• Hallo Stefan,
    das Gebäude war aber schon vorher nicht gerade eine ästhetische Freude ! Das wird übrigens das Schicksal vieler Häuser sein, wenn demnächst energieabhängige Steuern für Nicht-Nullenergiehäuser kommen werden. Das Gesetz liegt schon in der Schublade der Ministerien ! Wie dann die letzten Reste deutscher Altstädte aussehen werden, kann sich wohl jeder albtraumhaft ausmalen.

  • Genau, ganz Erfurt und Görlitz werden hinter Wärmedämmung verschwinden, weil irgendwo in Hintertupfingen einer sein Haus wärmedämmt – wie fatalistisch muss man veranlagt sein?

  • Die Aussage verstehe ich irgendwie nicht. Natürlich werden denkmalgeschützte Gebäude von der Wärmedämmung ausgenommen werden, wie es aber mit dem kompletten Umfeld aussieht, dürfte dennoch ausmalbar sein. Das ganze ist doch nicht mehr ein Phänomen irgendeines Mannes in Hintertupfingen, sondern wird von der Politik gerade zu einem Massenphänomen bestimmt. Ich kenne bereits etliche schlichte Gebäude aus der Gründerzeit, die mit Wärmedämmplatten zugeklebt wurden. Ebenso wurden kunstvolle Kratzputzbilder auf Bauten der 50er-Jahre zerstört. Hier ist aber nun erst eine gewaltige Welle im Anmarsch, die man nicht mehr lapidar als Einzelphänomen abtun kann.
    (Ganz abgesehen vom Nutzen des Ganzen, von den Profitinteressen dahinter und den Entsorgungsproblemen in einigen Jahrzehnten...)

  • Also hier im Frankfurter Stadtteil Höchst, der mangels Kriegszerstörung nur aus historischen Bauten besteht, und wo gerade im Rahmen eines gigantischen Förderprogramms fast an jeder Straßenecke Gerüste emporwachsen, habe ich bis jetzt noch keine einzige Sanierung gesehen, wo Gründerzeitfassaden hinter Wärmedämmung verschwunden wären. Dabei sind die zum allergrößten Teil noch nichtmal denkmalgeschützt.

    Es mag eine gewisse Gefahr für Bauten der 1920er bis 1950er Jahre bestehen, aber die schmuckvollen Fassaden der Zeit vor 1914 erfreuen sich doch mittlerweile so großer Beliebtheit, ja sind sogar ein häufig bei Mietangeboten zu lesendes Argument, Stichwort "Altbau", dass hier wohl kaum eine zweite indirekte "Entstuckungswelle" droht.

  • Also erstens ist das Klimaschutzgesetz erst richtig im Anrollen (und es wird auch zu höheren Mieten führen, bzw. zum Konflikt zw. Vermietern und Mietern http://www.taz.de/1/berlin/artik…mietern-helfen/). Zweitens kenne ich bereits etliche Gegenbeispiele. Sicher werden sie sich momentan (noch?) nicht an sehr kunstvolle Gründerzeitler heranmachen. Die schlichteren Varianten aber müssen bereits heute dran glauben. Fahre mal etwas an die Peripherie. Kleine Walmdach-Häuschen im Biedermeierstil sind nun mit dicken Platten an der Fassade und Blechfensterbänken verunziert(die Fensterläden wurden gleich mit entsorgt). Einst patinierte Backsteinfassaden sind einfach glattgeklebt und -putzt. Sie sehen jetzt wie banalste 50er-Jahre-Bauten aus. Gründerzeitler mehren sich, von denen die durchaus schmuckvollen Fenstereinfassungen einfach weggeschlagen wurden, um eine glatte Klebefläche zu bekommen. Rundfenster nun in Rechteckform. Das habe ich alles schon gesehen. Und es wird wohl erst der Anfang gewesen sein. Hinzu kommt, daß jede Kunst am Bau nun zerstört wird. Auf Dämmplatten gedeiht keine Kunst. (http://www.op-online.de/nachrichten/of…gen-673902.html)
    Und hier berichtet "wikos" von einem Frankfurter Beispiel:

    Zitat

    An den Häusern Schellingstr. 12 und Mauritiusstraße 20-28 wurde bei der "energetischen Sanierung" der Häuser der Fassadenschmuck abgeschlagen.


    (http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?f=18&t=996&start=204)

  • Viel nützt die Isolierung eh nichts bei Bauten vor sagen wir 1914, deren Mauern sind ohnehin zu dick. Die Isolierung kann zu bösen Pilzen führen. Ich denke, es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    RMA
    komm mal ins Ruhrgebiet...

    Wieso? Da sind 90 % der Altbauten bereits schon jetzt kaputtsaniert, Dämmung macht da nun auch keinen Unterschied mehr... ebenso wie in Gründerzeitparadiesen wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon] oder Dresden jetzt wohl kaum damit angefangen wird, massenhaft zu entstucken.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Viel nützt die Isolierung eh nichts bei Bauten vor sagen wir 1914, deren Mauern sind ohnehin zu dick. Die Isolierung kann zu bösen Pilzen führen. Ich denke, es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht.

    Jetzt enttäuscht Du mich aber etwas. Wir wissen doch beide, daß die meisten modernen Maßnahmen oder Produkte objektiv nicht viel nützen. Aber wir wissen auch, daß es im Kapitalismus eben primär um den Profit geht. An diesen Dämmplattengeschichten verdienen sich bestimmte Leute eine goldene Nase, und es sollte nicht überraschen, wenn einige der Lobbyisten in den Parlamenten, die dafür die gesetzlichen Grundlagen schaffen, daran gleich mitverdienen. Ein weiterer Aspekt: Wenn Immobilienbesitzer in Zukunft staatlich zu Wärmedämm-Investitionen gezwungen werden sollen, dies aber finanziell oft gar nicht leisten können, werden sie zum Verkauf (unter Wert) getrieben. An solcher versteckter Enteignung werden wiederum Leute verdienen. Und es sollte nicht überraschen, wenn gerade diejenigen in die so günstig freiwerdenden Sachwerte flüchten, die an den politischen Weichenstellungen zuvor aktiv beteiligt waren. :zwinkern:

  • Meiner Ansicht nach wird das Thema bewusst politisch völlig überbewertet und einseitig betrachtet.
    Der Politik ist es wichtig, mit diesem Thema ganz plakativ-platt den Leuten zu vermitteln, dass sie in ihre Gebäude investieren sollen. Das soll alles kurzlebig sein, damit schnell wieder saniert werden muss wegen Bauschäden durch falsche Sanierungsmaßnahmen (Thema "Dampfdichtigkeit"). Der Computer hält ja auch ganz bewusst nicht ewig und die Haustechnik soll ja möglichst auch alle 10 Jahre gewechselt werden, weil es ja immer was neues gibt und die Installateure genau wie die Computer-Heinis neue Geräte bringen müssen. Nur so läuft die sog. "Wirtschaft".
    Die Auswirkungen auf die Stadtbilder werden sehr schlimm sein, noch schlimmer als jede Fassadenbereinigungsaktion zuvor. Denn es verschwinden Ziegelfassaden, Dachüberstände.... einfach alles... unter dem Styropor, Fenster und Türen werden getauscht. Mit Augenmaß soll das ganze nicht geschehen, weil es dann für die üblichen Handwerksfirmen gar nicht auf die Schnelle zu bewerkstelligen wäre. Nicht zufällig werden von dem Konjunkturpaket Unmengen Straßen saniert, weil diese quasi keinen Planungsvorlauf erfordern und zugleich eine große Lobby (Asphalt) gesponsert wird. Ich sehe kaum sinnvolle Sanierungsmaßnahmen, die mit dem Konjunkturpaket statt gefunden haben. Nur Asphalt und Styropor+Plastikfenster für Plattenbau-Schulen.
    Wie schon gesagt, sind längst nicht alle Gebäude denkmalgeschützt, die erhaltenswert sind.

  • In Frankfurt-Höchst gibt es jetzt doch ein erstes Opfer (Emmerich-Josef-Straße 4, erbaut wohl um 1905):


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    Ich enthalte mich aus Gründen der „political correctness“ eines Kommentars.

  • Vielleicht ganz interessant:

    "Maxeiner & Miersch": Wenn deutsche Häuser könnten, würden sie flüchten - Nachrichten Debatte - Kolumnen - Maxeiner und Miersch - WELT ONLINE

    Wobei ich den Sinn nicht ganz verstehe - wenn doch sowieso der Klimawandel kommt, wozu dann noch gegen Kälte abdichten? Oder ist schon wieder die menschengemachte Eiszeit wie in den 70ern in Mode*?

    * eines meiner absoluten Lieblingsbücher ist immer noch "Die Wettermaschine" aus dem Jahr 1974 von Nigel Calder zur bevorstehenden Eiszeit, die dann irgendwie doch nicht kam.

  • Das ist so ziemlich das dümmste was man derzeit in Deutschland beobachten kann. Mein Vater ist im Heizungsgewerbe tätig. An etlichen Häusern werden nach 6-7 Jahren die Platten wieder abgenommen und die Wände dahinter müssen kernsaniert werden, da volkommen durchgeschimmelt und in Auflösung befindlich. Aber wen wunderts.
    Meine Großeltern sitzen auch mit 6 Mann in der Bude und schauen zu wie das Wasser an den Fenstern runterläuft.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (5. August 2011 um 23:19)

  • Leider greift sich der sogenannte Dämmwahn auch bei uns in Dresden langsam Bahn. Derzeit sind eine Villa am Großen Garten, ein Mehrfamilienhaus aus den 30'ern entlang einer Ausfallstraße und ein sehr einfaches Eckhaus aus der Kaiserzeit an einer wichtigen Ortsteileinkaufsstraße in "der Mache". Man kann nur hoffen, dass diese Vorgänge Einzelfälle bleiben mögen!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Das Problem ist, dass es am billigsten ist einfach Styropor an die Wände zu klatschen und drüber zu putzen. Die meiste Wärme macht aber seit jeher durch das Dach und die Fenster fort. In unserem alten Mietshaus (Werdauer Innenstadt), war der komplette Dachgiebel undgedämmt und der Boden diente zum Wäsche aufhängen. Intelligenterweise, war aber die Fassade schon gedämmt und überputzt. Das wurde mir mit höherem Alter immer mehr klar, da in der selben Straße sehr viele Gründerzeitler im Originalzustand stehen.

    Es ist also reiner Selbstmord ein altes Haus mit Dämmstoff zu zu rammeln. Wenn man nicht ordentlich lüftet schimmelt einem die Bude unterm Arsch weg und je mehr man dämmt desto öfter müsste man lüften.

    Fenster und Türen neu, Dach dämmen, neuer Heizkessel, das ist das einzige mit dem man dort langfristig glücklich wird.

  • Die Idee ist Energieverschwendung zu reduzieren, insbesondere angesichts unserer Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas aus dem Ausland keine schlechte Idee. Dass Fenster usw. oft mehr helfen als reines Dämmen, das versteht sich von selbst. Aus energetischer Sicht ist auch leicht gegen die heißgeliebten Glassgebäude gesprochen. Wenn ich mir den Wahnsinn anschaue, dass die in Dubai riesige Glastürme bauen... sind wir aber noch ganz auf der sicheren Seite.

    Von den Österreichern kann man viel lernen wenn es um Niedrigenergiehäuser geht.

  • Nun muss man sagen, dass große Glasflächen heute nicht mehr die energetischen Monster von früher sind. Problematisch wird es meist bei den Anschlussstellen, die korrrodieren recht schnell. Ich kann mich erinnern, dass die Sanierungen an Kanzleramt und co vor 2 Jahren von Experten als "für diese Art des Bauens normal" beschrieben wurden. Da darf man sich fragen ob ständige Sanierungskosten in Zeiten klammer Haushalte auch noch zeitgemäß sind.