Freiburg im Breisgau - Kaiser-Joseph-Straße 192

  • Daß man ein Gebäude von einer solch herausragenden Qualität plattmacht, ist ein Skandal und eine Schande sondergleichen. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, daß den Verantwortlichen daran gelegen ist, die Gebäude, die das Antlitz der jeweiligen Stadt gerade erst ausmachen, den Freunden des jeweiligen Orts regelrecht abzunehmen, um sie von der Bindung an diesen Ort zu entfremden. Wenn die Bauhausideologie nur noch zu den drastischsten Mitteln greifen kann, hat sie ihre Legitimation verloren. Freiburg hat gerade eine der besten Zierden der spezifischen Zeit verloren. Hat die Stadt deshalb an Wert gewonnen?
    Pfui Deibel. :angry:

  • WAS ZUM TEUFEL?!?!? :kopfwand: :kopfwand: :kopfwand:

    OK, ich war laengere Zeit nicht hier auf SBD und habe das daher erst jetzt mitbekommen,
    aber mein lieber Herr Gesangsverein, was ist denn das fuer ein Desaster? Es fehlen einem
    ehrlich die Worte, und ja, dass das in Freiburg passiert, ist nochmal eine Magnitude groes-
    ser.

    Na ja, habe ich wenigstens was zum Maulen, wenn ich im Dezember wieder zu Besuch bin.

    Und was aus der UB und dem Platz werden wird, will ich am besten gar nie sehen!

    CK

    „Groß ist die Erinnerung, die Orten innewohnt“ - Cicero

  • Jetzt sehe ich erst, dass der Entwurf überarbeitet worden ist - der Bürgerprotest hat doch tatsächlich mal was gebracht!

    Freiburg: Kaiser-Joseph-Straße: Bewegte Fassade: Sparkasse stellt überarbeitete Entwürfe vor - badische-zeitung.de

    Zitat

    Die Ablehnung im vergangenen Herbst war breit. Der Grund immer der gleiche: Die Fassade sei nicht freiburg-typisch. Eine Antwort darauf fand auch der Expertenkreis nicht, den Sparkassenchef Kary kurzerhand einberief. Eine typisch Freiburger Architektur gibt es nicht. Trotzdem griff der Beirat das Unbehagen auf, das der erste Entwurf des Münchner Architekten Wolfram Wöhr ausgelöst hat. Er hatte den Auftrag erhalten, anstelle der Sparkassenpassage in der Kaiser-Joseph-Straße 192 einen Neubau zu planen (die BZ berichtete mehrfach). Es hagelte Leserbriefe. Und auch dem Bau-Ausschuss des Gemeinderats gefiel die Fassade nicht...

    Zitat

    Wolfram Wöhr hat denn auch ein Kriterium entdeckt, das er für speziell hält: die Maßstäblichkeit. "In der Altstadt wird eine bestimmte Dimension nicht überschritten", sagte er gestern. Das geplante Gebäude erhält nun eine deutlichere Teilung. Er verpasste der Fassade "kleinere, feinere Elemente" mit Vor- und Rücksprüngen. Vor allem der Blick aus der Münstergasse, auf den Stadtplanungsamtsleiter Wulf Daseking großen Wert legt, prallt nun nicht mehr auf eine glatte Fassade.


    "Eine typische Freiburger Architektur gibt es nicht" - ist ja mal wieder der Hammer! eek:)

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ich verstehe nur nicht so ganz, warum sich die Visualisierungen der beiden letzten verlinkten Artikel unterscheiden - und die des neueren wieder deutlich schlechter aussieht, wie ein Hybrid aus dem Erstentwurf und der Überarbeitung. Ist hier wieder verschlimmbessert worden?

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  • Habe jetzt wegen der Bedeutung der Baumaßnahme mal einen eigenen Strang drausgemacht.

    Ich halte den nun verlorenen Nachkriegsbau nach wie vor für einen der besten Nachkriegsbauten überhaupt im deutschen Sprachraum. Auch nach längerem Überlegen will mir kein Gebäude einfallen, das unter den Rahmenbedingungen "großvolumiges Geschäftshaus im Zentrum einer Großstadt" eindeutig besser abschneidet. Natürlich gibt es auch andere gute Nachkriegsbauten, aber dieser war doch wohl absolut erstklassig. Seine Zerstörung ist in der Tat unfassbar und lässt einen fragen, wie Weingeist es schon getan hat, ob damit dem Stadtbild das Herz herausgerissen werden soll, damit all die Menschen, die einen Begriff von Heimat haben, um diese betrogen und entwurzelt werden.

  • Danke, Palantir.

    Blendendes Resumée unseres Modernistensystems (Link - Palantir):

    Zitat

    An der oben genannten Veranstaltung nahm ich als Zuhörer teil und musste feststellen, dass die Argumentationen des Herrn Daseking eher denen eines Pressesprechers des Sparkassendirektors als dem Leiter des Stadtplanungsamtes der Stadt Freiburg entsprachen. Auch seine Äußerung – "da wurden ein paar Bögen hingepfriemelt" – hatte nichts mit sachlicher Diskussion zu tun. Bögen sind formale, konstruktive und Gebäude prägende Elemente der gesamten Architektur gewesen und werden es auch bleiben. Es kann doch nicht sein, dass der persönliche Geschmack bei der Entscheidungsfindung über Architektur- und Stadtgestaltung ausschlaggebend ist. Nebenbei sei erwähnt, dass die 1980 erstellte Fassade von der Stadt Freiburg mit einer Plakette für eine gelungene Fassadensanierung ausgezeichnet wurde (siehe Fassade). Wenn manche Architekten heute mit dem Gestaltungselement Bogen überfordert sind und sich mit dem modischen, unlogischen stockwerksweisen Versetzen von Stützen und Öffnungen begnügen, muss dies nicht unbedingt eine bessere Lösung sein. (...)

    21.12.2010, Leserbrief von Arno Exner, Buchenbach


    Schade nur, dass diese Ausführungen dem Herrn Daseking wohl mal wieder nicht persönlich verabreicht worden sind. Das werde ich dann gleich mal ändern. Falls sich noch jemand inspiriert fühlen sollte: Wulf.Daseking@stadt.freiburg.de

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    4 Mal editiert, zuletzt von youngwoerth (6. November 2011 um 10:51)


  • Hätte ein netter Stadtplatz werden können.


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  • Das Bauprojekt Kajo 192 wäre an sich ja gar nicht so übel, hätte man dafür nicht einen viel besseren Bau beseitigen müssen. Meiner Meinung nach, wäre doch besser das Haus Kaiser-Joseph-Straße 180 durch diesen Neubau ersetzen worden. Habe ich zwar bereits erwähnt, aber dieses grauenhafte Gebäude ist mir eben sofort negativ ins Auge gefallen. Das Haus versaut gleichzeitig eine Seite des Kartoffelmarktes.

  • Danke Neußer! :)

    Du sprichst mir aus der Seele. Es ist einfach traurig, dass ausgerechnet dieses mehr als vorbildliche Gebäude weichen musste - gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es in der Kajo genügend Bauten gibt, über deren Abriss ich mich gefreut hätte. Der Nummer 180 als eines der deprimierendsten und ortsuntypischsten Nachkriegsexperimente Freiburgs hätte ich keine Träne nachgeweint.

    Man muss allerdings bedenken, dass es hier nicht um die Reparatur und Verschönerung des Stadtbilds von Seiten der Stadt ging, sondern um eine interne Sparkassen-Angelegenheit. Und die Sparkasse besaß eben leider dieses Gebäude - und nicht die Kajo 180.

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    Einmal editiert, zuletzt von youngwoerth (23. September 2012 um 12:34)

  • Das "Kajo" finde ich noch eher eines der "besseren" Neubauten (ich vermeide hier bewusst den Begriff "modern", da praktisch nichts von alldem was ahnungslose Politiker und ebenso ahnungslose Architekten uns als "modern" verkaufen, auch nur annäherungsweise diesen Begriff verdient. Geclonte Bauhaus-Architektur ist nicht modern, sondern unmodern.) Für die Wilsdruffer Strasse in Dresden (oder Postplatz!) hätte man sich ja so etwas beinahe gewünscht....

    Neg. Kritik:
    - Gesims ragt zu weit nach vorne

    - Erster und Zweiter Stock sind dem EG zu ähnlich in Proportionen, dadurch Monotone Erscheinung.

    - Säulen ziehen sich senkrecht zu gleichförmig hoch bis ins letzte Stockwerk, dadurch auch hier zu viel monotone Wirkung.

    Positiv:

    - Bin sonst kein Freund von exzessiver Verwendung riesiger Glasflächen, da mir zu "sachlich" und zu kalt und steril; aber in diesem Falle finde ich den reichlichen Gebrauch von Glas in Ordnung.

    - Besonders schön: Keine Schüttelfenster! Normale Fensterfronten, kein Kassenbon, kein Strichcode-Muster oder Ähnliches. Alleine das ist ja heutzutage viel Wert... :blink::schockiert::augenrollen:

    Resümée:
    Dennoch - man könnte so etwsa sehr, sehr viel besser bauen....optimal ist dieses Gebäude, trotz einiger positiver Ansätze, m.E. nicht.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • ich will dir ja da an sich nix dreinreden, Mladko, denn von FB verstehst du wohl 9072³ mal mehr als ich, aber wenn dir die Meinung von einem total Außenstehenden ein Trost sein kann: mir gefällt die neue Fassade viel, viel besser als die alte, die mE nur kitschig und billig war und ästhetisch überhaupt nichts taugte. Die neue ist nicht so schlecht.
    Außerdem ist mE eh viel wichtiger, wie sich die Hinterseite zum Franziskanerplatz oder wie der Raum da heißt, ausnehmen wird. Dort ist ja noch ein sehr hübscher Altstadtrest, den es zu verschönern gälte - die alte Rückseite gab da ja wohl gar nichts her.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Der abgerissene Bau hat sich stark an der im Krieg beschädigten Jugendstilfassade orientiert und somit die Aura an dieser Stelle gewahrt (für mich kaum Kitsch-Potential). Ein Pluspunkt gegenüber dem Neubau, der mit dem Ort nur wenig zu tun hat, würde ich meinen.

    http://img3.imagebanana.com/img/4z2m348m/sparkassefreiburg.jpg

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    Einmal editiert, zuletzt von youngwoerth (23. September 2012 um 19:56)

  • Stimme youngwoerth hier absolut zu, der postmoderne Bau hat sich in sehr gelungener Weise an die Jugendstilfassade angelehnt und war alles andere als kitischig. Von allen Gebäuden in der Kaiser-Joseph-Straße war dies eines der besten. Der Neubau ist nicht gar so schlecht, man kann seinen Frieden damit machen, auch wenn er gestalterisch mit dem Vorgänger nicht mithalten kann, dem z.B. die Rundbögen der Schaufenster Eleganz verliehen.

    In dubio pro reko

  • Na ja.
    Erstens. Der Vorgängerbau war Massenware und hatte mit dem genius Loci nix am Hut. Er hätte genauso in Mariahilf oder in Kattowitz stehen könne.
    Zweitens. Zwischen dem "Wiederaufbau" und dem Vorgängerbau liegen doch Welten. Von der Wahrung der Qualität des "Originals" kann doch keine Rede sein. Historismus ohne Ornamentik wird nix. Überhaupt wenn er mit Jugendstilelementen aufgepäppelt war. Diese leere Fassade war nur peinlich.
    Als Historismusfreak solltest du da sensibler sein!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
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  • Ich sprach ja auch von der "Aura an dieser Stelle" und nicht von der "Aura Freiburgs". :wink:
    Da wurde halt etwas aus der Vorkriegszeit aufgegriffen und das sollte in einer dermaßen zerstörten Straße nicht schaden? Wenn nun etwas Besseres kommen würde, aber dem ist m.E. halt nicht so, auch wenn der Nachfolger wie schon gesagt "nicht ganz schlecht" ist.

    Nochmal zur Erinnerung:

    Ich mochte den Bau und die steinerne Fassade empfand ich als sehr wertig - ich weiß nicht, warum er auf Dich "billig" wirkt. Gegen mehr Ornament hätte ich natürlich nichts eingewendet.

    Auf die Rückseite bin ich aber auch gespannt - eventuell gibt es hier eine Verbesserung.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ein schöner einfallsreicher Bau war das, von peinlich keine Spur. Die fehlende Ornamentik hat mich gar nicht mal gestört, ich fand das Gebäude als Beispiel einer die Vergangenheit aufgreifenden, wenngleich reduzierenden Postmoderne sehr interessant, wie youngwoerth schon sagte, das wertige Fassadenmaterial und die gestalterischen Zitate des Jugendstilbaus konnten den Betrachter durchaus beeindrucken. Mehr von solcher Architektur (wenns schon keine Rekos sein dürfen), und unsere deutschen Einkaufsstraßen sähen gleich viel schicker aus.

    In dubio pro reko

  • Vergangene Woche wurde der Neubau in der Kajo abgerüstet und beim Gang über den Weihnachtsmarkt Samstagabend hatte ich meine kleine Kamera dabei. Anbei die ersten Nachtfotos des Neubaus. Bitte die grobkörnige Qualität der Fotos zu entschuldigen, hatte hohe Empfindlichkeit eingestellt! Bei Gelegenheit gibt`s noch Tagfotos!

    Der Bau fügt sich meiner Meinung nach ganz gut in den Straßenverlauf ein. Wenn man genau hinschaut, so sind es eigentlich 2 Fassaden. Die Trennlinie betont einen Fassadenknick, der dem gebogenen Verlauf der Kaiser-Joseph-Straße folgt. Das Mezzanin-Geschoß nimmt selbiges von der benachbarten Sparkasse auf, auch ein Neubau ca. 5-6Jahre alt!?
    Der rechte Fassadenteil wird durch erkerartige, ausgestellte, über 2 Stockwerke reichende Fenster angenehm transparent und auflockernd gegliedert. Der linke Fassadenteil dafür gröber modelliert. Die Rasterstruktur ist mir insgesamt etwas überdimensioniert, blockig, grob. Immerhin sind die Rahmenelemente abgeschrägt und mit Natursteinplatten verkleidet.
    Im Arkadengang wurde eine wellige Decke installiert. Mal was anderes!
    Parallel zur Franziskanerstraße zeigt der Bau eine Putzfassade, auch auf der Rückseite zur Martinskirche hin!
    Insgesamt ist die Fassade im Vergleich zum Vorgängerbau plastischer durchgearbeitet, wenn auch zu grob belassen , um sich in die Proprotionalität des Straßenraums harmonisch ganz einzufügen. Die alte Kolosalsäulenfassade links davon scheint mir fast erdrückt zu werden!
    Die Sockelzonen und Pfeiler sind noch nicht alle verkleidet!


    Von der Kajo aus gesehen:

    Aus der Franziskanerstraße zurück zur Kajo geschaut. Rechts die Martinskirche!

    Linke Fassdenhälfte von der Kajo aus und nochmal Ansichten aus der Totalen:

    Unter den Lauben, die "Wellendecke" :schockiert:

    Blick in die Franziskanerkirche

    Im Februar 2012 traf ich eines Abends einen älteren Mann, der, wie ich, das Bauschild für den Neubau studierte und den Anblick auf den freigelegten Chor von St.Martin genoß. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, daß er von Beruf Architekt gewesen war und nun beim Vorstand der Sparkasse bei der nächsten Gelegenheit als Kunde derselbigen in einer Sitzung über die Planungen zum Neubau teilnehmen wollte, um für eine architektonische Lösung einzutreten, die den Chorbau von St.Martin sichtbar machen sollte. Da hat sich offensichtlich nicht das folgenreiche Gehör verschaffen können! Schade, eine städtebauliche Chance vertan!

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (23. Dezember 2013 um 00:23)