolk

    Als ich gestern diesen Artikel las, bekam ich fast einen Herzstillstand (wusste vorher gar nicht, dass das eine so große Maßnahme ist):
    TheaterFigurenMuseum: Architektur-Wettbewerb entschieden

    Darin:

    Zitat

    Da in der vorhandenen Gebäudestruktur ein ausreichend großer und repräsentativer Theaterraum nicht unterzubringen ist, wird das nicht geschützte Gebäude Kolk 18 neu aufgebaut. Dieses neue Haus fungiert als reiner Theaterbau.

    Das Lübecker Figurentheater dehnt sich inzwischen über eine mit der Zeit durch Ankäufe größer gewordenen Anzahl historischer Häuser an den Straßen "Kolk" und "Kleine Petersgrube" aus.

    Dazu muss man wissen, dass es sich bei den Straßenzügen Kolk, Kleine und Große Petersgrube um ein fast vollständig und sehr gut saniertes Ensemble historischer Häuser nahezu ohne störende moderne Bauten handelt, mit dem sehr sensibel umgegangen muss - gerade auch, weil die unmittelbare Umgebung durch den Krieg erheblich gelitten hat.
    Als Besonderheit kommt hinzu, dass der Stadthügel an dieser Stelle einen starken Geländesprung zur St.-Petri-Kirche hinauf macht. So wird die östliche Seite der sehr schmalen Gasse Kolk nicht etwa durch Häuser, sondern durch eine mehr als 10m hohe mittelalterliche Mauer gebildet, die den Kirchenhügel abfängt. Hierdurch entsteht eine ganz besonders außergewöhnliche stadtbildliche Situation.

    Und an genau dieser Stelle soll also das Haus Kolk 18 abgerissen und durch einen im Wettbewerb auserkorenen Neubau ersetzt werden, da im jetzige Gebäudebestand kein brauchbar großer Theatersaal realisiert werden kann. Das Haus Kolk 18 ist zwar als eines der wenigen in diesem Bereich nicht denkmalgeschützt und - ich würde schätzen - wohl aus den 1930 Jahren, es passt sich dennoch gut in die Situation ein, auch wenn es vielleicht in der Ansicht aus der Kleinen Petersgrube ein wenig zu hoch ist.

    Zunächst möchte ich die momentane Situation bildlich darstellen:

    20171123_123259.jpeg
    Abb.1: Blick die Kleine Petergrube hinauf in Richtung Osten mit St. Petri. Am Ende der Straße die Abfangmauer des Kirchenhügels. Links am Ende der Straße das "abgängige" Haus Kolk 18 (durch die Höhe etwas die Kirche verdeckend. Andererseits würde bei geringerer Haushöhe die Kirche durch den oberhalb der Mauer stehenden Baum zumindest im Sommer ebenfalls verdeckt werden).


    20171123_123343.jpeg
    Abb.2: Kolk 18 aus der Nähe, Traufseite an der Kleinen Petersgrube. Die m.E. unpassenden Erker sind bestimmt neueren Datums (etwa 80er?).


    20171123_124714.jpeg
    Abb.3: Kolk 18, Giebelseite Richtung Norden. Die historischen Backstein-Giebelhäuser links und rechts gehören ebenfalls zum Figurentheater und -museum und sollen "im Rahmen des Denkmalschutzes" umgebaut werden...


    20171123_124832.jpeg
    Abb.4: Blick in den Kolk in Richtung Süden. Das zur Disposition stehende Haus Nr. 18 ist von hier aus nicht zu sehen, da die Front schräge zurückspringt.


    Für das Projekt wurde ein begrenzter Architektenwettbewerb ausgelobt, zu dem vier Lübecker Büros eingeladen waren.

    Hier also die Entwürfe, die ich heute in der Ausstellung im Haus Kolk 20 sehen und fotografieren konnte:


    Platz 1: Konermann Siegmund Architekten

    Konermann_Siegmund-Kolk.jpeg
    Abb.5: Konermann Siegmund, Ansicht Kolk

    Konermann_Siegmund-Kl-Petersgrube.jpeg
    Abb.6: Konermann Siegmund, Ansicht Kleine Petersgrube

    Die Giebelseite am Kolk gefällt mir überhaupt nicht, insbesondere durch die zugemauerten Fenster im 1.OG sehr abweisend und unpassend zu den historischen Häusern. In den Fensternischen sollen Plakate für Veranstaltungen befestigt werden können. Wie man die von der nur ca. 4m schmalen Gasse aus vernünftig sehen können soll, erschließt sich mir dabei allerdings nicht. Mir ist bewusst, das dahinter der Theatersaal liegt, der keine Fenster braucht. Aber man könnte doch innen Verdunklungsvorrichtungen anbringen, die bei Aufführungen einfach geschlossen werden können. Damit würde die unschöne Fensterlosigkeit vermieden werden.

    Der Übergang zum schmalen historischen Zwischenbau rechts sieht wegen der geringen Höhe des Neubaus unpassend aus. Dadurch wirkt dieser schmale Zwischenbau unglücklich turmartig. Wenn dieser breiter wäre, könnte man damit ja noch leben, aber so? Der Zustand könnte leicht durch eine etwas steilere Dachneigung des Neubaus und einem daraus resultierenden höheren Blendgiebel behoben werden. Ich denke, ein halber Meter würde da schon reichen. Das würde die Höhenentwicklung aus der Ansicht der Kleinen Petersgrube kaum beeinträchtigen, aber am Kolk eine deutliche Verbesserung bringen.

    Die Traufseite an der Kleinen Petersgrube hingegen gefällt mir (allerdings wieder bis auf die zugemauerten Fenster) sehr gut, sogar besser als der jetzige Bestandsbau! Durch die geringere Höhe sollte der Blick aus der Kleinen Petersgrube auf die Petrikirche deutlich schöner werden. Ich hoffe, dass es an der Kolk-Fassade noch zu einer Überarbeitung im Sinne der o.g. Punkte kommen wird, um diese wenigstens annähernd auf das Niveau der Traufseite zu bringen.


    Platz 2: Riemann Architekten

    Riemann-Kolk.jpeg
    Abb.7: Riemann, Ansicht Kolk

    Riemann-Kl-Petersgrube.jpeg
    Abb.8: Riemann, Ansicht Kleine Petersgrube

    Architekt Riemann lehnt sich deutlich an den Altbau an. Insbesondere die Giebelseite am Kolk gefällt mir viel besser als bei Konermann Siegmund. Die Fassade passt sich viel besser in die Reihe der historischen Häuser ein. Der Zwischenbau sieht nicht aus wie ein Turm, und alles wirkt hier ganz selbstverständlich wie aus einem Guss. Allerdings ist das Haus wie der Altbau an der Kleinen Petersgrube auch wieder sehr hoch. Der Höhenversatz ist wegen der steilen Straße sehr schwierig zu beiden Seiten gleichermaßen verträglich auszugleichen.

    Beim historischen Haus rechts gefällt mir die Rückführung der gotischen Fassade in ihren wahrscheinlichen Urzustand (gotisches Portal, große Dornsenfenster, Holzluken im Giebel) sehr gut. Insgesamt hätte ich lieber diesen Entwurf realisiert gesehen.


    Weiterere Entwurf ohne Platznennung:
    Mai Ellinghaus Architekten:

    Mai-Ellinghaus-Kolk.jpeg
    Abb.9: Mai Ellinghaus, Ansicht Kolk

    Mai-Ellinghaus-Kl-Petersgrube.jpeg
    Abb.10: Mai Ellinghaus, Ansicht Kleine Petersgrube
    Neubau ähnlich wie bei Riemann. Sehr unschön bei diesem Entwurf allerdings die starke Veränderung des schmalen Zwischenbaus und der teilweise Ersatz der Sprossenfenster bei den historischen Fassaden durch moderne Varianten. Wirkt dadurch leider entstellend.


    Architektin Schröder-Ropeter:

    Schroeder-Ropeter-Kolk.jpeg
    Abb.11: Schröder-Ropeter, Ansicht Kolk

    Schroeder-Ropeter-Kl_Petersgrube.jpeg
    Abb.12: Schröder-Ropeter, Ansicht Kleine Petersgrube
    Der Entwurf wäre im Gründungsviertel sicher ganz gut gewesen, ist mir aber hier an dieser sensiblen historischen Ecke deutlich zu modern.


    Wie man sieht, geht es bei den drei unteren Entwürfen offenbar auch MIT Fenstern im Theatersaal. Ich hoffe, dass der Siegerentwurf da noch nachgebessert wird. Und ich hoffe sehr, dass die historischen Häuser und die Kirche durch die Baumaßnahmen an dieser extrem engen Stelle nicht leiden werden. Am liebsten wäre mir, man ließe es wie es ist... :/

    (Alle Fotos von mir vom 23.11.2017)

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 20:31) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Wie man sieht, geht es bei den drei unteren Entwürfen offenbar auch MIT Fenstern im Theatersaal.

    Ja, diese zugemauerten Fenster vom Entwurf mit dem 1. Platz finde ich auch sehr unvorteilhaft. Die Giebelseite wirkt dadurch tot. Mir persönlich gefällt die Giebelseite des 2. Platzes der Architekten Riemann am besten, jedoch aus der Sicht der Kleinen Petersgrube wirklich viel zu hoch... In der Seitenansicht sind mir die unteren Fenster zu modern, ansonsten gefällt mir die Fassadenfarbe, leichtes Ziegelrot, viel besser als dieses total sterile Weiß von Platz 1. Hoffe sehr, das ändern die noch, dass es an die Backsteinbauten harmonischer angeglichen wird.

  • Hier noch ein Nachtrag - die Ansicht vom Petrikirchhof aus - die über die Abfangmauer schauenden Kolk-Giebel:

    20171125_144515.jpeg
    Abb.1: Ganz links das Westportal unter dem Turm der Petrikirche, hinten die Giebel des Figurentheaters am Kolk. Der helle Giebel ist Kolk 18, das abgerissen werden soll. Von der Höhe alles sehr harmonisch und passend.


    20171125_144536.jpeg
    Abb.2: Die Giebel noch einmal etwas näher. Leider hat sich auch hier - wie an der Marienkirche die Unsitte durchgesetzt, die Welterbe-Kirchhöfe bis zum letzten Fleck zuzuparken Man kann in der Altstadt wirklich kaum noch ein historisches Motiv ohne die allgegenwärtigen leidigen Autos fotografieren. Am besten noch bis ins Haus hineinfahren! :kopfschuetteln: Nur mal so nebenbei: Direkt nebenan ist übrigens ein Parkhaus!


    20171125_144620.jpeg
    Abb.3: Links noch einmal Kolk 18...


    20171125_144620-2-kl.jpeg
    Abb.4: ...und so sieht das ganze mit dem in der richtigen Höhe hineinretuschierten geplanten Neubau von Konermann Siegmund aus. Also ich weiß ja nicht - m.E. zu niedrig... :unsure: Einen Meter höher und im Rundbogen noch ein Fenster würden die ganze momentan bunkerartig anmutende Sache deutlich verbessern. Hoffentlich wird es wenigstens nicht so knalleweiß. :kopfschuetteln:


    20171123_124714-2.jpeg
    Abb.5: Und hier habe ich nochmal, aber wirklich ganz "quick & dirty", den Entwurf von Konermann Siegmund in die Straßenansicht hineinretuschiert. Wie ich finde, auch hier zu niedrig. Wie gesagt, der Giebel ein Meter höher (oder zumindest steiler) und oben im Rundbogen dann noch ein kleines Fenster wären am Kolk eine wesentliche Verbesserung und würden die Höhenentwicklung von der Kleinen Petersgrube auch so gut wie nicht verschlechtern.

    (Fotos und Montagen von mir)

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 20:32) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Sieht grauenvoll aus, dieses kalkweiße Ungetüm. Auf mich wirkt es einerseits so wuchtig, andererseits so tot - neben all den lebendigen roten Backsteinen der Treppengiebelhäuser. Ein totaler Stilbruch, geht gar nicht, m. E. :kopfschuetteln:

    Danke Frank, für die Hineinretuschierung - so bekommt man wirklich ein eindeutiges Bild, wie es einmal werden soll... Ich hoffe, nicht so...

  • Ich finde den Entwurf ganz in Ordnung - sieht aus wie Klassizismus. Das Dach sollte aber ein Bisschen steiler sein.

    Würde gut zur Grossen Petersgrube passen: Petersgrube

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker