Paderborn (Galerie)

  • Der Dortmunder Westenhellweg war das erste, was mir in den Sinn kam, als uns aus Richtung Bahnhof über die Westernstraße in die Paderborner Innenstadt liefen. Aber der Vergleich zu Hildesheim ist noch treffender, in weiten Teilen Hildesheim sieht es genauso aus wie in diesem Teil Paderborns: Totalverlust im Krieg und danach Ruck-Zuck wieder aufgebaut. Überhaupt gibt es viele Parallelen zu Hildesheim. Auch Paderborn war bis zum Krieg weitgehend eine Fachwerkstadt mit sehr vielen bedeutenden Kirchen und wurde gegen Kriegsende (27.03.1945) weitestgehend zerstört. Irgendwie ist das Thema nicht so bekannt wie die ja auch hier im Forum diskutierten Halberstadt, Braunschweig, Kassel, Hildesheim oder Pforzheim. Vielleicht ist das Thema auch deshalb nicht so hoch gehängt, weil es am 27.03.1945 „„nur““ 380 Tote gab, dies allerdings bei einem vernichtenden Angriff nur deshalb, weil die Stadt weitgehend evakuiert war, da nach vorhergehenden Angriffen noch Schlimmeres erwartet wurde und die Amerikaner auf Ihrem Weg nach Westen ohnehin eine Stadt nach der anderen (zuvor Wesel, Soest oder einige Städtchen im Sauerland) auslöschten. Das hört sich ja alles nicht gut an, aber ich kann beruhigen, ganz so schlimm wie in Hildesheim ist die Lage nicht, in Paderborn haben wohl mehr schöne Ecken den Krieg überstanden.

    1 (Quelle Bildindex). Schon anhand des Merian-Stichs (der von Westen „aufgenommen“ sein dürfte) erkenne ich, dass ich mich im wesentlichen im „linken“ Teil der Stadt aufgehalten habe.

    2 (Quelle Bildindex). Wir haben ungefähr folgende Runde gedreht: Von links unten über die Westernstraße in die Innenstadt bis zum Rathaus in der unteren Bildmitte, dann Richtung Norden zum Dom, durch diesen hindurch, dann weiter Richtung Norden zum Adam-und-Eva-Haus (vielleicht 300 m nördlich des Doms), dann zur Abdinghofkirche und dann zurück. Dann waren wir mit unserer Kraft am Ende. Weite Teile der Innenstadt habe ich also nicht gesehen, vor allem den kompletten Osten der Altstadt um die Busdorf-Kirche. Aber „Kriegsschicksale deutscher Architektur“ lässt hier nichts Gutes ahnen: In einer nach dem Krieg angefertigten Schadensskizze sind die wenigen unzerstörten Flecken im Norden der Stadt markiert.

    3 Im weiteren Verlauf kommen wir zum Marienplatz und hier zum Heisingschen Haus aus dem Jahr 1600 (links). Das rechte Haus ist auf Bild 4 (1926) noch nicht zu sehen, da es erst 1928 für einen Neubau der Sparkasse entstanden ist. Ich hätte gewettet, dass es deutlich älter ist. Offenbar gab es 1928 noch Architekten, die neben einem historischen Bau wirklich passend gebaut haben. O tempora, o mores. Heutige Architekten würden in einem möglichst großen Kontrast möglichst hässlich bauen und sich dafür von der Architekten-Fachwelt feiern lassen.

    4 (Quelle Bildindex)

    5 Jetzt sehen wir auf das Rathaus, a.d. 1613-20. „Der Bau zeigt die Prinzipien der Renaissance in Deutschland besonders prägnant: klare Disposition der Bauteile, Betonung der Fläche, linear-scharf eingeschnittene Fenster, die als Einzelelemente wirken und nicht wie später im Barock in eine große Gesamtbewegung einbezogen werden. In der Gestaltung der Erdgeschossarkaden werden sogar die italienischen Vorbilder aus Florenz deutlich sichtbar“ (Wikipedia). Von der Gesamtkomposition her erinnert mich das Gebäude an das Bremer Rathaus.



    6 (Quelle Bildindex): Eine ähnliche Perspektive vor 75 Jahren unterscheidet sich nur in Details.

    7

    8 Weiter sehen wir, dass zumindest der südliche bzw. der südöstliche Teil dieses schönen Platzes nach dem Krieg klasse wieder aufgebaut wurde. Das kaiserzeitliche Gebäude rechts neben dem Rathaus gefällt mir ziemlich gut. Das weiße Gebäude mit dem schwarzen Turm rechts nennt sich „Theodorianum“, ein Gymnasium, dessen Anfänge in das Jahr 799 zurückgehen.

    9 (Quelle Bildindex)

    10

    11 (Quelle Bildindex)

    12 Im Anschluss kamen wir zum Dom in unmittelbarer Nähe. In diesem ausgesprochen interessanten Bereich gibt es einiges zu sehen, alles haben wir aber nicht wahrgenommen, wir waren noch nicht einmal im Kreuzgang neben dem Dom.

    13 (Quelle Bildindex): Hier sehen wir über den Marktplatz mit Dom (links) und Gaukirche St. Ulrich, der rechte Bereich des Bildes ist deutlich besser über den Krieg gekommen als der linke.

    14 (Quelle Bildindex): Nach dem Krieg wurde der Turm der Gaukirche verkürzt, er sieht heute immer noch so aus, war aber aktuell eingerüstet.

    15 (Quelle Bildindex): Die südwestliche Umbauung des Doms ...

    16 (Quelle Bildindex): ... war bis zum Krieg traumhaft schön ...

    17 ... und hat heute leider deutlich weniger Flair. Links das Diözesanmuseum, das seine heutige Gestalt um 1990 erhalten hat.

    18 Der Turm des Doms ist romanisch, der Rest gotisch. Das habe ich in letzter Zeit häufiger gesehen. Ich kann diese hohen Kirchtürme immer nur bewundern, die mit den einfachen Mitteln der Zeit vor 900 Jahren gebaut wurden. Der Turm des PB-Doms kam mir von hier deutlich höher vor als der des HB-Doms, der in PB ist allerdings mit 88 m um 4 m kleiner als der in HB.

    19

    20 Jetzt befinden wir uns nördlich des Doms, links sehen wir die rekonstruierte Kaiserpfalz mit der gleichen originellen Dachkonstruktion wie beim Diözesanmuseum, das kleine Gebäude rechts ist die Bartholomäus-Kapelle, a.d. 1017, die älteste Hallenkirche nördlich der Alpen.

    21 Die Bartholomäus-Kapelle von innen.

    22 Jetzt sind wir noch etwas weiter nördlich gelaufen, die Straße heißt „Auf den Dielen“. Ich hatte schon geschrieben, dass hier im Norden der Stadt die Kriegsverluste wohl etwas geringer waren. Wenn so wie in dieser Straße weite Teile der Stadt ausgesehen haben, ist hier ein tolles Stadtbild verloren gegangen. Ein zweites Hildesheim wird es vielleicht nicht gewesen sein, aber nicht ganz weit davon entfernt. Bei Bildindex gibt es über 1000 Bilder, aber leider außer den von mir gezeigten Ecken nicht viel, vor allem sehr wenig Darstellungen normaler Straßenzüge.

    23 Jetzt sehen wir das Adam-und-Eva-Haus, 50 m weiter nördlich. Vor dem Haus konnte ich bei einer Stadtführung mithören. Das Haus erzählt eine Riesen-Geschichte. Oben abgebildet sind die vier Evangelisten mit Ihren Attributen, links darunter die Namensgeber des Hauses, rechts befindet sich irgendwo Karo, der Höllenhund. Karo der Höllenhund? Man lernt nie aus. In der Gegend sind ein paar Fachwerkhäuser stehen geblieben, so einheitlich wie in Bild 25 zeigt sich das Umfeld hier allerdings nicht mehr.

    24

    25 (Quelle Bildindex)

    26 Jetzt stehe ich am Eingang der, unverkennbar romanischen, Abdinghofkirche und schaue zurück zum Dom.

    27 Krypta

    28 Abdinghofkirche heute

    29

    30 (Quelle Bildindex): Kirche im Vorkriegszustand. Ich bin ja eigentlich ein Fan dieser schlichten romanischen Kirchen, aber diese Version hat auch etwas.

    31 Abdinghofkirche von Westen

    32 (Quelle Bildindex): Und abschließend sehen wir noch eine Luftaufnahme der Gegend um den Dom im Vorkriegszustand.

    Einmal editiert, zuletzt von Erpel (9. Januar 2012 um 17:35)

  • vielen dank für diese bilder. noch ein paar anmerkungen, ergänzend. zunächst einmal: du hast nicht so viel verpasst, aber immerhin ein paar ecken, für die sich das wiederkommen durchaus lohnt. tatsächlich ist pb ende märz 45 fast vollkommen zerstört worden, zwischen rathaus und bahnhof war nichts, aber wirklich gar nichts stehen geblieben. was nicht heissen soll, dass dort nicht vielleicht doch noch das ein oder andere hätte wiederaufgebaut werden können. immerhin, die franziskanerkirche im barock römischer prägung setzt mitten in der fußgängerzone westernstraße einen bedeutenden akzent, du hättest sie passieren müssen.
    heisings haus am marienplatz ist eigentlich nur noch heisings fassade, das haus selbst wurde total zerstört, es stand nur noch die fassade, diese blieb dem dahinter errichteten neubau immerhin vorgesetzt, anders als im falle des gleichfalls aus der renaissance stammenden, im 19. jh im selben kanon aufgestockten hotel löffelmann am kamp, gegenüber dem theodorianum, dessen fassade noch in den 50er jahren stand und dann einem banalen neubau weichen musste. leider bist du nicht in die marktkirche neben dem theo gegangen, diese ist nicht nur ein bedeutendes beispiel der sogenannten barockgotik (erbaut von jesuiten), sie enthält auch ein projekt, wo die meisten der hier diskutierenden mit der zunge schnalzen dürften: den von 1989 bis 99 rekonstruierten barocken altar, der die gesamte höhe des 27 m hohen mittelschiffs an dessen südseite (sic!) einnimmt.
    wärest du vom adam-und-eva-haus weiter nach norden gekommen, hättest du am maspernplatz noch reste der mittelalterlichen stadtmauer und zwei stadttürme gesehen; auch hat sich noch der ein oder andere altbau in diesem teil der stadt erhalten, allerdings ohne kunstgeschichtlichen wert. vieles ist nach dem krieg noch abgerissen worden, etwa jenes geviert, auf dem sich heute der maßstabssprengende komplex der paderborner stadtsparkasse ausbreitet.
    wärest du vom dom weiter nach osten vorgedrungen, wärest du an die busdorfkirche gekommen; sie besitzt einen romanischen teil, der der jerusalemer grabeskirche nachempfunden wurde, später aber in dem gotischen neubau aufging bzw. für diesen abgerissen wurde. sehr schön ist der pürting genannte kreuzgang des zugehörigen klosters. auch an diesem östlichen rand der altstadt sind noch reste der stadtmauer erhalten, auch hat sich ein wenig altstadtflair dem erneuerungswahn widersetzen können.
    das pb vergleichsweise adrett daherkommt, verdankt sich zum einen der tatsache, dass die stadt als eine der ersten in westfalen wiederaufgebaut wurde, noch vor dem wirtschaftswunder und der damit einhergehenden übermodernisierung. hochhausscheiben und dgl maßstabsbrüche mehr finden sich in pb nicht, auch wurde der historische stadtgrundriss und damit der stadtraum weitgehend dem wiederaufbau zugrundegelegt. bis auf das hotel löffelmann wurden zudem sämtliche das stadtbild prägenden architektonischen dominanten trotz teilweise erheblicher zerstörung wieder aufgebaut, wenn auch teilweise mit veränderungen (so erhielten abdinghof- und gaukirche stumpfe turmhelme, auch jener des doms entspricht nicht dem neogotischen helm von güldenpfennig).
    aus den mir vorliegenden bildquellen der stadt vor ihrer zerstörung würde ich sagen, dass ihr stadtbild nicht gleichrangig war mit hildesheim, wohl aber erheblich bedeutender, als das die erhaltene bzw. neu aufgebaute fachwerkhauszeile auf den dielen vermuten lässt, wo früher ein einfacheres wohnviertel lag. auf dem ükern, so sein name, war immer eher ein kleine-leute-viertel, sicher auch bedingt durch die feuchtigkeit der hier in tausend quellen sprudelnden pader. nochmals vielen dank für die bilder deines rundgangs.

  • Zitat von "Erpel"

    Vergleich zu Hildesheim ist noch treffender


    Na dann schau mal auf die Zahlen:

    Gesamtzerstörungsgrad (Quelle Wikipedia)

    85 % Paderborn
    87% Koblenz
    83% Pforzheim
    82% Würzburg
    80% Dessau
    82% Remscheid

    62% Bremen

    40% Hildesheim
    Ich denke die Zahlen sagen eine Menge aus- ein Vergleich mit anderen Städten würde da mehr Sinn machen. :zwinkern:
    Und zur Stadtentwicklung ab dem Mittelalter:
    Hildesheim war eines der mittelalterlichen Metropolen, Paderborn hatte jedoch gerade mal 500 Einwohner, somit bestehen auch unterschiedlich grosse Kerne/Stadtentwicklungen.

    Zitat

    Ein zweites Hildesheim wird es vielleicht nicht gewesen sein, aber nicht ganz weit davon entfernt.


    Auch mit rund 2000 Fachwerkhäusern? Zudem nimmt Hildesheim in der Bau- und Architekturgeschichte einen ganz besonderen Platz ein, ich denke das weiß man auch in diesem Forum.
    Ich würde niemals über eine Großstadt urteilen, von der ich vielleicht nur einige Straßen in der kriegszerstörten Altstadt gesehen habe, jedoch nicht weiß, wie die gesamte Großstadt ansonsten aussieht. Hildesheim gehört heute nicht umsonst zu den Großstädten mit hoher Lebensqualität (bundesweiter Testvergleich Großstädte).

  • Yeah, Padaboaaan, wie wir Ostwestfalen so schön sagen. Wirklich ne herrliche Stadt mit lebenswerter Umgebung, schade das auch sie im Krieg schwer zu leiden hatte. Wenigstens die Malereien in der Abdinghofkirche könnte man doch mal rekonstruieren. Nötigenfalls nimmt man sich einfach nen paar Kunststudenten der hiesigen Universität... 8)

  • Hildi: Der Zerstörungsgrad gilt aber sicher für die Gesamtstadt, nicht nur für die Altstadt, oder? Denn in Hildesheim sind definitiv 90 Prozent der Altstadt zerstört worden (gut, wenn man den Moritzberg noch dazunimmt, vielleicht nur 89 Prozent, aber defintiv deutlich mehr als 40 Prozent).

    Wenn ich mir die Kriegsschicksale und den Bildindex anschaue, war Paderborn vor dem Krieg sicher keine der bedeutendsten Städte Deutschlands, aber gerade wegen der großen Kirchen- und Klosterlandschaft und der langen Geschichte auf jeden Fall eine der bedeutenderen (und neben Münster, Soest und Dortmund historisch gesehen sicherlich eine der wichtigsten Städte Westfalens). Die Kirchen- und Klosterlandschaft ist zwar mehr oder weniger wieder aufgebaut worden, doch leide fehlt der Bürgerhausbestand dazwischen größtenteils. Und gerade wenn man sich die Ecke um Western- und Königsstraße mit dem C&A- und dem Parkhausklotz anschaut, gibt es doch extreme Maßstabsbrüche und außer dem Viertel an den Dielen und am Markt kaum noch Ecken mit geschlossener Altbausubstanz.

    Vor dem Krieg war gerade der Bestand an barocker Architektur durchaus beachtlich, jedenfalls für westfälische Verhältnisse (Münster mal ausgenommen, das spielte was Barockarchitektur anging, in einer eigenen Liga). Daneben gab es jedoch auch zahllose Beispiele typisch westfälischer Handwerker- und Ackerbürgerhäuser, gerade in den Randbereichen der Stadt, die leider fast sämtlich dem Krieg zum Opfer fielen. Aber auch Nachkriegsverluste gab es, zum Beispiel wurde für die Ausgrabung und Rekonstruktion der Kaiserpfalz ein erhaltenes Fachwerkviertel abgerissen, in dem die wenigen obertägig erhaltenen Reste der Pfalz (wie das Portal) verbaut waren. Durchaus beachtlich für eine Stadt dieser Größe ist jedoch der Erhalt der Stadtmauer. Es gibt zwar viele Durchbrüche und Fehlstellen, aber es sind mehrere Türme und längere Stadtmauerabschnitte erhalten (ich schätze, alles in allem etwa ein Drittel). Skurril muten die zwei erhaltenen Mauertürme im Norden der Stadt an, die heute ohne die ehemals begleitende Stadtmauer am Rande eines Parkplatzes stehen.

    Ich war bislang leider auch nur drei Mal in Paderborn (und hatte jedes Mal nur eine knappe Stunde Zeit), aber allein wegen der Kirchen und Klöster ist die Stadt auf jeden Fall einen Besuch wert.

  • Auf die von Palantir angezeigte Seite steht dieser Satz zum Angriff vom 27. März '45:

    Zitat

    Welchen Zweck dieser verheerende Angriff verfolgte, ist bisher nicht abschließend geklärt.

    Zusammen mit der zuvor erfolgten Minenangriff auf Abdinghofkirche und Dom sollte wohl das historische Erbe Paderborns vernichtet werden, zusammen mit so viel wie möglich Menschen.
    Nachschubslinien für Truppen unterbricht man nicht durch die Zerstörung einer Altstadt..

    Das Diözesanmuseum ist schon eine schlimme Bausünde. Auch an der Abdinghofkirche stehen einige. Und das Fachwerkviertel auf der Kaiserpfalz hätte man besser restaurieren können.
    Das Schöne an das alte Paderborn war der ländliche Charakter einer doch ziemlich großen mittelalterlichen Stadtkern. Und das hohe Alter der Sakralbauten und anderer Reste z. B. der Kaiserpfalz. Zusammen mit den Paderquellen ein ganz suggestiver Platz. Eine prächtige spätmittelalterliche und Renaissancestadt wie Hildesheim war es jedoch nicht.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Padorborn hat mir ganz gut gefallen, vor allem der Dom/marktbereich. Viel Grün gibt es auch. In der Stadt gibt es auch ganz vernünftige Nachkriegsbauten. Es zeigt sich wieder wie wichtig ein historischer Kernbereich für eine Stadt ist. Verglichen mit Ulm und Hildesheim findet der Betrachter in Paderborn ohne grössere Probleme die Sehenswürdigkeiten. Gerade Marktplätze und Zentralbereiche sind unheimlich wichtig, weshalb man auch hier Rekos durchsetzen sollte - wie in Frankfurt.

    Übrigens wurde der Altar der Jesuitenkirche vor kurzem rekonstruiert.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker


  • Der Gesamtzerstörungsgrad verzerrt in der Tat. Selbst Koblenz, mit einer der am hässlichsten aufgebauten Innnenstadt, weist erheblich mehr Altstadtbereiche auf wie Paderborn. Da bleiben in Paderborn "Auf den Dielen" und am Markt und ansonsten doch recht wenig Altstadt.

    ...

  • Eine hochinteressante Stadt. Wirklich eine Tragödie was mit Paderborn in den letzten Kriegswochen angerichtet wurde. Die Stadt liegt ja auf dem Land, wieso wurde sie überhaupt zerstört ? Keine Bedeutung für die Kriegswirtschaft, nichts.

    Trotzdem: Das Rathaus ist wunderbar und der Dom einfach unglaublich schön (drinnen auch?). Was mich stört, ist vor allem dieses Diözesanmuseum. Ein Scheusal, man sollte besser die Fachwekhäuser wieder rekonstruieren. Ausserdem dieser graue Klotz links hinter dem Rathaus.

    Paderborn wird besucht, das steht fest !

    Übrigens: Gedicht von Robert Gernhardt zum Diözesanmuseum. :augenrollen:

    "Als er zum wiederholten Male das Diözesanmuseum sah":

    Paderborn, arme Stadt,
    wie er dich verschandelt hat,
    dieser Architekt.
    Hat dir dreist den Dom verstellt,
    kriegte dafür auch noch Geld,
    dass er den versteckt.
    Architekten, holt Freund Hein!
    Aber so ein Werk aus Stein
    bleibt im Fleisch ein Dorn.
    Macht in alle Ewigkeit
    sich vor Turm und Kirche breit.
    Arme Stadt Paderborn

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Zitat

    Die Stadt liegt ja auf dem Land, wieso wurde sie überhaupt zerstört ? Keine Bedeutung für die Kriegswirtschaft, nichts.


    oder noch einmal die intelligenten Zeilen aus der Feuerwehrseite:

    Zitat

    Welchen Zweck dieser verheerende Angriff verfolgte, ist bisher nicht abschließend geklärt.

    quousque tandem?
    Offenbar besteht sogar noch hier im Forum tw Unkenntnis über Wesen und Zweck des britischen Bombenkrieges.
    Dabei hat es Brandmauer sehr schön formuliert:

    Zitat

    [es] sollte das historische Erbe Paderborns vernichtet werden, zusammen mit so vielen Menschen wie möglich.


    Letzteres war leider (im Sinne der edlen Befreier natürlich, what else?) kein so durchschlagender Erfolg, wie wir eben erfahren haben. Was sind schon läppische 350? Da waren ja die US-boys vier Tage später im Haxtergrund fast effizienter (http://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Rose\r
    de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Rose, erstaunlich übrigens, für was und wen es wikiseiten gibt. Für Haxtergrund jedenfalls nicht. Naja, so ein wackerer US-Heroe ist zweifellos von größerem Interesse als so n läppischer Zwischenfall mit über 100 Kriegsgefangenen).

    Ersteres war zum Glück natürlich schon sehr erfolgreich. Bei etwas mehr Saumseligkeit seitens der RAF wäre es mit der Zerstörung gar nichts geworden, denn vier Tage später war die Stadt ohnehin schon kampflos eingenommen. Da lernt man draus, was man nicht alles versäumen kann, wenn man sich zuviel Zeit lässt! Man stelle sich vor, horribile dictu, am 27.3. wäre schlechtes Wetter über Paderborn gewesen! Wer weiß, wie dann der Krieg ausgegangen wäre? Da haben wir alle nochmal Riesenschwein gehabt. Bis auf den armen Maurice Rose natürlich.

    Zu Erpels Galerie:
    Ich kenn die Stadt nicht. An sich wirkt sie sehr freundlich und wohl beschönigend fotographiert (was kein Kritikpunkt sein soll!Ich bin dankbar dafür. Ich weiß wie Karstädte oder Hortens aussehen, die lokalspezifische Paderborner Variante ist da nicht so rasend aufregend). Das Ensemble aus Rathaus und Gymnasium ist phantastisch, man würde sich ein adäquates Umfeld wünschen (von dem wahrscheinlich keine Rede sein kann...)
    In Städten wie diesen wäre eine (annähernde) Rekonstruktion bzw würdevoll-angepasste Neubebauung im kleinen, zentralen Kern, unumgänglich gewesen, um ein atemberaubendes Stadtbild zu erhalten. Dom, andere Kirchen, Gymnasium Rathaus, solch großartige Bauten auf vglw engem Raum, die heute auf erpel Bilder noch stark wirken, da hätte sich doch viel draus machen lassen. In einem halbwegsigen Kulturstaat wie Polen oder Italien oder Vorkriegsdeutschland wäre so eine Stadt substantiell nicht zerstörbar gewesen.
    Zum unvermeidlichen Diözesanmuseum: Nun ja. Ich kenne die Lage vorort nicht, fürchte aber, dass die nicht gezeigte Restbebauung noch weniger taugen wird. An sich nimmt der Bau sogar irgendwie auf die alte Fachwerkbebauung Bezug, glaube ich zumindest zu erkennen.
    Auf erpel Bild sieht es jedenfall eher grässlich aus (ist aber wahrscheinlich nicht 'freundlich' photographiert, oder, erpel?).

    ad 'normale Straßen':
    Gute Bilder sind, wie üblich Mangelware. Ein bisschen können unsere Berliner Freunde Bartko/Reher vielleicht helfen:
    http://www.ansichtskartenversand.com/?gclid=CMP686q82qMCFVFd4wodJGUi-Q\r
    http://www.ansichtskartenversand.com/?g ... 4wodJGUi-Q
    dann Bildnummer:
    2085369

    2085355 noch der beste Fund.

    1478347

    1478740

    1750538

    1749970

    1478273

    1478556

    1478552

    1478551

    2331291: immerhin blieb das schon damals meistgezeigte Haus erhalten

    1478418

    1478284 Rathausplatz ganz gut.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ulgemax: An der Franziskanerkirche bin ich selbstverständlich vorbeigelaufen, ich habe sie nicht fotografiert, weil das Umfeld zu deprimierend war.

    Bei dem von Palantir beigefügten Link fiel mir vor allem das letzte Bild auf, zeigt das Areal doch exakt den Standort des heutigen Diozösan-Museums.
    Kreisfeuerwehrverband Paderborn - Die schweren Luftangriffe auf Paderborn im 2 Weltkrieg
    Wäre das der Endzustand nach dem Krieg, wäre das für mich eine echte Sensation. Um das zu klären, habe ich eine mail an einen netten Herrn vom PB-Stadtarchiv geschrieben, der mir beschied, das Bild zeige den Zustand nach einem "ersten Großangriff" von Ende Januar 1945. Zwei Bilder weiter links sehen wir den Endzustand des Areals.
    Kreisfeuerwehrverband Paderborn - Die schweren Luftangriffe auf Paderborn im 2 Weltkrieg

    @ uc: Du hast Recht, das Diozösan-Museum habe ich tatsächlich kleiner abgebildet, als es ist. Das Museum ist ein echtes Monster. Übrigens hast Du weiter Recht, gemäß Stadtarchiv PB lehnt sich die Form des Museums tatsächlich an die Form der alten Bebauung an. Sonst ist die Bebauung des Marktplatzes aber sehr schön, gerade das Umfeld der Gaukirche, leider habe ich die Totale nicht fotografiert.

  • Zitat

    Das Museum ist ein echtes Monster.

    Na, da sprichst Du mir aus dem Herzen Erpel.
    Bei meiner Stadtbesichtigung in Paderborn wäre ich beinahe aus den Latschen gekippt, als ich diese Grausamkeit erblickte. Dieses Haus ruiniert den gesamten Marktplatz. Wieso tun sich die Städte das an und pflanzen sich solche Ranztonnen ins Zentrum?

    Diözesanmuseum = :übelkeit:

  • Paderborn, Kamp 15-17-19
    Bis 1945 Hotel Löffelmann (Kamp 15), im Krieg ausgebrannt, die mächtige 3-geschossige Renaissance-Sandsteinfassade (um 1600, wahrscheinlich gelber teutoburger Sandstein), im letzten Zustand traufständiges Gebäude, um 1959 abgerissen.

    1959 belangloser Neubau der Ländlichen Centralkasse mit zahlreichen Loggien in der Straßenfront.

    2009 -11 Neubau Bank für Kirche und Caritas, Kamp 17
    Die neue Fassade von 2011 nimmt im Erdgeschoss historische Zitate der Renaissance-Fassade auf, nachgebildet in rotem Main-Sandstein. Der Vergleich mit den historischen Fotos ist außerordentlich enttäuschend, weil sich die Zitate in den Lisenen mit Fries erschöpfen und diese in einem langweiligen Rhythmus wiederholen, der dem Geist der Renaissance völlig widerspricht. Vergessen ist das große Einfahrstor, das der Front seinen Charakter gab, vergessen die Obergeschosse, die ebenso gegliedert waren.
    Vor dem Haus steht eine Tafel, die an das untergegangene Renaissance-Haus erinnert, mit zwei Fotos aus der Zeit vor 1944 und nach 1945.
    Bildindex ist leider in diesem Fall „unwissend“.

    Das rechts benachbarte Geschäftshaus „Pronuptia“, das abgerissen wurde, war ein belangloser Bau mit Putzfassade ebenfalls von 1959.

    Den folgenden Link bitte in ein neues Fenster kopieren, sonst funktioniert er nicht:
    http://www.nw-ews.de/lokale_news/pa…Geldtempel.html

    Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die ehemals charakteristische Straße Kamp im Krieg komplett zerstört, verbreitert und modern wieder aufgebaut wurde, mit Ausnahme des Posthofs Nr. 22, des Dalheimer Hofs Nr. 38 und des ehemaligen Jesuitenkollegs, aber auch hier sind die ehemals barocken Bauteile im Stil des Neoklassizismus der 50er Jahre banalisiert worden.

    Einmal editiert, zuletzt von Apollon (18. September 2011 um 14:18)

  • Vor dem Haus steht eine Tafel, die an das untergegangene Renaissance-Haus erinnert, mit zwei Fotos aus der Zeit vor 1944 und nach 1945.

    Besagte Hinweistafel:
    Paderborn - Infotafel | Flickr - Photo Sharing!

    Alte Ansichtskarte:
    http://static2.akpool.de/images/cards/26/267168.jpg

    In diesem Dokument die Seiten 34/35:
    http://www.paderborn.de/microsite/adam…mbenangriff.pdf

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Neußer hat geschrieben:

    Zitat

    Das Dokument zeigt auf der Seite 18 die wohl übelste und störendste Bausünde der Stadt. Hoffentlich wird das Ding bald mal beseitigt.


    Das Ding stammt erst vom Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre! Daher werden wir wohl noch eine ganze Weile damit leben müssen. Es scheint so entworfen, um uns im Vergleich mit dem Vorkriegszustand die Zerstörung wieder mal nachhaltig einzuprägen (natürlich mit der Interpretation aus dem Dokument)

    Eigentlich müßte sich in Paderborn jetzt schon ein Verein gründen, der für die Rekonstruktion der früheren Häuser an dieser Stelle kämpft. Wenn das Ding dann in die Jahre kommt, müßte der Verein sehr einflußreich und kapitalkräftig sein..

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Paderborn bietet so viel an Geschichte und historischer Architektur, dass ich daraus zwei Artikel gemacht habe bzw machen werde. Der zweite Teil über das barocke Paderborn unter den Fürstbischöfen wird in diesem Jahr sicher noch folgen. Der erste teil über das mittelaterliche Paderborn von den Karolinger bis ins Hochmittelalter ist bereits veröffentlicht:

    Paderborn - Pfalz und Bistum an den Paderquellen
    Karolingische und ottonische Geschichte, frühgotische Architektur in Paderborn: Pfalz, Dom, Bartholomäuskapelle, Abdinghofkirche, Busdorfkirche
    www.zeilenabstand.net

    Die mittelalterliche Geschichte Paderborns


    Karolingische Pfalz und Bischofssitz


    Das westfälische Paderborn darf man, ohne zu übertreiben, als einen der bedeutendsten Orte der frühmittelalterlichen Geschichte Mitteleuropas bezeichnen. In einer Quellmulde entspringt hier das Flüsschen Pader in unzähligen kleinen Quellarmen, die noch heute das Stadtbild prägen. Im Jahre 776 gründete Karl der Große an dieser Stelle auf sächsischem Boden eine königliche Pfalz mit einer Aula regia. Bereits ein Jahr später fanden in der als Karlsburg bezeichneten Pfalz eine Reichssynode und eine Reichsversammlung statt. Das kann unzweifelhaft als Machtdemonstration des Frankenkönigs gegenüber den Sachsen verstanden werden, mit denen er sich insgesamt 32 Jahre bekriegen sollte. Noch im selben Jahr wurde als Missionsstützpunkt eine Salvatorkirche in Paderborn geweiht.


    Um den Christianisierungsprozess der Sachsen zu beschleunigen, entstand schließlich ein im Jahre 799 geweihter, erster Dom. Paderborn wurde damit Bischofssitz. Im gleichen Jahr empfing Karl den aus Rom geflohenen Papst Leo III. in seiner Pfalz. Diese enge Beziehung mündete schließlich in die Kaiserkrönung im Jahre 800 in der Heiligen Stadt. Fränkisches, später deutsches Kaisertum und das Papsttum gingen dabei einen Bund ein, der für viele Jahrhunderte die Geschicke der europäischen Geschichte bestimmen sollte.


    Neuanfang unter Bischof Meinwerk


    Nach einem Stadtbrand, der Pfalz und Dom zerstörte, kam es unter Bischof Meinwerk (1009 bis 1036) zu einem Neuanfang und dem Ausbau Paderborns zur Residenz. Hierzu sind der Neubau des Domes sowie die Errichtung der Abdinghofkirche im Westen und der Busdorfkirche im Osten des Domes zu zählen. Meinwerk ließ zudem einen Bischofspalast und eine zweite Königspfalz errichten, zu der auch die noch erhaltene, filigrane Bartholomäuskapelle zählt. Der Plan, dieser Ost-West-Achse weitere Bauten im Norden und Süden der Domimmunität zur Seite zu stellen, kam aber nicht mehr zur Ausführung.


    Der Paderborner Bischof gehörte zu den Vertrauten des ottonischen Kaisers Heinrich II. Entsprechend häufig sind Aufenthalte des Regenten in Paderborn bezeugt. Bereits 1002 wurde hier die Gemahlin Heinrichs, Kunigunde, zur Königin gekrönt.


    Die Handelsstadt Paderborn


    Begünstigt durch die Lage am Kreuzungspunkt der Fernhandelsrouten des Hellwegs und des Frankfurter Weges entwickelte sich südwestlich des Domes, im Bereich des heutigen Marienplatzes mit dem Rathaus, schon frühzeitig eine Marktsiedlung, die sich im 12. und 13. Jahrhundert rasch ausbreitete. 1028 wurden dieser durch Konrad II. Markt-, Münz- und Zollrechte bestätigt. Eine Stadtbefestigung mit fünf Stadttoren existierte spätestens in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Marktkirche St. Pankratius ist im 18. Jahrhundert abgerissen worden. Lediglich die Gaukirche St. Ulrich aus dem späten 12. Jahrhundert hat sich als mittelalterliche Pfarrkirche (seit 1231 Zisterzienserinnen-Klosterkirche) erhalten.


    Die Ersterwähnung des Stadtrechts und des Rathauses sind auf die Jahre 1238 und 1279 datiert. Die Bürgerschaft befand sich wie in vielen anderen mittelalterlichen Städten in ständigen Auseinandersetzungen mit dem bischöflichen Stadtherren. Die Bestrebungen nach selbständiger städtischer Verwaltung führten sogar zeitweise zur Vertreibung des Bischofs aus der Stadt.

    Galerie:

    Paderborn: Dom, Pfalz und Paderquellen

    Rekonstruierte ottonische Pfalz, davor die Grundmauern der karolingischen Pfalz

    Bartholomäuskapelle

    Inneres der Bartholomäuskapelle

    Westfassade der Abdinghofkirche mit dem Westturm des Domes im Hintergrund

    Abdinghofkirche, Mittelschiff nach Osten

    Dom von Südosten

    Dom, Mittelschiff nach Osten

    Dom, Paradiesportal

    Ostteile der Busdorfkirche mit Kreuzgang

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen