Kandidaten für "das hässlichste Gebäude"

  • Nur noch teilweise, leider. Abseits vom Markt und Conscienceplatz hat man dort seit 1850 furchtbar viel abgerissen, vor allem der älteste Teil der Stadt, ums Steen (eine Burg) herum, wurde schon vor 1900 aus wirtschaftlichen Gründen fast gänzlich vernichtet. Und dazu kamen gerade in diesem Bereich der Stadt dann auch noch einige V2-Einschläge und weitere großflächige Abrisse danach...

  • Hatten wir den Wallfahrtsdom Neviges schon? Dadaismus meets Brutalismus.

    Wollte ein Foto einfügen, aber die Schmerzensschreie meines Computers waren zu laut :--)

    Ich glaube, dass es für unserer Anliegen insgesamt nicht sonderlich förderlich ist, hier Bauwerke, die, obschon etwas bizarr und keinem tradierten ästhetischem Konzept folgend, hinsichtlich Anspruch und Qualität aber ein durchurchaus beachtliches Niveau erreichen und zudem solitär stehen, anzuprangern.
    Ich gehe auch lieber in alte Kirchen; bei modernen gibt es aber unendlich viel schlechteres.

  • Sehe ich auch so... ich muss dem Wallfahrtsdom in Neviges durchaus eine gewisse künstlerische Ästhetik beimessen, von den jüngeren Kirchen ist diese aufgrund der Andersartigkeit m.E. eine der besseren.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Richtig. Gurnemanz hat offensichtlich nicht nur musikalischen und literarischen Geschmack. Es mögen umstrittene, grenzwertige Bauten sein, jedenfalls solche mit doch überdurchschnittlichem ästhetischem Anspruch. Sie mögen gescheitert sein (oder auch nicht), jedenfalls sind sie schon aufgrund des von ihnen ausgehenden Interesses turmhoch über der alltäglichen wie unsäglichen Hässlichkeit stehend, die unser Bauwesen seit Jahr und Tag prägt. Gerade gegen ein bisschen gewagtere Kost sollte wir nicht hysterisch aufbegehren.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Sehe ich auch so... ich muss dem Wallfahrtsdom in Neviges durchaus eine gewisse künstlerische Ästhetik beimessen, von den jüngeren Kirchen ist diese aufgrund der Andersartigkeit m.E. eine der besseren.

    Richtig, solche Kirchen sind wahrlich nicht das Problem. Ich gestehe ihnen gerne eine Koexistenz mit schönen, alten Kirchenbauten zu - solange diese nicht dafür weichen müssen bzw. mussten.

  • Darüberhinaus ist eine Wallfahrtskirche, die als Großskulptur in die Landschaft gesetzt wurde, anders zu bewerten als eine moderne Kirche in sensiblem innerstädtischen Kontext. Ich selbst bin vor langer Zeit einmal zu dieser Kirche "gewallfahrtet", um Gottfried Böhm meine Reverenz zu erweisen, und war zutiefst angetan von der Prozessionsstraße, von dieser gewaltigen Grotte, die mit ihrem Straßenpflaster-Fußboden die Wallfahrer zum Betreten einlädt, von dem gewaltigen Fenster mit der von Böhm gestalteten Rose. Es ist auch anrührend zu sehen, wie die moosüberwachsene Betonskultptur sich im Lauf der Jahrzehnte gewissermaßen der Natur anverwandelt. Ein empfehlenswerter Ausflug in eine idyllische Landschaft inmitten der Zivilisationssteppe der Ruhr- und Wupperstädte!

  • Wer immer die Gelegenheit hat, sollte es Philoikódomos gleich tun und sich den Nevigeser Dom mal in Natura anschauen.

    Manche werden seine Empfindungen teilen, insbesondere wenn ein inhaltlicher Bezug zur entsprechenden Wallfahrt vorhanden ist. Andere werden entsetzt auf überdimensionale Betonklötze schauen und den morbiden Charme vermoderner Sichtbetonflächen (was den üblichen Sonnenschein-Postkartenfotos nicht wirklich rüber kommt) ebenso als gescheitertes Architekturexperiment empfinden wie ich, der ich 20 Jahre in Velbert zuhause war und gerade in den Stadtteilen Neviges und Langenberg ansonsten sehr viel positiv bemerkenswerte Architektur gesehen habe.

    Letztlich ist es wohl, wie so oft, Geschmackssache. Wenn wir alle denselben Geschmack hätten, wären unsere Städte wahrhaftig langweilig!

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Da steuere ich doch auch gern mal etwas bei: Dresden, Neustädter Markt, Blick auf die Rückseite des Plattenbauriegels, einfach ohne Worte eye:):weinenstroemen:

    APH - am Puls der Zeit

  • Da steuere ich doch auch gern mal etwas bei: Dresden, Neustädter Markt, Blick auf die Rückseite des Plattenbauriegels, einfach ohne Worte eye:):weinenstroemen:

    Ich versuche diese Stilistik immer irgendwie einzuaordnen - kann man hier noch von Dadaismus reden, oder ist des schon Brutalismus?

  • Ich versuche diese Stilistik immer irgendwie einzuaordnen - kann man hier noch von Dadaismus reden, oder ist des schon Brutalismus?

    Für mich gibt es grob gegliedert drei Sorten Architektur (wobei der Übergang zwischen a) und b) natürlich oft Geschmackssache ist):
    a) gelungene Architektur
    b) misslungene Architektur
    c) keine Architektur

    Solche Plattenbauten fallen für mich unter c)

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Naja aber nicht alle existiert neben Dresdens einzige Barockviertel und es gab auch regionaltypische Plattenbauten wie in Rostock, Halle und Quedlinburg

  • Naja aber nicht alle existiert neben Dresdens einzige Barockviertel

    Es gibt viel schlimmere Beispiele. Ich sag nur mal Pasewalk:

    In der vorpommerschen Stadt stehen nur noch die mittelalterlichen Kirchen und die Stadtmauer mit ein paar Toren und Türmen, der Rest der Altstadt, mit wenigen Ausnahmen, besteht aus lieblosen Plattenbauten. Im nördlich davon gelegenen Anklam beseitigen sie derzeitig wenigstens solche Bausünden und stellen den historischen Charakter der Hansestadt mit historisierenden Häusern wieder her. Dresden hat ja wenigstens noch ein Barockviertel ...

    Luftbild bei Google

  • Wobei einige der Plattenbauten in Pasewalk durchaus Qualität haben und zumindest städtebaulich die alten Strukturen nachbilden, da kann man mit guten Sanierungen einiges erreichen. Und es ist nicht so, dass es gar keine Altbauten innerhalb der Altstadt mehr gibt, selbst am Markt stehen noch welche (hier diverse Bilder).
    Auch hat die Stadt durchaus Potenzial. Da die Metropole Stettin als Wohnort immer teurer wird, zieht es junge polnische Familien in die Stadt (z.B. auch nach Penkun), was für Bautätigkeit und Geschäftigkeit sorgt. Vergleichbare Wiederbelebungsprojekte wie am Anklamer Markt sind denkbar.

  • Es ist ja auch nicht fair, den armen Wiederaufbau solch kriegszerstörter Städte hier anzuprangern. Was hätte man unter den damaligen Umständen viel besser machen sollen? So wie man den maximal gleich schlechten Wiederaufbau von Würzburg und Nürnberg hier über den grünen Klee lobt, verdammt man Chemnitz, Prenzlau und Neubrandenburg.

    Ein wirklich würdiger Kandidat unweit des Gezeigten wäre der Knerer und Lang Bau
    http://www.tourdresden.de/bauprojekte/ne…r-hauptstrasse/

    Aber vielleicht hamma das schon. Wäre jedenfalls hochverdient.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ja, da hat UC ein gutes Beispie(l) aus heutiger Zeit gezeigt.

    Für mich ist eines der abstoßendsten Gebäude nicht weit entfernt von der WBS2000 Platte von Knerer & Lang und zwar Gammelanbau an das Cosel-Palais am Neumarkt. Nicht umsonst ist aufgrund dieser Bausünde dann auch die GHND gegründet worden! Das vermutlich einzig Gute an diesem Bau ;-). Da wird sich das Stadtplanungsamt noch heute öfters in den eigenen Arsch zwicken, dass sie so etwas damals bewilligt hat :-)!

    http://farm1.static.flickr.com/138/325148373_1c002cc719.jpg?v=0

  • [...] Gammelanbau an das Cosel-Palais am Neumarkt

    Uuuuh! Schade, dass visuelle Körperverletzung juristisch kein Straftatbestand ist...

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht