Ich denke, dass dieses Bewusstsein eventuell aber auch gerade durch die Opposition zu Preußen befeuert wurde. Indem man sich auf die glorreiche Vergangenheit berief, versuchte man den Schock zu immunisieren, plötzlich von einer "fremden" Macht beherrscht zu werden. Preußen ist der typische Emporkömmling der Geschichte, vielleicht vergleichbar mit Makedonien. Ein Gemeinwesen, das im Gefüge der verschiedenen Mächte eigentlich ursprünglich eher den Platz eines Außenseiters einnimmt, sich jedoch durch Pragmatismus und Fleiß hocharbeitet und im folgenden vielleicht eher durch Effizienz besticht denn durch Feingeistigkeit. Natürlich ist dies sehr vereinfachend ausgedrückt - auch Preußen hatte einen Friedrich den Großen oder einen Friedrich Wilhelm IV. Und irgendwann sehen sich die älteren, traditionsreicheren Herrschaften plötzlich durch diesen vitalen Emporkömmling überwunden. Um dieser demütigenden Realität zu entkommen, flüchten sich also nun die älteren Gemeinwesen in ihre ruhmreiche Geschichte und betonen ihre überlegene Kultur. Eine ruhmlose Gegenwart wird mit ruhmreicher Geschichte kompensiert.
Natürlich gab es im 19. Jahrhundert eine generelle Ablehnung gegenüber allem "Welschen", aber ja, in einer Stadt wie Köln mit "welschen" Wurzeln war es natürlich viel schwieriger, diesen Teil der Vergangenheit auszublenden, weswegen man sich dort vielleicht auch eher mit dem Mittelmeerraum verbunden fühlte als in Gebieten Deutschlands, die nie Anschluss an die Antike gehabt hatten. Der Katholizismus spielte hierbei sicherlich auch eine Rolle. Aus diesem kulturellen Hintergrund heraus kann man Adenauer und seine Sympathien Frankreich gegenüber verstehen.