Lutherstadt Wittenberg

  • Zitat

    Hat jemand eine Ahnung, ob das Wittenberger Schloss auch eine Schönheits-Kur für die Fassaden bekommen soll? Immerhin ist der Bau immernoch äußerlich im Zustand einer preußischen Kaserne (seit dem frühen 19. Jh. war das Schloss lange eine Kaserne), also sehr hässlich! Auch ein Spitzdach wäre deutlich optisch deutlich ansprechender!

    Oh, da hat sich seit 1996 tatsächlich nichts getan... damals habe ich genau dort hinter einem der Gitterfenster in der Jugendherberge übernachtet, mit Zugang über einen Renaissance-Wendelstein, fand ich sehr mondän... naja, das Interieur - u. a. ein noch originalgetreu erhaltener Jugendclub-Discoraum - war es eher weniger...

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Ein bißchen traurig wirkt das Schloß in seinem jetzigen Zustand, gleich einer Kaserne (Wurds mal als solche genutzt?)
    Dem Schloss ereilte was die Optik angeht ein ähnliches Schicksal wie der neuen Residenz zu Halle, aus einem einstmal so prächtigem Renaissanceschloß wurde ein trostloser Bau, vielleicht noch einem Pferdestall würdig.
    Eine Wiederherstellung der Renaissancefassade mit ihren ganzen schönen Zwerchhäusern wäre ein (natürlich total utopischer) Traum
    Wie ist denn die jetzige Substanz des Schloßes beschaffen, was gibt es noch altes, was hat die mehrfache Zerstörung überstanden?

  • Ein bißchen traurig wirkt das Schloß in seinem jetzigen Zustand, gleich einer Kaserne (Wurds mal als solche genutzt?)


    Aber bitte, diese Vermutung war doch mit dem nicht ganz so geheimnisumwobenen Wissen hinterlegt.

    Ansonsten sind auch die weiteren Entwicklungen eigentlich dokumentiert.

    Allgemeine Informationen der Stadt Wittenberg zum Schlosskirchenensemble
    Hier sind auch die maßgeblichen Nutzungspläne und aktuellen Zeithorizonte mitgeteilt.


    Umbau und Instandsetzung des erhaltenen Westflügels durch Bruno Fioretti Marquez Architekten

    Bild: Bruno Fioretti Marquez Architekten

    :augenkrummblau: Neubau eines Südflügels durch Junk und Reich Architekten :boese:

    Weitere aktuelle Informationen zu (vorrangig) Schlosskirche und Restschloss finden sich mitunter auch hier:
    Freundeskreis Luther

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Saxonia hat geschrieben:

    Zitat

    Anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 werden in der Schloßkirche auch die Glasfenster wiederhergestellt. Diese zeigten Ursprüngliche Wappen von deutschen Städten, die sich als erstes der Reformation zuwanden. Anfang der 60er Jahre wurden die Wappen von Städten im Osten und aus dem Westen entfernt sowie die übrigen aus der damaligen DDR neu verteilt.

    Sehr erfreulich und wichtig, daß man hier inzwischen so weit war, daß ein Stück ideologisch motivierter Geschichtsfälschung korrigiert und zurecht gerückt werden konnte.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Nein, nein, das Renaissanceschloß haben die bösen Preussen im 7-jährigen Krieg zerschossen - das muss auf ewig so luftschutzbunkerartig bleiben!

  • Wieso verwendet man nicht wie überall sonst die denkmalgerechte und wunderbar kontrastreiche Stahl-Glas-Bauweise sondern bedient sich hier auf einmal Formen des Brutalismus? Es ist ja so, dass ich diese architektonische Spielart der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuweilen recht interessant finde, aber auf dem Dach eines historischen Schlosses hat sie m. E. wirklich nichts zu suchen. Der krasse Gegensatz zur herrlich filigranen Kirche macht das ganze nicht besser.

    Zitat


    Bekommt ihr jetzt auch einen neuen Südflügel? :ironisches lachen:

  • :kopfschuetteln:
    Warum muss das Schloss bloß im Zustand einer puristischen, potthässlichen Kaserne bleiben?? Immer nur dämliche Ideologie!

    Zitat

    Nein, das alte Renaissanceschloss wird nicht neu erstehen, vielmehr wird es die preußische Festung um 1820 sein. Architekt Josè Gutierrez Marquez aus Berlin ließ daran beim Stadtgespräch zur Baukultur im großen Saal des Alten Rathauses keinen Zweifel: „Was verloren gegangen ist, wollen wir nicht als Kopie wiederherstellen.“ Jede Kopie käme einer Entwertung gleich, zudem einer Verfälschung der Geschichte.“ Allenfalls Reste erinnern heute an die einstige kunsthistorische Strahlkraft des alten Renaissanceschlosses.

    (Quelle)So ein Quatsch! rant:)

    Anhand der folgenden Bilder kann man sehen wie schön das Schloss einmal war. Könnte man sich nicht wenigstens ein bisschen diesem Zustand wieder annähern, z.B. in dem die Fassade wieder Giebel bekommen würde?? :anbeten:
    Bild 1
    Bild 2

  • Richtig. An sich ein klassischer Fall für eine Rekonstruktion. Überhaupt bei einem Objekt, das man in einer zivilisierten Staat (zB CSSR) wohl als nationales Kulturdenkmal ansehen würde,

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wenn ich die so schwadronieren höre, glaube ich fast, das wird in der Realität noch viel gruseliger aussehen als auf den Visualisierungen. Quasi eine Neuauflage der Hallenser Moritzburg.

  • Servus,

    kleine Korrektur zur Geschichte des Schlosses. Die Preußen hatten Wittenberg 1756 unter Beugung jedweden Rechtes annektiert. Im Jahre 1760 wurde Wittenberg von Österreichern und Reichstruppen erobert. Dabei kam es zum Einsatz schwerer Artillerie. Ähnlich wie in Zittau 1757 war das Ansinnen der Preußen, die jeweiligen Städte halten zu wollen, militärisch völlig sinnlos. Sie hatten von vorn herein keine Chance. Insofern hat Preußen die beiden SÄCHSICHEN Städte zerbomben lassen und damit Sachsen bewusst schädigen wollen. Man könnte ja den schwarzen Peter den anderen in die Schuhe schieben... Wenn es den Preußen, insbesondere diesem angeblich so aufgeklärten König, wirklich um die Bewahrung der protestantischen Religion gegangen wäre, hätte er Wittenberg kapitulieren lassen und hätte somit den Ursprungsort des Protestantismus vor Zerstörung bewahrt... Das es den katholischen Kanonieren der Österreicher wohl Freude bereitet haben dürfte, diesen Ort zu zerbomben, steht auf einem anderen Blatt. So ungenau waren die Kanonen damals nicht mehr - man hätte die Schlosskirche + Schloss auch verschonen können.
    Was das seit 1756 preußisch besetzte Dresden anbelangt, muss gesagt werden, dass die Österreicher keinen Sturmangriff wagten, da der preußische Kommandant Schmettau drohte, dass Residenzschloss in die Luft zu jagen. Zum "Dank" brannten die Preußen einen Teil der Vorstädte nieder. 1759 kapitulierten schließlich die Preußen. Bei der erfolglosen Belagerung Dresdens durch die Preußen 1760, wurde schließlich alles in Schutt und Asche gelegt, was die Kanonen erreichen konnte. Palais, Kirchen, Bürgerhäuser - die Festung blieb weitestgehend intakt! Politik der verbrannten Erde quasi... Friedrich war halt ein aufgeklärter Fürst...
    Was lernen wir daraus? Zum einen, dass Religionskonflikte auch reichlich 100 Jahre nach dem Dreißigjahrigen Krieg in Deutschland noch teilweise eine Rolle spielten und zum anderen, dass Krieg nicht dazu taugt, der Menschheit zum Glück zu verhelfen. Insofern kann ich all die Verehrung in Deutschland für diesen zwar hochintelligenten und musisch sehr begabten, aber menschenverachtenden und kriegslüsternen preußischen König nicht nachvollziehen!
    Schloss und Kirche wurden anschließend vereinfacht wieder aufgebaut. 1814 war aber der Krieg wieder da und die Anlage wurde erneut zerstört, diesmal durch preußische Truppen der nach wie vor französisch besetzten Stadt. Seit 1815 gehörte Wittenberg zu Preußen. Anschließend verschandelten die Preußen das Schloss zu einer befestigten Kaserne. Die Schloßkirche wurde in der Gründerzeit durch den preußischen König regotisiert und in den heutigen Zustand versetzt. Aus Luthers Zeiten ist in der Kirche fast nix mehr.
    Was ich nicht versteh, das man dem Ganzen nicht wieder ein Dach aufsetzt, meinetwegen mit modernen Giebeln. Weiterhin hätte ich mir die Freilegung der spätgotischen Gewände gewünscht, die ja noch in erheblicher anzahl im Gemäuer stecken.

    Beste Grüße Andreas

  • Ok. Ich merke, ein Preußen-Fan bist Du ja nicht gerade. :wink:
    Der Forderung mit dem Dach schließe ich mich an.
    Auf den Visualisierungen ist übrigens gar kein Dach auf dem Turm zu sehen. Stimmt das? Ist das eine offene Ruine oder gibt es da schon eine Dachhaube?

  • Servus,

    naja - als Sachse muss man ja auch kein Preußenfan sein :wink:

    zum Turm - der war als Geschützturm ausgebaut - hatte also eine ca. 2m starke Brüstung mit schrägem Abschluss - so wie auch in der alten Postkarte erkennbar. Das was man da sieht, ist also nicht der Rest eines Daches, sondern die Schräge der Brüstung, so wie man es aus dem Festungsbau kennt. So soll es augenscheinlich wiederhergestellt werden. Man saniert also nicht das Schloss Wittenberg sondern kitzelt die festungsartige Kaserne heraus. Vermutlich wird das Endergebnis noch festungsartiger als der Bau von 1820... kann man so machen - muss man aber nicht - für mich der falsche Ansatz! Die Bedeutung hat der Bau ja schließlich ausschließlich als spätgotisches Schloss und Wohnsitz Friedrich des Weisen. Als Festungsbau find ich den Bau völlig beliebig und belanglos. Man muss ja nichts hinzu erfinden und kann die Spuren der Kaserne sichtbar lassen - das herauskitzeln der Befunde aus dem 15./16. Jh. wäre in meiner Sicht aber wichtiger gewesen. Bis hin zum Aufsetzen von Dächern mit modernem Detail.

    Beste Grüße

    Andreas

  • Ich habe gestern beim Bahnfahren im DB Magazin gelesen, wo der erste grüne Bahnhof in Kerpen-Horrem gefeiert wurde (Link) - ziemlich hässlich, aber für einen S-Bahn Halt im Außenbezirk akzeptabel. Stutzig gemacht hat mich jedoch die Ankündigung, den zweiten Grünen Bahnhof in Wittenberg eröffnen zu wollen - so etwas als Stadtbahnhof, noch dazu im Osten wo ja doch in der Regel noch die Ursprungsbauwerke stehen?

    In der Tat wird die Bahn dasselbe häßliche Gebäude in "Modulbauweise" dort hinklotzen und das Ursprungsbauwerk aus der Gründerzeit dafür abreißen. Mich wundert es etwas, dass der Bahnhof nicht unter Denkmalschutz steht, zudem bin ich mal wieder tiefst enttäuscht, dass einer der größten Inhaber historischer Bausubstanz wieder mal keinerlei Gespür für den behutsamen Erhalt hat und stattdessen Tabula Rasa macht. Mittlerweile schaffen sie es ja überall, mit der Modernisierung auch den Charme von Bahnhöfen zu nehmen und 5 Jahre später sieht es aufgrund der neuen Materialien irgendwie wieder schäbig aus. Aber ich vermute mal, man kann nichts machen.

    Bilder zum Projekt
    Pressemeldung DB

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ein bebilderter und lesenswerter Bericht über die Sanierung(en) des Wittenberger Schlosses.

    Zitat

    Was wohl Kurfürst Friedrich der Weise sagen würde, wenn er sein Schloss heute sähe? Vermutlich wäre er zutiefst entsetzt über die Verschandelung, die der einstige Prachtbau nach seinem Tod hat erdulden müssen. Vier Zeitschichten sind bei der Sanierung von Schloss und benachbarter Kirche freigeschält worden, die mehr oder minder detailreich erhalten sind. Es gibt askanische Reste, die Zeit als kurfürstliche Residenz, preußische Kaserne und wilhelminische Umbauten.

    Ein Jahr, so Heinfried Stuve, habe die Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie gedauert. Die Fragen waren, was erhalten und was sichtbar gemacht werden soll, was rekonstruierbar ist und womit man sich abfinden muss. „Das alles, um am Ende die Kaserne wiederzuhaben“, stellt der Architekt vom Büro AADe in Köthen ernüchternd fest.

    Sanierung des Wittenberger Schlosses: Feinheit und Größe - Mitteldeutsche Zeitung

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Was ich beim Um- und Ausbau des Schlossflügels nicht nachvollziehen kann:
    Wir leben im Mitteleuropa.
    Und der Wittenberger Schlossrest steht auch in Mitteleuropa.
    Hier regnet es im Durchschnitt jeden dritten Tag.
    Warum kann man dann auf so einen Bau kein ordentliches Dach setzen, das auch das Wetter hierzulande respektiert?
    Wir sind doch nicht im Nahen Osten oder in Nordafrika!