Der Prozeß des schrittweisen Verschwindens von St. Ansgarii aus dem Bremer Stadtbild begann mit einem Paukenschlag: Mit dem - seit dem Bombentreffer vom 21. Dezember 1943 ja nicht mehr ganz unerwarteten - Einsturz des Turmes. Dieser erfolgte am 1. September 1944 zur mittäglichen Stunde. Nachdem er - ähnlich wie Jahrzehnte später das World Trade Center in New York - in sich zusammengesackt war und der aufgewirbelte Schutt-Staub sich etwas gelegt hatte, wurden schon - möglicherweise noch am selben Tage - die ersten dokumentarischen Fotos geschossen. Je nachdem welche Perspektive sie zeigen, rufen sie einen skurrilen oder einen erschütternden Eindruck beim Betrachter hervor. Von der Oberstraße oder vom Turm des Verwaltungsgebäudes des Norddeutschen Lloyd her gesehen, wirken die Bilder nämlich fast irreal: Das Kirchengebäude erscheint fast unbeschädigt, die Giebel und Dächer stehen - so scheint es - wie eh und je. Nur der Turm fehlt - als wäre er einfach wegretuschiert worden (hierzu Abbildungen 01 und 02). Wählt man jedoch die Perspektive aus Richtung der Hutfilterstraße in östliche Richtung blickend, so offenbart sich das ganze katastrophale Ausmaß der Zerstörung: Der zu grobem Bauschutt zermahlene Turm hat im Fall das Küsterhaus und das westlichste Joch des südlichen Seitenschiffes mit in den Untergang gezerrt und die Kirche nach Westen hin völlig aufgerissen. Die Verwüstung von Teilen des Mittelschiffs stammt - im Wesentlichen - von dem in dieses hineingestürzten Turmhelm, dessen lädierte Laterne zwischen den Schildbögen der Vierung und des südlichen Seitenschiffes lehnt (Abbildung 03 linke Hälfte).
Nachdem man in der Folge mehrere Tage damit beschäftigt war, die Trümmermassen von den Straßen zu räumen, wobei besonders große Brocken sogar gesprengt werden mußten, dauerte es nur wenige Monate, bis im Januar 1945 die nächste Heimsuchung über die Kirche hinwegbrauste: Der Bombenangriff von Januar 1945. Diesem fielen sämtliche Dächer und die ganz überwiegende Zahl der Gewölbe zum Opfer (Abbildung 03 rechte Hälfte).
Eine dritte Zerstörungswelle rollte in der Nachkriegszeit über die Ruine hinweg, durch die im Binnenbereich der Kirche sämtliche noch stehenden Pfeiler und Schildbögen, sowie im Außenbereich sämtliche Giebel beseitigt wurden. Die Chor-Ostwand wurde sogar noch wesentlich weiter erniedrigt, bis auf ein Niveau weit unterhalb der ehemaligen Dachtraufe. Diesen Zustand zeigt Abbildung 04, auf der die Ruine nur noch ein trauriger Torso ist, hinter dem der - selbst vom Krieg schwer gezeichnete - Verwaltungssitz von 'Gottes eigener Reederei' - dem Norddeutschen Lloyd - immer noch majestätisch aufragt (auf dessen Areal steht heute übrigens auch ein Kaufhaus...).
Wie symbolisch für diesen Zerstörungsprozeß mag ein Bild stehen (Abbildung 05), welches 'Sicherungsarbeiten' an der Südwand des südlichen Seitenschiffs - bereits unterhalb der Ebene der ehemaligen Giebel zeigt. Auf dem Bild scheint das Mauerwerk immer noch fest gefügt zu sein und es ist deshalb regelrecht schmerzhaft, dieses Foto zu betrachten !
Und deshalb -diesmal gleich in der lateinisch korrekten Version - :
Ceterum Censeo Ecclesiam Esse Reconstruendam !
Bildquelle der Fotos 01 bis 03: Staatsarchiv Bremen