• Beim Roten Ochsen sieht die Seitentür stark nach Fluchttür aus - öffnet nach außen, sieht recht massiv aus. Das ändert nichts daran, dass sowohl Seitentür wie Haupttür ziemlich furchtbar sind. Die alte Haupttür war ja nun allerdings auch nix. Vermutlich ist das das Problem: Das EG ist ja sowieso heftig verändert (u.a. Kino 1913), so dass es schwierig wird, einen "richtigen" Umgang damit zu finden.

    Ich hoffe, der Link funktioniert:
    http://www.erfurt.de/mam/ef/erleben…sen_um_1920.jpg
    Demnach hat es zwei Renaissance-Portale gegeben und links eine kleine Tür, die möglicherweise zu einem Treppenhaus zum OG führt (ich kenne das Haus von innen nicht).

    Diese Situation war offenbar bin in die 1970er Jahre so gegeben:
    http://www.app-in-die-geschichte.de/document/66432

    Insofern sind die jetzt verschwundenen Fenster eine Zutat aus dem Umbau zur Kunsthalle von 1976-1979.
    http://www.app-in-die-geschichte.de/document/73302


    Möglicherweise war das rechte Portal kein Original, zwei solche Portale an einer recht schmalen Straßenfront wären außergewöhnlich und würden die Nutzfläche im Inneren arg reduzieren. Der Kunsthallenumbau aus den 70ern war vielleicht der Versuch, sich der historischen Situation wieder anzunähern.


    Insofern war der Ansatz jetzt möglicherweise, da das eh in weiten Teilen nicht original ist (ich würde nur das Portal als Originalbauteil annehmen), kann man es auch wieder verändern. Den Ansatz fände ich grundsätzlich legitim, wobei ich das Ergebnis nicht überzeugend finde. Beide Türen stören das Erscheinungsbild des Hauses, was sich auch nicht mit ein bisschen Farbe beheben lassen wird.

  • Erfurts Altstadt ist mittlerweile so gut wie durchsaniert und weist eine in weiten Teilen geschlossene, historisch gewachsene Bebauung auf. Trotzdem gibt es noch manche Brachflächen und einige Lücken, die zunehmend bebaut werden. Auch wenn das Stadtbild durch die Neubauten nicht akut bedroht sein mag, finde ich einige Entscheidungen des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung fragwürdig.

    Als größte Gefahr sehe ich die auch in Erfurt um sich greifende Flachdacheritis. Ich habe mich deshalb am Wochenende mit folgender Nachricht an die Erfurter Stadtratsfraktionen gewandt (Oberbürgermeister, das zuständige Dezernat und die Lokalpresse in CC). Auch wenn ich mir dadurch nicht viel ausrechne, sollten wir doch alle bemüht sein, mit den Verantwortlichen den Kontakt zu suchen und konstruktive Kritik zu äußern. Bürgerpflicht erfüllt.

  • Mir fällt wirklich kein rationaler Grund ein, Flachdächer explizit vorzuschreiben. Man kann dies frei stellen. Die meisten Bauherren würden wohl im Sinne der maximalen Flächenausbeute drauf zurückgreifen. Aber es fordern? Das ist bewusste Sabotage am Stadtbild, gerade in Erfurt. Ich verstehs einfach nicht.

  • Hier gleich ein paar aktuelle Bilder der neuen Statue.

    Rathaus Erfurt (2)

    Rechts fehlt dann noch Martin Luther.

    Rathaus Erfurt (3)

    Hier noch eine Vergleichsansicht, früher gab es auch noch eine Figur auf dem Giebel, die Gauben fehlen heute, der Dachreiter war aufwendiger und noch einige Details wurden vereinfacht.

    Rathaus Erfurt (4)
    Rathaus Erfurt (1)

  • Das ist ja toll! Ich hätte, nach der Diskussion um die Figuren, nicht erwartet, daß es mit der Installation jetzt so schnell geht. Auch die Gestaltung der Figur ist wirklich angenehm. In heutiger Zeit hatte ich schon eine Art abstrakte Kunst befürchtet.

    Schade um die fehlenden Schmuckelemente des Rathauses. Man kann aber froh sein, daß es überhaupt erhalten ist. Und durch die Spende der Figuren, wird es wenigstens wieder etwas aufgewertet. Das gefällt mir. :daumenoben:

  • Mit dieser Gestaltung kann man sehr zufrieden sein.
    So etwas ähnliches würde ich mir auch für das Rote Rathaus in Berlin wünschen, wo die Nischen von Bismarck Kurfürst F1 und König W1 leer stehen.

    Die ursprünglichen Erfurter Figuren 'Rotbart' und 'Weißbart':


    Kaiserstatuen am Rathaus - Stadt Erfurt

    Wen stellte den wohl die Figur auf der Giebelspitze dar?

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (13. Juni 2017 um 12:33)

  • In der Michaelisstraße wurden die Große Alte Waage (Nr. 7) und das Haus zur Sichel (Nr. 8 ) saniert.

    Die Große Alte Waage wurde 1354 erbaut, nachdem das Grundstück durch den Judenprogrom von 1349 frei geworden war. Hier mussten alle nach Erfurt kommenden Waren abgeladen und verzollt werden. 1712 verlegte man die Waage in den neuerbauten Waage- und Packhof am Anger. Danach kam das Gebäude in Privatbesitz und erhielt 1717 seine heutige Gestalt.
    Die dunklere Farbgebung gefiel mir persönlich besser, auch Schade um die an einen Fenster noch vorhandenen Fensterläden.

    Große Alte Waage (3)
    Große Alte Waage (4)
    Große Alte Waage (1)
    Große Alte Waage (2)

    Zum gleichem Projekt gehört auch das benachbarte dendrochronologisch auf 1541 datierte Haus zur Sichel.

    Haus zur Sichel (2)
    Haus zur Sichel (1)

  • "Weißbart" sieht schon etwas seltsam aus, wenn man mal die sonstigen Darstellungen seiner Person bedenkt. Hauptsache die Nischen sind wieder besetzt und das auch noch mit klassischen Figuren und nicht irgendwelchem abstraktem Quatsch oder Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

  • Das kleine Eckgrundstück Wenigemarkt 21 wurde wider erwarten doch noch bebaut. Eigentlich sollte es schon im Zusammenhang mit der Sanierung des benachbarten Hauses zum Christoph bebaut werden, aber die Grundstückseigentümer konnten sich nicht einigen. So wurde die Bebauung wenigstens etwas kleinteiliger, auch wenn sich der Neubau in der Gestaltung, außer in der Farbe, kaum von den Anbauten des Hauses zum Christoph unterscheidet. Durch das wohl der Gestaltungssatzung zu verdankende rote Ziegeldach passt sich das Haus gut in die Umgebung ein.

    Link zum Haus mit Innenaufnahmen: Turmhaus am Wenigemarkt in Erfurt

    Vorher

    Wenigemarkt 21 (3)

    Nachher

    Wenigemarkt 21 (1)
    Wenigemarkt 21 (2)

  • Also von "gut einpassen" kann ja wohl keine Rede sein. Ich sehe hier wieder eine zwanghaft installierte modernistische Warze im historischen Ensemble. Einfach ätzend.

    In dubio pro reko

  • Verstehe ich auch nicht, was sich da einfügen soll. Bloß wegen dem bisschen roten Ziegeldach, das dann auch noch durch mehrere dieser würfelförmigen Dachgauben aus Glas unterbrochen wird.

    Nein, von "gut angepasst" kann wirklich keine Rede sein. Von seiner Machart ist und bleibt dieser Neubau ein Fremdkörper, der die Sprache der benachbarten Altbauten nicht aufnimmt.

  • Diese Minifenster sind natürlich unnötig wie ein Kropf. Der Putz scheint mir auch irgendwie schmuddelig. Sieht aus wie diese weißen Plasteverkleidungen, die sich hier viele nach Wende an ihre Häuser geschraubt haben.
    Dass die Stadt ein richtiges Dach vorschreiben kann, glaube ich aber nicht. Es entstehen ja immer wieder mal Gebäude mit Flachdächern, wie bspw. in der Pergamentergasse.

  • In der Ortsgestaltungssatzung steht dazu folgendes:

    "§ 3 Gebäudetyp/ Dachform
    (1) Bei Um- und Neubauten muß jedes Gebäude in seinen wesentlichen Gestaltungsmerkmalen der gebietstypischen traufständigen Bauweise mit Satteldach entsprechen. Giebelhäuser dokumentieren einen älteren Bestand (vor der "Firstschwenkung") und sind zu erhalten.
    (2) Die geneigten Dachflächen von 15 - 65 Grad sind aus einer geschuppten Deckung (keramische Dachziegel in den Farben ziegelrot bis rotbraun) herzustellen. Schiefer- oder Metalldeckungen an Gebäuden sind nur zulässig, wenn es sich um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder um Reparaturen/Wiederdeckungen im gleichen Material handelt. Die Dachneigung ist der Umgebung anzupassen. "

    Allerdings sind auch Ausnahmen möglich:

    "(5) Bei der Neubebauung von Baulücken oder Ersatzneubauten können vom Bauordnungsamt Ausnahmen von den Bestimmungen der § 3 Abs. 1, 2, 3, § 4 Abs. 3, 4, 6, § 5 Abs. 1, 3 erteilt werden, wenn die Gestaltung von Baukörpern und Fassaden harmonisch und ortsbildtypisch zur umgebenden Bebauung vorgenommen wird."

    Ortsgestaltungssatzung für die Altstadt von Erfurt

  • Wen stellte den wohl die Figur auf der Giebelspitze dar?

    Das ist auf dem historischen Foto nicht gut zu erkennen. Es könnte ein gerüsteter Krieger sein, ich glaube so etwas wie einen Helm erkennen zu können. Gibt es eine zeitgenössische Beschreibung der Fassade, vielleicht einen Zeitungsartikel zu Einweihung?

  • Nochmal zum Umbau/Sanierung des Roten Ochsen am Fischmarkt. Ein sehr informativer Artikel zur Baugeschichte von Karsten Grobe in der Thüringer Allgemeinen. Dem Kommentar zur jüngsten Umgestaltung, insbesondere im Erdgeschoss, habe ich wenig bis nichts hinzuzufügen:

    Die Veränderung der Erdgeschosszone des Gebäudes lässt allerdings jegliches Gespür im Umgang mit einem der wertvollsten Renaissancedenkmale in Erfurt vermissen. So wurde die kassettierte und mit schmiedeeiserner Oberlichtvergitterung versehene Eingangstür entfernt und durch eine postmoderne Stahlglastür ersetzt. Das quadratische und mit schmiedeeisernem Korbgitter versehene Fenster hat man ebenfalls ersatzlos entfernt und darunter die zwingend als Fluchtweg erforderliche Tür eingebaut.
    Leider beachtete man die Empfehlung des Landesamtes zu einem oberflächenbündigen Einbau nicht. Nur solch eine Tür könnte man in der Fassadenfarbe „wegstreichen“. Das quadratische Fenster mit Korbgitter hätte verbleiben können. Das zwischenzeitlich wieder am Korbgitter des Zwillingsfensters befestigte Werbeplakat mit Aluminiumrahmen deutet auf wenig Achtung vor dem Denkmal und der Arbeit des Kunstschmiedes und anerkannten Kunsthandwerkers Günter Reichert aus Friedrichroda hin. Das teure Denkmalschild, das sich unter dem quadratischen Fenster befand, wurde nicht wieder angebracht. Die meistens gut gefüllten Fahrradbügel und der Papierkorb unmittelbar vor der Fassade runden die aufgezeigte Situation nur noch ab.


    "Zwingend notwendige" Fluchttür, direkt neben dem breiten Hauptportal. Naja, ist halt Deutschland. Leider zeigt sich hier aber mal wieder, was wohl langsam als offenes Geheimnis gilt, der Thüringer Denkmalschutz ist äußerst handzahm. In kleineren Städten gibt er ohne überregionale Aufregung bedeutende Baudenkmale ohne Not zum Abriss frei, hier macht er Empfehlungen, denen man nicht folgen muss. Dabei sind sowohl Haupteingangstür als auch Fluchttür offensichtlich entstellend für den Gesamteindruck. Die Verhängung der anscheinend noch vorhanden Korbgitterfenster rechts der Tür, sodass man auf den ersten Blick gar nicht sieht, ob diese noch existieren, mutet wie eine bewusste Provokation an.

    5 Mal editiert, zuletzt von Saxonia (14. Oktober 2017 um 23:38)