Berlin - Hausvogteiplatz und südlicher Friedrichswerder

  • Wobei es eher nach London als nach Berlin passt. Ist es wirklich so schwer, sich ein kleines bißchen an Berlin-Brandenburgischer Bautradition zu orientieren?

    Das "lebende Bauhaus" gefällt mir etwas besser als die peinlichen Nachbarn zur Linken.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ich hab etwas gestöbert, das Wohnhaus heißt "Oxford Residenz", insofern würde es durchaus passen. Wobei ich gar nicht finde, dass es sich nicht einfügt. Gerade die Rundungen und die Balkon umschließenden Gesimse waren in den letzten Jahren typisch für so einige Neubauten, vorallem in der Luisenstadt und Prenzlau.

  • Wobei ich gar nicht finde, dass es sich nicht einfügt.


    So habe ich das auch nicht gemeint, selbstverständlich "fügt es sich ein". Mir ging es vielmehr um berlintypische Bauten, die die ureigene Identität der kriegszerstörten Stadt stärken - und sie nicht weiter durch Typiken von hier und da und aus Amerika verwässern. Architekten und Städteplaner folgen bekanntlich dem Schema "Architektur um der Architektur Willen" - Ort, Identität und regionale Traditionen spielen kaum eine Rolle.

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  • Mir fällt momentan, zumindest auf Berlin bezogen, kein einziges Gebäude ein, wo dies auch nur versucht wurde, Das regionaltypische Bauen wäre in Deutschland eine Pionierleistung ohnegleichen. In fast jeder Berliner Straße sind sie zu begutachten: Neubauten, die in letzter Zeit durchaus etwas herzumachen versuchen, aber nicht im geringsten Rücksicht nehmen auf die Maßverhältnisse, die Fassadengliederung, das Baumaterial, die Farbe oder gar die Ornamentik der bestehenden Vorkriegsbebauung. Nicht einmal die Bauten des Büros Patzschke und anderer traditionalistisch orientierter Architekten leisten das wirklich, die übrige Architektenschaft aber scheint von dieser Tugend des Bauens nie etwas gehört, geschweige denn etwas in dieser Richtung gelernt zu haben. Ein Rätsel bleibt, wie sie es dann schaffen, dann und wann mal ausländische Muster anklingen zu lassen wie an dieser besagten Ecke. Hier ltut sich eine gewaltige Zukunftsaufgabe auf.

  • Mal ganz simpel gefragt, welches berlintypische Element wiesen denn die Mietskasernen in Berlin auf? Ok massig Hinterhöfe aber das wird man so kaum nachbauen wollen. Fassaden der Art wie sie in Berlin noch zu finden sind gibt es trotz ihrer Eleganz auch in anderen Städten. Der "Untergang" wurde in Vierteln von Sankt Petersburg gedreht und ich hätte es ohne weiteres abgenommen wenn man ihr erzählt hätte das sei Berlin.

    Schließlich geht es hier um die Wiederbebauung von zerstörten Stadtteilen die nach 1870 massiv bebaut wurden.

  • Also ich kann Berliner Mietskasernen wunderbar dieser Stadt zuordnen. Prenzlauer Berg ist eindeutig Berlin und nicht Hamburg oder München. Überdies besteht Berlin nicht nur aus Mietskasernen. Warum hat man in Sachen Stilistik z.Bsp. nicht die nahegelegene Bauakademie oder Friedrichswerdersche zu Rate gezogen - statt British-Tea-Time-Noblesse?

    Augen auf und Sinne an! :smile:

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    Einmal editiert, zuletzt von youngwoerth (12. Januar 2012 um 19:25)

  • Natürlich, da fängt Architektur ja erst an, wo sie solches zu leisten vermag, - wie schon gesagt - auf die in einer Stadt gegebenen Maßverhältnisse und Proportionen einzugehen, landestypische Materialien, Farben, Fassadenkonzeptionen und Gliederungselemente, ja selbst die Ornamentik in modern-abstrahierender Metamorphose aufzugreifen. Das ist ja die ganze Kalamität hierzulande, dass nicht einmal die Architektenschaft dafür noch ein Auge hat, von der Bevölkerung ganz zu schweigen.

  • Ornamentik in modern-abstrahierender Metamorphose aufzugreifen


    Ich würde noch einen Schritt weiter gehen und auf Abstrahierung verzichten wollen. Die lokaltypischen Bezüge dürfen gerne eindeutig sein. Sonst darf man sich in den Jurytexten demnächst anhören: "Die aufgeschraubten Metallrahmen adaptieren die barocken Spiegel in eine moderne und zeitgemäße Form, ohne sich der Vorkriegsbebauung anzubiedern." :wink:

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  • Die letzten fertiggestellten Stadthäuser an der Oberwallstraße zwischen Hausvogteiplatz und Jägerstraße.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich muss sagen, dass ich die Stadthäuser gar nicht so schlecht finde, da sie sehr unterschiedlich sind und daduch ein zumindest einigermaßen abwechsungsreiches Straßenbild entsteht. Das weiße, offensichtlich mit lackiertem Blech verkleidete Haus (fast) ohne Fenster finde ich allerdings ziemlich hässlich.

  • Von den Häusern gefällt mir nur das eine mit den Säulen und dem verglasten Erker, das klassisch gestaltete. Es wirkt irgendwie deplaziert zwischen dem ganzen Modernismus.

    In dubio pro reko

  • Passen denn solche schmalbrüstigen Stadthäuser zum Charakter Berlins?

    Ehrlich gesagt finde ich die Aneinanderreihung dieser bunten Häuslein viel zu penetrant. Zwar erkennt man an jeder Fassade einen gewissen architektonischen Anspruch, die schreiende Individualität der Bauten verursacht jedoch einen alles übertönenden Lärm. Scheußlich!
    Da ist der Großbau direkt am Platz, den ich für äußerst gelungen halte, eine wahre Wohltat.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Ich finds einfach etwas zu "bunt" (also nicht nur farblich, sondern auch Formen). Etwas einheitlichere Materialien, zumindest für jeden Straßenzug. Ich finde z.B. die ganzen Backsteinfassaden auf der anderen Seite des Blocks top. Sie haben unterschiedliche Farben und Formen/Fassadenstrukturen, aber haben trotzdem etwas gemeinsam.

  • Die dieser Tage geborgene Figur aus dem Spreekanal stellt meiner Meinung nach die rechte der beiden auf dem Mittelrisalit der Neuen Münze stehemden Statuen dar.

    Die Neue Münze stand Unterwasserstraße 2-4 und wurde von Wilhelm Neumann (späterer Name Georg J. Wilhelm von Mörner) nach Skizzen von Friedrich August Stüler(1800-1865) für 600 000 Mark erbaut. Sie wurde 1871 in Betrieb genommen.

    Zitat aus "Berlin und seine Bauten"

    Zitat

    Das Bauwerk ist in Anlehnung an italienische Backsteinbauten der Frührenaissance ausgeführt worden. Das kräftige Konsolengesims, die gequaderten Ecken sowie die Gurtgesimse der dreigeschossigen Front sind aus rötlichem Nebraer Sandstein, die Mauerflächen mit dunkelroten Laubaner Backsteinen und Formsteinen der March'schen Fabrik verblendet. Das Erdgeschoss zeigt breite vergitterte Rundbogenfenster, das erste Stockwerk durch Säulen zweigeteilte Bogenöffnungen, das zweite Stockwerk gepaarte Rundbogenfenster.

    Reich bemessen ist der plastische Schmuck der Fassade. Die Figuren über den Ecken rühren von Pohlmann und Enke, die Gnomen am Balkon von Landgrebe her. Der breite Fries über dem Erdgeschoss, nach Entwürfen von F. Gilly und Modellen von G. Schadow in Sandstein ausgeführt, stammt von dem alten, 1886 abgebrochenen Münzgebäude am Werder'sche n Markt und wurde von Siemering und Hagen, den Abmessungen des Neubaues entsprechend, ergänzt. Der Fries stellt die auf die Geschichte der Münzprägung bezüglichen Vorgänge in antikem Reliefstil dar, und zwar die Gewinnung der Erze, ihre Förderung und Sichtung, die Vorgänge des Schmelzens, Streckens und Prägens, sodann die Verwendung des Geldes im Dienste der Künste, im Landleben, im Kampfe gegen die rohen Mächte der Natur, schließlich in den von Siemering und Hagen ergänzten Teilen Bilder aus dem Handelsverkehr und dem Kriegsleben

    Die betreffende Figur herausgeschnitten:

    Quelle: Berliner Zeitung vom 18.12.2013, Foto: dpa

    Hier habe ich die Dame mal umgelegt, man achte auf den Faltenwurf:

  • Sehr interessanter Beitrag! Tolle Recherche, vor allem, was Deine Bilder angeht! Das Gebäude erinnert mich stark an das Wiener Palais Ferstel...das man in den 70ern einmal abreissen wollte, aber das gerade noch rechtzeitig vom Großneffen des Arch. Heinrich v. Ferstel in letzter Minute quasi gerettet wurde (und das trotz der enormen Bombenschäden).

  • Bei dem schönen Wetter gestern hat es mich zum Fotografieren in die Innenstadt gezogen. Auf meinem Rückweg zur U-Bahn kam ich durch die Kurstraße, wo ich gegenüber dem Außenministerium zum ersten Mal bewußt die auch schon etwas älteren sogenannten Townhouses (so wurden sie doch damals genannt, oder?) zu Gesicht bekam...
    Auch wenn jedes Haus anders gestaltet ist und sogar dankenswerter Weise unterschiedlich in Höhe und Dachausführung ist, machte das Ganze auf mich trotzdem einen sehr trostlosen Eindruck, verstärkt durch die schäbige "Grünanlage" und die seltsame Gestaltung in der Mitte mit der fragwürdigen Farbgestaltung des Betonbodens und der primitiv wirkenden Tischtennisplatte. Dabei haben doch die Bewohner der Häuser bestimmt ein überdurchscnittliches Einkommen, oder?
    Sehe ich das jetzt zu kritisch und wie ist Eure Meinung dazu?


  • In einer beiderseits bebauten, schmalen Straße und der damit verbundenen Verdichtung würden die "Townhäuser" funktionieren. Durch die große, noch dazu lieblos gestaltete Freifläche und das zur Schau gestellte Baustilchaos der Parzellen erinnert das Ganze jedoch mehr an einen sozialen Brennpunkt als an Gentrifizierung. Ich wollte da nicht wohnen.

    In dubio pro reko

    Einmal editiert, zuletzt von reklov2708 (9. März 2015 um 15:08)