Bremen - St. Ansgarii

  • Vor diesem Hintergrund ist es mehr als unverständlich, daß man bei den 'City-Center' Planungen nicht etwa die belanglosen Kästen des 'Carré's' und des Hortengebäudes für den Abriß vorsah

    Pagentorn: war mal alles so angedacht. Die Überlegungen aus 2008/2009 zur Neugestaltung dieses Quartiers in der Bremer Innenstadt reichten vom Parkhaus am Brill bis zum Parkhaus Mitte. Leider spielten die Eigentümer der C&A- und Galeria Kaufhof-Immobilien nicht mit und vermieteten langfristig. So blieb trotz zahlreicher Kritiker nur die kleine Lösung mit dem City-Center, das ursprünglich das Bremer Carree beinhaltete, die eben jetzt (zu Recht, wie ich finde) gescheitert ist.
    Ich stelle hier mal einen Link mit einem Exposee zur großen Lösung aus 2009 ein, das mehrere Szenarien enthält. Mir gefällt daran, dass die historischen Straßenläufe wiederhergestellt werden sollten und eine klein-teiligere Bebauung vorgesehen war - wie diese sich optisch dargestellt hätte, steht natürlich auf einem anderen Blatt ...
    Exposee Ansgariviertel
    (hie ist das Bremer Carree allerdings nicht Bestandteil)
    Mir persönlich liegt das Gebäude des Norddeutschen Lloyd auch sehr am Herzen, habe als Kind noch davor gestanden und das große Eingangsportal bestaunt. Eine Rekonstruktion desselben + Ansgarikirche wäre natürlich ein Traum, aber m. E. auch mit einer Initiative nicht realisierbar, da entsprechende Investoren und eine ausreichende Zahl von Befürwortern fehlen. Leider.

  • Lieber Oktavian,

    vielen Dank für Ihre konstruktive Kritik an der menschlichen Trägheit....

    Wie oben bereits heute an LarsK geschrieben sind wir gerade in der Vorbereitungsphase zweier Vereine (Stadtbild Bremen und Ansgari-Förderverein). Allerdings suchen wir noch ein entsprechend zugkräftiges 'Aushängeschild', welches ähnlich wirkmächtig den Gedanken von St. Ansgarii popularisieren könnte wie es Ihr grandioser Mitstreiter Prof. Ludwig Güttler beim Wiederaufbau der 'steinernen Glocke' George Bährs getan hat. Wer weiß, vielleicht suchen er und Baudirektor Eberhard Burger ja ein neues Betätigungsfeld... Wir sind da für jeden Hinweis dankbar !

    [align=justify]Liebe Kaline,

    Realitätssinn und Pragmatismus sind natürlich unabdingbare Voraussetzungen dafür, sich nicht von der eigenen Euphorie die Sicht auf die Tatsachen verstellen zu lassen. Aber dennoch meine ich, daß das Bewußtsein für die Fehlstelle im Bild der Bremer Altstadt, die St. Ansgarii hinterlassen hat, langsam beginnt in der Bürgerschaft unserer Stadt Wurzeln zu schlagen. Und ebenso den Wunsch, die Lücke wieder mit dem angestammten Bauwerk zu füllen !

    Anbei drei Leserbriefe aus den heutigen (9. August) Bremer Nachrichten, von denen zumindest einer diese Entwicklung zu unterstreichen scheint:

  • Wichtig ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die "Bühne" für St. Ansgarii zu erhalten. Ein Wiederaufbau der Kirche inmitten einer Hochhauslandschaft wäre ein Desaster und ihrer unwürdig. Das geplante Einkaufscentrum wäre dieses Desaster geworden und für mindestens 30 bis 50 Jahre nicht zu ändern.

    Darum ist der Erhalt der aktuellen Bausubstanz geboten! Solange, bis die St. Ansgarii-Kirche wieder als Solistin ihre Bühne betreten kann.
    Denn, soviel ist klar, neben den aktuellen Gebäuden könnte sie wirken - auch ohne den passenden historischen Rahmen. Nach dem Wiederaufbau müssten sich natürlich weitere Veränderungen an der Kirche orientieren - und sich unterordnen.

    Aber wie gesagt: Solange das nicht der Fall ist, gilt es das Ansgari-Quartier vor Schlimmerem zu bewahren. Meine Befürchtung ist, dass alles, was sich ab heute ändern würde, eine Verschlimmerung mit sich bringen dürfte. Dazu gehört der Erhakt des Lloyd-Hofes. Er ist von allen Nachkriegsbauwerken in diesem Bereich ohnehin noch der ansehnlichste.

  • Hallo Pagentorn,

    das ist ja großartig. Ich werde tatsächlich immer wieder gefragt, ob es nicht auch mal etwas für Bremen von uns gibt. Als Verwalter unserer FB-Seite kann ich nur empfehlen, hier auch gleich eine Seite mitaufzubauen. Ich werde dann gerne fleißig dafür werben, dass eure Seite bekannt wird und gleich ein Stammpublikum bekommt.
    Ich habe tatsächlich auch meine SD-Südbaden Seite (die verwalte ich auch) einige Wochen vor der eigentlichen Gründung hochgeladen, um darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt.

    Wenn ich Dir ansonsten mit Werbung im FB oder sonstwie behilflich sein kann, dann melde dich einfach. Ich helfe, wo ich kann!

    Mit besten Grüßen und viel Erfolg,
    Lars

  • Lieber RaHaHe,

    ich freue mich sehr, daß Sie wieder in die Diskussion eingreifen. Wie Sie sehen, sind unsere Meinungen in puncto Erhalt des Lloydhofes jedenfalls deckungsgleich.

    Und sollte es eines Tages tatsächlich eine optische 'Dopplung' der Giebelfassaden geben (durch Lloydhof und rekonstruierte Südgiebel der Kirche) so können wir Bremer uns ja damit trösten, daß das Portal IV. des Schloßes in Berlin ja auch zweimal existieren wird (am Humboldt-Forum und am Staatsratsgebäude)...

    Also nochmals: Schön, daß Sie wieder da sind !

    Lieber LarsK,

    vielen Dank für Ihren Enthusiasmus und das tolle Angebot tatkräftiger Unterstützung. Wir nehmen das sehr gerne an und sagen fürs erste ein herzliches 'vergelts Gott' (auf einer Seite, die sich einem Kirchengebäude verschrieben hat, darf man das ja wohl sagen.... :wink:) .

  • Westlich und nördlich des ‚Bremer Carré’s’ gibt es drei ‚Erinnerungsorte’, an denen der alten Kirche gedacht wird und die Stadt somit ihre ‚Phantomschmerzen’ pflegt. Einer dieser Orte ist die ‚offizielle’ Ansgar-Säule mit umgebenden, in den Boden eingelassenen Inschriftentafeln, die direkt auf dem Kirchhof steht. Zwei auf private Initiative zurückgehende Gedächtnisstätten sind die ‚Anscharii-Passage’ zwischen Martini- und Hutfilterstraße, sowie ein Wandgemälde auf der Rückseite einer an der Straße ‚Wegesende’ belegenen Traditionsgaststätte.

    1. Anscharii-Passage

    Diese Passage, die die alte plattdeutsche Version des Namenspatrons der Kirche verewigt, ist der jüngste der drei Gedenkorte und ist erst deutlich nach 1990 entstanden. Die Initiative zur Anlage dieses künstlerisch sehr aufwändig gestalteten öffentlichen Durchgangs zwischen der Martinistraße Nr. 71 und der Hutfilterstraße Nr. 16-18 geht vermutlich auf den Erbauer und ersten Eigentümer des Gebäudekomplexes zurück, der bisher jedoch noch nicht zu eruieren war, zumal er sich – ganz Mäzen der alten Schule – in vornehmer Zurückhaltung übt, was die Nennung seines Namens angeht ! Die Anlage besteht aus zwei schmiedeeisernen Toren, einer großen Erläuterungstafel, drei monumentalen Bleiverglasungen und einem Boden- und Wandbelag aus hochwertigem Naturstein.
    Die Hauptfront der Passage bildet die Seite zur Martinistraße. Hier fällt zunächst ein großes geschmiedetes Garagentor auf, welches eine Szene aus der Vita Anskarii wiedergibt: Ansgars Landung bei den heidnischen Schweden. Der ‚Apostel des Nordens’ hat soeben das Schiff verlassen und nimmt ersten Kontakt zu den ihm am Ufer entgegenkommenden Bewohnern auf. Weiter links, fast an der westlichen Gebäudekante, befindet sich der Eingang zur eigentlichen Passage. Das tagsüber in der Regel geöffnete, große – ebenfalls schmiedeeiserne – Tor zeigt eine – etwas abstrahierte – Ansicht der Kirche aus Richtung des Platzes am Brill, wobei links noch die Nordseite der Hutfilterstraße zu sehen ist. Über die Ansicht ist ein horizontales Band mit dem Namen ‚Anschariipassage’ gelegt. Über den Künstler beider Toranlagen findet sich leider kein Hinweis.
    Nach Betreten der Passage fallen linker Hand – innerhalb der auf Hochglanz polierten Natursteinverkleidung – zwei große Medaillons auf. Das erste enthält einige textliche Erläuterungen zur Geschichte und Bedeutung der Kirche Das zweite stellt eine Ansicht der Kirche von Osten über die Nordseite des Kirchhofs dar und ist in farbenstarker Bleiverglasung ausgeführt.
    Im Weitergehen kommt man in das Rondell-artige Herz der Passage. Begleitet durch ein verglastes Oberlicht und eine in Steinintarsien ausgeführte Windrose im Bodenbelag ist hier eine von der Glaswerkstatt G. Witthus nach dem Entwurf von Heinz Lilienthal im Jahre 1998 (dies dürfte als Entstehungsjahr der gesamten Passage anzunehmen sein) ausgeführte äußerst farbenprächtige Bleiverglasung zu sehen, die eine Ansicht der Weser-Seite der Bremer Altstadt wiedergibt, wie sie um 1750 existiert hat. Das Panorama ist so positioniert, daß der vom Eingang Martinistraße Kommende zunächst nur die Ansgarii-Kirche im Blick hat und erst beim Erreichen des Rondells die übrigen Kirchen östlich von Ansgari zu sehen bekommt. Um diesen Effekt zu erreichen wurde auf die Darstellung der westlich von Ansgarii gelegenen Steffensstadt mit St. Stephani verzichtet.
    Beim Verlassen der Passage durch den Ausgang Hutfilterstraße fällt auf, daß hier keinerlei Hinweis auf die Passage im Innern des Gebäudes deutet. Vielen Bremern ist diese Kostbarkeit daher bis heute vollkommen unbekannt.

    Die Fassade der Passage an der Martinistraße Nr. 71. Im Hintergrund die 'Brill-Kreuzung'.


    Rechts das Garagentor und links der eigentliche Eingang zur Passage.

    'Ansgar bei den Schweden'.

    Die Eingangstür.

    Das Tor mit der Ansicht der Kirche aus Richtung Hutfilterstraße.

    Der Eingangsbereich.

    Die Erklärungstafel.

    Die Ansicht von der Nordseite des Kirchhofs.

    Der Blick zum zentralen Rondell.

    Das Oberlicht.

    Die Stadtsilhouette von 1750 - westlicher Teil.

    Die Stadtsilhouette von 1750 - östlicher Teil.

    Die beteiligten Künstler.

    Die 'olle Schaarskaaken' - so nannten wir Bremer sie einst liebevoll...

    Blick zurück zum Eingang Martinistraße.

    Blick zurück zum Eingang Martinistraße - Detail.

    Blick zum Ausgang an der Hutfilterstraße.


    2. Ansgar – Säule

    Diese Säule wurde nach dem Abbruch der Kirchenruine als Substitut errichtet, aber nicht nur für das Gotteshaus, sondern auch für das ehedem auf dem Kirchhof stehende Ansgar-Denkmal von Steinhäuser (von dem es heute noch eine Replik in der Heidelberger Jesuitenkirche gibt). Die Inschriftentafeln im Boden geben einen groben Überblick über die historische Relevanz des Ortes, werden aber leider meist ‚nur mit Füßen getreten’.

    Die Säule vor dem Hintergrund des 'Bremer Carré's'.

    Die Gedenkinschriften in den Bodenplatten am Fuß der Säule.

    Die Ansgar-Säule vor dem Gewerbehaus (dem Sitz der Handwerksammer), welches nach dem Kriege teilrekonstruiert wurde (sic!). Ja, das 'Zunfthaus' der Handwerker wurde wiedergewonnen, die diesem gegenüberliegende 'Kirche der Handwerker' bisher aber nicht...

    3. Wandbild

    Das Wandbild befindet sich an der Rückfront des Gebäudes Wegesende 20 und ist nur über die – momentan verwaiste – Ladenpassage des ‚Lloydhofes’ einsehbar. Das ins Bild integrierte Brauerei-Wappen sowie eine Hinweistafel weisen auf den Auftraggeber dieses Kunstwerkes hin: eine beliebte Bremer Traditionsgaststätte. Wohl auch diese ist durch die City-Center Planungen vom Abriß bedroht…

    Der Weg zum Wandbild führt durch die - momentan leerstehende - Ladenpassage des Lloydhofes.

    Das Wandbild.


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (11. August 2015 um 08:17)

  • Anbei ein vergleichender Blick vom Platz 'Brill' in die Hutfilterstraße in den 1920er Jahren und in der Gegenwart. Wenn man da keine Phantomschmerzen entwickeln soll !

    Das historische Farbfoto ist dem Werk 'Die Deutschen Städte in Farbphotographien' entnommen, welches in den 1920er Jahren erschienen ist.

  • Ich bringe mich gerne wieder ein!

    Und heute morgen, beim Blick in die Tageszeitung, sehe ich mit freudigem Erstaunen, dass der Weser-Kurier vom DomRömer-Projekt in Frankfurt berichtet. Momentan scheint mir die Berichterstattung in den Bremer Medien geeignet, eine entsprechende Reko-Bewegung zu unterstützen. Und sei es nur, um zukünftig mindestens im Bereich der Altstadt bei neuen Bauvorhaben einen altstädtischen Charakter zu bewahren.

    Da Bilder mehr sagen, als tausend Worte, müssen wir Bilder schaffen. Sie müssen durchs Netz geistern oder als Handzettel in der Altstadt landen. In den Köpfen der Leute muss das Bild von dem "was sein könnte" Gestalt annehmen. Es hat auch einen anderen Charakter, als das Bild von dem was war!

    Die von Pagentorn eingestellte, im Weser-Kurier abgedruckte, Photomontage der Ansgarii-Kirche in der heutigen Obernstraße ist so ein Bild. Dass der Weser-Kurier es gedruckt hat, war schon bemerkenswert.

    Das Eisen ist heiß! Schmieden wir!


  • Ich möchte RaHaHe’s Impuls hinsichtlich der wirkmächtigen Bilder aufgreifen und habe dafür einen eher selten gezeigten Blickwinkel ausgewählt, nämlich den vom Dach der Perronhalle des Bremer Hauptbahnhofs in Richtung Altstadt (also gegen Süden), der hier in zwei Bilderpaaren folgen soll:

    1. Bilderpaar

    An der linken Bildkante des Vorkriegsfotos ist der östliche Flankenturm des Bahnhofsgebäudes zu sehen. Rechts neben diesem – im Bildvordergrund - Frigidarium und Damenschwimmhalle der Städtischen Badeanstalt und rechts oberhalb der letzteren der sog. ‚Opel-Turm’. Der Bildmittelgrund wird von einigen der hier einst zahlreich angrenzenden Hotels eingenommen: Direkt neben dem Flankenturm des Bahnhofs kommt noch eine Fensterachse des ‚Bahnhofshotels’ ins Blickfeld. Rechts daneben – mit Dreiecksgiebel – das Hotel ‚Du Nord’. Jenseits der Straßenkreuzung Breitenweg / Bahhofsstraße das von einem Eckturm bekrönte ‚Alberti’. Nördlich desselben- also diesseits des Breitenweges - folgen noch das ‚Reichshof’, das ‚Stadt Hamburg’ und – gerade noch sichtbar – das ‚Central’ (heute ‚Columbus’). Der Bildhintergrund wird von der – gerade an dieser Stelle sehr markanten – Silhouette der Altstadt eingenommen: Etwas links von der Mitte kommt der Schornstein am östlichen Ende des Lloydgebäudes ins Blickfeld. Etwas rechts der Mitte dessen hoher Hauptgiebel und Turm, die das westliche Ende dieses Komplexes bilden (man realisiere die gewaltigen Ausmaße des Reedereipalastes !). Dann folgen – wenn man genau hinsieht –die Nordgiebel der Ansgarii-Kirche, sowie deren Turm. Den Abschluß bildet die Herdentorsmühle (die teilweise auch ‚Ansgari-Mühle’ genannt worden sein soll – dies ist aber noch nicht verifiziert). Das Bild stammt aus den Beständen vom Bildarchiv Foto Marburg und dürfte in den 1920 bis 30er Jahren entstanden sein .
    Auf ihm kommt klar zum Ausdruck, wie sehr das Stadtbild in diesem Bereich durch die vertikalen Akzente belebt wurde und welch dominierende Rolle die Ansgarii-Kirche hierbei spielte.
    Das Bild aus der Gegenwart offenbart demgegenüber die heute hier herrschende horizontale Monotonie und zwar in ihrer ungeschminkten Tristesse. Die Hochstraße am Breitenweg betont die Waagerechte noch zusätzlich. Von allen Gebäuden, die auf dem Vorkriegsfoto zu sehen sind, haben lediglich der Flankenturm des Bahnhofs (dessen kugelartiger Abschluß hier links ins Bild hineinragt) und die Herdentorsmühle Krieg- und Wiederaufbau überlebt…

    Zusammenfassend kann man zu diesem ersten Bilderpaar sagen: Manche andere Stadt würde viel darum geben, eine Silhouette zu haben, wie die, die in Bremen vor dem Kriege nur einen kleinen Teil des gesamten Stadtpanoramas ausmachte. Mit anderen Worten: Der hier dargestellte Ausschnitt der Stadtsilhouette war so reichhaltig, so konturiert, daß er 'aus sich heraus' bestehen konnte und sich somit nicht hinter den Turm-Gruppen von Dom/Liebrauen/Martini bzw. Stephani verstecken mußte.
    Heute ist die 'Skyline' der Stadt im gewählten Ausschnitt hingegen buchstäblich tot ! Kein Fotograf käme mehr auf die Idee, diesen als alleiniges Motiv zu wählen. Jeder wird versuchen, zumindest den Dom und Unser Lieben Frauen mit ins Bild zu bekommen.


    2. Bilderpaar

    Das zweite Bilderpaar wiederholt den Blick in die Vergangenheit, kombiniert ihn aber mit dem Blick in eine mögliche Zukunft…



    So war es / So ist es



    So war es / So könnte es sein


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (12. August 2015 um 22:20)

  • In Ergänzung zu dem schwarz-weiß Bild aus dem vorigen Beitrag möchte ich hier das obige Farbfoto einstellen. Es wurde am 7. Juli 1941 vom Dach eines Hauses an der (ehem.) Marienstraße aufgenommen. Es zeigt den Turm des Verwaltungsgebäudes des Norddeutschen Lloyd, den Kirchturm von St. Ansgarii (mit brandneuem Kupferbelag auf dem Helm) und die Herdentorsmühle – in etwa aus derselben Perspektive wie das Bild vom Bahnhofsdach, nur wesentlich ‚näher dran’. Die zwei fünfgeschossigen Fensterachsen an der linken Bildkante gehören – nebenbei bemerkt- zum Seitenflügel von Bremens damals besten Hotel, dem ‚Hillmann’. Das grüne Band der Baumwipfel, welches sich hinter den im Vordergrund stehenden Gebäuden quer durchs Bild zieht, ist ein Teil der Wallanlagen, die hier die Altstadt von der Bahnhofsvorstadt trennen.
    Das Bild wurde vom Fotografen ‚Tassilo II’ am 12. September 2009 über Panoramio veröffentlicht.

    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (13. August 2015 um 12:08)

  • Wenn ich mir die Vergleichsbilder hier so anschaue muss ich leider feststellen, dass Bremen heute eine sehr häßliche Stadt ist. Zumindest in weiten Teilen. Ob ein rekonstruierter Kirchturm urbanes Altstadtflair aufkommen lässt, mag ich zu bezweifeln.

    Wenn ich hier entscheiden dürfte:
    Ich würde die "Altstadt" großflächig abräumen und dann kleinteilig den Vorkriegszustand rekonstruieren. Allerdings ist es utopisch, dass soetwas geschehen wird. Hier hilft nur eine Naturkatastrophe, z.B. ein verträumter Vulkanausbruch in der Innenstadt. Ich gebe zu, es ist auch etwas unwahrscheinlich, dass das in den nächsten 10000 Jahren passieren wird...

  • Lieber Kaiser Karl,

    auch wenn es mir als gebürtigem Bremer, der seine Heimatstadt über alles liebt, in der Seele weht tut, so komme ich dennoch nicht umhin, Ihnen vollkommen recht zu geben ! Der ganz überwiegende Teil unserer Altstadt und die komplette – einst so gediegene – Bahnhofsvorstadt sind von banaler Hässlichkeit mehr als entstellt.

    Aber damit sich an diesem traurigen Zustand etwas ändert, bedarf es nicht nur eines langen Atems, sondern auch eines ‚optischen Paukenschlages’, der den Beginn des bitter nötigen bauästhetischen Umdenkprozesses markieren und gleichzeitig als Referenzobjekt für weitere Projekte dienen könnte. Ich denke, daß die Ansgarii-Kirche ein derartiger, wegweisender ‚Leuchtturm’ für Bremen sein wird, ähnlich wie es die Frauenkirche für Dresden war. Ohne die Rückkehr der Letzteren hätte auch der Neumarkt der sächsischen Landeshauptstadt sein historisches Gesicht sicher nicht wieder erhalten.
    Und abgesehen von ihren jeweiligen Rollen für das unmittelbare Umfeld, haben Frauen- und Ansgarii-Kirche für die Stadtsilhouetten Dresdens und Bremens eine gar nicht zu überschätzende, unverzichtbare Bedeutung. So wie Dresden durch die Auferstehung der ‚steinernen Glocke’ von George Bähr erst recht eigentlich wieder zu sich selber fand, wieder Dresden wurde, so wird auch Bremen erst mit der Rückkehr seiner ‚Stadtkrone’ wieder im vollen Sinne des Wortes ‚Bremen’ sein.
    Als Aachener haben Sie sicher auch beim Wiederaufbau der beiden, für das Panorama Ihrer Stadt so wichtigen, Rathausturmhelme mitgefiebert, welche, wenn man aus Richtung ‚Rothe Erde’ auf die Stadt schaut, das sonst in der Aachener Silhouette übermächtige ‚Gebirge’ des Doms (aus Kuppel der Pfalzkapelle und neugotischem Turm auf dem Westwerk) erst austarieren. Ebenso geht es uns hier mit dem Turm von St. Ansgarii: Ohne ihn fehlt dem St. Petri Dom sein Pendant. Insofern würde allein dieser Turm tatsächlich doch schon viel zur Verbesserung des hiesigen ‚Altstadtflairs’ beitragen…

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (15. August 2015 um 00:46)

  • Für einen Themenstrang, der sich der Rückgewinnung der Lieblingskirche der Bremer verschrieben hat, sollte es ein Bedürfnis und eine selbstverständliche Pflicht sein, in regelmäßigen Abständen an die Person zu erinnern, welche sich wie keine zweite für die Rettung der Ruine (und damit für die Offenhaltung der Option eines späteren Wiederaufbaus) eingesetzt hat: Dr. Friedrich Prüser (1892 – 1974), den unvergessenen und wegen seiner Schaffenskraft legendären Direktor des Staatsarchivs Bremen. Den Kampf für seine ‚Schaarskaaken’ führte er – um im religiösen Bilde zu bleiben – wie der ‚Löwe von Juda’. Leider stand er damit im baupolitischen Klima des damaligen Bremen aber auf verlorenem Posten. Seine in zahlreichen Veröffentlichungen zu St. Ansgarii dokumentierten, geradezu prophetischen Worte sind uns Auftrag und Ansporn, mit Beharrlichkeit sein großes Ziel weiter zu verfolgen !

  • Das ist wieder so typisch deutsch, mit Installationen und Gedenktafeln an verschwundene Bauwerke zu erinnern, anstatt sie wieder aufzubauen. Als Alibi und um sein Gewissen zu beruhigen, werden diese Tafeln überall hingeknallt. Natürlich ist ein Bild oder eine Tafel besser, als gar keine Erinnerung. Davon gibt es in Deutschland aber einfach zu viele. Mich nerven diese Dinger. Viele Chancen für einen Wiederaufbau, werden, generell, einfach vertan. - "Wir haben doch nun eine Gedenktafel. Da müssen wir das Bauwerk nicht auch noch rekonstruieren." - In vielen Fällen hängen diese Tafeln auch noch an den Nachkriegsklötzen, die einen Wiederaufbau blockieren. Wie bei diesem Beispiel aus Dortmund.

  • Ob es einen Wiederaufbau gibt oder nicht, wird maßgeblich an der Spendenbereitschaft (finanzkräftiger) Nichtbremer liegen. Vielleicht ließe sich durch das Internet ein internationaler Spendenaufruf initiieren. Reich bebildert, professionell zusammen- und aufgestellt... Bremen allein wird es nicht bringen, befürchte ich.

  • Lieber Zeitmaschinist,

    ich teile Ihre Kritik an Gedenktafeln, die in der von Ihnen beschriebenen Form instrumentalisiert werden. Wenn sich in der Zukunft der Trend zu originalgetreuen Rekonstruktionen immer mehr Bahn brechen wird, kann man sicherlich ein eigenes Museum diesen – dann ausgedienten – ‚baupolitischen Feigenblättern’ widmen. Unsere Nachfahren werden sich dann nur noch kopfschüttelnd darüber wundern, wie lange ihre Ahnen es mit diesen, die ästhetische Nacktheit der deutschen Städte höchst unzureichend kaschierenden ‚Platzhaltern’ haben aushalten können.
    Und vielen Dank für den Hinweis bezüglich des Alten Dortmunder Rathauses, welches ja ganz offensichtlich ein Zeitgenosse der Angarii-Kirche ist, sind doch beide in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden.

  • Lieber RaHaHe,

    die von Ihnen eingestellte ‚Schlachte’-Ansicht von Südwesten ist großartig. Sie zeigt, wie sehr die Uferzone der Bremer Altsadt durch den Turm der ‚ollen Schaarskaaken’ optisch gewinnen würde. Die ‚Weserseite’ wirkt – um mit den Worten von Altbundespräsident Roman Herzog zu sprechen – plötzlich regelrecht ‚unverkrampft’. Bisher hat nämlich jeder – gerade auch der ortsfremde Gast – beim Anblick dieses Bereichs das unbestimmte Gefühl, hier auf etwas Fragmentarisches zu schauen. Mit dem Turm wirkt alles – selbst die nicht sonderlich anspruchsvollen Nachkriegsbauten an der Uferstraße – ausgeglichen und harmonisch. Der Turm steht so selbstverständlich an dieser Stelle, als wäre er nie ‚weg’ gewesen ! Vielen Dank für das Teilen dieser Erfahrung !
    Ihren wichtigen Hinweis hinsichtlich das Einbindens überregionaler und sogar internationaler Mäzene, sollten wir unbedingt weiterverfolgen ! So könnte ich mir gut vorstellen, daß gerade die skandinavischen Staaten durchaus ein Interesse daran haben könnten, daß ihr ‚Apostel’ in der Stadt seiner Erzbischofs-Kathedra durch den Wiederaufbau der Kirche, deren Patron er ist, wieder mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird.

  • Nochmals vielen Dank, Pagentorn!

    An Skandinavien habe ich auch gedacht. Mäzene sind dazu möglicherweise auch in Nordamerika zu finden, wenn man an die vielen über Bremen und Bremerhaven ausgewanderten Vorfahren der heutigen Amerikaner denkt. Möglich, dass man deren Nostalgie-Stolz wecken kann.

    Katholische Südamerikaner europäischer Abstammung erreicht man vielleicht auch.

    Der Simultankirchenvorschlag lässt vielleicht sogar katholische und afrikanische Christen spenden? Könnte man eventuell sogar - die richtigen Personen müsste ich aber erst kennenlernen - mal nach Rom schauen?

    Neu Alt-St. Ansgarii könnte sich überaus integrativ gestalten.

    Wahrscheinlich packt mich aber grad nur der Größenwahn

  • Am Sonntag, den 16.08.2015, erschien in den Bremer Nachrichten ein ganzseitiger Abdruck einer eindrucksvollen Sammlung von Leserbriefen, die sich nahezu ausschließlich der geplanten Bebauung des hiesigen Bahnhofsplatzes mit zwei von Max Dudler entworfenen Büro- und Geschäftsgebäuden – und zwar durchweg ablehnend – widmete. Auch wenn die Problematik der Bahnhofsplatzbebauung (quasi ein Zwilling der Nürnberger Planungen) auf diesem Themenstrang keine Rolle spielt, so möchte ich den Lesern hier die diversen Eingaben nicht vorenthalten, da sie doch aufzeigen, auf welchem hohen und kritischen Niveau um ihre Stadt besorgte Bürger hier argumentieren. Dieses Potential ließe sich dereinst sicherlich auch für St. Ansgarii aktivieren. Gegen Ende der Seite steht übrigens dann doch noch eine Lesereingabe, die den Bogen vom Bahnhofsplatz zum Ansgarikirchhof spannt – ebenso wie das beigegebene großformatige Bild…

  • Mir ist aufgefallen, daß hier bisher noch keine Ansichten von der Ostseite der Kirche eingestellt worden sind. Das soll mit folgendem Beitrag nachgeholt werden.

    Tatsächlich wurde dieser Teil des Gotteshauses weitaus seltener photographiert als die Südseite zur Obernstraße oder die Turmfassade im Westen. Die Ursache für diese ‚Vernachlässigung’ mag gewesen sein, daß die östliche Flanke von St. Ansgarii durch angrenzende Häuser recht ‚eingebaut’ war und daher dem Photographen, der sie in adäquater Weise auf sein ‚Platte’ bannen wollte, mehr abverlangte. Daß dies dann aber doch nicht ganz unmöglich war, soll im Folgenden anhand von zwei Beispielen belegt werden.

    1. Jenseits der Großen Hundestraße

    Zunächst zwei Übersichtskarten zur besseren Orientierung:

    Der das obige Bild knipsende ‚Kameramann’ stand im Jahre 1930 an einem Obergeschoßfenster des Hauses Sögestraße Nr. 17 und blickte durch die gesamte ‚Große Hundestraße’ – von ihrem östlichem Beginn an der Söge- bis zu ihrer westlichen Einmündung in die querende Papenstraße. Von der Sögestraße fing er – gerade noch eben, in der oberen rechten Bildkante – die Südseite des Uhrtürmchens des ersten Bremer Karstadt-Warenhauses (an der Ecke zur Pelzerstraße), die Fassade der Sonnenapotheke (die in einem anderen Bremen-Strang hier im Forum, im Zusammenhang mit Fassaden-Translozierungen nach dem 2. Weltkrieg schon einmal näher thematisiert wurde) und den Eingang des Geschäftshauses ‚Schwally’ ein, welches sich aber primär – ‚um die Ecke’ – an der Nordseite der Großen Hundestraße erstreckt. Jenseits von ‚Schwally’ sind das (diesem ‚fassadenähnliche’) Haus ‚Salander’, sowie zahlreiche kleinere Bürgerhäuser zu erkennen, denen dann noch die Giebel des Umformwerks der Stadtwerke Bremen und des Lloydgebäudes folgen. Von der Südseite der ‚Großen Hundestraße’ sind nur der Schattenwurf der Gerüste am gerade entstehenden Karstadt-Neubau sowie die Kante der Rückfront des Warenhauses Heymann & Neumann zu sehen. Zwischen dieser Kante und den Giebeln vom Umformwerk und ‚Lloyd’ kommen zwei Fensterachsen des Hauses Papenstraße Nr. 24 ins Bild und darüber….der Ostgiebel von St. Ansgarii, jawohl !!
    (Das Bild ist dem Band ‚Lloyd-Passage. Große Hundestraße zu Bremen. Von der Handwerkerstraße zur Einkaufs- und Flanierstraße’ [Bremen 1990, S.5] entnommen.)

    Hier noch eine farbliche Hervorhebung (rot) und zwei Vergrößerungen, die den Giebel des Hohen Chores etwas deutlicher zeigen:

    2. Hinter der Haarnadelkurve

    Konnte man am östlichen Beginn der Großen Hundestraße den Chorgiebel von St. Ansgarii noch über dem Hause Papenstraße Nr. 24 aufragen sehen, so verdeckte der ‚Gebäuderiegel’ dieses Hauses den Anblick der Kirche umso mehr, je weiter der Betrachter in der Großen Hundestraße nach Westen wanderte. Am Ende der Straße mußte er dann eine ‚Haarnadelkurve’ absolvieren, wollte er die Ostseite der Kirche wieder sehen. Den sich ihm danach bietenden Anblick gibt das obige Bild wieder: An der linken Kante des Photos ist noch etwas von der Dachkante des Hauses Papenstraße 24 zu erahnen. Dann folgt ein regelrechter ‚Giebel-Dreiklang’ – und zwar von links nach rechts: Zütphen-Kapelle (wo am 9. November 1522 die Reformation in Bremen ihren Ausgang nahm), Chor und (ehem.) Kirchspielsschule (in den 1930er Jahren bekamen die Fenster der Letzteren unterhalb des Giebels die hier sichtbare Fassung, wie sie vor der Regotisierung im 19. Jahrhundert schon einmal bestanden hatte). Das Kirchenschiff trägt eine Kupferdeckung, die es überhaupt erstmals in seiner Geschichte in den 1930er Jahren erhalten hatte, nachdem es über Jahrhunderte mit sog. ‚Schebelsteinen’ (einer Art Schiefer) belegt gewesen war. Dieses Photo vermittelt im Übrigen noch eine schwache Ahnung davon, wie eng der Durchgang zwischen der Zütphen-Kapelle und dem Haus Papenstraße 24 (bzw. der - südlich an dieses anschließenden - ‚Alten Sparkasse’) gewesen sein muß; man beachte nur die Verschattung des Kapellengiebels.
    (Das Bild ist dem Band ‚Bremen. Lebenskreis einer Hansestadt’ von Knittermeyer und Steilen [Bremen 1942, S.261] entnommen.)

    Ergänzend folgen hier noch zwei Vergleichsilder aus der Gegenwart: Das erste Bild zeigt eine Ansicht, die von exakt derselben Position aufgenommen wurde, auf der der Photograph des ‚Giebel-Dreiklanges’ stand. Wie man sieht, ist das Haus Papenstraße Nr. 24 aus dem Stadtbild verschwunden, sodaß die Große Hundestraße heute direkt in den Ansgarikirchhof einmünden würde, wenn sie denn noch diesen Namen hätte. Aber die Große Hundestraße trägt seit 1990 den Titel ‚Lloyd-Passage’ (eine schwache Erinnerung an die Reederei und ihren einstmals hier aufragenden Firmensitz) und ist eine überdachte ‚Shopping-Meile’ geworden, deren östlichen Beginn das zweite Bild zeigt. Es bildet in etwa die gleiche Perspektive ab, wie die, die der ‚Kameramann’ des Photos vom Beginn der Großen Hundestraße einst eingefangen hat.
    Nach allem kann man nur sagen: ‚Tempi passati’ ….

    Bei der Zusammenschau des historischen und des jetzigen Erscheinungsbildes dieser Altstadtzone springt einem das erschreckende Ausmaß des Verfalls von Urbanität und Baukultur ganz unverhohlen ins Auge ! Wie lange noch wollen wir Bremer uns mit diesem, der historischen Relevanz des Ortes absolut unangemessenen, unwürdigen Zustand abfinden ? :kopfschuetteln:

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (20. August 2015 um 08:46)