• Lieber Fachwerkliebhaber,

    auf die Bilder von Wiesbaden-Biebrich freue ich mich schon jetzt sehr.

    Da du ja im Ratskeller warst, möchte ich noch auf das "Neue Rathaus", das von Georg von Hauberrisser 1883-1887 errichtet wurde hinweisen. Der nachfolgende Link enthält dazu etliche Bilder und interessante Hinweise:

    Neues Rathaus Wiesbaden

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (5. November 2017 um 22:02)

  • Danke Querido für die Erklärung! Das ist ja unfassbar, wie man im 19 Jahrhundert mit dem mittelalterlichen Erbe in Wiesbaden umgegangen ist. Der selbe Ort ist heute nicht mehr wiederzuerkennen...
    Ich weiß, Folgendes wird sehr radikal für Manche hier klingen, aber hier würde ich ausnahmsweise die Gründerzeitler abreissen und den Urzustand rekonstruieren, damit Wiesbaden wenigstens ein Hauch an mittelalterlichen Flair zurückbekommt und damit als Hauptstadt von Hessen dieses Fachwerkland in dieser Hinsicht besser repräsentieren kann, quasi ein Mini Dom-Römer Projekt.

  • Als ob die Architektur der Gründerzeit keine historische Substanz wäre. Wann fängt denn Architektur nach Meinung der Experten an, historisch zu sein?

    In dubio pro reko

  • Die Innenausstattung des Wiesbadener Schlosses, vor allem was die Möblierung betrifft, stellt eines der frühesten und vornehmsten Beispiele des Übergangs vom Klassizismus zum frühen Historismus zu Beginn der 1840 er Jahre dar.

  • Wann fängt denn Architektur nach Meinung der Experten an, historisch zu sein?

    tja, das ist mitunter in der Tat verdammt relativ. Wenn man nach Bulgarien fährt empfindet man Veliko T'rnovo als Musterbeispiel einer alten Stadt, obwohl in der Stadtmitte kein Gebäude vor allerfrühestens 1820 errichtet worden ist. Karlsruhe ist überhaupt die letzte deutsche Stadtgründung überhaupt (von Marginalien des XX. JH. abgesehen). Gewisse Wiener Vorstädte sind in ihren erhaltenen Partien allerliebst anzuschauen, wobei die fehlende historische Tiefe keinen Vergleich zu analogen Prager oder Pariser inneren Bezirken zulässt. Was soll man mit Potsdam anfangen? Oder mit St. Petersburg? Erlangen? Wo liegt die Grenze? Was ist mit reinen Renaissancestädten?

    Die Wahrheit ist, dass unsere europäischen Städte ein sehr vielschichtiges Ganzes bilden. Auch vom XIX.Jh. geprägte Badestädte wie Wiesbaden oder Karlsbad gehören dazu, und wenn wir sie nicht hätten, würde ganz entschieden etwas fehlen.

    Im Falle von Wiesbaden tröstet überdies der Umstand der Nichtzerstörung über die fehlende historische Tiefe hinweg. Hand aufs Herz, was ist uns teurer? Wiesbaden oder Frankfurt?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ja, Wiesbaden ist eine schöne Stadt.

    Leider ohne jegliche historische Substanz.

    Wiesbaden ist ein bisschen Unikat - ein Kurort die grosstadt ist.

    Fur mich hat Wiesbaden eine besondere historische Tiefe - dann als Schauplatz Fjodor Dostojewskis Roman Der Spieler. Wer die Stadt als RRoulettenburg kennst,

    hat halt eine andere Sicht auf der Stadt. Vielleicht liegt es an die Erzählungsteknik Dostojewskij aber ich wollte lange hinziehen.

  • Ich hätte geglaubt Homburg wäre Roulettenburg?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hand aufs Herz, was ist uns teurer? Wiesbaden oder Frankfurt?

    Ich denke die Antwort fällt eindeutig aus. Nichtmal ich als großer Historismus-Fan würde in Abrede stellen, dass Frankfurt aufgrund seiner historischen Tiefe ungleich bedeutender ist. Allerdings war das ja nicht die Frage die im Raum stand, nämlich ab wann Architektur als historisch relevant gelten kann. Für mich gehört die Gründerzeit bzw. was sie uns an großartigen Werken hinterlassen hat eindeutig dazu.

    In dubio pro reko

  • reklov2708

    Nein, ich votiere für Wiesbaden und hab das bei allen, vordererst bei dir vorausgesetzt. Verglichen mit dem heutigen FF wohlgemerkt, nicht dem VorkriegsFF. Letztlich hat Wiesbaden mehr historische Tiefe. Und damit gehört das sehr wohl zur Frage, die ihm Raum stand: auch spätere Stile sind fähig, historisch als relevant zu gelten. Authentische junge Städte sind wertvoller als nicht authentische ältere.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • So viel ich weiss war Wiesbaden die Hauptschauplatz aber klar Fjodor war ja auch in Bad Homburg und in Baden-Baden unterwegs.

    https://merkurist.de/wiesbaden/schr…n-wiesbaden_65U

    Ich bin kein Dostojewski-Eperte, aber ich glaube, weder Wiesbaden noch Homburg oder Baden-Baden spiegeln exakt "Roulettenburg" wieder. Es ist eine Mischung seiner schlechten Erfahrungen aus allen dortigen Casinos. Meines Wissens entdeckte er jedoch zuerst hier in Baden-Baden das Glücksspiel für sich. Und hier hatte ihn später die Spielsucht mit am schlimmsten erwischt, sodass er 1867 sogar die Kleider seiner Ehefrau und die Eheringe verpfändete – sie verließen kurz darauf pleite die Stadt. Sein Roman "Der Spieler" hatte er im Jahr zuvor veröffentlicht. Dostojewskis damalige, eher ärmliche Herberge im Baden-Badener Bäderviertel wurde später durch einen Historismusbau ersetzt, an dessen Fassade eine Plakette an ihn erinnert, ebenso wie eine Bronze-Büste, die interessanterweise auf einem Buch mit dem Titel "Der Spieler" ruht. Eine weitere Dostojewski-Statue steht im nahen Rotenbachtal. Und eine weitere Info am Rande: In Baden-Baden hatten sich Dostojewski und Turgenew 1867 heftig zerstritten, letzterer übrigens deutlich betuchter mit einer eigenen Villenpalast im prachtvollen Loius-XIII.-Stil, der noch heute an der Fremersbergstraße steht.

    „Sollt ich einmal fallen nieder, so erbauet mich doch wieder!“ (Inschrift am Schwarzhäupterhaus in Riga)

    Nach Baden-Baden habe ich ohnedies immer eine Art Sehnsucht.
    Johannes Brahms (1833-1897)

  • Quot capita,, tot sententiae!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich bin kein Dostojewski-Eperte, aber ich glaube, weder Wiesbaden noch Homburg oder Baden-Baden spiegeln exakt "Roulettenburg" wieder. Es ist eine Mischung seiner schlechten Erfahrungen aus allen dortigen Casinos. Meines Wissens entdeckte er jedoch zuerst hier in Baden-Baden das Glücksspiel für sich. Und hier hatte ihn später die Spielsucht mit am schlimmsten erwischt, sodass er 1867 sogar die Kleider seiner Ehefrau und die Eheringe verpfändete – sie verließen kurz darauf pleite die Stadt. Sein Roman "Der Spieler" hatte er im Jahr zuvor veröffentlicht. Dostojewskis damalige, eher ärmliche Herberge im Baden-Badener Bäderviertel wurde später durch einen Historismusbau ersetzt, an dessen Fassade eine Plakette an ihn erinnert, ebenso wie eine Bronze-Büste, die interessanterweise auf einem Buch mit dem Titel "Der Spieler" ruht. Eine weitere Dostojewski-Statue steht im nahen Rotenbachtal. Und eine weitere Info am Rande: In Baden-Baden hatten sich Dostojewski und Turgenew 1867 heftig zerstritten, letzterer übrigens deutlich betuchter mit einer eigenen Villenpalast im prachtvollen Loius-XIII.-Stil, der noch heute an der Fremersbergstraße steht

    Ich war als jungendliche tief von Dostojewskij beeinflusst. Ich hatte es auch damals in eine tiefgehende Biographie diese Theorie gelesen und es ist bei mir so seit dem geblieben. Auch weil viele seine Briefen stammen aus die Wiesbadenzeit habe ich es nicht wirklich hinterhergefragt. Aber du hast Recht Roulettenburg ist eigentlich genau so konkret wie Wisborg und der Spieler ist wie die meiste andere Dostojewskij Romanen sehr in die innere Vorstellungswelt verankert. Aber ohne uberzeugende Argumente habe ich mich trotzdem fur Wiesbaden entschieden :)

  • Ich meinte mit der mangelnden historischen Substanz von Wiesbaden weniger die Architektur als die Historie an sich. Es gibt keine bedeutenden Ereignisse, die ich mit der Stadt in Verbindung bringe. Das tut ihrer Schönheit ja keinen Abbruch. Aber wer gerne auf den Spuren vergangener Geistesgößen wandelt und an einem Ort den "Atem der Geschichte" (H. Kohl) spürt, kommt - Dostojewski hin oder her - in Frankfurt oder Mainz nun mal mehr auf seine Kosten.

    Habe bei Wikipedia gelesen, dass Wiesbaden nur deshalb relativ unzerstört auf uns überkommen ist, weil beim Angriff der RAF schlechtes Wetter war. Hätte mich auch enttäuscht, wenn sie's nicht wenigstens probiert hätten.

  • Ich meine mich erinnern zu können, dass sowohl Baden als auch Homburg in dem Roman namentlich erwähnt werden, Wiesbaden hingegen nicht. Somit kann Dostojewski mit seinem Roulettenburg nur Wiesbaden gemeint haben.