Berlin - Alexanderplatz und ehem. Königsstadt

  • Ich kann da im Wesentlichem mitgehen, aber ein Heiligtum möchte ich natürlich aus dem Palast nicht machen. Doch er war beim Volk beliebt, auch wenn man sich das nicht vorstellen kann/mag/darf. Aber nun ist er weg...

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Ja, natürlich war er beliebt. Das will ich auch gar nicht bestreiten. Aber die Beliebtheit beruht eben auch auf dem systembedingten Umstand, dass neben seiner Funktion als Pro-Forma-Parlament solche Örtlichkeiten wie Kegelbahn, Restaurants und andere Vergnügungsstätten vorhanden waren. Alles Einrichtungen, die man im westlichen Teil Berlins nahezu überall vorfand.
    Aber wie Du eben so richtig sagtest, Kaffeesachse, nun ist er weg... und nun freuen wir uns lieber darauf, dass wenigstens nach außen hin und nach drei Seiten das Stadtbild halbwegs wieder repariert wird. :thumbup:

  • Ich kann da im Wesentlichem mitgehen, aber ein Heiligtum möchte ich natürlich aus dem Palast nicht machen. Doch er war beim Volk beliebt, auch wenn man sich das nicht vorstellen kann/mag/darf. Aber nun ist er weg...

    Ich sag mal so, die Baufreiheit des Wiederaufbaus des Stadtschlosses hätt er arg behindert - die Abrißgenehmigung wurde auch erst erteilt, als der Baubeschluß des Humboldforums/ Berliner Stadtschloß fest stand.
    Beim Fernsehturm sähe ich es ähnlich - wollt man die alte Königsstadt wieder errichten (was mir persönlich ja sehr genehm wäre) müßte folglich der Fernsehturm weichen.

  • Die alte Königstadt lag vor, d. h. östlich des Alexanderplatzes. Das hatte nichts mit dem Fernsehturm zu tun. Der steht auf dem Terrain ziwschen der nördlichen Klosterstraße und Neuen Friedrichstraße, bzw. dort wo es mal das Sedan-Panorama gab.

    Plan von 1847. das bläulich gezeichnete Areal östlich des Alex ist die Königsstadt

  • Danke für die Info. Ich träume ja auch davon, daß irgendwann einmal um den Alex herum wieder die alten Strukturen gestärkt werden. Was wir dort heute haben, ist doch an Trostlosigkeit nicht zu überbieten. Ich fürchte fast, daß es erst mal eine eigene Schicht nach der Wiedervereinigung geben wird. Die ganze Gegend kriegt also jetzt erst mal eine Fassung, die am DDR-Zustand orientiert ist. Und dann, in 30 Jahren oder so, wenn unser heiliges Vaterland bewußtseinsmäßig etwas erwachsener geworden ist, dann orientiert man sich um und macht Nägeln mit Köpfen. Dann ist nämlich auch die ideelle Situation dafür gegeben, dann wird man erkannt haben, daß es so nichts wird mit diesen Monumentalstrukturen. Man hätte ja auch direkt nach der Wende sagen können:
    "Langfristig alles weg. Neubauten nur nach historischem Grundriß."

    So hätte man verfahren können. Aber dafür hatten wir nicht das Bewußtsein. Ich hoffe, daß sich dieses Bewußtsein in den kommenden Jahrzehnten immer weiter ausbaut.

    Man bekommt dann ja immer wieder von Modernisten beschieden - wenn man so etwas vorträgt -, daß man dieses Alte doch gar nicht vermissen könne etc. Man habe es ja selbst nicht erlebt. Also nur formalistische, abstrakte Argumente. Selbst ich, der ich kein Hardcore-Traditionalist bin, vermisse diese alten Strukturen. Sie sind Heimat und spiegeln die alte Stadt in ihrer Rhythmik wider.

    Einfach ein Jammer, daß wir womöglich mehrere Generationen brauchen werden, bis man endlich checkt, daß diese Mondlandschaft zwischen Alex und Mollstraße keine Stadt im eigentlichen Sinne ist. Es werden also möglicherweise mehr Schichten abgerissen werden müssen als die reine DDR-Schicht. Einsicht braucht manchmal lange. :)

    Und noch ditte hier:

    Zitat von Oberbaumbrücke

    Aber den (natürlich nie stattfindenden) Abriss des Fernsehturms einem symbolischen Verlust für Berlin gleichzusetzen, ist mir einfach zu dick aufgetragen.

    Dann frag' mal die Touristen in aller Welt. Der Fernsehturm ist der Eiffelturm Berlins. Man sollte sich lieber über das andere sozialistische Gedöns in der Gegend aufregen.

    Der Palast der Republik war wirklich nicht schlecht. Da hat übrigens auch mal Udo Lindenberg gesungen. :) Und Restaurants und Kegelbahnen gab es auch außerhalb des Palastes, wenn ich das mal als DDR-Bürger verbreiten darf. Der Sozialismus war eine fortschrittliche Gesellschaftsformation. Dem Palast ist letztlich die Sturheit vom Ulbricht zum Verhängnis geworden. Im Schloß hätte man aus DDR-Sicht wunderbar ein Museum (gegen den) des Feudalismus unterbringen können. Und der Palast sähe heute bestimmt gut aus neben dem Kino International z.B.

  • Dann frag' mal die Touristen in aller Welt. Der Fernsehturm ist der Eiffelturm Berlins. Man sollte sich lieber über das andere sozialistische Gedöns in der Gegend aufregen.

    Der Palast der Republik war wirklich nicht schlecht. Da hat übrigens auch mal Udo Lindenberg gesungen. Und Restaurants und Kegelbahnen gab es auch außerhalb des Palastes, wenn ich das mal als DDR-Bürger verbreiten darf. Der Sozialismus war eine fortschrittliche Gesellschaftsformation. Dem Palast ist letztlich die Sturheit vom Ulbricht zum Verhängnis geworden. Im Schloß hätte man aus DDR-Sicht wunderbar ein Museum (gegen den) des Feudalismus unterbringen können. Und der Palast sähe heute bestimmt gut aus neben dem Kino International z. B.

    Da gehe ich gern mit. Habe mir auch den Kopf zerbrochen, wieso unbedingt das Schloß auf Ulbrichts Befehl weg mußte. Moskau ließ ja auch den Kreml stehen, regierte darin ja auch. Ulbricht und Pieck und später Honi im Stadtschloß - das wäre doch völlig ok. Aber der damalige Zeitgeist verhinderte dies bekanntlich. Was wäre Berlin schöner, wenn so vieles einfach nicht geschehen wäre, schon v o r 1933.
    Pieck war ja bekanntlich im Schloß Niederschönhausen - zwar nicht so prunkvoll wie Wilhelm II. aber so kam er beim Volk gut an. Und ein Museum des vergangenen und überwundenen Feudalismus im ehem. Schloß - Tja, schade, schade nix geworden... huh:):opa:

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Hier frisst sich die Vergewaltigung der deutschen Sprache mal wieder selbst: ?(
    "In der 70 Quadratmeter großen neuen Polizeiwache wird die Polizei rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr mit permanent 3 Polizeibeamtinnen und -beamten präsent und ansprechbar sein. Die Alex-Wache wird auch zur „Anlauf- und Arbeitsstätte“ für die Bundespolizei und das Ordnungsamt Mitte."
    Spatenstich für neue Polizeiwache auf dem Alexanderplatz - berlin.de

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Also 6 Polizisten 24/7/365, Berlin hat's ja. ;)
    Und ich unterstelle mal, dass "wachsende" mit Absicht groß geschrieben wurde.

    Städtebaulich ist's ein potenzieller Abrisskandidat. Aber immerhin ist die Polizei jetzt quasi schon da, wenn mal wieder jemand den Brunnen der Völkerfreundschaft hochklettert. :rolleyes:

    Edit: Das 3 Polizisten gemeint sind, ist mir schon klar.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    Einmal editiert, zuletzt von Fusajiro (28. Oktober 2017 um 18:08)

  • Ich denke, hier sind 3 Polizeibeamte insgesamt gemeint, nur eben weibliche und männliche. Formal sieht das Häuschen nicht gut aus. Ist aber die richtige Maßnahme an dieser Stelle. Man hätte das schöner machen können und eine Leuchtschrift "Wache am Alexanderplatz" o.ä. hinzufügen können. Das hätte Kult-Charakter bekommen können :)

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Es sind natürlich 3 Polizisten gemeint. Die Kosten betragen 990.000 Euro für 70 qm Nutzfläche, also € 14.142 Euro pro Quadratmeter, wenn es nicht bei einem solch' großen und komplexen Bauvorhaben zu unvorhersehbaren Kostensteigerungen kommt.

  • Es ist halt immer wieder das Gleiche bis zum Abwinken, d.h. es wird immer schlimmer, nun abgeschaut von Klötzchentürmchen, die windschief verrutscht kurz vorm Umfallen im Kinderzimmer sind. Das ist dann wohl das moderne Neue, ...
    Man sollte doch tatsächlich europäische Architekten vom Hochhausbau ausschließen und Amerikaner und Ostasiaten damit beauftragen, solange, bis sich die Europäer besonnen und gelernt haben wie gescheiter Hochhausbau geht! 8o:cursing::kopfwand:

  • Guten Abend werte Gemeinde.

    Mir graut es bereits jetzt schon vor der Fertigstellung dieser hässlichen architektonischen Fratze im Stadtbild Berlins.

    Schade!

    Gruß aus Berlin.


  • Man sollte doch tatsächlich europäische Architekten vom Hochhausbau ausschließen und Amerikaner und Ostasiaten damit beauftragen, solange, bis sich die Europäer besonnen und gelernt haben wie gescheiter Hochhausbau geht!

    Das würde ich so jetzt auch nicht sagen. Kollhoff hat in Frankfurt und Berlin schon gezeigt, dass er es kann, Hilmer, Sattler & Albrecht mit dem Beisheim Center m.E. auch. Es kommt eher auf die Bauherren an. Wichtig ist eine gegliederte Fassade und eine Gestaltung der Krone, wie es bei klassischen HH gemacht wurde. Das können die Amerikaner oder Asiaten auch nicht besser.

    Auch wenn ich damals gegen den Kollhoff-Plan war, auf seinen Visualisierungen sah alles besser aus als das, was jetzt gebaut wurde. Aber damals war Stimmann und mit ihm ein Visionär noch oberster Stadtplaner.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Nun ja, Ausnahmen gibt es freilich, aber die haben wir ja auch im neoklassischen Bauen. Doch in der Breite muß festgestellt werden, daß ansprechend gestaltete, wie von Dir gefordert mit gegliederter Fassade und Spitze recht rar gesät sind. Und die spektakulären sind die klassischen amerikanischen (Siehe Erbsens tolle Galerien) und himmelsstürmende Innovationen kommen aus dem arabischen Raum (wo sich die Europäer und Co austoben dürfen) oder aus Ostasien:
    Das hat doch was (wobei ich mir das in diesem Größenwahn nicht für Deutschland wünschen würde.) Nur das Prinzip "Durchgestaltung" will ich da hervorheben!