Bremen - St. Ansgarii

  • Das historische Ansgarii-Quartier der Bremer Altsadt wurde bis zur verfehlten Wiederaufbaupolitik nach dem 2. Weltkrieg von der mächtigen, namensgebenden Kirche und dem imposanten, palastartigen Firmensitz des Norddeutschen Lloyd, der seinerzeit größten Fahrgastreederei der Welt, geprägt. Gemeinsam bildeten sie Herz und identitätsstiftendes Gesicht dieses geschäftigen Atlstadtviertels, welches im Übrigen durch eine in Nutzung und Baustil vielfältige, kleinteilige Bebauung charakterisiert wurde. Der Ansgarikirchhof stellte ein vitales Unterzentrum dar, welches hinsichtlich seiner architektonischen Qualität und seinem ästhetischen Stadtbild dem Bereich zwischen Dom, Rathaus und Schütting geradezu ebenbürtig war, ja man hätte ihn sogar mit Fug und Recht den Bremer ‚Neumarkt’ nennen können. Der Turm der Kirche war zudem nicht nur für das Gesamterscheinungsbild der Altstadt erforderlich, in welchem er für den richtigen ‚Rhythmus’ der Intervalle zwischen den sakralen bzw. profanen vertikalen Elemente der Stadtsilhouette sorgte, sondern er war auch der Zielpunkt fast aller Blickachsen im engeren Quartier.
    Es ist geradezu tragisch zu nennen, daß die Nachkriegsplanungen dieses organisch gewachsene Gefüge komplett zerstört haben: Kirche und Lloydgebäude, mit ihrem je eigenen pittoresken Spiel von Giebeln, Türmen, Erkern, Zinnen, Fensterfronten und zerklüfteten, abwechslungsreichen Dachlandschaften, wurden durch monotone Kästen (der unmittelbare Nachfolgebau der Kirche, das Kaufhaus Hertie, wurde bereits in den frühen 90er Jahren als wertlos erachtet und durch das sog. ‚Bremer Carré’ ersetzt) verdrängt, welche keinerlei Anstalten machen, sich harmonisch in das Geflecht der Altstadt zu integrieren und die Traditionen ihrer Standorte aufzunehmen. Darüberhinaus ist durch das Verschwinden der beiden markanten Türme die Altstadt als Ganzes aus dem ‚Takt’ gekommen: Egal von wo aus man sie betrachtet, ob von der Aussichtsetage des St. Petri Doms oder von der Besucherterrasse des Bamberger Hochhauses in der Steffensstadt, immer ist der zu überbrückende Hiatus zwischen den vertikalen Landmarken der Altstadt einfach nur unschön überdimensioniert. Aus dem eleganten blickmäßigen ‚Hangeln’ von Turm zu Turm ist ein schlaffer ‚Durchhänger’ geworden.
    Nun hätte man annehmen sollen, daß man vor diesem Hintergrund bei den aktuellen Planungen des neuen ‚City-Centers’ Einiges daran gelegt hätte, diesen unschönen Zustand zu beseitigen. Aber nichts dergleichen ist geschehen. Die ehemaligen Grundstücke von Kirche und Norddeutschem Lloyd waren noch nicht einmal Bestandteil der Planungen. Diese bezogen sich statt dessen ausschließlich auf die Gebäudeblöcke nördlich des Ansgarikirchofes und westlich der Ansgaritorstraße, also auf Bereiche, die für eine weit ausstrahlende Verbesserung des Stadtbildes direkt nichts hergeben. So würde von der Obernstraße her – die ja ohne den Turm der Kirche im ‚Nichts’ endet – die bauliche Veränderung die das Center gebracht hätte, noch nicht einmal einsehbar gewesen sein. Und hinsichtlich der Höhenentwicklung des glas- und stahldominierten neuen ‚Centers’, wäre mehr oder weniger nur ein weiterer horizontaler Kasten im Stadtbild erschienen (Nummer drei nach Horten/Kaufhof und Hertie/Bremer Carré).
    Was kann man daraus folgern ? Nur durch ein radikales Umdenken der Verantwortlichen, im Sinne eines Nacheiferns der positiven Entwicklungen in Frankfurt a. M. und Dresden, kann die städtebauliche Ödnis in diesem Bereich der Bremer Altstadt beseitigt werden !

    Luftbild aus dem 2. Weltkrieg (es sind schon erste Zerstörungen zu erkennen).
    Rot eingefärbt: St. Ansgarii. Gelb eingefärbt: Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd.

    Luftbild aus der Gegenwart.
    Rot eingefärbt: ‚Bremer Carré’. Gelb eingefärbt: Galeria Kaufhof (Ex-Horten). Hier sieht man, sehr deutlich, daß das Horten-Gebäude nach Norden zu ein Drittel mehr Fläche überbaut als das Lloydgebäude vordem. Hierzu wurde das westliche Ende der Knochenhauerstraße brachial verlegt.

    Luftbild aus der Gegenwart.
    Blau eingefärbt: Bereich des geplanten ‚City-Centers’.

    Der Blick vom Dach des Finke-Hochhauses nach Osten auf den Ansgarikirchhof offenbart die ganze städtebauliche Ödnis, für die Kirche und NDL haben weichen müssen. Man erkennt auch, wie gut der Kirchturm an seiner historischen Stelle dem Stadtbild hier tun würde !

    Blick auf Bremer Carré, Horten und ‚Lloydhof.


  • Interessant wäre es, wenn ein Sachkundiger die weitere Entwicklung nach dem Ausscheiden des Investors abschätzen könnte. Welche Erwartungen sind mittelfristig realistisch, wie wird sich die Wahrnehmung dieses Quartiers in den nächsten Monaten entwickeln?

  • Lieber ‚Weingeist’, vielen Dank für Ihre konstruktiven Fragen. Es wäre bestimmt sehr hilfreich, wenn ein mit den Details der ‚City-Center’-Planungen vertrauter Sachkundiger hier fundierte Prognosen über die mittelfristige Entwicklung des Areals, insbesondere bezüglich einer wünschenswerten Ausweitung des Focus auch auf den ehemaligen Bereich von St. Ansgarii abgeben könnte. Wenn also unter den Lesern dieses Themenstranges solche ‚Träger von Fachwissen’ sind, mögen sie doch bitte aus der ‚Deckung’ kommen und uns ihre Einschätzung mitteilen.
    Hinsichtlich des Bremer Carré’s sehe ich allerdings momentan buchstäblich ‚schwarz’, denn der Eigentümer der Immobilie, die Allianz Real Estate, hat – wohl im Vorgriff auf das nun vorerst nicht kommende ‚City-Center’- die, noch nicht einmal ein Vierteljahrhundert alte, Fassade umgestalten lassen: Wo bisher eine – wenn auch minimale – farbliche Gliederung durch rote vertikale Hauptstützen, begleitet von silbrigen Zwischenstreben gegeben war und ein leichter Tiefenversatz der Fensterzonen zu einem dezenten Relief führte, herrscht nun ein einheitliches Schwarz in monotoner Flächigkeit vor. Eine Vorstellung von dem Aussehen gibt das einem Artikel des ‚Weser-Kuriers’ beigefügte Foto, zu welchem der folgenden Link führt:

    http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1145426.html

    (Das Foto gibt nebenbei bemerkt den Blickwinkel wieder, in welchem man ehedem – von links nach rechts – die Giebel von Zütphen-Kapelle, Ostchor und Kirchspielsschule sehen konnte).

    Ich werde in der kommenden Woche noch einige aktuelle Bilder der neuen Gestaltung hier einstellen. Die Fassade hat jetzt die Anmutung eines monolithischen schwarzen Blocks, der den unbefangenen Betrachter – mehr als nur entfernt – an die Kaaba erinnert. Vor dem Hintergrund der historischen Signifikanz des Ortes ist das mehr als pikant !

    Bevor man in Hinblick auf all die häßlichen Kästen im Ansgarii-Quartier schier verzweifelt, ist es vielleicht ganz gut, sich des brillanten Liedes von Bodo Wartke zu erinnern, der hierzu die passenden aufmunternden (da ironisierenden) Worte gefunden hat:

    https://www.youtube.com/watch?v=9yRZkYZiM88
    (Dieses Lied sollte man im Übrigen immer und immer wieder an Kollegen, Bekannte, Freunde und Verwandte ‚verlinken’. Vielen wird es erst die Augen öffnen…)

    Abschließend sei noch bemerkt, daß die 'Investition' in die Fassaden-Umgestaltung selbstverständlich kein Argument dafür sein kann, dem Carré sozusagen eine längere Lebensdauer zu prognostizieren. Dafür hätte man in den vergangenen Jahrzehnten nicht die vielen Beispiele sehen dürfen, in denen kurz nach derartigen 'Frischzellenkuren' die Abrißbirne anrückte ! Das beste Beispiel hiefür ist der Vorgängerbau des Carré's, die Bremer Hertie-Filiale, welche nach einem 'Face-Lifting' nur noch weniger als ein halbes Jahrzehnt überdauerte.....

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (3. August 2015 um 11:39)

  • Das obige Bild ist einem kurzen Farbfilm entlehnt, den ein amerikanischer Offizier im Jahre 1948 in Bremen gedreht hat (der ‚Link’ zu dem Film folgt unten). Die linke Bildhälfte wird fast gänzlich von der Ruine der Ansgarii-Kirche eingenommen. Man erkennt (von links nach rechts): den Strebepfeiler, welcher das südliche Seitenschiff vom südlichen Querhaus trennte; die Stirnwand des letzteren mit spätromanischem Rundbogenportal (durch die Kriegseinwirkungen freigelegt, nachdem es über Jahrhunderte durch Anbauten verdeckt war) und Giebeldreieck (welches erst nach dem Kriege aus Gründen der Verkehrssicherung zur Häfte abgetragen wurde); die von einem Fenster durchbrochene Südwand der länglichen Zütphen-Kapelle und dahinter aufragend den Hohen Chor mit dessen noch in voller Höhe erhaltenen Giebel. Auffallend ist der warme Farbton des Ziegelmauerwerks – doch dazu später. In der rechten Bildhälfte sieht man im Vordergrund den auf sein Erdgeschoß reduzierten Rest des Stammsitzes der Sparkasse Bremen, einem im Stile der Florentiner Hochrenaissance errichteten, ehedem repräsentativen ‚Palazzo’ und im Hintergrund das Lloydgebäude mit noch fast intaktem Turm.
    Das Bild ist deshalb so bemerkenswert, weil es eine der ganz wenigen bisher bekannten Abbildungen ist, welche nicht den Turm, sondern das Kirchschiff in einer farbechten Wiedergabe zeigen und die deshalb für die Farbe der verwendeten Backsteine sehr aufschlußreich sind.

    Welche Relevanz hat nun aber diese Farbe ? Dazu muß etwas ‚ausgeholt’ werden:

    Eines der charakteristischen Spezifika der bremischen Sakralbaukunst ist, daß sich hier die rheinisch-westfälische Haustein- und die norddeutsche Backsteinarchitektur überlappen. Während die beiden ältesten städtischen Gotteshäuser, der St.Petri Dom und die Kirche Unser Lieben Frauen fast vollkommen mit Naturstein verblendet sind und die beiden jüngeren Klosterkirchen (St. Johann der Franziskaner und St. Katharinen der Dominikaner) durchgehend backsteinsichtig errichtet wurden, weisen die zeitlich zwischen diesen beiden Gruppen liegenden Gotteshäuser von St. Stephani, St. Martini und St. Ansgarii äußerlich sichtbar beide Baumaterialien auf (bei Ansgarii war der Turm komplett verkleidet, während das Kircheschiff vollkommen backsteinsichtig blieb). Das besondere an der St. Ansgarii Kirche war nun, daß sie sich in der Formensprache auch der backsteinsichtigen Bereiche an rheinisch-westfälische Vorbilder anlehnte – so lassen sich in der Gestaltung des im Bilde sichtbaren südlichen Querhauses Anklänge an die Querschiffe der Stiftskirche St. Nikolaus und St. Medardus in Brauweiler sowie von St. Aposteln in Köln erkennen – bei der Farbe des Backsteins aber eine Version zum Einsatz kam, wie man sie später zwischen St. Marien in Lübeck, der Marienburg an der Nogat und dem Turm des Königsberger Schlosses sehr häufig im Hanse- und Deutschordensraum verwandte: Ein schon fast ins Orange gehender, trocken-spröde wirkender, heller Rot-Ton. So mag die Ansgarii-Kirche ein früher Prototyp für die Gruppe alle jener Backsteinbauten an den Küsten der Ostsee gewesen sein, die dann mit so hervorragenden Meisterwerken wie der Danziger Marienkirche oder dem Sommerremter der Marienburg ihre erlesensten Repräsentanten erhalten sollte.
    Es ist vor diesem Hintergrund mehr als bedauerlich, daß ausgerechnet dieses Gotteshaus, welches seinen ganz spezifischen - eben farblichen - Einfluß auf den Kirchenbau in Lüneburg, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Kamin, Kolberg, Danzig, Marienburg, Elbing, Königsberg, Tilsit, Riga und Reval gehabt haben mag, von der ‚Bühne abtreten’ mußte !

    Das ist – so sehe zumindest ich das – die Relevanz der Farbe der Steine…

    Wem diese These zu weit hergeholt erscheinen sollte, den bitte ich um eine ‚engagierte Gegenrede’ – auf welche ich mich freue ! :wink:

    Hier noch der ‚Link’ zu dem Farbfilm:
    https://www.youtube.com/watch?v=_eLp79Bs1Rc

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (3. August 2015 um 21:32)

  • Diese hinsichtlich der botanischen Umgebung idealisierte Farblithographie aus dem Jahr 1880 zeigt dann wohl auch nicht die tatsächliche Farbigkeit der Kirche.

    Und dann noch ein Kupferstich von 1807, welcher den Kirchturm von Norden über den Wall hinweg zeigt.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Pagentorn

    Ich habe da so meine Zweifel, weil Du vergisst, dass das Mittelalter auch im Außenbereich bunt war, und viele der von Dir zitierten Beispiele ursprünglich auch Außen bemalt gewesen sein dürften. Man denke da nur an St Marien in Frankfurt/ Oder. Es dürfte also auf die Materialien nicht so angekommen sein.

  • Lieber Vulgow !

    offen gestanden vermag ich die Richtigkeit Ihrer Vermutung hinsichtlich der korrekten Farbenwiedergabe durch die von Ihnen hochgeladenen Lithographie nicht abschließend einzuschätzen.
    Die Lithographie basiert auf einem Aquarell Johann Christian Lebercht Grabaus (1810-1874), dem man als gebürtigem Bremer wohl zutrauen darf, mit dem farblichen Erscheinungsbild der Ansgarii-Kirche vertraut gewesen zu sein. Und von den Mitarbeitern der Lithographischen Kunstanstalt L. Braun & Co. in Düsseldorf kann angenommen werden, daß sie sich, als sie 1876 die Lithographie herstellten, gegenüber ihrer Vorlage keine allzu großen künstlerischen Freiheiten herausnahmen. Dafür sprechen schon die beiden Farbdetails am Turmhelm, der innerhalb eines noch braunen – also offenbar erst jüngst erneuerten – Kupferbelages zwei grün-patinierte Bereiche (einerseits am Übergang vom ‚Viereck’ zum ‚Oktogon’ und andererseits am Fensterkranz der Laterne) zeigt, Einzelheiten, die die Fabrikation der Lithographie technisch nicht unbedingt vereinfachten und die weniger penible Auswärtige, die über keine eigene Anschauung des Dargestellten verfügten, sicher gerne weggelassen hätten.
    Das vorausgeschickt ist allerdings auch für mich die Farbgebung der giebelbekrönten Fassade des sog. ‚Kirchensaales’ (eines 1385 im Zuge des Umbaus der Basilika zu einer Hallenkirche im Winkel zwischen Nordschiff und dem ehedem nach drei Seiten zu freistehenden Turm eingefügten Baukörper) problematisch, die ja – in Anlehnung an die farblich sicherlich korrekt dargestellte Verkleidung des Turms- auch eine bräunliche Sandsteinfarbe anzudeuten scheint – wenn auch im Erd- und Obergeschoß (durch ein Gesims getrennt) in verschiedener Struktur. Und hier kommt nun die Anmerkung von ‚Kurfürst’ ins Spiel…

    Lieber Kurfürst !

    Ihren Hinweis auf die oftmals farbige Fassung des Außenmauerwerks von Backsteinkirchen (festgemacht am Beispiel von St. Marien in Frankfurt a.d.O.) finde ich sehr interessant. Als derartige farbige Akzente waren mir bisher nur die an vielen Sakral- und Profanbauten im Gebiet der deutschen Ostsiedlung vorhandenen weiß ausgeputzten Blenden bekannt (z.B. am Tangermünder Tor in Stendal oder am Turm der St. Jakobikirche im ostpreußischen Allenstein), die aber das übrige Backsteinmauerwerk sichtbar lassen. Bei einem das Mauerwerk hingegen komplett überziehenden Kalkputz mit anschießender vielfarbiger Bemalung, wäre ein derart fein abgestimmtes Spiel aus roten und weißen Flächen ja eigentlich nicht sichtbar und daher im Grunde überflüssig gewesen.
    Wovon allerdings auch ich wusste, ist, daß man in späterer Zeit (Renaissace und Frühbarock) gerne Backsteinflächen mit einem Putz überzog, der dann Naturstein imitieren sollte (so geschehen beim Bremer Rathaus von 1415, dessen elegante Bänderung aus roten und schwarz-glasierten Steinlagen, um 1614 mit einem Sandstein nachahmenden Putz überdeckt wurde [der Rat wollte nach dem teuren Umbau der Rathausfassade durch Lüder von Bentheim nicht auch noch echte Natursteinplatten für die Verkleidung finanzieren müssen] – erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts stellte man die regelmäßige Erneuerung des Putzes ein und entschied sich für die Wiederfreilegung des gotischen Mauerwerks). Vielleicht lagen die Dinge auch bei der Westfront des Kirchensaales von St. Ansgarii so. Fur unwahrscheinlich halte ich es hingegen, daß die übrigen Fronten des Kirchenschiffs nicht-backsteinsichtig gewesen sein sollten.

    Hinsichtlich meiner These von der Vorbildwirkung von St. Ansgarii für die Backsteinkirchen an der Ostsee, fiel mir nachträglich noch der Einwand ein, daß ihre ab 1229 entstehende erste Bauphase natürlich nicht allein für all diese Kirchen Pate gestanden haben kann, sondern selbstverständlich nur neben den schon im 12. Jahrhundert errichteten drei backsteinernen ‚Löwendomen’ in Ratzeburg, Lübeck und Schwerin (der vierte dieser Dome, die Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig ist ja nicht backsteinsichtig und findet in diesem Zusammenhang somit keine Beachtung).

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (4. August 2015 um 12:48)

  • An alle, die sich an den mittlerweile diversen Diskussionen zu Farb- und Gestaltungsthemen der Ansgariikirche beteiligen.

    Ich hätte noch einen weiteren, einfachen Ansatz zu liefern, hinsichtlich Backsteinsichtigkeit oder nicht. Um etwas auszuholen: Mir ist dasselbe Thema im Zusammenhang mit mittelalterlichen Backsteinbauten in Siena in der Toskana begegnet, und dort wie hier gibt es ein simples Ausschlusskriterium für Putz und Bemalung: Pfostenlöcher.
    Alles, was es demnach braucht, sein gute Photos der Kirche - Photos, die scharf genug sind, um etwaige Pfostenlöcher zu erkennen.

    Und um nochmal auf den Ostseeraum einzugehen: Die spätromanischen Dome in Mecklenburg sind zwar in etwa aus derselben Zeit, aber eine Nummer zu groß, um gut vergleichen zu können.
    Heranziehen würde ich neben der bereits vor langer Zeit erwähnten Kirche in Marienhafe (jawohl, Nordseeküste, dennoch das mit Abstand beste Vergleichsbeispiel) vor allem eine gewisse Anzahl von spätromanischen Basiliken, etwa die in Neuburg bei Wismar, oder die Marienkirche in Bergen auf Rügen, die allesamt an Burgwardstandorten von bedeutenderen Herren errichtet wurden. Auch dort gibt es dieselben Rundbogenlisenen unter der Dachkante wie in Marienhafe, und wie vermutlich auch bei der Basilika, die den Kernbau der Ansgariikirche darstellte. Und auch diese Kirchen weisen Pfostenlöcher auf; und nur eben genannte Rundbögen der Lisenen sind weiß gekalkt, wie man es von den späteren Spitzbogenblenden der Region kennt.

    Und noch ein Vergleichsobjekt will ich liefern: Die Stadtkirche von Gadebusch, ebenfalls bei Wismar. Sie ist für die Region höchst ungewöhnlich, da sie die einzige in Backstein errichtete romanische Hallenkirche Mecklenburgs, eventuell die einzige überhaupt ist.
    Sie scheint eine Übertragung des romanischen Hallentypus Westfalens in Backstein zu sein, aus den letzten Jahren der Romanik, kurz bevor ihre gotischen Nachfolger in den Städten die romanischen Saalkirchen zu ersetzen begannen.
    Dennoch hat sie mit der Ansgariikirche nicht viel gemein. Die Ansgariikirche war zunächst eine Basilika, besaß von Anfang an Domikalgewölbe (die Kirche in Gadebusch besitzt Kreuzgratgewölbe), nur das Äußere ist einigermaßen ähnlich, was es in der Romanik aber fast immer war.

    Schlussendlich glaube ich nicht, dass die Ansgariikirche ein wichtiger Meilenstein irgendeiner architektonischen Entwicklung war (das klingt sicherlich hart, und ich bin trotzdem überzeugt von ihrer Wichtigkeit für Bremens Geschichte und Stadtbild), sondern vielmehr die typische Entwicklung einer besser gestellten deutschen Stadtkirche teilt, wie sie öfters in allen Teilen Nord- und mitteldeutschlands zu finden ist. (Man nehme die Stadtkirche von Chemnitz, auch die begann als kreuzförmige romanische Basilika mit Westturm, und wurde dann im 14. und 15. Jahrhundert als Hallenkirche Stück für Stück neu errichtet.
    Für Bremens Architekturgeschichte ist St. Ansgarii selbstverständlich wichtig, da sie zusammen mit St. Stephani und St Martini (die allerdings kein Querhaus besaß) die zweite Baustufe der Bremer Stadtkirchen bildet, nach Liebfrauen, die kurz nach der Erbauung von St Ansgarii schon zur Hallenkirche umgebaut wurde, und selbstverständlich nach dem Dom.

    Was die Backsteinfarbe angeht, ist es vermutlich zielführender, sich die Farben und Verbände der einzelnen Bauabschnitte anzuschauen, um Veränderungen im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts feststellen zu können. Denn im Gegensatz zu Steinmetzhütten produzierten Ziegeleien nicht nur speziell für eine Baustelle, sondern auf Vorrat und, zumindest in Stadtnähe, für den freien Markt, sodass man es eher mit Ziegeleitraditionen als mit architektonischen Entwicklungen zu tun hat.

    Ich hoffe, ich konnte helfen :thumbup:

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (4. August 2015 um 16:28)

  • Lieber Mündener,

    vielen Dank für Ihre umfangreiche und fundierte Erwiderung, die dazu beiträgt, zu sehr ‚ins Kraut’ geschossene, gedankliche ‚Wassertriebe’ zurechtzustutzen und die begonnene Diskussion mit praktischen Hinweisen zu erden. Die Thematisierung der Farbe im Zusammenhang einer – wünschenswerten - genaueren Positionierung der Rolle von St.Ansgarii innerhalb der mittelalterlichen norddeutschen Backsteinarchitektur, war wohl tatsächlich etwas abseitig. Hinsichtlich der Frage der Ausstrahlung dieser Kirche in den deutschen Küstenbereich, möchte ich aber dennoch den Blick nicht nur auf den Nord-, sondern auch auf den Ostseeraum richten. Mit dem ostfriesischen Marienhafe befinden wir uns natürlich auf sicherem, von der Forschungsliteratur untermauerten, Terrain. Eine Verengung auf das nordwestdeutsche Hinterland Bremens verbaut aber einen möglichen Wissensgewinn hinsichtlich einer – noch zu verifizierenden – architektonischen Prägekraft der Gotteshäuser dieser erzstiftischen Metropole, deren Kirchenprovinz mit den Suffraganen Lübeck, Ratzeburg und Schwerin von Nordelbien bis tief ins Mecklenburgsiche reichte und die durch die engen personellen Verbindungen zur ‚spätgeborenen Tochter der Bremer Kirche’, dem Erzbistum Riga, auch im baltischen und preußischen Raum bewußt wahrgenommen wurde.
    Schließlich ist ja jede – selbstverständlich wissenschaftlich korrekt zu belegende - neue Erkenntnis, welche der Ansgarii-Kirche eine über die lediglich lokale Bedeutung hinausgehende, überregionale Relevanz bescheinigt, ein argumentatives Plus für uns Rekonstruktionsbefürworter…

  • Auch wenn man mir jetzt vorhalten kann, ich würde lediglich auf die rein optische Ähnlichkeit abheben (einen Apekt also, für den man im Fall von St. Ansgarii sicherlich noch zahlreiche andere Gotteshäuser heranziehen könnte), so haben mich doch bei St. Nikolai im westpreußischen Elbing die mit Ansgarii vergleichbare – nach drei Seiten freie - Stellung des Turmes vor der Kirche, die vergleichbaren Höhenverhältnisse zwischen Turm und Schiff, sowie ganz besonders die verwandte Form des frühbarocken Turmhelmes fasziniert. Bei allen Unterschieden der Baustruktur im Detail, so ist doch die sich aus den genannten Faktoren ergebende Übereinstimmung der Konturen frappierend.
    Ob sich allerdings je eine gegenseitige Beeinflussung dieser beiden Kirchen wird nachweisen lassen, soll hier einmal dahin stehen. Jedenfalls stammen beide ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert und standen / stehen in Städten, welche durch die Hanse verbunden waren…

  • Ein strahlend schöner Sommerabend bot mir heute die Gelegenheit, mein Versprechen bzgl. des Einstellens von aktuellen Bildern des im Umbau befindlichen ‚Bremer Carré’s’ – also jenes Gebäudes, welches in ‚usurpatorischer Weise’ den heiligen Boden von St. Ansgarii besestzt hält – zu erfüllen. Der triste Weg zum ‚Schauplatz’ wurde durch den erfreulichen Anblick zweier in Renovierung begriffener Kirchtürme aufgehellt: den des Turms der Kaufmannkirche von St. Martini und den des jüngeren Turms der Ratskirche Unser Lieben Frauen.

    St. Martini von Norden her gesehen.

    Blick durch die Stintbrücke nach Norden. Im Vordergrund links die (ehem.) Disconto-Gesellschaft, rechts die Westfassade des Schüttings. Im Bildmittelgrund die Westfront des Marktplatzes. Im Hintergrund Teile der Südgiebel der Liebfrauenkirche, sowie deren eingerüsteter Turm.

    Ratsstuben, Unser Lieben Frauen, Rathaus.

    Detail der eingerüsteten Turmspitze.

    Der eingerüstete (jüngere) Nordturm von Unser Lieben Frauen und der ältere romanische Südturm, der bereits im vergangenen Jahr saniert wurde.

    Die weiße Plane um den Nordturm herum wirkt auf diesem Foto fast wie ein ‚greenscreen’ auf den man den Himmel projiziert hat. Im Ergebnis stellt sich ein Bild ein, wie man es vor Erbauung des Nordturmes hatte, als der kleine romanische Turm als alleiniger Westturm in der Mittelachse der dem heiligen Veit geweihten Vorgängerkirche von Unser Lieben Frauen stand. Dieser Turm ist im Übrigen - nach den Krypten und den romanischen Pfeilern des Dom-Mittelschiffs – das älteste erhaltene Bauwerk in Bremen. Diesen optischen Effekt wollte ich dem Forum einfach nicht vorenthalten.

    Blick in die ‚im Nichts’ endende Obernstraße. Rechts die Fassade von Karstadt.

    Wir folgen dem Straßenverlauf nach Westen in Richtung Ansgarikirchhof und Hutfilterstraße.

    Hinter dem Baum im rechten Bildmittelgrund kommt das ‚Carré’ ins Blickfeld.

    Der Marktpavillon in der Papenstraße steht fast genau auf der Stelle, an der sich einst der Florentinschen Palästen nachempfundene Stammsitz der Sparkasse Bremen befand.

    Man sieht: die Fassadenarbeiten an der Obernstraßen-(Süd-)Seite des ‚Carre’ sind im vollem Gange.

    Die Baukante an der Ecke Obernstraße / Ansgariikirchhof

    Die Westfront des Gebäudes zum Ansgariikirchhof. Wenn man um den majestätischen Turmriesen weiß, der sich einst hier erhob, kommt man sich vor, als hätte man Erblindungserscheinungen, sobald man auf den toten Luftraum oberhalb der Baumwipfel und die – wie abgeschnitten wirkende – horizontale Dachkante schaut.

    ‚Bremer Carré’ und ‚Lloydhof. Letzterer wird ja durch die ‚City-Center’-Planungen zur Disposition gestellt. Sein Name geht übrigens nicht auf den Norddeutschen Lloyd zurück, dessen Hautpverwaltungsgebäude sich ja östlich des Ansgarikirchhofes erhob, sondern auf die Lloyd-Versicherungsgruppe, die an der Erbauung dieses ‚Giebelhaus-Komplexes’ beteiligt war.

    Die Nordwestkante des ‚Carré’s’.

    Die Nordfassade zum sog. ‚Hanseatenhof’, dem ehemaligen östlichen Teil des Ansgarikirchhofes. Zur Namensänderung kam es, nachdem Lloydhof und Carré durch ihre Bauvolumina eine wespentaillen-artige Einschnürung im mittleren Bereich des Kirchhofs bildeten, die ein Erleben des Kirchhofs als Einheit nicht mehr möglich machte.
    Die Rückbenennung der östlichen Kirchhofshälfte müßte eine der ersten Maßnahmen im Zuge eines Wiederaufbaus der Kirche sein !

    Blick entlang der Nordfassade des ‚Carré’ auf den zweiten Schandfleck an dieser Stelle: das Kaufhof (Ex-Horten) Gebäude, für welches Johann Georg Poppes großartiges Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd geopfert wurde.

    Hier rahmen zwei Zeugen architektonischen Totalversagens ein Zeichen der Hoffnung: den über der ‚Lloydpassage’ (die nun aber tatsächlich nach der Reederei benannt wurde) aufragenden, eingerüsteten Turm von Liebfrauen.

    Blick nach Westen auf die Nordfront des ‚Carré’s’. Hier kann man im rechten Bereich derselben noch die bisherige Fassade mit roten Pfeilern und silbrigen Zwischenstreben erkennen. Links ist die neue, einheitlich schwarze Flächigkeit schon hergestellt.

    Der schwarze Kubus, die ‚Kaaba von Bremen’, ist hier schon fast perfekt !

    Blick in die Papenstraße auf die Nordseite des Markt-Pavillons.

    Die Berliner, die ja für Alles gleich einen Spitznamen haben, nennen das sich bei Sonnenschein bildende Kreuz auf der Kugel des Fernsehturms am Alexanderplatz die ‚Rache des Papstes (an Ulbricht)’.
    Ich möchte die kreuzartige Formation, die sich aus dem senkrechten Außenfahrstuhlturm von Horten und der horizontalen Verdachung der Lloydpassage im Spiegelbild der neuen Glasfassade des Carré’s bildet, als ‚die Rache Ansgars’ (an Mammon) bezeichnen…

    Die Ostfassade.

    Nach dem Betrachten von soviel banaler Hässlichkeit tut ein wenig ästhetische Labsal bitter Not:
    Dafür habe ich hier ein Bild von der letzten Renovierung des Turmhelms von St. Ansgarii in den 30er Jahren eingefügt. Ja, derTurm ging mit brandneuem, noch nicht patinierten Kupfer in den Untergang !

    Möge die Renovierung seiner beiden ‚Schwester-Türme’ von St. Martini und Unser Lieben Frauen uns ein Ansporn sein, auch ihn dereinst wieder erstehen zu lassen !!!

    Zum Abschluß noch ein Vergleichsbild: Es zeigt die selbe Örtlichkeit – die Südostecke des Ansgarikirchhofes beim Ausgang der Papenstraße in die Obernstraße - 1948 und heute. Selbst die Ruinen 1948 strahlten Würde und Grazie aus. Wie man das Erscheinungsbild der Gegenwart charakterisieren will, überlasse ich den Forumsmitgliedern…
    Ich denke aber, Ansgar hat sich für die Zerstörung seiner Kirche mit abgrundtiefer Häßlichkeit gerächt...

    3 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (6. August 2015 um 19:53)

  • Anbei noch zwei 'Links' zu einem zweiteiligen Film, der im Auftrage Radio Bremens von Susanne Brahms und Rainer Krause produziert wurde und gestern und vorgestern Abend im hiesigen Lokalfernsehen lief. Er trägt den Titel 'Die Zerstörung nach der Zerstörung' und ist in vielfacher Beziehung aufschlußreich hinsichtlich der fundamentalen Veränderungen, die die alte Hansestadt - auch jenseits der Architektur - in den vergangenen siebzig Jahren durchlaufen hat.
    Im zweiten Teil - dessen Link ich hier als ersten beifüge - wird u.a. die Beseitigung von St. Ansgarii und Lloydgebäude thematisiert. Sehr sehenswerte Bilder - die den Forumsteilnehmern allerdings teilweise schon bekannt sein dürften...

    TEIL 2:
    https://www.youtube.com/watch?v=oCvONQtOzNk

    TEIL 1:
    https://www.youtube.com/watch?v=Z-eujgpCTCY

  • Bereits im vergangenen Jahr kündigte der Eigentümer des ‚Bremer Carrés’, die Allianz Real Estate, die Erneuerung der Fassade an. Gleichzeitig wurde verlautbart, daß ein bereits mehrjähriger Altmieter seine genutzte Gewerbefläche um mehr als die Hälfte erweitern wolle. Den Link zur Verlautbarung füge ich hier bei:

    http://www.allianz-realestate.com/de/presse/pres…-bremer-carree/

    Wie man dort sehen kann, wird die linke Marginalie der Ankündigung vom bisherige ‚Logo’ des Carrés geziert, welches vor dem Umbau an mehreren Stellen der Fassade in rot- grundierter Würfelform angebracht war und wohl so eine Art ‚Corporate Identity’ aller Gewerbetreibenden im Gebäude darstellte. Ob das Symbol, welches ja auf die alte, farblich vielfältigere Fassade abgestimmt war, auch nach dem ‚Facelifting’ noch Verwendung finden wird, darf bezweifelt werden.

    Wer es ganz genau wissen will, frage doch einfach bei der Allianz Real Estate nach….

  • Anbei noch ein Link zu einem Video, welches von demselben Campanologen stammt, von dem ich bereits weiter oben schon einmal einen Beitrag 'vernetzt' habe.

    Es zeigt in seinem ersten Teil u. a. die Vorhalle (oder sollte man besser Narthex sagen?) der neuen Kirche an der Schwachhauser Heerstraße, Ecke Holler Allee, welche zu einer Art Lapidarium für Groß-Relikte aus dem alten Gotteshaus geworden ist, so z.B. für die Spitze der Wetterfahne, Rudimente des mittelalterlichen Freskenzyklus oder das Altarbild von Wilhelm Tischbein. Ein populäres Exponat ist daneben auch das detailgenaue Modell der alten Kirche.
    Der zweite Teil des Videos widmet sich - sehr eindrucks- und klangvoll - dem Geläut der jetzigen Kirche, wobei zunächst nur eine Glocke erklingt und dann nach und nach die weiteren einstimmen, bis schließlich das ganze Plenum zu hören ist. Was die Stimmgewalt angeht, hat die neue Kirche der ehrwürdigen alten durchaus viel voraus, da vor dem 2. Weltkrieg nur noch zwei Glocken im Turm hingen: die kleine Stundenglocke in der Laterne und die große Leutglocke im eigentlichen Turm, welch letztere wegen ihres tiefen Tones, als 'großer Brummer' bekannt war. Eine so monumentale Glocke hat wiederum die neue Kirche nicht aufzubieten.
    Wäre es deshalb nicht erstrebenswert, sich eines Tages beider Klangkörper bedienen zu können ? Wäre es - mit anderen Worten - nicht herrlich, dereinst das Plenum der neuen Kirche in Schwachhausen vereint mit und dem neu gegossenen 'große Brummer' in der Altstadt die Bremer zum Gottesdienst rufen zu hören ?

    https://www.youtube.com/watch?v=UfmsFy6YgXI

  • Ich hoffe, es ist hier noch nicht verlinkt worden, am 04.08. gab es einen für Radio Bremen selten luziden Kurzfilm über den Wiederaufbau der Bremer Innenstadt, der nochmal deutlich macht, was alles erst nach dem Kriege zerstört worden ist. Die Haltung der Kommentatoren ist - für eine Produktion dieses eher links und "progressiv" ausgerichteten Senders - überraschend nachdenklich, ja offen kritisch in Bezug auf die Abrisse großer, tlw. fast vollständig erhaltener Gebäude, zu denen auch im Film recht prominent genau die Ansgariikirche und das Lloydgebäude gehören.

    Ich selbst habe das Lloydgebäude noch nie so gut dargestellt gesehen, inkl. Innenaufnahmen v.a. des unglaublichen Treppenhauses. Georg Skalecki (Leiter der Denkmalschutzbehörde), der aus meiner Sicht in Bezug auf den Gebäudebestand in Bremen einen recht guten Job macht, nudelt auch kurz das übliche Repertoire an Argumenten gegen Rekonstruktionen ab.

    Hier endlich der Link - wirklich sehr sehenswert:

    Die Zerstörung nach der Zerstörung

    Vielleicht kann ja aus dem Scheitern des Einkaufscenterprojekts tatsächlich so etwas wie eine positive Dynamik in die Rekodebatte Bremens gebracht werden? Die Einschläge kommen näher, möchte man aus optimistischer Sicht sagen. Dass Radio Bremen ausgerechnet jetzt so ein Feature bringt, in der fast offen Werbung für die Rekonstruktion von zerstörten Gebäuden gemacht wird....

  • Lieber LarsK,

    bitte verzeihen Sie, daß ich erst jetzt auf Ihre Anregung bezüglich eines SD-Regionalverbandes hier in Bremen reagiere. Momentan sind in der Tat einige Bremer damit beschäftigt, Freundeskreise und Vereinigungen ins Leben zu rufen, die sich eine Verbesserung des historischen Erscheinungsbildes dieser Stadt zum Ziel gesetzt haben. Es ist gut vorstellbar, daß sich diese Vereine dann auch als SD-Regionalverband begreifen oder sich mit SD eng assoziieren.
    Und Bremer, die hier im Forum schreiben, gibt es eine ganze Menge :wink:

    Hier noch eine Auswahl von Leserbriefen aus den vergangenen Tagen (5. und 8. August) zum Thema 'gescheitertes City-Center', die illustrieren, daß in der hiesigen Bürgerschaft durchaus ein Potential in Stadtbildfragen vorhanden ist...

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (9. August 2015 um 12:29)

  • Zitat

    (...) ...und ‚Lloydhof. Letzterer wird ja durch die ‚City-Center’-Planungen zur Disposition gestellt. (...)

    Es wäre aber echt schade um die Giebelhäuser . Die empfinde ich als recht gelungen. Die Planungen für dieses Center sind aber eh geplatz, oder? Der Investor hat sich verkrümelt. So richtig blicke ich da nicht mehr durch.

    Stadtbild Deutschland müsste zu einer sehr wohlhabenden und einflussreichen Institution heranwachsen. So könnte man bei solchen Vorhaben eingreifen und nach eigenen Wünschen rekonstruieren und eine sinnvolle Gebäudenutzung einfügen. :engel:

  • Lieber Zeitmaschinist,

    um die Südfassade des - durch die 'City-Center' Planungen bedrohten - Lloydhofes mit ihren Dreiecksgiebeln täte es mir auch Leid. Wenn sie auch natürlich nicht an die Qualität der vielgestaltigen Vorkriegsbebauung heranreicht, so ist sie doch das Beste, was in den letzten siebzig Jahren am Ansgarikirchhof entstanden ist. Für mich ist sie ein sozusagen nach Nordwesten (von der Obernstraße an die Nordkante des Kirchhofs) verschobenes und um eine Giebelachse erweitertes, verfremdetes Zitat der Südfassade des alten Gotteshauses, welches effektiver als die - leicht zu übersehende - Ansgarsäule - die Erinnerung an das historische Erscheinungsbild dieses Platzes wach hält. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als unverständlich, daß man bei den 'City-Center' Planungen nicht etwa die belanglosen Kästen des 'Carré's' und des Hortengebäudes für den Abriß vorsah, sondern das einzig auflockernde Element vor Ort, eben den Lloydhof. Das Schlimme ist, um Ihre Frage zu beantworten, daß das 'Aus' für die 'City-Center' Planungen des Portugiesischen Investors, eben nur ein vorläufiges zu sein scheint. Wie ich die Bremer Politik kenne, wird sie sich weiter darum bemühen, die Planungen letztendlich doch noch zu realisieren. Deshalb ist für meine Begriffe der Lloydhof nach wie vor bedroht, seht er nach wie vor zu Disposition. Im Ergebnis wird dann neben dem 'Fassaden-gelifteten' Carré und dem Kaufhaus Kaufhof (Ex-Horten) ein weitere Kubus zu sehen, wird ein weiteres Stück Vielfalt ausgelöscht sein. :kopfwand:

  • Nun denn - worauf wartet ihr? Los, los:

    - Verein gründen
    - Bürgerinitiative gründen
    - Sich organisieren
    - Flyer etc drucken
    - Einfach mal irgendwas tun und nicht immer nur jammern und auf andere warten

    Uuuups... ach so, ganz vergessen: Ist ja mit Arbeit verbunden.....