Nachdem in der Wunschecke angezeigt wurde, dass wir im Forum kaum Bilder aus Hannover haben, fühle ich mich berufen, das zu ändern, da ich weite Teile meiner Jugend im nördlichen Bereich von Hannover verbracht habe. Hannover ist mir also nicht unbekannt, allerdings ausschließlich die Innenstadt und der Bereich um die malerische Vahrenwalder Straße, die nach Norden führt. Die restliche Stadt, Linden, Stöcken und wie das alles heißt, sind mir unbekannt.
Hannover ist natürlich eine harte Nuss und gilt ja auch nun nicht als schön. Es galt schon vor dem Krieg nicht als schön, vermutlich weil die Bebauung weiter Teile der Innenstadt zum Bahnhof hin um die Jahrhundertwende 1900 datiert. Dennoch wäre der erhaltene Vorkriegszustand heute ein Juwel, allerdings ist davon aus bekannten Gründen nicht wahnsinnig viel übrig.
Hannover gilt ja nun als Beispiel für einen misslungenen Wiederaufbau nach dem Krieg, im Vergleich wird oft Stuttgart genannt, wo ich aber noch nicht war. Unter Leitung des damaligen Stadtbaurats Rolf Hillebrecht wurde die Stadt (Hannover) autogerecht gestaltet, alte Strukturen wurden zugunsten breiter Autotrassen aufgelöst, zwischen denen einige sog. Traditionsinseln erhalten wurden. Teilweise wurde bis in die 70er Bausubstanz, die den Krieg überlebt hatte, abgerissen, bestes Beispiel ist die Wasserkunst am Leineschloss, Hillebrecht selbst soll den Abriss später als Fehler bezeichnet haben (Quelle Wikipedia).
Dennoch finde ich, dass Hannover, von komplett garstigen Ecke um das Anzeigerhochhaus oder den Aegidientorplatz abgesehen, wie fast alle deutschen Städte immer noch viel Sehenswertes hat, sicher mehr als von mir besuchte Städte wie Bochum, Dortmund, Magdeburg oder Kiel. Auf den ersten Blick überwiegt sicher das Negative, aber das ist ja z.B. Bremen nicht anders. Allerdings fehlt in Hannover ein absolutes Juwel, wie in HB Marktplatz und Schnoor oder in Magdeburg der Dom.
1 Als erstes sehen wir Hannover im Jahr 1745, rechts der Leine fallen Marktplatz mit Marktkirche auf, rechts darunter die Aegidien-Kirche, links über der Marktkirche die Kreuzkirche. In der Mitte des Bildes sehen wir die Leine-Insel, um die sich später viel drehen wird, links davon die Calenberger Vorstadt als erste Erweiterung der Altstadt. Bildquelle Wikipedia.
3 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Stadt dann aber ständig in Richtung zum um 1846 gebauten Bahnhof, so dass sich die Innenstadt bis heute deutlich in Richtung Nordosten verschoben hat. Das mit der Leineinsel markierte Herz der Innenstadt bildet heute den westlichen Außenrand. Im Folgenden Bild (Brockhaus 1893) habe ich meinen Rundgang markiert, angefangen an der Marktkirche etwas rechts der Bildmitte (Bildquelle Wikipedia). Einige der von mir gezeigten Punkte oder Bilder wurden hier schon im Forum gezeigt oder diskutiert, wichtige Punkte wie Leibnizhaus und Leine-Insel will ich hier aber nicht auslassen.
4. Zunächst sehen wir mit etwas zu wenig Licht an der Marktkirche vorbei in Richtung zur Leine.
5. Jetzt sind wir in der Kramerstraße, die zusammen mit der Burgstraße (nächste Straße rechts) primär die von Hillebrecht erdachte Traditionsinsel darstellt.
6. Jetzt sehen wir eine Luftaufnahme des relevanten Areals, das ich auf Mitte 1943 datieren würde, es gibt deutliche Zerstörungen, aber wir befinden uns sicher vor dem massiven Angriff am 09.10.1943, der der Hannoveraner Altstadt das Genick gebrochen hat. Dabei entstand die im Kriegsverlauf sehr frühe Zerstörung durch einen historischen Irrtum (ich zitiere aus dem Gedächtnis Jörg Friedrich‘s „Der Brand“), ging doch die englische Führung davon aus, Hannover hätte durch Einbürgerung dem späteren größten Feldherrn aller Zeiten erst die deutsche Staatsbürgerschaft und damit die Möglichkeit verschafft, 1933 Reichskanzler zu werden. Die völlige Zerstörung der Stadt Hannover sahen die englische Führung als eine Art gerechte Strafe an, Churchill selbst muss einen bemerkenswert dummen Satz gesagt haben, wie, „die Hannoveraner haben ihre Lektion gelernt“. Sie würden also in ihrer gerechterweise zerstörten Stadt Adolf Hitler nie wieder einbürgern. Dass hier nun ein Irrtum vorlag (die Einbürgerung des Weltkriegsgefreiten erfolgte in Braunschweig), tut eigentlich auch nichts zur Sache, dann wäre Hannover eben später zerstört worden.
Links unten im Bild sehen wir in jedem Fall den Turm der Marktkirche, die Kramerstraße zieht sich nach oben, dort habe ich klein den heutigen Standort des Leibniz-Hauses am Holzmarkt eingekreist, darüber die Nordspitze der Leine-Insel, zu der wir gleich kommen.
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7. Blick aus der Kramerstraße zum Holzmarkt.
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8. Blick vom Holzmarkt zurück zur Marktkirche heute ...
9 ... und damals.
Bildquelle: Bildindex
10 Jetzt sehen wir auf die Westseite des Holzmarktes mit dem Leibnizhaus in der Mitte, sein Wiederaufbau wurde oftmals kritisiert, fand er doch ca. 200 Meter Luftlinie entfernt von seinem alten Standort statt. Wirklich original ist nach völliger Zerstörung im Krieg so gut wie nichts, es erfolgte 1983 ein ausschließlicher Wiederaufbau der Fassade, übrigens nach einer Zeichnung des ehemaligen Bremer Denkmalpflegers Rudolf Stein (Übrigens ist das Leibnizhaus eines der wenigen Häuser mit einer Außenlucht außerhalb Bremens). Im Gegensatz zu schon hier vertretenen Meinungen sehe ich den Wiederaufbau absolut positiv, perfekt ist nichts, der aktuelle Zustand ist sicher ein Gewinn für die Stadt. Natürlich wäre für das linke Gebäude eine weitere Reko absolut Pflicht gewesen, allerdings finde ich es noch nicht mal ganz schlecht, zumindest für frühe 80er.
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14 Direkt gegenüber sehen wir die traurigen Reste des Hauses der Väter, die nun über Jahrhunderte schon mehrfach umgezogen sind. Mit diesem lieblosen Spolien-an-ein-neues-Gebäude-klatschen war sicher niemandem geholfen.
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18 Hier haben wir den Blick über den Holzmarktbrunnen in die Burgstraße, der sich vorher-nachher aus dieser Perspektive gar nicht viel geändert hat.
Bildquelle: Bildindex
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20 Allerdings kommt, wenn wir etwas nach links schwenken, das historische Museum ins Spiel, das das Umfeld doch deutlich stört. Ein Riesenklotz aus den 60ern, der den Rest des Zeughauses und Teile der Stadtmauer in neue Bauteile „integriert“. Das ist natürlich mehr oder weniger gelungen, vor allem ist das Gebäude einfach zu groß.
21 Über die Verlängerung der Kramerstraße sind wir nun am nördlichen Ende der ehemaligen Leine-Insel angekommen, der Vergleich vorher-nachher ist natürlich vernichtend, die Position dürfte nahezu identisch sein. Zur Orientierung kann nur die Spitze der Neustädter Kirche im Hintergrund dienen.
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23 Aus dieser Position wird der Verlust deutlicher, meine Position in Bild 22 habe ich in Bild 24 oben markiert, zudem den wohl recht genauen Verlauf der Nordspitze der Insel, der vor Ort nicht mehr zu erahnen ist. Wesentliche Teile der ehemaligen Insel werden heute durch einen Parkplatz effektiv genutzt.
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25 Krass ist der Blick von gleicher Stelle auf die Marstallinsel (a.d. 1732), hier wird der Verlust der Uferbebauung überdeutlich, in Bild 26 ist der Verlauf des Leibnizufers (so heißt die Straße) zu erahnen, die sich wie eine Autobahn links der Leine mitten durch die in Bild 1 gezeigte Stadt zieht.
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27 Von Bild 27 (ganz rechts die Marstallbrücke) bis Bild 29 schauen wir noch einmal im Detail zurück zur ehemaligen Nordspitze der Leineinsel.
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30 Jetzt sehe ich von der anderen Uferseite (ziemlich exakt von der Position der ehemaligen Nordspitze der Insel) auf die Uferseite stadteinwärts, die sich ebenfalls deutlich verändert hat. Ich habe mich schon immer gefragt, was das für ein komisches flaches Dach über dem ehemaligen Zeughaus ist, jetzt weiß ich es. Hier würde das rekonstruierte Vorkriegsdach eine immense Verbesserung des Bildes bewirken. Aber vermutlich ist der aktuelle Zustand des historischen Museums ohnehin denkmalgeschützt.
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33 Zunächst einmal abschließend sehen wir noch vorher-nachher über die ehemalige Inselbrücke zurück zur Marktkirche. Sollte das Häuschen links vorne nicht rekonstruiert werden? Weiß der Himmel, warum das nicht geklappt hat. Wahrscheinlich nach dem Motto „wehret den Anfängen“.
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