Das gegenwärtige Reichstagshaus ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst. Zahlreiche Reduktionen des baukünstlerischen Schmucks, die einst das mächtige Neorenaissance - Gebäude zu gliedern vermochten, wurden bekanntlich beseitigt.
Selbst Bruno Taut lobte seinerzeit " die feine, intime Verteilung des Schmucks" am Reichstag.
Die heutigen, unzähligen "Fehlstellen" wirken sich natürlich schädlich auf das Gebäude aus. Absurde Verkürzungen der vier Ecktürme führen zu einer von Prof. Wallot so nicht beabsichtigten, weiteren, lastenden, unschönen Betonung der Horizontale.
Möglich, dass der Reichstag zur Zeit seiner Erbauung - aber auch heute - mehr Kritiker als Freunde hatte.
Vor allem störte damals die zu flache Kuppel, die aber von Wallot entschieden höher, repräsentativer vorgesehen war. Diese hätte vermocht, den gesamten Bau vorteilhafter zu gliedern.
Daraus wurde jedoch nichts, weil Wilhelm II. sein Veto einlegte.
Der heute zu sehende "Nachfolgebau", fast allen Zierrats entkleidet, mit einer überaus unpassenden Kuppel versehen, sagt mir nicht zu.
Er spreizt sich mit modernistischen Staffagen, lässt Harmonie und Gefälligkeit der Historismus - Architektur kaum noch erkennen.
Das führt vor allem j e t z t zu protziger Klotzigkeit, betont überproportional die kubische Mächtigkeit.
Da war mir doch der alte Reichstag in seiner Architektur entschieden ehrlicher - und - wie sich dies für den Historismus gehört, sehr viel repräsentativer, meinetwegen sogar etwas zu prunkvoll.