• Die Posse Rathausumbau zu Plauen geht in die nächste Runde. Mit einem Ergebnis von 23 Ja- und 16 Nein-Stimmen hat sich der Stadtrat endgültig für die Umsetzung des überarbeiteten RKW-Entwurfs entschieden. Zufrieden ist allerdings keiner, weder Wiederaufbaubefürworter noch Aquariumfreunde oder die Neubaufraktion. Stattdessen fraktionsübergreifendes Wehklagen über die Art der Diskussion und die Belanglosigkeit des Entwurfs.

    http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLA…ikel8420496.php

    Den Vogel schießt aber wieder mal SPD-Fraktionschef Rainer Maria Kett ab. Zu Erinnerung, das ist der Mann, der eine Wiederherstellung des weggebombten Eingangs als "Größenwahn" ablehnte da Plauen heute ja nur noch halb so viele Einwohner hat wie anno dazumal.
    Herr Kett hat zu Hause Dr. h.c. Google bemüht und ist auf das Vorhaben eines Rathausneubaus in Kleve am Niederrhein gestoßen. Da hat er nun mit erschrecken festgestellt, dass der dort zu verwirklichende Entwurf genauso aussähe wie der in Plauen. Skandal findet Klett. Ein Rathaus müsse schließlich einzigartig sein.
    http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLA…ikel8422199.php


    Wer kann denn auch ahnen, dass schmucklose Lochfassaden nichts besonderes sind? Dass der Plauener Entwurf im Vergleich zum Altbau fassadentechnisch ein rasiertes Huhn ist war doch nun völlig klar und auch beabsichtig. Zeitgenössisch halt, scheiß egal wies dann aussieht.

  • Na ja, ist eben der gleiche Baustil. Eine völlige Kopie kann ich aber nicht wirklich erkennen. Insofern ist die Aufregung des SPD-Herren selten dumm. Hätte er für die Rekonstruktion des alten Schmuckgiebels votiert, gäbe es sein heutiges Problem gar nicht. Also, die jetzige Planung ist angesichts der Alternativen allemal die beste und passendste für das Rathaus. Nun soll man aber auch zeitnah loslegen mit dem Bau.

  • Wieder mal ein typisches Beispiel für "es hätte schlimmer kommen können". Tut nicht wirklich weh, ist halt 08/15. Heutigen Architekten fehlt halt jedes Gespür für Verortung. Wenigstens sind die Proportionen angenehm.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Der umzusetzende Entwurf ist, in meinen Augen, völlig in Ordnung. Wie mein Vorschreiber schon schrieb, hätte es DEUTLICH schlimmer kommen können. Wir wissen ja, zu welch Grausamkeiten Architekten fähig sind. Eine glasklare Verbesserung zum Aquarium ist es allemal. Ich würde mir nur ein angepassteres, dunkleres Fassadenmaterial wünschen. Der Entwurf sieht leicht aus wie ´ne Styropor-Wärmedämmung.

    Zu den Befürchtungen des SPD Politikers kann ich nur anmerken, daß mittlerweile unzählige sehr ähnliche Bauwerke in unserem Land verstreut herumstehen. Ist halt einfach und billig. Nur zufällig handelt es sich im Fall von Kleve & Plauen um die Rathäuser der Städte. Die Aufregung wäre wohl geringer, wenn es sich in Kleve nur um ein Wohngebäude handelte.

  • Ich werde mich wohl nie an den Stil mancher Foren gewöhnen, wo man gnadenlos verrissen wird, weil ein eifriger Journalist einen Gedanken aus einem Redebeitrag aufgreift und ihn dann gekonnt gegen alle Regeln in ein "Zitat" verwandelt. Aber wir können uns gerne in Plauen einmal treffen und uns vor Ort über den Rathausbau und andere Bausünden austauschen. Herzlichst Ihr Rainer Maria Kett

  • Hallo und herzlich willkommen im Forum, werter vogtländer! Doch muss ich leider gleich als erste Antwort auf ihren ersten Kommentar eine ganz banale Frage stellen:

    HÄ?

    Oder eloquenter formuliert, auf dass sich ihr Namensvetter nicht im Grabe herumdrehe: Ich glaube, ihr Statement bedarf einer expliziteren Erklärung, soll heißen einer konkreten Antwort auf die Fragen, die sich der Leser völlig überrumpelt stellen muss:
    - Wer oder was wird verrissen?
    - Und wo?
    - Konkreter: von wem?
    - Um welchen Journalisten geht es?
    - Welche Positionen vertritt er?
    - Welchen Gedanken hat er aus welchem Beitrag zu welchem Thema an welchem Ort und in welchem Zusammenhang aufgegriffen?
    - In welcher Form? Was für ein Zitat?
    - Und in welchem Café sollen wir uns zur Diskussion treffen? Und wann?

    freundliche Grüße,

    Ihr "Wählen sie sich ein beliebiges Pseudonym aus, aber bitte nicht 'Kevin'."


    PS.: Allerdings hielte ich, jetzt, wo sie sich ja freundlicherweise registriert haben, einen vernunftbetonten Disput an Ort und Stelle für die bessere Alternative. Ich freue mich auf ein ertragreiches Webgespräch.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

    Einmal editiert, zuletzt von TrierRekos95 (6. November 2013 um 19:44)

  • Hallo TrierRekos95,
    der_vogtlaender hat ja mit den letzten 5 Worten seines Kommentars erkennen lassen, was er meint: Er selbst ist der in Kommentar Nr. 56 erwähnte Plauener Politiker Rainer Maria Kett!

    Falls Herr Kett in der Lokalzeitung wirklich so falsch zitiert wurde, würde ich mich sehr über eine Richtigstellung bzw. Klärung seinerseits freuen. Über diese Beiträge in der Zeitung habe ich mich damals jedenfalls auch geärgert.
    Für mich ist der Neubau des Rathauseingangs auf jeden Fall ein sehr wichtiges Projekt, welches die Stadt aufwerten wird. Wenn man auch sagen muss, dass es in der Gestaltung durchaus noch Luft nach oben gibt. Hier hoffe ich aber sehr auf die aktuell laufenden Überarbeitungen des Entwurfs. Der Vorwurf des Plagiats war jedenfalls Unsinn.

  • Zum Thema wichtige Planungen in Plauen. Am Montag gab es für mich eine Art vorgezogenes Weihnachtsfest:
    An diesem Tag wurde vom sächsischen Finanzminister die Planung für die neue Studienakademie in Plauen präsentiert. Diese soll ins ehemalige Schloss der Vögte einziehen. Diese einstige mittelalterliche Burg wurde immer wieder zerstört und dann verändert wieder aufgebaut (die letzte Zerstörung war im 2. WK). In den letzten Jahrhunderten war das Schlossareal immer Justizstandort (Gerichte und Gefängnis) und für die Plauener entweder gar nicht präsent oder negativ behaftet.

    Vom gezeigten Entwurf bin ich wirklich begeistert. Alle Gefängnisbauten, Baracken und Garagen werden komplett abgerissen und stattdessen ein Park bzw. Schlosshöfe angelegt. Das ehemalige Amtsgericht wird saniert und - davon hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt - die eigentliche Schlossruine wird wiederaufgebaut. (Letzteres zwar in schlichter Formensprache, allerdings war das Haus früher auch nicht wesentlich anders.) Im Prinzip bekommt Plauen damit eine Stadtkrone als Gegenüber zur Altstadt zurück.
    Wen das Projekt interessiert: https://www.facebook.com/media/set/?set…88094102&type=3
    Zu empfehlen ist auch, sich das Areal bei bing.com im Luftbild anzusehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Plauen dort erwartet.

  • Bezogen auf mich gab es ja zwei Aufreger betreffs des Plauener Rathausneubaus: Einmal meine Einlassung zum "Größenwahn", die Wiederherstellung der historischen Fassade anzustreben, und zum anderen den vermeintlichen Plagiatsvorwurf.


    Zum ersten: Natürlich wäre es schön, man könnte die historische Fassade wieder entstehen lassen. Zwei wesentliche Argumente gilt es aber zu beachten. Erstens: Plauen ist nicht mehr wie 1900 eine der reichsten Städte Europas sondern gezeichnet vom Bombenhagel des 2. Weltkriegs und von 40 Jahren DDR als "nicht zu entwickelndes Grenzgebiet" (Originaljargon SED) - eine Politik, die heute nahtlos von der sächsischen Staatsregierung fortgesetzt wird. Wir können bei allem Willen den historischen Nachbau finanziell nicht stemmen - trotz Fördermittel. Zweitens: Das Rathaus war für 200 000 Einwohner konzipiert. Wir sind aber nurmehr 64 000 Einwohner und brauchen also den Baukörper in dieser Kubatur gar nicht mehr, genau genommen brauchen wir nur einen gescheiten Eingang und den Ratssaal - alles andere nicht. Die notwendige Reduzierung der Kubatur war auch Gegenstand der Ausschreibung und genau genommen war bhss das einzige Büro, das das in dieser Konsequenz umgesetzt hat. Damit sage ich beileibe nicht, daß das mein Favorit war.

    Was die Plagiatsgeschichte betrifft: Das Planungsbüro RKW hatte in Kleve einen Planungsauftrag in unmittelbarer Nähe des Rathauses gewonnen und lt. Ausschreibung war der Rathausentwurf dabei zu berücksichtigen. RKW kannte also den Entwurf. Und da ist es als Architekt eigentlich peinlich, wenn man dann bei einem anderen Objekt "so nah" an diesem fremden Entwurf dran ist. Jeder Architekt versucht doch eigentlich, seinem Entwurf jenen individuellen Touch zu geben, um nahe an der Einmaligkeit zu sein. Sicher ist die derzeitige Lochraster-Fassaden-Architektur nicht sonderlich kreativitätsfördernd, aber ich bleibe dabei: diese gestalterische Nähe ist ein "architektonisches No-Go" Und genau das habe ich gesagt und nicht mehr.

    Ich sage auch ehrlich, daß mich alle drei "Siegerentwürfe" überhaupt nicht überzeugen, weil sie alle mit dem Hauptproblem, der Hanglage (7 % Gefälle), fehlerhaft umgegangen sind und entweder die Barrierefreiheit ignoriert haben oder inakzeptabel in den Verkehrsraum eingegriffen hatten. Mein Vorschlag an den Oberbürgermeister, bei der Abstimmung so zu verfahren wie unsere Altvorderen, die Anfang des 20. Jahrhunderts das Neue Rathaus bauten, fand leider kein Gehör. Damals war der Stadtrat auch mit dem Ergebnis des Architekturwettbewerbs nicht zufrieden. Man hob den Wettbewerb einfach auf und beauftragte die eigenen Planer mit dem Neubau. Wir hätten gut daran getan, es auch so zu machen. Plauen und das Vogtland hat durchaus potente Architekten. Leider fand sich dafür im Stadtrat keine Mehrheit und so bauen wir jetzt eine Lösung, wo Gesamtkosten (11 Mio. plus X) und Qualitätsgewinn in keinem Verhältnis zueinander stehen. Schade.

    Die Einladung nach Plauen sei dennoch gerne wiederholt.

  • @ Arwed
    Ja, das Projekt verfolge ich auch schon eine Weile. Schöne Sache. Besonders dass das Schlossgemäuer seine Wiederauferstehung feiert. Eigentlich müssten die Abrissarbeiten bereits im Gang sein. Zumindest laut Presse sollten sie im Oktober beginnen.
    http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLA…ikel8525885.php

    @ der_vogtlaender
    Vorab muss man sagen, dass ein Ortsansässiger und zudem noch kommunal hochrangiger Politiker stets auf seine besseren Fachkenntnisse zu bestimmten Situationen verweisen kann. Das zum Einen, weil er vor Ort aktuell Entwicklungen mitbekommt, von denen ein Auswärtiger erst verspätet und gefiltert erfährt. Zudem weil er als Politiker Einblicke in Akten und Planungen hat, die der Normalbürger nicht vollständig zu Gesicht bekommt. Man hat also stets einen Standortvorteil, den man aber auch positiv nutzen kann, indem man aufklärend tätig wird, z.B. in diesem Forum. Gleichwohl muss man akzeptieren, dass bestimmte Annahmen und Bewertungen nicht geteilt werden.
    Zum Baubeginn des Rathauses hatte Plauen etwa doppelt so viele Einwohner wie heute (128.000). Es entschließt sich meiner Kenntnis, ob man damals wirklich davon ausging, eines Tages 200.000 Einwohner zu erreichen. Jedenfalls war die Einwohnerkurve bei Bauende bereits wieder deutlich gefallen. Insofern wäre interessant zu erfahren, ob diese offensichtliche demographische Fehlkalkalkulation wirklich dazu geführt hat, dass große Teile des "überdimensionierten" Rathauses dann auch nie benötigt und genutzt wurden, also leer standen. Es müssten also fast 50% leerstehende Räumlichkeiten gewesen sein, wenn man die Bevölkerungskalkulation durch den Ist-Wert teilt.
    Weiter gedacht: Nun geht man von einer abnehmenden Bevölkerung in Plauen aus. Somit meinen Sie, es bräuchte nur noch einen Eingang und einen Ratssaal. Doch was wäre, wenn die heutige Kalkulation mittelfristig genau so falsch wäre, wie die einstige? Wir wissen noch gar nicht, welche sozialen Folgen die weltweite Finanz- und Staatsschuldenkrise haben wird. Man denke nur an die leeren Rentenkassen, an demographische Probleme in westdeutschen Großstädten. Möglichenfalls sieht die Lage in 10-15 Jahren ganz anders aus, als heute gedacht, und Plauen erfährt auf einmal wieder Zuzüge. Und dann würde es bei einer heutigen Minimalplanung heißen, wenn man doch damals nur mehr Räumlichkeiten für das Rathaus eingeplant hätte.
    Ich kenne zudem westdeutsche Beispiele der kommunalen Verwaltung, bei denen die im öffentlichen Dienst Beschäftigten immer mehr wurden, obwohl die Bevölkerung nicht stark oder gar nicht anwuchs. Erst reichte der Rathaus-Altbau nicht mehr. Dann musste ein Hochhaus her, um die Verwaltung zu bündeln. Und schließlich reichte auch das nicht mehr, und es mussten wieder externe Räumlichkeiten zugebucht werden. Eine stete Aufblähung der Bürokratie also. Auch heute ist davon die Rede, dass die kommunal Beschäftigten stetig mehr werden (siehe als schnell recherchierte Beispiele hier oder hier) , wenn auch momentan vor allem im Bereich der Kinderbetreuung. Geht Plauen also wirklich den anderen Weg und streicht nennenswert Stellen im öffentlichen Dienst, um sich zu verschlanken, vor allem im Rathaus?
    Man hätte eine Rekonstruktion der historischen Giebelfront natürlich auch schrittweise durchführen können, wenn man gewollt hätte. Man hätte die Kubatur nachbauen und zuerst mit glatter Putzfassade ausführen lassen können. Ähnlich also dem derzeitigen Favoriten. Die Natursteinarbeiten wären dann schrittweise und längerfristig gefolgt, je nach Finanzlage. So aber zog man ein solches Vorgehen gar nicht in Erwägung.
    Zuletzt: Wer hätte garantiert, dass bei einem anderen Vergabeverfahren, also die Beauftragung eines "eigenen Planers", das Ergebnis gefälliger ausgefallen wäre oder letztlich weniger gekostet hätte? Ganz abgesehen davon, wie transparent ein solches Vergabeverfahren dann noch wäre.

  • @ Heimdall

    Manchmal kommt einem halt schon der Frust durch, wenn ein komplexer Zusammenhang von einem "pfiffigen" Journalisten auf einen Halbsatz mit Halbwahrheit komprimiert wird und man dann im Kreuzfeuer der Kritik landet. Normal trage ich das auch mit Fassung, da aber dieses Forum eine andere Qualität hat (das war jetzt ein Lob an die Forumsmitglieder :-)), habe ich mich aus der Deckung gewagt.

    Die Hoffnung, daß Plauen und seine Verwaltung wieder wächst, wird sich nicht erfüllen. Wir haben aufgrund der Kassenlage (Stichwort Landesbank-Pleite) von 1990 bis 2010 über ein Drittel der Verwaltung abgebaut, der Verlust der Kreisfreiheit 2008 erfaßte allein 180 Mitarbeiter. Geplant war das Rathaus tatsächlich für 200.000 Einwohner, aber der erste Weltkrieg beendete schlagartig die Boom-Situation. Natürlich füllte die sozialistische Bürokratie das Haus locker, denn das Credo hieß damals ja "Vollbeschäftigung. Koste es, was es wolle". Zurzeit haben wir große Teile des Rathauses an den Landrat vermietet, aber wenn der Umbau des ehemaligen Tietz-Kaufhauses (es war übrigens der Probebau für das KaDeWe) zum Landratsamt mal fertig ist, ziehen die alle aus. Genau genommen brauchen wir den Bau gar nicht, denn den Ratssaal könnte man auch durch Umbau eines Zwischenflügels woanders unterbringen und dann bleibt nur noch der Eingang - ausgerechnet an der topografisch kritischsten Stelle.

    Plauen wird auch nicht mehr wachsen, sondern weiter schrumpfen. Prognose: 50.000 Einwohner. Zuzüge und Wegzüge halten sich seit Jahren die Waage aber den Sterbeüberschuß von 500/Jahr gleicht nichts aus. Da überwiegend junge Leute wegziehen (nach der oder wegen der Ausbildung) und vor allem ältere zuziehen, wird sich langzeitorientiert die demographische Situation weiter verschärfen.

    Wenn man die historische Fassade wieder erstellen will, muß man auch die Dachlandschaft historisch getreu erstellen, und genau die verursacht die überdimensionierte Kubatur. Und eigentlich gehört dazu auch die historisch korrekte Innenarchitektur, denn die war noch prägnanter als die Fassade, die sich so oder ähnlich bei vielen deutschen Gründerzeit-Rathäusern findet. Und da ist man dann schnell bei 20 Mio. Baukosten und mehr.

    Es gibt aber noch einen besonderen historischen Aspekt, den zu recht der Altbürgermeister angemahnt hat: Der Grundstein zur deutschen Einheit und zu einer neuen Europa-und Friedenspolitik wurde am 7. Oktober 1989 in Plauen gelegt. An diesem Tag war in Plauen die erste Großdemonstration, vor der die Staatsmacht letztlich kapituliert hatte, und damit begann die Wende, die mit der Demonstration der 70.000 in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zwei Tage später umumkehrbar wurde. Und die Stützmauer des jetzigen Rathauseingangs markiert genau diese Trennlinie zwischen der Staatsmacht und den 15 bis 20 Tausend Demonstranten. (siehe http://www.wendedenkmal.de) Es gibt also einen authentischen Ort für diesen wichtigen Teil der deutschen Geschichte. Der wird jedoch dem Rathausneubau komplett zum Opfer fallen, da die alte Architektur vollständig abgebrochen werden soll. Und das gerade einmal ein viertel Jahrhundert nach dem Ereignis selbst. Historisch gesehen gab es das eigentlich - von Kriegen abgesehen - nur noch einmal zur französischen Revolution 1789, das authentische Orte kurz nach dem Ereignis absichtlich zerstört wurden.


    Und um die Diskussion zu befeuern noch ein paar Gedanken zur jetzigen "gläsernen" Lösung. Zu ihrer Zeit (Anfang der 70er Jahre) war sie für die DDR und den damaligen "sozialistischen" Baustil (siehe Henselmann und andere) geradezu revolutionär. Es gab ja zeitgleich einen Architekturwettbewerb zur Umgestaltung des gesamten Stadtzentrums nach sozialistischen Vorstellungen - gottseidank nie umgesetzt. Natürlich ist die Fassade durch den Verschleiß und die Billig-Ausführung schlichtweg potthässlich, aber wie würden wir diskutieren, wenn uns Daniel Libeskind mit wenigen Änderungen eine aktuelle Glaslösung vorschlüge, die sich nur marginal von der jetzigen unterscheidet? Interessanterweise hat die Landesdenkmalbehörde festgestellt, daß Plauen das einzige deutsche Rathaus hat, das geschickt/harmonisch(?) drei sehr prägnante aber reine Baustile in sich vereint und daher als Ensemble schützenswert ist. Es wäre durchaus lohnenswert und herausfordernd gewesen zu prüfen, ob man nicht einen Weg findet, die jetzige Architektur von ihrer Idee her zu erhalten, aber konsequent alle konzeptionellen und architektonischen Mängel außen und innen zu beseitigen. Also eine Mischung aus Rekonstruktion und Neubau. Abreißen und einfach was Neues hinstellen kann jeder. Ich fand es jedenfalls schade, daß sich keiner der Wettbewerbsteilnehmer dieser spannenden Herausforderung gestellt hat, obwohl die Ausschreibung dies zuließ, weil es der Stadtrat ausdrücklich so wollte. Auch die Bürgermeinung hat sich mehrfach gewandelt: Am Anfang gab es ein breites Voting für den historischen Nachbau, dann hat man mehrheitlich den jetzt vorgesehenen Entwurf als beste Lösung gesehen. Es gab aber auch ein breites Spektrum, die das jetzige Vorhaben als zu teuer kritisieren und zum Ausdruck bringen, daß sie nicht grundsätzlich gegen eine gläserne Lösung sind sondern nur gegen die Qualität der jetzigen Lösung.

  • Es gibt aber noch einen besonderen historischen Aspekt, den zu recht der Altbürgermeister angemahnt hat: Der Grundstein zur deutschen Einheit und zu einer neuen Europa-und Friedenspolitik wurde am 7. Oktober 1989 in Plauen gelegt. An diesem Tag war in Plauen die erste Großdemonstration, vor der die Staatsmacht letztlich kapituliert hatte, und damit begann die Wende, die mit der Demonstration der 70.000 in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zwei Tage später umumkehrbar wurde. Und die Stützmauer des jetzigen Rathauseingangs markiert genau diese Trennlinie zwischen der Staatsmacht und den 15 bis 20 Tausend Demonstranten. (siehe http://www.wendedenkmal.de) Es gibt also einen authentischen Ort für diesen wichtigen Teil der deutschen Geschichte. Der wird jedoch dem Rathausneubau komplett zum Opfer fallen, da die alte Architektur vollständig abgebrochen werden soll. Und das gerade einmal ein viertel Jahrhundert nach dem Ereignis selbst. Historisch gesehen gab es das eigentlich - von Kriegen abgesehen - nur noch einmal zur französischen Revolution 1789, das authentische Orte kurz nach dem Ereignis absichtlich zerstört wurden.

    Und um die Diskussion zu befeuern noch ein paar Gedanken zur jetzigen "gläsernen" Lösung. Zu ihrer Zeit (Anfang der 70er Jahre) war sie für die DDR und den damaligen "sozialistischen" Baustil (siehe Henselmann und andere) geradezu revolutionär. Es gab ja zeitgleich einen Architekturwettbewerb zur Umgestaltung des gesamten Stadtzentrums nach sozialistischen Vorstellungen - gottseidank nie umgesetzt. Natürlich ist die Fassade durch den Verschleiß und die Billig-Ausführung schlichtweg potthässlich, aber wie würden wir diskutieren, wenn uns Daniel Libeskind mit wenigen Änderungen eine aktuelle Glaslösung vorschlüge, die sich nur marginal von der jetzigen unterscheidet? Interessanterweise hat die Landesdenkmalbehörde festgestellt, daß Plauen das einzige deutsche Rathaus hat, das geschickt/harmonisch(?) drei sehr prägnante aber reine Baustile in sich vereint und daher als Ensemble schützenswert ist. Es wäre durchaus lohnenswert und herausfordernd gewesen zu prüfen, ob man nicht einen Weg findet, die jetzige Architektur von ihrer Idee her zu erhalten, aber konsequent alle konzeptionellen und architektonischen Mängel außen und innen zu beseitigen.


    Erlauben Sie hier eine kleine Einmischung und das Herausstellen dieser Textpassage.

    Das besagte Nicht-Aufgreifen hat ja gewissermaßen eine ungute Tradition, denke ich bspw an die geschäftsmäßige Belegung und damit Verhunzung des Checkpoint Charlie in Berlin oder in einem anderen Zusammenhang an den Abriss der Torgauer Elbbrücke, für deren Erhalt wegen ihrer Bedeutung im 2. Weltkrieg sich am Schluss ein einzelner Ratsherr einsetzte. Mit vielen anderen Dingen ist es ähnlich: Die Fokussierung liegt auf den großen Dingen mit Medienöffentlichkeit, anhand derer sich eine Medienöffentlichkeit entlanghangelt, bei Herabwürdigung der behauptet ach so "kleinen Dinge", ohne die allerdings die großen, spektakulär gar nicht so recht denkbar sind.

    In meinen Augen macht sich eine Gesellschaft dadurch blind im Verstehen der tatsächlichen Entwicklung, dass sie genau dies übersieht.

    Zu möglichen Alternativen: Der Umbau des Cottbuser Stadttheaters schon zu DDR-Zeiten hätte einen Weg andeuten können, wie es auch hätte gehen können mit dem Plauener Rathaus. Allerdings sind da wieder die Umstände sehr spezifisch gewesen und den Um- und Weiterbau in der Handschrift des ursprünglichen Architekten nachzuzeichnen muss wohl im wahrsten Wortsinn als außerordentlich gelten.

  • @ Himmelsrichtungen

    Es gab meines Wissens sogar Überlegungen für den Wiederaufbau des Rathauses in der historischen Form. (ich war durch Studium und Berufsausbildung in jener Zeit nicht in Plauen und habe vieles nur marginal mitgekommen. Es gab ja noch kein Internet.) Aus Material- und Kostengründen wurden diese Überlegungen aber verworfen, zumal man diesen bürgerlichen Baustil ja nicht wollte. So kam es letztlich zu diesem von tschechischen Architekten entworfenen Stahl-Glas-Bau.

    Im Internet findet man vereinzelt auch noch Fotos von der abstrakt-farblichen Gestaltung des Eingangsbereiches. Im Volksmund wurde spöttisch immer "Eingang zur Geisterbahn" gesagt, die Gestaltung war aber ausgesprochen mutig, weil sie bildnerisch dem sozialistischen Realismus überhaupt nicht entsprach und trotzdem genehmigt wurde. Weil die Kritik im Volk aber nie verstummte, hat man eines Tages die ganze Farbgestaltung mit Sandstein verblendet. Sie ist aber unter der Konstruktion erhalten und da der Künstler noch lebt, könnte sie auch wieder authentisch restauriert werden.

  • Weil die Kritik im Volk aber nie verstummte, hat man eines Tages die ganze Farbgestaltung mit Sandstein verblendet. Sie ist aber unter der Konstruktion erhalten und da der Künstler noch lebt, könnte sie auch wieder authentisch restauriert werden.

    Zitat von der_vogtlaender

    ...aber wie würden wir diskutieren, wenn uns Daniel Libeskind mit wenigen Änderungen eine aktuelle Glaslösung vorschlüge, die sich nur marginal von der jetzigen unterscheidet?

    Ich kann nur zweimal "Gott bewahre" rufen. Was wollen Sie den Plauenern denn eigentlich antun? :augenrollengruen: (Wenn das auch in anderen Bereichen so unpopulär läuft, wundert mich nicht, dass die SPD dort bei 17 Prozent herumkrebst.)

    Ich bin dieses Jahr mit meiner Mutter am Rathaus vorbeigeschlendert, und die äußerte sich zwar generell positiv über Plauen, als sie aber diesen Glasvorbau sah, meinte sie nur wie aus der Pistole geschossen, was denn diese schreckliche Bausünde hier in der Innenstadt darstellen soll. Ganz klar, da hilft auch keine Aufhübschung mehr und auch Libeskind möge dem Plauener Rathaus verschont bleiben (wäre ohnehin eine zu uninteressante Nummer für ihn). Nein, das Ding muss weg, aller falschen Nostalgie zum Trotz. Und es muss eine harmonischere Lösung her. Ich sehe Plauen deshalb mit den derzeitigen Plänen auf dem richtigen Weg.

    P.S.: Bezüglich der Bevölkerungsprognose: 50.000 ist sehr pessimistisch gerechnet. In dieser offiziellen Statistik ist von mindestens 55.500 im Jahr 2025 die Rede: http://www.statistik.sachsen.de/bevprog/Atlas/karte.html. Neben negativen Nachrichten tauchen auch immer mal wieder solch überraschende Meldungen auf: http://www.vogtland-anzeiger.de/Vogtland_Anzei…-leicht-an.html. Und man muss sich im Klaren sein, dass es sich nur um Prognosen handelt. Es können auch ganz andere Entwicklungen eintreten, die alles über den Haufen werfen. Überhaupt aber habe ich in Plauen des öfteren diese gedrückte, negative Stimmung miterlebt. Da erzählt mir ein Immobilienverwalter, dass es schon sehr mutig sei, in Plauen zu investieren. Und ich denke mir: "Hey, das ist Dein Job. Und Du glaubst nicht mal an ihn und an eine Zukunft?" Die Plauener sollten weniger Trübsal blasen, sondern einfach in die Hände spucken und kämpfen. Sie sollten sich an positiven Vorbildern orientieren und die Stadt attraktiv machen. Dabei sind sie teilweise aber auch auf dem richtigen Weg, finde ich. Das Rathaus ist ein Teil, der Schlossberg-Campus ein anderer. Und ich glaube keinesfalls, dass die Zukunft so trübe aussehen wird, wie sie heute noch meinen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Heimdall (9. November 2013 um 20:13)

  • @ Heimdall

    Sehen Sie, da haben wir wieder das alte Problem mit den Politikern oder dem selektiven Lesen. Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich das möchte, was Sie mir da unterstellen. Und in vielen Gesprächen und Diskussionen erlebe ich immer wieder, dass man nur über die Fassadenlösung spricht. Die Aufgabenstellung des Architekturwettbewerbs war jedoch viel komplexer. Sie begann bei der Barrierefreiheit, umfasste die Verringerung der Kubatur und Büroflächen, musste Vorgaben des Denkmalschutzes beachten usw. Außerdem hatte der Stadtrat gefordert, aus Kostengründen zu prüfen, ob die vorhandene statische Konstruktion erhalten werden kann. In all diesen Aspekten hat der Siegerentwurf große Schwächen. Die Barrierefreiheit soll im öffentlichen Verkehrsraum gelöst werden, der Ratssaal wandert unter das Dach und erhält nicht nur die Anmutung einer Kathedrale sondern auch deren akustische und klimatechnische Probleme. Gleichzeitig entstehen dadurch mehr zusätzliche Büroflächen. Die Schaffung des Lichthofs verursacht eine Verringerung der Deckenhöhe in Bereichen des Stadtarchivs auf 2,20 m usw. Mittlerweile distanzieren sich hinter vorgehaltener Hand schon einzelne Jurymitglieder von der Entscheidung und räumen ein, dass der Siegerentwurf auch hätte ausgeschlossen werden müssen. Als unsere Fraktion das Büro wegen der aufgelisteten Probleme noch einmal einlud, stellte sich heraus, dass sie viele der Kritikpunkte überhaupt nicht "auf dem Schirm hatten". Im Ergebnis korrigierten sie dann ihre Baukostenschätzung von 6 auf 10,7 Millionen €. Und da man ja die vorhandene Statik komplett abbrechen will, kann noch keiner einschätzen, welche zusätzlichen Baukosten drohen, weil der neue Baukörper genau wie der historische auf einer extrem exponierten Stelle errichtet werden soll nämlich auf der Kante der früheren abgebrochenen Stadtmauer. Die Rathausadresse lautet nicht nur zufällig Unterer Graben, denn der Bau stand zum Teil auf dem Bauschutt der Stadtmauer im unteren Graben, der weit über 10 m tief war. Die vorhandene Statik mit ihren zurückgesetzten Stützen vermeidet all diese Probleme.

    Ich will aber gerne Ihre Neugier befriedigen und Ihnen meinen Favoriten nennen. Es war der Entwurf eines Stuttgarter Büros, der mit einem Sonderpreis bedacht wurde. Allerdings - Sie werden es ahnen - war das eine gläserne Fassadenlösung. In der Erfüllung aller Anforderungen erhielt dieser Entwurf die beste Bewertung, er fiel aber dem egomanischen Disput zwischen den besonders honorigen Jurymitgliedern zum Opfer. Schade eigentlich, denn er beinhaltete die wenigsten Risiken, kostenmäßig aus dem Ruder zu laufen. Sie merken allerdings dass die Reduzierung der Diskussion auf die Fassadengestaltung in der Problematik einfach nicht ausreicht, es sei denn, das Forum "Stadtbild" will sich allein darauf im wortwörtlichen Sinne reduzieren. Dann hätte ich mich natürlich völlig falsch in die Diskussion eingebracht und bitte um Nachsicht. Aber an diese Lochraster-Architektur mit ihren Zweck-Gaupen mag ich mich nicht gewöhnen. Und erst recht nicht an einen Entwurf, der als "historisch ... anlehnend, ohne historisierend zu wirken" beschrieben wird, also nichts halbes und nichts ganzes. Und da weiß ich mich mittlerweile einig mit etlichen Plauener Architekten.

    Was Ihre Anmerkungen zur Demographie betrifft: ich bin kein Pessimist sondern positiver Realist. Die sächsische Analyse ist viel zu kurz: die Bertelsmann-Studie reicht 50 Jahre weiter und geht für Plauen von 45.000-50.000 Einwohnern aus. Der demographische Effekt, dass die Jungen weggehen und Ältere nach Plauen zurück kommen, wird sich erst ab 2030 abbilden. Und solange die CDU in Sachsen regiert, bleibt es vermutlich bei der von Herrn Biedenkopf entwickelten "Leuchtturmpolitik", wo vor allem Dresden, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Chemnitz gefördert werden in der Hoffnung, dass sie in das flache Land ausstrahlen. Bis ins Vogtland haben die Strahlen freilich bisher noch nie gereicht.

    Einmal editiert, zuletzt von der_vogtlaender (10. November 2013 um 14:33)

  • Lieber "vogtländer",

    es ist leider schade, dass stets nur ich zu dem Thema antworten muss. Es gibt nämlich in diesem Forum wortgewandtere Diskutanten, die das grundsätzliche Anliegen besser vermitteln könnten, als sich. Offenbar trifft Plauen aber nur auf geringes Interesse.

    Also, Sie haben zwar nicht ausdrücklich geschrieben, dass sie die beiden von mir herausgepickten Varianten (Libeskind, Restauration des Glaskasten bzw. dessen Kunst am Bau) haben möchten. Sie haben es aber suggeriert. Sie haben suggestiv vermittelt, dass eine Libeskind-Variante auf großes Wohlwollen treffen könnte (somit ganz offensichtlich auch auf Ihres), ebenso eine Restaurierung möglich wäre. Allein dass Sie letztere überhaupt ins Spiel bringen, suggeriert, dass Sie der Variante nicht abgeneigt wären, ihr ein gewisses Interesse/Gefallen entgegen bringen. Bei Politikern und dem selektiven Lesen ist das eben so, dass viele "Normalbürger" längst begriffen haben, dass Politiker selten in klaren "Ja/Nein"-Stellungnahmen reden, sondern ihre Absichten meist nur verklausuliert preisgeben, um sich taktische Hintertüren offen zu halten. Dazu muss man sich nur Merkel-Reden anhören. Wenn das bei Ihnen ganz anders sein sollte, haben Sie leider das Pech, dass man von ihrem Berufsstand bzw. ihrer Stellung im politischen Betrieb zwangsläufig auf Ihre Äußerungen rückschließt.

    Zur Problematik Fassadenlösung versus technische Aufgabenstellung: Hier argumentieren wir einfach auf verschiedenen Ebenen. Dieses Forum widmet sich primär den bauästhetischen Gesichtspunkten, nicht aber der technischen Umsetzung. Hierzu müsste man detailliert Bauzeichnungen, Aufrisse, Pläne studieren, sich mit den Nutzungsanforderungen beschäftigen. Dies ist sicherlich Ihr Geschäft, würde aber im Rahmen dieses Forum die Nutzer schlicht überfordern. Zumal es eben auch nicht Hauptaspekt ihres Interesses darstellt. In einem Forum zum Thema Film würde man sich beispielsweise mit dem Spiel der Darsteller, der Schlüssigkeit der Handlung, der sinnlichen Athmosphäre des Streifens beschäftigen, nicht aber so sehr mit der Lichtaufhängung, der Wirtschaftlichkeit des Dreh-Sets, den investitionsabsichten der Produktionsfirma. Im Einzelfall schon, aber nicht hauptsächlich. Um es kurz zu machen. Barrierefreiheit, Deckenhöhe, Akustik, Wärmezirkulation sind interessante technische Details. Sie haben indes wenig mit der ästhetischen Gestaltung zu tun. Es handelt sich schlicht um zwei unterschiedliche Ebenen des Interesses und der Bewertung. Wenn ein ästhetischer Bau die technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, ein hässlicher diese aber erfüllt, dann muss der ästhetische Bau eben nachbearbeitet werden, nicht aber einfach der zweite gebaut.

    Zuletzt bezüglich der Demografie: Sie können nicht ernsthaft davon ausgehen, dass eine Bevölkerungsprognose, die auf 50 Jahre angelegt ist, die reale Entwicklung zutreffend darstellen kann. Vielleicht trifft sie diese, dann aber nur unter den Bedingungen, dass sich an der heutigen gesellschaftlichen Situation nichts ändert. In 50 Jahren können enorme technische Innovationen passieren, es kann Kriege geben (und vermutlich wird es das, auch wenn sie anders genannt werden), soziale Verwerfungen, Zuwanderungsströme usw. usf.. All das kann solche Prognosen völlig durcheinander wirbeln. Wer im Jahr 1910 eine Bevölkerungsprognose für das Jahr 1960 abgegeben hat, dürfte viele Überraschungen nicht mit einkalkuliert haben. Ähnlich wird das im aktuellen Fall aussehen.

  • Als kleine "Nestbeschmutzung" will ich hier anmerken, dass es die Einträger dieses Forums selbstverständlich mit ihrer nahezu ausschließlichen oder zumindest überwiegenden ästhetischen Perspektive zehnmal leichter haben als Jene, die in politischen Ämtern handeln und all zu oft zwischen Baum und Borke sich befinden. Eine Rolle, die mir selbst nicht behagt, aber gegenüber der ich meine Wertschätzung habe. Bei allem, was sonst noch in der "Szenerie" läuft.

    Manchmal kommt es mir so vor, als wenn Vertreter von vor- und halbdemokratischen Ordnungen wie des Kaiserreichs und der DDR, soweit sie denn manchmal selbständig agieren konnten, dies wesentlich freier tun konnten als eine vielfältigen Rechtfertigungszwängen unterworfene Demokratie, einer juristisch geprägten, wo auch der Allerletzte noch von seinem Klagerecht Gebrauch macht, allemal.

    Das lässt oft genug Gebäude so aussehen wie sie aussehen: Technisch nach allen Bestimmungen eines "Lasten- und Anforderungsheftes" durchkonzipiert, die Ästhetik allerdings als nachrangig begriffen. Wenn TÜV und Feuerwehr die Architektur von Häusern bestimmten, sähen die Gebäude ganz anders und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nüchterner aus, wenn die Feuerwehr die Gestaltung von Straßen bestimmen würde, dass die Löschzüge da optimal durchkämen, ganz gewiss auch. Die schon im 1970er Zeitgeschmack entworfenen Stationen der Hamburger City-S-Bahn sind noch einmal durch verschärfte Brandschutzbestimmungen, durch klobig heruntergezogene Schürzen an den Bahnsteigzu- und -abgängen, um Einiges verunstalteter geworden.

    Kann sich jemand erlauben, AUS ÄSTHETISCHEN GRÜNDEN derlei Werk zu kritisieren oder muss er sich nicht vorwerfen lassen, nur ungenügend für den Brandschutz gesorgt zu haben in dem Falle, dass doch etwas passiert? Kann jemand das Plauener Rathaus neu- oder umbauen, vorrangig aus ästhetischen Gründen der Stadteinpassung, wie es Luxus von Herrschern nach Lust und guter Laune war, ohne dass im Zweifelsfall (sollte doch etwas passieren) ihn nicht jemand daraufhin verklagt?

    Das Forum hier befindet sich in einer luxuriösen Position ...

    ... und genau das muss auch sein. Mehr als nur eine Eulenspiegelei und ein Hofnarrentum.

    Ich glaube, dass alles, was als wirkliches Schöpfertum Bedeutung bekam, weil es Menschen zuallererst SINNLICH ansprach, diesen Weg beschreitet.

  • @ Heimdall
    Ich möchte mich keinesfalls zu den von Ihnen erwähnten wortgewandten Schreibern in diesem Forum zählen, kann Ihnen aber versichern, dass mir die bauliche Entwicklung meiner Heimatstadt Plauen überaus stark am Herzen liegt. Ich habe mir nur die Argumente der sich anbahnenden Diskussion erst einmal durch den Kopf gehen lassen.

    Der Neubau des Nordostflügels des Plauener Rathauses gehört auf jeden Fall zu den Leuchtturmprojekten dieser Stadt. Es ist auf jeden Fall genau abzuwägen, wofür eine schrumpfende Stadt ihr Geld ausgeben sollte. Für mich ist die nun angeschobene Neubauplanung aber kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit! Im Konkurrenzkampf der Städte um junge Menschen und auch Investoren muss auch Plauen ein attraktives Stadtbild erhalten oder aber es herstellen, wenn es Defizite gibt. Das ist hier momentan der Fall! Etwas mehr Selbstbewusstsein bei der guten Stube der Stadt täte auch Plauen gut!

    Ich hatte beruflich die Gelegenheit mich im Rahmen des Architekturwettbewerbes intensiv mit dem vorhandenen, dem einstigen und dem zukünftigen Rathausflügel zu befassen. Das vorhandene Gebäude aus den 70er Jahren bietet weder ein attraktives und mit dem Altbau harmonierendes Erscheinungsbild, noch bietet es die Funktionalität eines modernen Gebäudes (z.B. an die Zugänglichkeit, die Verknüpfung mit dem Altbau, die Belichtung oder die innenräumliche Qualität). Ich lasse es als Beispiel für die technikbegeisterte Entstehungszeit gelten - es ist aber einfach keine gute Architektur (da gab es auch in dieser Zeit um Welten besseres). Ich könnte in voller Breite meine Kritik an diesem Gebäude äußern, möchte mich aber darauf beschränken zu sagen, dass es genug ästhetische und wirtschaftliche Gründe gibt dieses nicht zu sanieren, sondern dort komplett neu zu bauen.
    Ich stimme mit den Leuten überein, die der Meinung sind, dass eine Rekonstruktion des ursprünglichen historistischen Rathausflügels für Plauen nicht zu stemmen gewesen wäre. Ich fände es auch deshalb falsch, weil sich die Anforderungen seit damals gravierend geändert haben. Ein Beispiel ist das Bürgerbüro mit seinem erforderlichen offenen Raumkonzept, welches heute als erste Anlaufstelle für Rathausbesucher dient und welches es früher dort schlicht nicht gab.
    Einige der Bestandteile des nun ausgewählten Entwurfes finde ich ebenfalls nicht gut: Den Saal unter dem Dach / Die extrem starke Absenkung des Eingangsniveaus, welche zu Rest-Raumhöhen im darunter liegenden Stadtarchiv führt / Die leider ziemlich fade Fassadengestaltung.
    Es ist also sicher nicht der ganz große Wurf, sondern nur ein Kompromiss der verschiedenen Anforderungen. Ich bin aber trotzdem froh, dass dieses Gebäude entstehen wird, weil es einfach eine enorme Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes ist.

    Vogtlaender
    Über die von Ihnen angesprochenen Jurymitglieder möchte ich an dieser Stelle nur soviel sagen, dass diese Jury es fertig gebracht hat 3 Entwürfe auf die Preisränge zu setzen, von denen dann später zwei von der Vergabekammer disqualifiziert wurden. Das geschieht recht selten. Es wäre Aufgabe der Jury gewesen diese gravierenden Ausschlussgründe zu erkennen. Ich gebe also sehr wenig auf die Meinung dieser "Fachleute".
    Zu den ebenfalls erwähnten örtlich ansässigen Architekten möchte ich sagen, dass die Qualität des Bauens in Plauen immer mal wieder dann besondere Tiefstände erreicht, wenn einige der Lokalmatadoren zum Zuge kommen. Hier habe ich auch tiefe Einblicke nehmen können oder eher müssen. Anders gesagt, ich bin heilfroh, dass bei den anstehenden wichtigen Projekten (Landratsamt, Rathaus und Schlosscampus) von Architekten von außerhalb geplant werden!

    Einmal editiert, zuletzt von Arwed (10. November 2013 um 22:00)

  • Ich möchte mich in dieser grundsätzlichen Frage eher auf wenige Worte beschränken:

    Wenn Architektur nicht den Anspruch beinhaltet, funktionale und technische Anforderungen mit als ästhetisch empfundenen gestalterischen Schöpfungen zu vereinbaren, zu versöhnen, dann hat sie ihre Aufgabe verfehlt. Mithin sind also Architekten, die dies nicht bewerkstelligen können oder gar wollen, weil sie ggf. gestalterische und stadtbildnerische Aspekte der Architektur als letztrangig einstufen, nicht den Erfordernissen ihres Berufs gewachsen - nämlich den öffentlichen Raum in einem von der Allgemeinheit wünschenswerten Form zu gestalten. Wenn diejenigen, die Kraft Beruf anderen aber die Umwelt verhunzen, auch noch von politischer Ebene gebauchpinselt und dafür mit öffentlichen Geldern bezahlt werden, darf sich darüber durchaus Unmut erheben.
    Das gilt m. E. für Plauen und auch für den Rest der Welt...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Das Spannungsgefüge zwischen Form und Funktion ist sicherlich so alt wie die Architektur selbst und früher wie heute im Dauerstreit, wer wem zu folgen hat. Sicherlich trägt unsere Hochschullandschaft ein gerütteltes Maß zu dieser Problematik bei: meines Wissens ist an allen deutschen Hochschulen die Architektur immer ein Anhängsel des Bauingenieurwesens. Lediglich an der Westsächsischen Hochschule Zwickau (Reichenbach) war die Architektur ein völlig eigenständiger Fachbereich, der seinen Schwerpunkt auch im gestalterischen sah. Doch leider wird dieser Fachbereich jetzt auch geschlossen und an [lexicon='Leipzig'][/lexicon] angegliedert. Damit ist das Modell der eigenständigen Architektur als Studiengang in Deutschland wieder vom Tisch.

    Natürlich muss man unter dem Aspekt der Stadtbildgestaltung die Rekonstruktion des Nordwest-Flügels als den einzig richtigen gangbaren Weg sehen. Allerdings wäre mir dann auch etwas seltsam zumute, durch ein Gründerzeitportal hindurch in einem reinen Zweckbau zu treten. Die Tristesse der Lochrasterfassaden setzt sich ja meist im Inneren fort. Zum Wiederaufbau der Fassade hätte dann als mindestes auch die originalgetreue Rekonstruktion des lichtdurchfluteten historischen Treppenaufgangs gehört. Aber all das hätte die Stadtkasse sicherlich deutlich überfordert.

    Im übrigen erlebe ich in vielen Gesprächen, dass die jungen Leute viel unkritischer mit der derzeitigen gläsernen Lösung umgehen. Viele kritisieren den schlimmen Zustand, lehnen aber die Fassadengestaltung als solche nicht rundweg ab. Event-Eigenschaften spielen bei den jungen Leuten eine viel größere Rolle als Stadtbildgestaltung. Der Wunsch nach Wiederaufbau der historischen Fassade wurde vor allem von den älteren Generationen getragen.

    Aber nicht nur das Rathaus ist ein Problem der Plauener Stadtbildgestaltung. Ein spannendes Thema ist auch der Umgang mit den leerstehenden und verfallenden Gebäuden entlang der B 92 (Oelsnitzer Straße und so weiter). Man kann sie nicht einfach wegreißen, weil man dann sofort ein Lärmschutzproblem bekommt. Eigentlich muss man sie wie potemkinsche Dörfer stehen lassen und erhalten. Plauen ist leider nicht München und Frankfurt, wo jeder Quadratmeter Bauland sofort wieder mit neuen Häusern gefüllt wird. Unser innerstädtisches Brachflächenkataster ist schier endlos. Die Alternative wäre wegreißen und neu errichten von Lärmschutzwänden, aber wer will schon 4 km Schutzwand quer durch die Nord-Süd-Achse der Stadt. Sicher wäre eine Umgehungsstraße die richtige Lösung, um die 36.000 Durchgangs-Fahrzeuge pro Tag aus der Stadt zu bringen, aber der Freistaat Sachsen lehnt diese Lösung ab. Im Moment hat keiner eine richtige Idee, wie man mit den über 200 Gebäuden umgehen soll, die entlang der B 92 leerstehen und die keiner mehr braucht. Falls das Thema jedoch wieder den Rahmen des Forums sprengt, dann betrachten Sie diese Frage als nie gestellt.