• @Der Herzog

    Ich meinte ja die historische Bedeutung als grosste Stadt der Hansa. Ich habe ja nicht Braunschweig als Bedeutungslos eingestuft. Aber vor ein Skandinavier spielt Lubeck historisch, kulturell und politisch eine grossere Rolle als Braunschweig. Lubeck ist da viel beruhmter.
    Selbstverstandlich spielt ja die billige Alkohol und die Weinnachtsmarkte auch eine Rolle - das durfen wir auch nicht vergessen.
    Plus die Marzipan-argument, of course! :zwinkern:

  • Zitat von "Der Herzog"

    Sei es drum. Ich war vor kurzem in Lübeck und hatte den Eindruck als ob die Bürger mit ihrer Altstadt nicht einverstanden sind oder besser mit ihr und von ihr überfordert sind. Anders sind für mich die Bausünden der letzten Zeit, siehe auch Kaufhaus am Marktplatz kaum erklärlich. Die Stadt wirkt trist und nicht besonders lebendig. Etwa wie eine traurige Diva.

    Die Altstadt ist ja trotzdem da....und fur eine Fan von Backsteingotik ist ja Lubeck im Tat unubertroffen. Gibt mich ein Stadt vor oder nach dem Krieg die so viele mittelalterliche Giebelhausern aus Backstein vorweisen kann?

  • Lübeck war sicherlich die Hauptstadt der Hanse; architektonisch geht sie auch noch ziemlich weit über die anderen Städte des Wendischen Quartiers wie Wismar, Rostock, Stralsund, Stettin oder Lüneburg hinaus. Vor allem was die Stadtkirchen betrifft, aber auch das Rathaus und die Anzahl der backsteingotischen Giebelhäuser.

    Braunschweig ist heute schwierig einzuschätzen, da die wirklich bedeutenden Ensembles wie Wollmarkt, Reichsstrasse, Hagenbrücke, Hagenmarkt, Wollenweberstrasse, Güldenstrasse und noch einigen anderen, die alle fast rein aus Fachwerk des 15. und 16. Jh. bestanden, heute völlig fehlen. Der Dom ist ob des hohen Alters und Vorbildcharakters wichtig, aber die anderen Stadtkirchen sind nicht so eindrucksvoll wie in Lübeck und gehören zu einem anderen Typus (Hallenkirchen). Das Vorkriegsbraunschweig war aber sicher so eindrucksvoll wie Brügge oder Gent und war damals auch weltbekannt.

    Was Edinburgh betrifft: es ist die Stadt in GB, die mich (an und um den Royal Mile) am Meisten an eine alte kontinentale Handelsstadt erinnert hat. Ich denke dabei vor allem an Antwerpen. Aber auch alte französische Handelsstädte wie Rouen, Tours und so. Ähnlichkeiten mit deutschen Hansestädten sehe ich eher weniger.


    Den Eindruck des Herzogs teile ich völlig. Lübeck ist für die heutige norddeutsche "Identität" einfach viel zu schön, wäre es denn liebevoll gepflegt. Man ist stolz auf die Gebrüder Mann und Günter Grass und sieht sich selbst wie diese Herren sie gesehen haben oder noch sieht. Also Konservierung der Kriegsschäden an St. Marien, im Gründungsviertel usw.; und die Bombardierung und den Wiederaufbau als gerechte Strafe.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Brandmauer"

    Was Edinburgh betrifft: es ist die Stadt in GB, die mich (an und um den Royal Mile) am Meisten an eine alte kontinentale Handelsstadt erinnert hat. Ich denke dabei vor allem an Antwerpen. Aber auch alte französische Handelsstädte wie Rouen, Tours und so. Ähnlichkeiten mit deutschen Hansestädten sehe ich eher weniger.

    Lustigerweise war ich auf eine Rundtour durch die Altstadt in Edinbourgh. Einige von die Hauser sollte laut die Furher inspieriet von die Giebelhauser im Lubeck sein. Historische Belege habe ich fur die Aussage nicht. So nimmt es mit Pfeffer und Salz. Es seid die drei rote Giebelhauser links. Tut mir leid fur die schlechte Bild.

    Genau, Lubecks beruhmtheit stammt ja von ihre Rolle als Hauptstadt der Hansa. Historisch ist dabei Lubeck schon eine die Europaische Highlight. Also nicht nur von der Architektur sondern auch von ihre Politische Rolle als Leiter einer Grossmacht.

    Und sagen was man will uber die heutige Lubecker - die Altstadt ist trotzdem da und es wird auch erhalten. Wenn man rumlauft in die Gangen (die kleine Gassen) ist die Stadt auch gepflegt.
    Und die Burgerhauser ist ja trotzdem ein Nummer grosser als sogar Ghent und Brugge...

  • Ich habe mir letzte Woche 4 Tage Zeit für Lübeck genommen, jede Altstadtstraße abgelaufen und angrenzende Viertel beschaut.
    Die Altstadt ist das beeindruckendste Stadbild welches mir bisher untergekommen ist, hinzu das maritime Flair und auch das schöne Viertel zwischen Trave und Wakenitz von dem aus sich wunderbare Blicke auf die Altstadt bieten.
    Auch die nahen Ostseebäder (Travemünde und Neustadt mit schöner Altstadt) tragen zur Attraktivität bei.
    Nicht weit ist auch die liebliche Landschaft der Holsteinischen Schweiz mit schönen kleinen Städten, wie zB Eutin.
    Dieses Paket kann ich als Urlaubsreise nur empfehlen. :zwinkern:

  • @ Der Herzog: Wenn sich jemand in die Nesseln setzt, dann du. Dass Lüneburger Häuser nach Vorbildern aus Braunschweig gebaut wurden, ist, sorry, Unfug. Dass Lübeck das große Vorbild war, kann man übrigens problemlos aus der gerade erst erschienenen Lüneburger Denkmaltopographie entnehmen (trotz horrenden Preises sehr empfehlenswert, da diese wie alle modernen Denkmaltopographien auch einen guten Einblick in den aktuellen Forschungsstand zur Architektur der gesamten Region bietet).

    Braunschweig hat übrigens in der Architekturentwicklung genau den umgekehrten Weg genommen wie Lübeck, ein Zug, der erst in den letzten Jahren mittels der Bauforschung und Stadtarchäologie zunehmend deutlicher wird: viele Stadtgründungen gingen vom hölzernen Pfosten in den Ständerbau über und sind dann wahrscheinlich Ende des 12. Jahrhunderts "versteinert", Hauptbeispiel Lübeck, unterstrichen durch jüngere Funde im Gründungsviertel. Andere Städte, oft solche von Beamten der Stauferzeit oder hohen geistlichen Würdenträgern, wurden in Stein gegründet und gingen später in Fachwerk auf, die Steinbauten blieben oft als romanische Kemenaten in Hinterhöfen erhalten, Beispiele z.B. Fritzlar, Limburg oder eben Braunschweig.

    Ansonsten bleibt anzumerken, dass Lüneburg eine flächen- und maßstabsmäßig verkleinerte Kopie Lübecks ist, halt mit dem Unterschied, dass die gesamte Altstadt erhalten ist (wenn man mal von etwa 150 Häusern absieht, die im Salinen-Senkungsgebiet in den 1950er und 1960er Jahren abgerissen wurden, was aber bei immer noch über 1.300 denkmalgeschützten Häusern kaum schmerzt). Allerdings war und ist die Ausstattung des Rathauses in der Summe nicht nur die bedeutendste und wertvollste aller Hansestädte, sondern wohl auch des gesamten deutschen Sprachraums.

    Lübeck ist schon durch die Tatsache, dass St. Marien das Hauptwerk der europäischen Backsteingotik darstellt, eine ganz andere Kategorie. Auch die Altstadt hat einen Stellenwert, der außer vielleicht von Prag und ein paar Altstädten in Spanien nur noch von denen in Italien getoppt wird. Ein Bamberg wirkt geradezu proviniziell dagegen.

    Ansonsten ist die ganze Diskussion hier wieder mal nur ein gutes Beispiel dafür, wie in diesem Forum alles schlechtgeredet wird und auch, wieso ich mich zunehmend zurückziehe.

  • Schönen Dank für Deinen in den Raum geworfenen Schlusssatz, RMA. Deine Wahrnehmung ist bemerkenswert, wenn man die letzten Beiträge nüchtern und neutral bewertet.


    Damit es nicht untergeht, schiebe ich meinen Beitrag von heute morgen mal wieder ans Ende:
    ___

    Eine sehr wertvolle Internetpräsenz mit historischen Lübecker Stadt- und Gebäudeansichten.

    Lübeck im Bild

    Zitat

    Die umfangreichste Internet-Seite mit historischen Ansichten von Lübeck und Travemünde.
    Fotografien und Ansichtskarten aus der Zeit von 1870 bis 1960 zeigen den historischen Baubestand der Hansestadt - und vieles, was verloren gegangen ist.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • RMA: Es ist keineswegs Unfug, dass die Lüneburger Braunschweiger Fachwerkhäuser für ihre Bauten als Vorbild nahmen. Das kann man an vielen Stellen der Altstadt sehen. Dieses resultierte aus der gemeinsamen Politischen Existenz im Herzogtum Braunschweig Lüneburg. Braunschweig erhielt in diesem Zusammenhang auch die kleine und feine Liberei hinter St Andreas.
    Lüneburg ist übrigens kein verkleinertes Lübeck. das dürfte eher für den älteren Teil von Stralsund zutreffen, sondern hat eine eigene Formsprache. Aber was solls.

    Hier rede ich nichts schlecht, sondern ich schildere lediglich den Eindruck, den ich von Lübeck persönlich gewonnen habe, der sicherlich auch viele architektonische Missstände in Lübeck erklärt. An anderer Stelle war zu lesen " zu schön für Norddeutschland."

    Jetzt aber keinen Zoff mehr hier !!

  • Zitat

    Eine sehr wertvolle Internetpräsenz mit historischen Lübecker Stadt- und Gebäudeansichten.

    Sehr interessant. Leider zeigen die Kriegsbilder auch, daß Lübeck viel schwerer zerstört wurde, als man heute auf den ersten Blick meinen würde (wer z. B. um die Vorkriegsausstattung von St. Marien weiß, weiß es aber besser - Hier wurde die Orgel Buxtehudes wirklich mit elektrischer Präzision gelevelled), die hohe Qualität englischer Technik und Ingenieurskunst hat sich ausgezahlt und hier auf Anhieb robuste Tatsachen geschaffen. Beim Betrachten der Bilder befällt einem daher - notwendigerweise, richtigerweise - unvermeidlich wohl ein gelinder Schrecken, selbst wenn man sie von Kalifornien aus in einem Villa betrachten würde. Sehr vieles ist leider immer noch kaputt bzw. nur provisorisch hergerichtet. Die Rekonstruktion einer der hochbedeutenden Kirchenorgeln, im Dom, war vor einigen Jahren in greifbarer Nähe, mit Unterstützung aus Schweden und Holland. Sie wurde vom Denkmalschutz verhindert.

    @Johan: die drei Giebelhäuser auf Deinem Bild in Edinburgh halte ich für ur-englische Historismusbauten, die von nirgendwoher sonst inspiriert wurden.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Habe folgende Fragen an einem der Pastoren der Marienkirche gestellt:

    - haben Sie überlegt eine 1:1 Kopie des Totentanzes in der Kirche zu zeigen? Für viele Touristen wäre es sehr, sehr interessant.

    - die Akustik der Kirche ist wegen dem Klinker-Fussboden leider nicht optimal. Gibt es Pläne dies zu ändern?

    - Gibt es wirklich keine Hoffnung den Fredenhagen-Altar in der Kirche wieder zu sehen? Es ist ja schlichthin ein Meisterwerk des Barocks, das für die Kirche geschaffen wurde.

    Die Antwort:

    1) Nein, einer 1:1 Kopie kann und soll es auch aufgrund denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen nicht geben. Die Motive wurden durch die Totentanzfenster ja ersetzt. Wir haben in der Kapelle aber Leisten angebracht, so dass von Zeit zu Zeit neue und andere Totentänze ausstellen können.

    2) Akustik: Hatten Sie Verständnisprobleme in der elektrischen Beschallung 8) ? Die neue Anlage ist noch in der Erprobungsphase. Den Fußboden können wir nicht ändern.

    3) Um den Fredenhagen gibt es immer mal wieder Diskussionen. Nach einer Prüfung der Situation vor ca. 5 Jahren hat man beschlossen: vorerst wird er nicht wieder errichtet.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Das mag ja alles bedauerlich sein, aber die Gründe liegen vielmehr darin, dass die Stadt Lübeck praktisch pleite ist (aktuelles Beispiel: nachdem die Stadt sich neben Hanse- auch Universitätsstadt nennen darf, hat man nicht einmal das Geld, die 250 Ortschilder in der Gemarkung neu drucken zu lassen, obwohl das "nur" etwa 25.000 Euro kosten würde) und selbst kaum tätig werden kann, was z.B. Rekos angeht.

    Den Kirchengemeinden geht es keinen Deut besser. Das war übrigens auch die ehrliche Antwort auf ähnliche Fragen, die APH-Forumsmitglied Weingeist einem Kirchenvertreter am Sonntag in St. Marien gestellt hatte.

    Die Zeiten, wo selbst eine kulturell hochbedeutende Stadt mehr als gerade mal die Ausgaben für den Erhalt des Denkmalbestandes rein aus dem Tourismus decken konnte, sind leider vorbei. Eigentlich wäre dies die Zeit für Mäzene, aber die lassen sich offenbar lieber mit ihrem Geld einsargen oder letzteres durch Söhne und Töchter auf Ibiza verprassen.

  • Ja, viele sollten sich zuerst an die eigene Nase fassen. Zumindest von den evangelischen Kirchen weiss ich, dass es vor wenigen Jahren zu einer Änderung kam, was insbesondere die Verteilung der Kirchensteuern angeht. Dies ist für viele Gemeinden eine Katastrophe, es müssen Gemeindehäuser geschlossen werden, weil diese schlicht nicht unterhalten (besonders geheizt!) werden können. Weil viele Gemeindehäuser in den 70er Jahren als eher groß dimensionierte Neubauten daher kommen, ist dies aus baulicher Sicht meist nicht weiter bedauerlich. Vor älteren Gebäuden wird aber auch nicht halt gemacht, ich kenne eine kleine Innenstadtgemeinde (in Bielefeld), die bereits ihr ehem. zweites Pfarrhaus (Baujahr 1908) und ihr Gemeindehaus (auch ca.1900) an Investoren verkaufen musste, die dann beide Gebäude mangels Denkmalschutz abgerissen haben, angeblich ging es nicht anders. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis das andere Gemeindehaus (Baujahr ca. 1550 - kein Denkmalschutz) auch verkauft wird. Danach käme die Kirche (15. Jh.) dran. :augenrollen:
    Ich will damit sagen, dass sich die zunehmenden Kirchenaustritte inzwischen in den Kassen der Kirchen deutlich bemerkbar machen. Von daher sollte man froh sein, wenn der Status quo erhalten werden kann. Die Kirchen haben sich trotz allem nach 1945 entgegen dem Trend als treue Bewahrer ihrer alten Kulturgüter erwiesen. Ob das Erheben von Eintrittsgeldern für Kirchenbesichtigungen wie dies in der ehem. DDR heute weit verbreitet ist, der Kirche letztlich insgesamt dienlich ist, bezweifle ich eher. Aber wird wohl auf lange Sicht nicht anders gehen.

  • Brandmauer

    Erst, die Zerstorung von Lubeck ist doch klar. 15 - 20 Prozent von der Altstadt ging in Flamen auf. Manche Hauser wurde trotzdem rekonstruiert. Trotztdem gibt es 80 Prozent von der Altstadt da. Ich werde diese dauerhafte relatierviernde Einstelleung zu bestehende Kulturerbe eigentlich ziemlich nervig. Du hast ja auch in eine fruhere Antwort Braunschweig in die Diskussion reingebracht. Warum? Es ist halt destruktiv jede erhaltene Altstadt mit eine zerstorte Altstadt zum vergleichen. Ich finde diese immer wiederkehrende Jammern und Meckern nicht nur nervig sondern es verbreitert eine unnotige negative Stimmung. Die bestehende Altstadt von Lubeck besitzt in seine jetztige Zustand eine einzigartie Fulle von historische Strassenzugen. Punkt! Mann glaubt es ist manchmal ein Stammtisch fur bittere altere Herren.

  • Zitat von "RMA"

    Lübeck ist schon durch die Tatsache, dass St. Marien das Hauptwerk der europäischen Backsteingotik darstellt, eine ganz andere Kategorie. Auch die Altstadt hat einen Stellenwert, der außer vielleicht von Prag und ein paar Altstädten in Spanien nur noch von denen in Italien getoppt wird.


    Schon die Tatsache, dass die Lübecker es geschafft haben diesen Bau innerhalb von nur 100 Jahren fertigzustellen, zeigt den damaligen Reichtum des Bürgertums der Stadt. Die Marienkirche ist ja relativ groß, wenn auch mit 103 m äußerer Länge nicht riesig, und v. a. in der Konstruktion herausfordernd. Das Mittelschiff ist mit 38,5 m das höchste der Backsteingotik - innerhalb der deutschen Gotik sind lediglich Ulm (41,6 m) und Köln (43,35 m) noch höher. Die Türme der Kirche mögen zwar ebenfalls nicht zu den allerhöchsten ihrer Zeit gehören, eine noch im Mittelalter vollendete Doppelturmfassade von 125 m Höhe ist dann allerdings doch eine absolute Seltenheit. Rund 70 Kirchen im gesamten Ostseeraum haben sich an diesem Bau abgearbeitet - er blieb ein Fall von "oft kopiert, nie mehr erreicht".

    Darüber hinaus ist der Lübecker Dom spätestens seit dem Anbau des gotischen Chors mit 130 m Länge die vielleicht längste Backsteinkirche. Es gibt in Deutschland in keiner zweiten Stadt gleich zwei mittelalterliche Kirchen von diesem Ausmaß.

    Das Lübecker Rathaus war für Georg Dehio "das großartigste des deutschen Mittelalters, wie es dem Vorort der Hansa ziemt."

    Die Ausstrahlung der Stadt im Spätmittelalter war im Norden sicherlich unerreicht, sei es in Architektur, Kunsthandwerk und -handel, Wirtschaft, Stadtrecht oder als Ort der Sprachnormierung des Niederdeutschen. Braunschweig - damals ohne Zweifel eine hochbedeutende Großstadt - konnte in dieser Hinsicht ganz sicher nicht mithalten. Es ist kein Zufall, dass als mit Karl IV. erstmals seit Jahrhunderten wieder ein Kaiser ganz in den Norden des Reichs zog, natürlich Lübeck das Ziel des Herrschers war, der ansonsten die Schiene Prag-Nürnberg-Frankfurt kaum verlassen hat.

    Jedenfalls freue ich mich schon auf die Bilderserie aus der Stadt. Für Bilder in dieser Qualität könnte man fast schon Geld verlangen - was natürlich keine Empfehlung sein soll.:zwinkern:

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Ich nochmal.
    Weiss jemand denn, ob der Lettner in St Marien rekonstruiert wird ?? Und was ist eigentlich aus dem Dachreiter für St Petri geworden ??

  • Die einzigartige kulturhistorische Bedeutung Lübecks ist schon aus dem Umstand ersichtlich, dass diese Stadt das allererste Ziel der britischen Bombardierungen sogsam ausgewählter Altstädte war.
    Nicht Münster, Braunschweig oder Hildesheim, allesamt ebenfalls geographisch sehr günstig gelegen, sondern Lübeck musste es sein (offenbar hatte der frühe Bomberharris an Backsteingotik Gefallen gefunden lag, anders ist der nachfolgende Angriff auf das in einschlägiger Hinsicht beträchtlich hinter den erwähnten Städten liegende Rostock in jenem frühen Stadium nicht zu erklären).

    Die heutige in der Tat sehr eindrucksvolle Schönheit Lübecks ist ausschließlich dem glücklichen Umstand, dass Lübeck als Rotkreuzhafen in weiterer Folge unter so etwas wie rudimentärem internationalem Schutz stand, zu verdanken, ansonsten man davon ausgehen müsste, dass die Stadt 1944 oder 45 wohl gänzlich erledigt worden wäre, denn vom britischen Standpunkt aus musste das Lübecker Ergebnis jener Palmsonntagsnacht sehr unbefriedigend sein - da versucht man gewissenhaft alle bedeutsamen Städte D.s auszulöschen, wahrlich eine Heidenarbeit, und dann entgeht einem zu ca 70% just jene Stadt, die man als allervorrangigstes Ziel ausgewählt hatte, nur weil man 1942 noch ein kleinwenig in den Kinderschuhen steckte. Schon ein Pech.

    Von solchen Albernheiten hing es ab, ob eine dt. Stadt ihr mow gesamtes kulturelles Erbe hinüberretten konnte oder nicht.
    Der Wiederaufbau korrigierte leider nichts: wenn Augsburg heute schöner ist als Würzburg und Bremen schöner als Hannover, so liegt das nur am unterschiedlichen Erhaltungsgrad - der Wiederaufbau an sich war überall gleich inferior.

    Indes: Wenn RMA und Palantir gewissen Tendenzen, Lübeck nicht eben schön zu reden, kritisieren, so verwechseln sie zwei Dinge:
    nämlich die in der Tat beträchtliche Schönheit und Bedeutung der überkommenen Stadt einerseits
    mit der Bewertung des Wiederaufbaus und der momentanen Befindlichkeit andererseits.
    Was letztgenannten Punkt betrifft, so darf man diesen wohl kritisieren, gerade in einem Forum wie diesem, ohne als mieselsüchtige Altherrenrunde angesehen zu werden. Das Argument gilt nicht. Lübeck ist schön, ja großartig, das hat eben niemand bestritten, aber es könnte noch viel schöner sein, etwas wenn es einen Wiederaufbau à la Rothenburg gegeben hätte (die Ausgangslage dieser Städte war gar nicht so unähnlich).
    Während man sich in Rothenburg dem alten Erbe verpflichtet fühlte, handelte man in Lübeck im Geiste Thomas Manns, wie Brandmauer durchaus scharfsichtig dargelegt hat. Es ist kein Zufall, dass just das Buddenbrookhaus bzw die es umfassende Häuserzeile wiederhergestellt wurde, zweifellos wurden viele weit bedeutendere und besser erhaltene Fassaden abgerissen - aber eben auch dies ist die durchaus politisch gemeinte Referenz an einen Mann, der den Churchillschen Luftkrieg ausdrücklich als moralisch gerechtfertigt bezeichnet hat, ein Sinnbild für den 'modernen' Geist der Stadt, dem auch das zerstörte alte Kaufmannviertel nun eben vollständig zum Opfer gefallen ist.
    Ich weiß nicht, ob ich überinterpretiere, wenn ich vermeine, dass von diesem Geist ein kleinwenig auch auf der von Palantir präsentierten Internetseite zu merken ist: diese Seite entblödet sich nicht, den in seiner Infamie bereits absurden Angriff auf Lübeck (historisch völlig unhaltbar wie ethisch völlig unvergleichbar) mit jenem auf die britische Waffenschmiede Coventry in Verbindung zu bringen, ja sie verlinkt sogar eine entsprechende britische Seite.

    Auf jener Seite sind die Ansichten des Marktplatzes besonders interessant. Hier zeigt sich ein in meinen Augen für dt. Städte typisches Phänomen, wonach der Bebauung des zentralen Platzes anders als im restlichen Mitteleuropa keine besondere Bedeutung zukam (von den öffentlichen Gebäuden natürlich abgesehen). Die alten Giebelhäuser wirken durchaus eher schlicht, und es besteht kein Zweifel, dass man heute noch in diversen Gassen reichere Exemplare findet. Des weiteren, auch das ist ein Phänomen, zeigt sich der wirtschaftliche Erschließungsdruck auf die Platzbebauung weit stärker als anderswo - restaurative oder gar denkmalpflegerische Bedenken hatte man hier wohl nicht. Im Ergebnis wurde der Lübecker Markt im Laufe der Zeit immer mehr nach unten nivelliert - bis zum heutigen traurigen Zustand, der wahrscheinlich zu einem gewissen Teil darauf zurückzuführen ist, dass der Vorkriegszustand eben auch alles andere als berauschend war, und dass es einfach zuvor wiederaufbauwürdigen Bauten gegeben hatte. Von radikalen, aber der Innenstadt durchaus angemessenen polnischen Methoden, einen (fiktiven oder realen) älteren Zustand wiederherzustellen, hielt (und hält) man bis heute nichts, was sehr schade ist, denn der Lübecker Markt stand wohl um 1870 dem Rostocker um nichts nach.

    Die Marienkirche an sich begeistert mich nicht so besonders, das Westwerk ist mir zu massig und in den allzu biederen Oktogonhelmen nicht optimal aufgelöst, zumindest für meinen Geschmack. Ich würde da spätere Stile bzw die bizarren Türme von Stralsund, Stargard, oder Lübeck-St. Jakob, Riga, Hamburg (St. Katharinen)beziehungsweise Lösungen, die den klobigen Charakter der Backsteingotik weit mehr betonen (Danzig) oder ins Groteske steigern wie Kolberg, Rostock (St Marien), Königsberg bevorzugen. Auch im Inneren erscheint sie mir zu sehr als Prototyp, der später in überzeugenderer Manier verfeinert wurde.
    Aber was soll 's: was sind diese absurden , ja müßigen Überlegungen, wenn man sich RMAs Vorschaubilder ansieht. Wo gibt es noch so ein Stadtbild?
    Däne:
    Wirklich schöner als Danzig? Ich kenn nur Lübeck, aber Danzig erschien mir immer als Inbegriff dt. Stadtherrlichkeit.
    Auch in Bezug auf Brügge bin ich mir nicht so sicher. Vom heutigen Zustand her würde ich auf jeden Fall Brügge höher einschätzen, was notabene nichts mit der persönlichen Präferenz zu tun hat, im Gegenteil!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Indes: Wenn RMA und Palantir gewissen Tendenzen, Lübeck nicht eben schön zu reden, kritisieren, so verwechseln sie zwei Dinge:
    nämlich die in der Tat beträchtliche Schönheit und Bedeutung der überkommenen Stadt einerseits
    mit der Bewertung des Wiederaufbaus und der momentanen Befindlichkeit andererseits.

    Obwohl ich sehr ausschweifte, war das natürlich genau mein Punkt: diese Stadt verdient einen besseren Wiederaufbau und auch Rekonstruktionen, insbesondere einiger kunstgeschichtlicher Einmaligkeiten in den heute leeren Kirchen Dom, St. Petri, Marienkirche.
    Die momentane Befindlichkeit aber verhindert es.

    Ansonsten ist die Stadt natürlich einmalig, und ein bevorstehender virtueller Rundgang hier sehr erfreulich.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • @Ursus
    Diese dauererzahlung von Zweite Weltkrieg wird langsam auch wiederholerisch. Es ist schon wichtig als Hintergrundwissen, aber wir haben schon diese Diskussion so oft gehabt. Dafur gibt es genug Raum in Auerbachs Keller.Ich will nicht hiere eine Diskussion anfangen. Teilweiss teile ich nicht deine Bewertungen.

    Brugge sind deutlich schoner als Danzig weil Danzig besitzt keine Gangen und Innenhofen mehr. Brugge hat auch andere seite nicht die Fulle an reiche mittelalterliche Backsteingebauden. Das ist aber Luxus uberlegungen.

    RMA
    Ich freue mich wirklich auf deine Rundgang.

  • Zitat

    Obwohl ich sehr ausschweifte, war das natürlich genau mein Punkt: diese Stadt verdient einen besseren Wiederaufbau und auch Rekonstruktionen, insbesondere einiger kunstgeschichtlicher Einmaligkeiten in den heute leeren Kirchen Dom, St. Petri, Marienkirche.

    Das ist wahr! Allerdings ist der Dom nicht leer, sondern hat viele Kunstwerke hinüber retten können. Wirklich leer ist nur St. Petri - eine Orgelreko würde hier gut tun.

    @ Ursus

    ich meine so langsam deine durchaus kritische Haltung einschätzen zu können. Obwohl ich sie nicht ganz teile, bist du ganz offentsichtlich in der Lage, die Schwächen der meisten Städte sofort zu identifizieren. Ich bin deshalb sicher, dass du den Wiederaufbau von Danzig nicht als 100 Prozent gelungen sehen wirst. Klar ist die Langgasse (?) wunderschön. Aber schon in den Seitenstrassen fängt das Elend an: leere, eintönige Innenhöfte, Betonfachwerk, Brachen. Dazu kommt, dass nur die Rechtstadt wiederaufgebaut wurde - im restlichen Teil der Altstadt stehen sogar Plattenbauten (siehe unten). Die jüngsten Rekos sehen wirklich künstlich aus, z.B. an der Mottlau und auf der Speicherinsel. Insofern hat Danzig eigentlich ein Dresdner Problem: Die Rechtstadt als isolierte Insel im Plattenmeer.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker