• Zitat

    Das neue Modehaus bringe Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt und werde als weiterer Anziehungspunkt zusätzliche Kunden nach Kassel locken.

    Nur das interessiert in Kassel (und auch noch an manch anderem Ort). Doch die Rechnung wird ihnen im Zuge der Krise nicht unbedingt aufgehen.

    Wikos
    Ach, die Fassade werden sie schon wieder hinstellen. Vermutlich als kontrastreiche Vorblendung einer Glashaut in diesem (Frankfurter) Stil:
    http://www.frank66furt.de/frankfurt/innen018.jpg
    http://www.frankfurt-live.com/upload/2008-q4…annbrothers.jpg

    Und da kann sich dann ein Architekt für die "spannende" Lösung wieder feiern lassen.

    Nun, warten wir´s ab.

    Doch die eigentliche Frage lautet: Wen interessiert eigentlich noch Kassel?

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (12. April 2011 um 02:47)

  • Zitat von "Wikos"

    Schön das die Leserbriefe erschienen sind. Hat aber wohl leider nicht viel genutzt. Wenn das Gebäude erst mal abgerissen ist dann finden sich später genug Gründe, warum die Fassade dann doch nicht stehen geblieben ist oder die Fassade dann doch nicht wieder aufgebaut wurde...

    Ach, ganz so nutzlos sehe ich die Kritik und die Proteste dann auch wieder nicht... (erst am Dienstag waren es nochmal 7 Leserbriefe, und die Unterschriftenzahlen sollen jetzt auch schon nahe an 2000 ranreichen). Ich denke, daß die Stadt ohne das Bewußtsein, daß es heftige Proteste geben würde, nicht einmal den Nachbau der Fassade gefordert hätte (denn soviel ist ja wohl sicher, daß da kein Stein auf dem anderen bleiben wird), und daß dann irgendein Kasten dort hinkäme - wie erst vor drei jahren bei den Resten des Palais Reichenbach. Das Ergebnis IST ziemlich schmerzlich und hat nichts mehr mit Denkmalschutz zu tun, aber man kann es wenigstens noch unter "Stadtbildpflege" verbuchen... Offenbar als Trostpflaster sollen ja - laut HNA von gestern - "auch Stuckteile, die im Lauf der Jahre verloren gegangen seien," wiederhergestellt werden, was eigentlich nur die Dekorationen mit den Kopfplastiken über den Fenstern meinen kann; das wäre ohne die Proteste vielleicht auch nicht gekommen, wobei es mir am Originalbau hundertmal lieber wäre (nur hoffe ich, daß man sie nicht tatsächlich in Stuck ausführt :? - sonst hätten wir auch nicht lange Freude dran...).
    Wir müssen jetzt wirklich erst mal abwarten, was der Wettbewerb bringt - und wenn da nichts Gescheites bei rauskommt, dann geht es in die nächste Runde.
    Die große Frage ist nur: Was passiert in 20, 30 Jahren, wenn das Gebäude längst steuerlich abgeschrieben ist? Oder wenn das Modehaus in 10 Jahren zusätzliche große Schaufenster haben möchte? Dann unterliegt die Nachbildung natürlich keinem Denkmalschutz mehr... und ob all die schönen Zusicherungen von heute dann noch gelten...?

    Heimdall, die Befürchtung habe ich eigentlich (noch) nicht; es soll ja sogar dieses blödsinnige Scheinmansarddach aus dem Wiederaufbau nachgebildet werden. Das alte Satteldach wäre mir um einiges lieber, aber diese Auflage (und ihre öffentliche Zusicherung) dürfte zumindest erst mal eine Art Versicherung gegen einen solchen Unsinn sein.

  • Heute berichtet die HNA über ein kleines Rekonstruktionsprojekt:
    Burgfeldstraße 21 wird aufwendig saniert, und der seitliche Turm erhält dabei seine ursprüngliche Laterne wieder.

    http://www.hna.de/kasselstart/00…r_komplett.html

    Das Gebäude ist auch auf der von Chatte angegebenen Seite beschrieben: http://www.kassel-wilhelmshoehe.de/villen.html#04, am Ende der ersten Hälfte, mit historischen Bild: http://www.kassel-wilhelmshoehe.de/bilder_vk/Burgfeldstr21.jpg.

  • Vielen Dank dir Hesse für den Link. ich freue mich immer, wenn ich über solch positive kleine Projekte lesen darf, die Privatleute aus Idealismus und trotz der damit verbundenen höheren Kosten realisieren. Schön!

  • Zitat

    „Es ist toll, dass wir für den wichtigsten Platz in Kassel zeitgemäße Architektur entwerfen können“, sagt der Architekt. Und dass es gelungen sei, die komplexen Anforderungen zu erfüllen, 50er-Jahre, barocke Architektur und wirtschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen.


    Quelle: HNA.de

    Diese Freude vergeht einem schnell, wenn er weiß, was dort vor dem Krieg stand: das schönste Barockhaus der Stadt. Das Henschelhaus war nur daran angelehnt.
    Dieses Henschelhaus hatte dem obigen Bilde nach wirklich noch historische Atmosphäre. Die jetzt entstehende Kulisse wird sie nicht mehr haben.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Es ist schon erstaunlich wie man gegen den Bürgerwillen eines der letzten historischen Gebäude einreißt in einer Stadt die übersäht ist mit Baulücken, Nachkriegsbarracken und Provisoren.

    N. m. E. sollte man schleunigst die Denkmalschutzbehörden in der heutigen Form abschaffen. Es gibt mittlerweile eine ellenlange Liste mit unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden, deren Abriss durch Denkamlschutzbehörden legitimiert wurde. So können sich immer wieder Stadtverantwortliche auf den "Fachverstand" der Denkmalschutzbehörden berufen und verfügen so immer wieder über ein schlagkräftiges Abrissargument. Da offensichtlich die Denkmalschutzbehörden nicht als Anwalt für ihre unter Schutz stehenden Gebäude auftreten, sollten diese sich auf die Dokumentation des historischen Erbes beschränken und keine kontraproduktiven "Stellungnahmen" zur Aufhebung des Schutzes von einzelnen Denkmälern mehr abgeben.

    ...

  • Zitat von "Palantir"

    Unsere Kasseler, Kasselaner und Kasseläner sind verstummt

    Ja, leider, aus akutem Zeitmangel :(

    Aber es hat sich in den letzten Monaten einiges getan - deshalb zumindest ein kurzer Bericht:
    Anfang November wurde bekannt, daß der Denkmalbeirat dem Abbruch zugestimmt hat, ohne überhaupt das Innere des Gebäudes gekannt zu haben, und auch der Denkmalschutzbehörde waren die Innenräume offenbar unbekannt; man verließ sich wohl alleine auf die ausgewählten Bilder, die der Investor vorlegte... Die Veröffentlichung von Innenaufnahmen eines runden Zimmers mit Stukkaturen und Dekorationsmalereien durch die Bürgerinitiative brachte nun neuen Schwung in die Angelegenheit; im Ausschuß für Stadtentwicklung und Verkehr kam das Thema auf die Tagesordnung, und die Stadtverordnetenversammlung beschloß, daß vor einer Innenbesichtigung keine weiteren Entscheidungen mehr zu treffen seien. Die Ausschußsitzung erwies sich allerdings als Farce: Die FDP, welche die Anfrage gestellt hatte, befürwortete selbst das neue Modehaus, die Fragen wurden durch den Stadtbaurat und die Denkmalschutzbehörde kaum zufriedenstellend beantwortet, aber es wurden auch keine Nachfragen gestellt. Überhaupt war der Tenor in der gesamten Sitzung, auch bei anderen Themen: Das ist alles Verwaltungssache, und die Stadtverordneten haben sich aus diesen Entscheidungen gefälligst rauszuhalten.
    Der Versuch eines Bürgerbegehrens scheiterte: Die Stadt teilte mit, daß es sich bei Bauaufsicht und Denkmalschutz um Weisungsaufgaben des Landes handele, und daß gemäß Hessischer Gemeindeordnung keine Bürgerbegehren zu Weisungsaufgaben zulässig seien.

  • Daraufhin wurde beim Hessischen Landtag eine Petition eingereicht; die Ablehnung kam gerade rechtzeitig vor dem geplanten Baubeginn, und nachdem Arbeiter, die im Auftrag der Stadt bereits die Stromversorgung umlegten, schon erklärten, daß ja nach Ostern der Abbruch beginne. Hauptargument der Petition war, daß die Abwägung der Belange von unzureichenden und falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, indem Denkmalschutzbehörde und Landesamt für Denkmalpflege die Innenräume nicht einmal in Augenschein genommen haben und zudem eine Beurteilung vorgenommen haben, ohne überhaupt die historischen und baugeschichtlichen Zusammenhänge zu kennen (vgl. u.a. das Argument, in den 20er Jahren habe man ja nur im Bauhausstil gebaut). Die Begründung für das Abschlagen der Petition kam interessanterweise keineswegs vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das ja für den Denkmalschutz zuständig ist, sondern vom Wirtschaftsministerium: Der bereits erteilte Bauvorbescheid sei rechtsverbindlich; außerdem habe man (von mir jetzt etwas überspitzt formuliert) die Wahl gehabt, durch das neue Modehaus den Niedergang des ganzen Quartier aufzuhalten (da sollte die Stadt sich eher mal Gedanken über andere Teile der Innenstadt machen als über den Königsplatz) oder dem Verfall des zunehmend leerstehenden Gebäudes zuzusehen (wohlgemerkt: das Gebäude war bis zum Beginn der Verkaufsverhandlungen fast vollständig vermietet und wurde erst dann gezielt entmietet).

  • Für den Neubau wurde ein Wettbewerb veranstaltet; irgendwann Ende Oktober / Anfang November muß das Preisgericht getagt haben, und in jener Ausschußsitzung wurde die Veröffentlichung der Pläne angekündigt; es seien lediglich vier Punkte der Königsplatzfront noch zu überarbeiten. Für Anfang Dezember war dann die Eröffnung einer Ausstellung vorgesehen, die jedoch äußerst kurzfristig wieder abgesagt wurde. Kurz nach Abschlagung der Petition stellte die Lokalpresse schließlich die Entwürfe vor; Ergebnis: die "Rekonstruktion" der historischen Front wird über 1m höher als im Original, die ganze Höhenentwicklung dementsprechend verändert - ein ganz ähnliches Spiel wie beim Potsdamer Stadtschloß: Man schneidert sich die historische Architektur passend zurecht. (Die Gründe dürften ziemlich offensichtlich sein: Dadurch, daß die neuen Geschosse deutlich höher werden (auch wegen Klimatechnik etc.), hätte man eine Trennfuge zwischen Verkaufsebenen und Fassade setzen oder mit Blindfenstern arbeiten müssen; nun kann man sich diese Fuge sparen und der Verkaufsfläche zuschlagen. Außerdem rutscht der Knick des neuen Mansarddaches weiter nach oben, so daß im obersten Verkaufsgeschoß eine bessere Flächenausnutzung erzielt werden kann.)
    Zwar hatten seinerzeit der damalige Stadtbaurat und die Denkmalschutzbehörde erklärt, daß der Erhalt oder detailgetreue Nachbau der Fassade eine Bedingung für die Abbruchgenehmigung sei; inzwischen stellte sich jedoch heraus, daß im Bauvorbescheid lediglich ein "Qualitätssicherungsverfahren", also ein Architektenwettbewerb gefordert war - zur Fassade habe es keinerlei Festlegungen gegeben.

    Ich hoffe, daß ich jetzt in der Schnelle alles richtig dargestellt und nichts vergessen habe; nachher reiche ich dann noch einige Links nach.

  • Nun die versprochenen Links:

    http://www.presche-chr.de/christian/Hens…sHauptseite.htm
    mit Bildern (u.a. des Treppenhauses und des runden Zimmers) und Kurzdarstellung der Ereignisse,

    http://www.presche-chr.de/christian/Koenigsplatz%2055.htm
    mit ausführlicher Darstellung, unter Teil II, 10 die Neubauentwürfe.

    http://www.hna.de/nachrichten/st…aus-690919.html
    und
    http://www.competitionline.de/3038309/
    zum Neubau (auf "Competitionline" stehen unter "1. Preis" die gesamten Fassadenentwürfe zum Durchklicken).

    http://www.presche-chr.de/christian/AkD_…twuerfe_P&C.pdf
    zum verfälschenden Fassadennachbau.

  • Es ist zum Verrücktwerden. Warum sitzen in Kassel seit 60 Jahren Entscheidungsträger, die immer wieder solche Freveltaten zulassen? Wo man auch hinschaut in dieser Stadt: Abrisse, Verschandlungen, maßstabslose Neubauten, und immer alles ungeachtet sämtlicher Proteste -man glaubt wirklich, es liegt ein Fluch über dieser Stadt... :kopfschuetteln:

  • (Entsprechend zum Altstadt-Strang richte ich mal einen eigenen Strang zur Oberneustadt ein.)

    Leider gibt es mal wieder Neues, diesmal zum Palais Bellevue aus dem 18. Jh. (einziges erhaltenes fürstliches Wohngebäude in der Innenstadt):

    http://www.hna.de/nachrichten/st…ung-816751.html
    Hier die von der HNA zitierte Resolution des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, mit Bildern und einer Simulation der letzten Planung aus dem Frühjahr: http://www.presche-chr.de/christian/Reso…is_Bellevue.pdf

    Vor einigen Jahren hatte das Stadtbauamt schon einmal fast dieselben Anbaupläne vorgelegt - damals für den Ausbau des Palais als Brüder-Grimm-Museum. Diese Grundlage besteht inzwischen aber nicht mehr: Das Museum soll nun einen Neubau erhalten, und es gibt einen Beschluß der Stadtverordneten, das Palais "denkmalgerecht" zu sanieren - ohne Nutzungszwang. Nur kurzfristig, bis zur Fertigstellung des Neubaus, soll das Grimm-Museum noch einmal provisorisch in dem historischen Gebäude unterkommen.
    Dennoch wurde im Frühjahr die alte Planung wieder aus der Schublade geholt und leicht abgewandelt; in dem Glaskasten sind weiterhin Foyer, Garderobe, neue Treppe und Fahrstühle vorgesehen. Einen Fahrstuhlschacht hat man zwar vor einigen Jahren schon im Palais selbst eingebaut, und der Anbau würde auch lediglich das 1. OG erschließen (wenn man 2. OG und DG nutzen will, also eine völlige Fehlplanung), aber das stört die Verantwortlichen nicht weiter. Erste Proteste haben immerhin schon die Zusicherung erreicht, daß der Anbau auf zwei Fensterachsen der Nordostseite verkleinert wird; jetzt aber sollen die Gelder bewilligt werden, ohne daß es überhaupt ein offzielles Nutzungskonzept gibt und ohne daß die revidierten Entwürfe überhaupt vorliegen - man verkauft also die Katze im Sack, und es gibt offenbar keine Garantie dafür, daß am Ende nicht doch die unveränderte Variante aus dem Frühjahr gebaut wird...
    Das offizielle Argument für den Erweiterungsbau ist, dass man das Gebäude ohne zusätzliches Treppenhaus nicht nutzen könne - aber wofür soll es denn langfristig genutzt werden und welche Anforderungen für diese Nutzung gibt es überhaupt, warum legt man die Treppe nicht in den Seitenflügel (das Verbindungszimmer mißt immerhin 2,4m*3,4m, ist also als Fluchtweg groß genug), und was will man mit einer notwendigen Treppe, die nur das 1. OG erschließt? (Im Seitenflügel könnte man die Treppe bis in das 2. OG führen, wenn man das alte Mansarddach wieder daraufsetzt.)

  • Es bleibt doch alles beim alten. Ich habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet mir Kassel einmal anzusehen, obwohl es gar nicht so aus der Welt ist von Westsachsen aus. Aber die Stadt tut wohl auch rein gar nichts, damit sich dieses Bild von Kassel, was mir im Kopf schwebt ändert. Was umso trauriger ist, da es sich nur aus Erzählungen zusammensetzt die aber anscheinend nicht an den Haaren herbeigezogen zu sein scheinen.

  • Zufälligerweise fahre ich morgen nach Kassel um mir den Bergpark und den restaurierten Herrn Herkules anzusehen. In einer Stadt wie Kassel fällt es leider gar nicht mehr auf, wenn dort noch ein weiteres historisches Bauwerk verschwindet. Um das Stadtbild wirklich zu verbessern müsste man schon mindestens 20 Rekonstruktionen ins Zentrum setzen. Bei meinem letzten Besuch war ich, trotz Kaiserwetter, tatsächlich ziemlich enttäuscht. Was mich aber am meisten gestört hat war der massive Autoverkehr an den unpassendsten Stellen. Die Stadt schien mir geradezu zerschnitten von Straßen. Vielleicht müsste man damit anfangen, das zu verändern.