Berlin - einst und jetzt

  • Doch liegt das meiner Auffassung nach leider vor allem daran, dass die meisten Menschen gar nicht dazu in der Lage sind, qualitativ hochwertige Architektur von minderwertigem Schund zu unterscheiden.

    Man merkt doch daß du Architekt bist. Diese gewisse Arroganz gegenüber dem "gemeinen Fußvolk" ist euch wohl allen zu eigen. Schön ist, was gefällt. Auf Geschmacksrichter kann ich verzichten.

    In dubio pro reko

  • Naja, es ist natürlich schon so, dass Sachverstand nicht immer schaden muss.
    "Schön ist, was gefällt", gilt für Architekten auch. Letztlich läuft alles auf den de gustibus-Spruch hinaus, da man "geschmack nicht immer schlüssig darlegen bzw beweisen kann.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @Volker
    Es war mir klar, dass mir jemand diese Keule um die Ohren hauen wird. Wenn ich nicht angegeben hätte, dass ich Architekt bin, wärst Du aber nie auf die Idee gekommen, mir diesen Vorwurf zu machen. Aber gut: dann bin ich eben arrogant!
    Ich habe nur schon vieles gesehen und gehört, was mich zu dieser Auffassung gebracht hat. Fahr doch mal in ein beliebiges Eigenheimviertel und schau Dich dort um. Glaubst Du, dass die hässlichen Städte in unserem Land von einer verzweifelten Bevölkerung bewohnt werden, die sich nach mehr Schönheit sehnt? Ich denke, dass der Mehrzahl ihre gebaute Umgebung ziemlich egal ist!
    Die Menschen, die in einem Forum wie diesem schreiben, nehme ich davon aber explizit aus! Hier interessiert man sich selbstverständlich für Architektur!
    Es wäre nur schön, nicht als arrogant abgekanzelt zu werden, weil ich meine Meinung äußere. Auch Architekten steht dieses Recht in diesem Forum zu.

  • Zitat

    Auch Architekten steht dieses Recht in diesem Forum zu.

    Der Satz ist natürlich mehr als richtig (so selbstverständlich er sein sollte).
    Und einen Architekten, der hier mitschreibt, Arroganz vorzuwerfen, halte ich nicht für so gut.
    Gerade DARUM, weil er mitschreibt, mit uns diskutiert, ist er ganz sicher NICHT arrogant.
    Ich glaube schon, dass berufliche Ausbildung im Regelfall ästhetisches Denken schult.
    Es ist sicher auch so, dass geistige Indoktrinierung das ästhetische Denken einschränken kann.
    Aber eben ein Architekt, der hier mitschreibt, wird das Alte lieben und dieser Einschränkung nicht unterliegen.

    Volker, es ist so, dass du einen ziemlichen Extremstandpunkt einnimmst, der auch von vielen (einigen) hier nicht geteilt wird. Ich sage das wertfrei. Aber diejenigen, die den Historismus im Ganzen als nicht besonders wertvoll ansehen und sich dazu geäußert haben, bzw dieser Diskussion zu müde sind, um sie zu führen, sind, soviel man weiß, alles keine Architekten.
    Der Vorwurf der Arroganz gegen die letztlich sehr maßvoll selbstbewusste Aussage, die unterstellt, es doch letztlich etwas besser zu wissen, als die breite Masse, geht daher zu weit. Diese Aussage würde auch mir, und auch dir zustehen. Auch du vestehst mehr als die breite Masse, denn, was arwed sagt:

    Zitat

    Ich denke, dass der Mehrzahl ihre gebaute Umgebung ziemlich egal ist!

    trifft wohl unzweifelhaft zu.

    Und arwed ist Architekt, er hat sich dem, was wir "nebenbei" machen, immerhin beruflich gewidmet.
    Daher finde ich, man sollte diesen unschönen Vorwurf nicht aufrechterhalten.
    @arwed

    Zitat

    Aber gut: dann bin ich eben arrogant!


    Nein, bist du nicht.
    Jedenfalls weniger, als wir alle hier.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Fahr doch mal in ein beliebiges Eigenheimviertel und schau Dich dort um. Glaubst Du, dass die hässlichen Städte in unserem Land von einer verzweifelten Bevölkerung bewohnt werden, die sich nach mehr Schönheit sehnt? Ich denke, dass der Mehrzahl ihre gebaute Umgebung ziemlich egal ist!

    Da gebe ich dir absolut recht. Jedem sensiblen Deutschen, der über die Ausnahmebegabung verfügt, Architektonisches wahrzunehmen, kommt bei jedem Gang durch deutsche Städte das kalte Grausen. Und die Tatsache, dass er außerhalb dieses Forums kaum Verständnis für seinen Frust erwarten kann, das kann in ihm eine chronische Freudlosigkeit festigen, der nur durch Auswanderung abzuhelfen wäre.

    Und doch, was wären die Heilmittel? Die Architekten, die so viel ausdruckslose Tristesse über Deutschland gebracht haben, waren allesamt davon überzeugt, gute Architektur zu liefern. Und noch heute folgen die meisten Architekten der Devise "weinger ist mehr" und halten das Schlichte, Karge, Minimalistische in architektonischen Fragen für der Weisheit letzten Schluss. In anderen Zeiten hat man darüber anders gedacht, und wahrscheinlich gehen wir einer Epoche entgegen, in der wieder Augenlust, Sinnenfreude, Behaglichkeit im Erleben von Architektur etwas gilt.

    Ich will ja nicht meine Hand ins Feuer legen für das Gebäude am Prager Platz; ich habe es noch nicht in natura gesehen. Aber es erschreckt mich doch immer, wie schnell viele Kritiker draulosschießen, etwas sei Kitsch, da sei wahllos Stuck an die Fassade geklatscht worden, da werde nur dem Massengeschmack Rechnung getragen. Der Weg aus der deutschen Architekturmisere braucht verständnisvollen und achtungsvollen Dialog. Einfache Rezepte gibt es nicht, und Urteilsgewohnheiten, die sich siebzig Jahre lang eingegraben haben, müssen endlich hinterfragt werden.

  • Bleiben wir doch mal auf dem Boden: Wir hatten bei diesem Gebäude die Wahl zwischen 3 Optionen. Die erste wäre, den Nachkriegszustand so zu belassen. Wer das ernsthaft favorisiert, gehört wohl zu den Masochisten. Die zweite Option wäre gewesen, den Originalzustand wiederherzustellen, aber ich denke das war von vornherein utopisch. Die dritte Option war nun eben, dem Gebäude in reduzierter Form wieder etwas Fassadenstruktur und Harmonie, eine klassische Anmutung zu verleihen, und genau das wurde gemacht. Ich bin deshalb zufrieden mit dem Ergebnis und verstehe daher manche Stilpuristen nicht, die an dieser doch wirklich guten Absicht wieder nur herumnörgeln können.
    Es handelt sich hier um eine sichtbare Aufwertung, und das zählt.

    In dubio pro reko

  • Man muss sich doch jetzt auch nicht so an diesem Haus am Prager Platz aufhängen. Die ursprüngliche Gestalt war auch nicht das Nonplusultra. Die Dachbekrönung war viel zu monumental für die relativ kleinen Fenster der Fassade und andere Details waren auch nicht so doll gelöst wie die Erker an der Ecke. Man muss doch bei vielleicht aller gerechtfertigten Kritik dennoch konstatieren, dass das Maximale unter den gegebenen Umständen erreicht wurde, wenn man einmal die Dachlösung ausser acht lässt. ein Gebäude mit dem man leben kann, keine Reko der Vorkriegsfassade, aber immerhin. Die Eingriffe in die Bausubstanz waren ja auch sehr schwerwiegend, so dass eine einfache Wiederbestuckung ohnehin nicht möglich war.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ich wollte eigentlich noch ein wunderbares Luftbild des alten Prager Platzes einstellen, welches die schwelgende, aber homogene Pracht des großbürgerlichen Bauens kurz nach der Jahrhundertwende zeigt. Das schenk ich mir aber lieber, um nicht die Reichsgeschmackspolizei weiter auf den Plan zu rufen.

    Stattdessen nur ein Hinweis auf diese Collage:
    Berlin Wilmersdorf, Prager Platz - gruss-aus-berlin.com

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das mit der Reichsgeschmackspolizei verstehe ich wirklich nicht. Man muss nicht unbedingt ein Verehrer der Kurfürdtendammarchitektur sein, um die städtebauliche unerreichte Qualität dieser Großbürgerviertel des alten Westens würdigen zu können. Bei aller Schwülstigkeit, gefallen mir die noch vorhandenen Ensembles und Gebäude aus dieser Epoche dennoch. "Große Architektur" sieht für mich dennoch anders aus, irgendwie weniger pompös. Für mich ist Wiesbaden allerdings, das das Vorkriegs-(West)Berlin in Reinkultur verkörpert, eine der schönsten deutschen Städte. Vielleicht stellst Du das Bild trotzdem ein, ich würde es jedenfalls gerne sehen!

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Pfälzer, Philoikodumus und Volker

    Ich verstehe ja euern Realismus, aber sind wir schon tatsächlich so tief gesunken, daß wir die Bauten des "Neuen Berliner Stils" (oder wie man diesen Neo-styroporklassizismus nennen mag) in den Himmel loben, als der Weißheit letzter Schluß, als die Erlösung aus der Architekturmisere? Diese Bauten, die vielleicht gerade so das nötigste und mindeste einer Fassadengliederung aufweisen, aber immer noch in Gänze schwächeln und unbefriedigend sind? Das was früher nicht mal als Ramsch für Arbeiterkasernen durchgegangen wäre ist heute das Nonplusultra modern-klassischer Luxusarchitektur? Man kann diesen Gebäuden ja einen guten Willen attestieren, aber da möchte ich mal Brecht zitieren mit: "Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint"
    Und dieser Umbau am Prager Platz steht noch weit unter dem, was so durchschnittlich an neuer klassischer Architektur in Berlin verzapft wird. Für mich erfüllt er also noch nichteinmal die Mindeststandards, die manch ambionierte klassisch orientiere Bauprojekte in Berlin mal mehr mal weniger noch erfüllen mag.
    Also laßt uns wieder Mut zum Idealismus zeigen und uns nicht mit gut gemeinten Versuchen zufrieden geben.

  • Mal ein große "Vorher - Nachher"

    Der Prager Platz einst:


    1913, Einmündung Prager Straße und Motzstraße, Max Missmann:


    Luftaufnahme, oben Kaiserallee (heute Bundesallee), 1926:


    Luftaufnahme, links die Kaiserallee (heute Bundesallee),1929:


    und im September 2014:


    Südwestecke:


    Westseite:


    Nordwestseite:


    Ostseite:


    Südostseite:

  • Ich verstehe ja euern Realismus, aber sind wir schon tatsächlich so tief gesunken, daß wir die Bauten des "Neuen Berliner Stils" (oder wie man diesen Neo-styroporklassizismus nennen mag) in den Himmel loben, als der Weißheit letzter Schluß, als die Erlösung aus der Architekturmisere?

    Nee, lieber Karou, ich kann den "Neuen Berliner Stil" (oder Stuttgarter, Hamburger, Frankfurter) nicht ausstehen, ich lobe dieses Mindestmaß an Gestaltung keineswegs als das Nonplusultra. Beim Prager Platz würde ich deshalb eine Ausnahme machen, weil hier eh alles Wurscht ist und eine Rekonstruktion des Vorkriegszustandes bei allem Idealismus nicht zu erwarten oder mit vertretbarem Aufwand durchzuführen war. Wenn historisierend gebaut wird, dann à la Nöfer oder Patzschke, obwohl mir letztere auch oft zu schlecht durchkomponieren.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

    Einmal editiert, zuletzt von Pfälzer Bub (20. Januar 2015 um 22:46)

  • Das Gegenteil von gut ist gut gemeint stammt mW von Karl Kraus, Kaoru.
    Ansonsten volle Zustimmung.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Mut zum Idealismus, Karou? Oder vielleicht einfach Maximalforderungen, die nicht erfüllbar sind? Damit machen wir uns in diesem Forum nur zu einem Häuflein realitätsfremder Stilsektierer. Was besseres als den "Berliner Stil" kriegst du in der heutigen Zeit der Rentabilität einfach nicht, damit müssen wir uns (vorläufig) abfinden, oder wir geben uns utopischen Tagträumen hin. Und ich kann mich an diesem Stil durchaus erfreuen, denn er bemüht sich wenigstens darum, dem Wunsch nach etwas klassisch-traditionellem Flair entgegenzukommen. Oft unbeholfen und grenzwertig, aber wer will das den verantwortlichen Architekten verdenken, das Repertoire ist einfach zu lang verschüttet gewesen. Ich weiß es schon zu schätzen wenn ein Gebäude Gesimse, Erker oder Rundbögen aufweist, denn in Zeiten der erstarrten Moderne ist das bereits subversiv und gibt eine neue Richtung vor.

    In dubio pro reko

    9 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (21. Januar 2015 um 17:58)

  • Maximalforderungen sind natürlich zu verfolgen. Neumarkt, Frankfurter Altstadt, Potsdamer Innenstadt - wo wären wir da, wenn nicht jemand Maximalforderungen gestellt hätte?
    Hinsichtlich des Prager Platzes hast du natürlich recht - hier ist die Forderung nach Komplettreko illusorisch.

    Aber hinsichtlich dieses einen, in seinen Grundmauern erhaltenen Hauses wäre sie zu stellen gewesen.
    Warum nicht?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ursus, um da präziser zu werden: Bei Rekonstruktionen bin ich sehr wohl für Maximalforderungen, jedoch bei Neu- oder Umbauten nicht. Da sollten wir abwarten, welchen Weg die neue klassische Architektur geht, die momentan noch in den Anfängen steckt. Stilistische Merkwürdigkeiten gehören da einfach dazu und sollten verziehen werden. Ich persönlich finde es sogar sehr spannend, was der besagte "Berliner Stil" so hervorbringt. Es ist ein Experimentieren mit verschollenen Künsten, und meistens kommen da ganz interessante Sachen dabei heraus. Ist doch alles besser als die tausendfach wiederholte Retro-Bauhaus-Kiste.

    In dubio pro reko

  • Junge, was war der Platz damals für ne Wucht! Und heute...ne, dazu sag ich besser nichts.

    Und dazu war der Platz eher ein "Nebenschauplatz". Die großen Schmuckplätze des Westens waren noch prächtiger. Leider muss man dem heutigen Prager Platz was Architektur und Platzgestaltung betrifft, konstatieren, dass er noch einer der besten kriegszerstörten Plätze Berlins ist.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    Da sollten wir abwarten, welchen Weg die neue klassische Architektur geht, die momentan noch in den Anfängen steckt. Stilistische Merkwürdigkeiten gehören da einfach dazu und sollten verziehen werden. Ich persönlich finde es sogar sehr spannend, was der besagte "Berliner Stil" so hervorbringt

    Für mich liegt das Problem einfach darin, dass alles auf diese Weise Hervorgebrachte klar hinter der gründerzeitlichen Vorbebauung zurückliegt. Dass ich deren Wert jetzt nicht für übertrieben hoch erachte, machte die Sache nur umso schlimmer.
    Die Neue Klassisische Architektur oder wie man das nennt, müsste dem historistischen Vorbild wenigstens in einem einzigen Parameter, in einer einzigen Qulität oder eigenen Note überlegen sein. Das muss natürlich nicht unbedingt mit noch mehr "Aufwand" erfolgen. Aber irgendeine Originalität wird erforderlich sein, um gründerzeitliche Üppigkeit wenigstens teilweise zu kompensieren.
    Es ist einfach unbefriedigend, nur mit müdem Abklatsch konfrontiert zu werden.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Leider muss man dem heutigen Prager Platz was Architektur und Platzgestaltung betrifft, konstatieren, dass er noch einer der besten kriegszerstörten Plätze Berlins ist.


    Man bedenke auch, dass die heutige Platzumbauung Resultat eines seit den 80er Jahren bewusst in Gang gesetzten städtebaulichen Kraftakts war, an dem sich solche Koryphäen wie Gottfried Böhm und Rob Krier (das "Wasserturmhaus") beteiligten. Davor war der Platz jahrzehnte hindurch praktisch nicht mehr vorhanden; die Wohnzeilen der 50er/60er-Jahre endeten im Nichts, ohne den einstigen Platz überhaupot zu erreichen. Die in Berlin und Hamburg besonders rigide verfolgte Nachkriegs-Stadtbaudoktrin versuchte, städtische Räume einfach zu eliminieren und zu Verkehrskreuzungen zu degradieren, das Prinzip der Wohnzeilen wurde in der Innenstadt wie in Vorstädten gleichermaßen durchgezogen, ohne den geringsten Respekt vor der Stadtstruktur, die bis zum 2. WK bestanden hatte.

    Das muss man wissen, um das heutige Gesicht des Prager Platzes würdigen zu können. Hier wurde eine Pionierleistung vollbracht, ein bewusstes Umsteuern zu einer Wiedergewinnung innerstädtischer Platzfiguren. .