Leipzig - Bauten von der Romanik bis zur Vorgründerzeit

  • In diesem Thread würde ich gern Gebäude, insbesondere eingetragene Baudenkmale, im heutigen Stadtgebiet von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zusammenstellen, die älter sind als die tausenden Wohn- und Geschäftshäuser aus der Gründerzeit und dem Historismus, also vor den 1860er Jahren entstanden. Man bekommt ja in dem Forum fast den Eindruck, bis auf wenige jüngere Bauten bestünde [lexicon='Leipzig'][/lexicon] nur aus Gründerzeithäusern ;-). Neben einer Reihe von Kirchen sind ja auch nicht wenige Wohnhäuser und technische Bauten wie vor Mühlen ganz oder in Teilen erhalten geblieben, vor allem in den ehemals selbstständigen Gemeinden um das alte [lexicon='Leipzig'][/lexicon] herum.

    Leider werden diese oft kleinen und unscheinbaren Häuser meist weniger beachtet als die prunkvollen historistischen Fassaden und sind auch wegen der geänderten Nutzungsansprüche stärker von Verfall und Abriss bedroht. Andererseits gibt es auch viele liebevoll und aufwändig restaurierte Gebäude. Auch vor längerer und kürzerer Zeit abgebrochene Gebäude, von denen es zumindest noch Fotos und vielleicht sogar Bauaufnahmen gibt, sollten hier ihren Platz finden. Weitere Bilder aus anderen Leipziger Stadtteilen sind sehr gern gesehen, ebenso Ergänzungen zur Bau- und Nutzungsgeschichte der jeweiligen Häuser.

    Beginnen möchte ich mit Lindenau und hier wiederum mit der Lützner Straße, wo sich eine Reihe von größeren klassizistischen und kleineren Biedermeier-Häusern erhalten konnte, die fast alle in den letzten Jahren saniert wurden und (hoffentlich bald) noch werden.

    Hier noch ein alter Katasterplan von Lindenau aus der Mitte des 19. Jh.:
    http://www.lindenauerstadtteilverein.de/heimat/karte.php

    Direkt an der kleinen Luppe unweit der ehemaligen Mühle und gegenüber dem alten Gasthof „Drei Linden“ an der via regia, an dessen Stelle heute die MuKo steht das Haus Zschochersche Straße 1c, das laut Bauinschrift über dem Portal 1807 errichtet und 1891 umgebaut wurde. Ein weiteres Schild gibt an, dass sich Napoleon hier am 19.10.1813 auf dem Rückzug nach der Völkerschlacht eine kurze Zeit aufgehalten hat. Das nimmt aber meines Wissens auch die MuKo als Nachfolger der "Drei Linden" für sich in Anspruch.

    Zschochersche Straße gleich jenseits der Lützner Straße, gleich im Doppelpack. Eines wird derzeit in Eigenleistung ausgebaut, das andere sucht meines Wissens noch einen neuen Nutzer.

    Direkt dahinter zwei weitere Häuser an der Lionstraße.

    Drei Häuser haben sich an der Lützner Straße als Ensemble erhalten und wurden kürzlich bzw. werden gerade restauriert.

    Unmittelbar neben der letzten MINOL-Tankstelle in Deutschland (http://nachrichten.t-online.de/der-osten-im-t…_15874634/index ) steht dieses klassizistische Prachtexemplar (Lützner Straße 9):

    Das Götz-Haus in der Lützner Str. 11, ein zweigeschossiges Wohnhaus aus der Biedermeierzeit mit erhaltener Gartenanlage, besteht aus zwei Teilen: Das straßenseitig gelegene ältere Haupthaus wurde 1823 erbaut, der Anbau wurde 1860 errichtet. Heute beherbergt es ein Museum über Leben und Wirken von Dr. Ferdinand Goetz (1826-1915) und ein Restaurant: http://www.goetz-haus.de/

    Und direkt über die Straße ein ähnliches Gebäude in der Birkenstraße 2

    Eine Reihe von weiteren Häusern aus dieser Zeit, aber wohl auch ältere, die bis in die Barockzeit zurückreichten, standen an der Dreilindenstraße und wurden Anfang dieses Jahrtausends abgebrochen.

    Die Lützner Straße weiter nach Westen steht noch der heutige Sitz des HausHalten e.V. in der Nr. 39. Das zweigeschossige Wohnhaus mit Krüppelwalmdach (kein "Kuppelwalmdach" wie auf der Haushalten-Website angegeben) wurde ca. 1835 errichtet. Erhalten haben sich hier auch die alten Nebengebäude und der zugehörige Bauergarten im originalen Zuschnitt. http://www.haushalten.org/de/kompetenzzentrum_Haus.asp

    Gegenüber standen nach meiner Erinnerung auch noch einige ältere Häuser, nun klaffen da allerdings Lücken.


    Näher am eigentlichen Kern des Dorfes Lindenau um die heutige Nathanaelkirche und den Lindenauer Markt stehen die Häuser in der Angerstraße.

    Angerstraße 11 mit ungewissem Schicksal.

    Angerstraße 17 und 19
    Nachtrag: Dieser Tage erfuhr ich, dass die Angerstraße 17 ein Nachwende-Neubau ist, das Denkmal wurde abgerissen und dieses Haus in Anlehnung an das Original neu an die Stelle gesetzt.

    Die zurückgesetzte Lage des Hauses Angerstraße 19 zeigt die Entstehung vor dem Einsetzen des (nach)gründerzeitlichen Baubooms mit Häusern in Blockrandbebauung.

    Was bei den großflächigen Abrissen links und rechts der Kuhturmstraße für die Zufahrt des künftigen Einkaufszentrums/Kaufland und entlang der Henricistraße alles geopfert wurde, kann ich leider nicht genau sagen. Hat jemand Bilder von dem Zustand vor dem Jahr 2000?

    Auch die Erich-Köhn-Str. 62 fällt deutlich aus dem Rahmen

    Auf dem oben gezeigten Katasterplan sind die beiden zuletzt gezeigten Häuser natürlich noch nicht mit drauf. Zur Baugeschichte dieses Hauses kann der Bewohner und Nutzer, Zimmerermeister und Restaurator Stefan Wegner, sicherlich mehr sagen: http://www.holzbau-wegner.de/

    Nicht wirklich sicher bin ich mir bei der Apostelstraße Nr. 12.

    Fürs erste abschließend für Lindenau muss natürlich noch das sogenannte Apostelhaus in der Apostelstraße 20 gezeigt werden, dessen Zukunft mir allerdings nicht so ganz klar ist.

  • Zitat von "LE Mon. hist."

    Unglaublich, wie 'böhmisch' dieses Ensemble wirkt!
    Derartige Krüppelwalme sind mir in Sachsen gar nicht aufgefallen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Weil wir gerade von schönen, sanierten oder in Sanierung befindlichen und neu genutzen Häusern mit Krüppelwalmdach in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] redeten:

    Berggut Zuckelhausen
    Adresse: Zuckelhausener Ring 17, 04288 [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Holzhausen

    Beschreibung: vermutlich ältestes Bauernhaus in Holzhausen, Rest eines ehemaligen 3-Seithofes, seit 2001 durch den Verein eigenverantwortlich instandgesetzt, für Ausstellungen und als Begegnungsstätte genutzt, Urkunde der Kulturstiftung [lexicon='Leipzig'][/lexicon] für die denkmalgerechte Instandsetzung im Rahmen der Verleihung des Hieronymus-Lotter-Preises für Denkmalpflege

    Umgebung: Flächendenkmal Rundling, Täschners Garten, Kirche Zuckelhausen

    Website: http://www.berggut.de

    Bing Maps - Wegbeschreibungen, Routen, Verkehr

    Der Text stammt aus einer ausführlichen Liste der Objekte am Tag des offenen Denkmals, in der sich noch weitere interessante Häuser in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Umland finden lassen.
    http://tag-des-offenen-denkmals.de/pdfs/sn_programm.pdf


    Körnerhaus in Großzschocher
    Adresse: Huttenstraße 2a

    Beschreibung: 1734/35 errichtet, Dichter Theodor Körner wurde im Juni
    1813 eine Nacht im Haus versteckt, seit 2000 schrittweise Sanierung, Nutzung als Museum geplant, Veranstaltungsraum mit Kamin aus hist. Kacheln, Arrestzelle mit Wandmalereien ehem. Insassen

    Website: Körnerhaus.news
    Bing Maps - Wegbeschreibungen, Routen, Verkehr


    Bürgermeister-Müller-Haus in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]-Knauthain
    Ritter-Pflugk-Straße 20

    Bürgermeister-Müller-Haus Leipzig » Ein Denkmal wird gerettet. Seien Sie dabei!
    Bing Maps - Wegbeschreibungen, Routen, Verkehr

    Das Projekt wird im DAF bereits ausführlich in Wort und Bild von BauLeipzig vorgestellt: Deutsches Architektur-Forum

  • Schillerhaus Gohlis: http://www.[lexicon='leipzig'][/lexicon]-gohlis.de/schillerhaus/\r
    www.[lexicon='leipzig'][/lexicon]-gohlis.de/schillerhaus/ und http://de.wikipedia.org/wiki/Schillerhaus_%28Leipzig%29\r
    de.wikipedia.org/wiki/Schillerhaus_%28Leipzig%29

    Hier sieht man auf dem Luftbild von vor ca. zwei oder drei Jahren noch, wie die letzten Reste des Biedermeier-Hauses Windorfer Straße 42 in Kleinzschocher auf die Kippe wandern:
    http://www.bing.com/maps/?v=2&cp=sjkmwzj0tn4p&scene=10798480&lvl=2&sty=b&where1=Windorfer%20Stra%C3%9Fe%2042%2C%2004229%20Leipzig\r
    http://www.bing.com/maps/?v=2&cp=sjkmwz ... %20Leipzig

    Und so sah das Haus aus: http://141.57.17.55/projektkleinzsch/mai.htm\r
    141.57.17.55/projektkleinzsch/mai.htm

  • Ich werde mal versuchen, diesem Strang neues Leben einzuhauchen. :engel:
    Wir machen einen kleinen Spaziergang durch [lexicon='Leipzig'][/lexicon], und schauen mal, was wir an älteren Gebäuden entdecken können. Gründerzeitliches und Nachgründerzeitliches wird zum großen Teil ausgeklammert bzw. übersprungen, weshalb die Tour manchmal Inkontinuitäten aufweisen wird. Im Eröffnungbeitrag war von Gebäuden aus der Zeit vor 1860 die Rede, doch würde ich i.e.S. Bauten der 1860er Jahre noch als vorgründerzeitlich ansehen, auch wenn damit "vorhistoristisch" - also dann wohl spätklassizistisch - gemeint ist, denn in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] währte die klassizistische Tradition tlw. bis in die 1880er-Jahre hinein. Ich werde somit auch nicht davon zurückhalten, Gebäude aus jenem vorgründerzeitlichen Jahrzehnt hier vorzustellen, wobei ich doch den Schwerpunkt eindeutig auf die noch älteren Bauwerke lege. Außerdem wird es mir unmöglich fallen, sämtliche jüngere Bauten von ab 1870 zu verheimlichen, besteht [lexicon='Leipzig'][/lexicon] tatsächlich doch größtenteils aus solcher Architektur. Auch um den Kontext herzustellen, werden dann und wann dem Strangthema unangepasste Bilder gezeigt werden müssen; es sei mir dies gegönnt.
    Alle nicht gekennzeichneten Bilder wurden von mir an einem frühen und leicht verregneten Sonntagmorgen Juni 2011 gemacht; bei sonstigen Bildern wird die Quelle jeweils angegeben.

    Hauptinformationsquellen waren:
    Hocquél, Wolfgang: [lexicon='Leipzig'][/lexicon] - Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart, Passage-Verlag, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], 2010
    Kühn, Christoph u. Rothbauer, Brunhilde: Denkmaltopographie BRD - Denkmale in Sachsen Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] – Südliche Stadterweiterung, Verlag für Bauwesen GmbH, Berlin, 1998

    Der erste Teil unseres Ganges beginnt am Thomaskirchhof. Wir werden nur einen klitzekleinen Schlenker durch denselbigen und dann durch die Burgstraße machen, bevor wir dann schon die Innenstadt verlassen werden. Der Übersicht halber kommt nun ein von mir markiertes Luftbild von etwa 1930 aus dem Bildindex.

    http://www.bildindex.de/bilder/fm931881a.jpg
    Blaue Linie = Unser Weg durch Thomaskirchhof und Burgstraße
    B. = Bosehaus
    Pf. = Pflugk'sches Freihaus
    T. = Thüringer Hof
    Die übrigen Markierungen werde ich im folgenden erläutern.

    Ausgangspunkt befindet sich mitte-oben im Luftbild. Die Thomaskirche selber will ich hier nicht näher behandeln. Wir blicken stattdessen auf die darunterliegende vollständig erhaltene Häuserzeile. Hier haben sich drei straßenseitige vorgründerzeitliche Häuser bewahrt, die alle im Kern mindestens auf das 16. Jh. zurückgehen.

    Interessant ist zunächst das gelbe Haus mit Erker - das Bosehaus, Thomaskirchhof 16. Es wurde hier im Forum bereits ausführlich vorgestellt , ich fasse also nur kurz zusammen: Kern 15. bis 16. Jh., größere Umbauten 1711, 1859, Sanierung 1989, 2009-2010; barocker Innenhof erhalten sowie verschiedene teils rekonstruierte Innenräume wie der Sommersaal , Renaissancegewölbe mit toskanischen Säulen im Erdgeschoss.
    Ein sehr detaillierter und informativer Band hierzu ist
    Schneiderheinze, Armin: Das Bosehaus am Thomaskirchhof/eine Leipziger Kulturgeschichte, Edition Peters, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], 1989

    Thomaskirchhof 15, tatsächlich ein nach 1850 stark überformtes Renaissance-Haus wohl aus dem 16. Jh. Näheres ist mir zu diesem Haus leider nicht bekannt, außer daß es einen winzigen Innenhof besitzt.

    Burgstraße 2 / Thomaskirhchof 12. Kern 16. Jh., Umbau 1682, 1842-3. Kleiner schlichter frühbarocker Innenhof mit Holzelementen aus dem 17. Jh., klassizistische Fassade 1843. Seit 1839 war hier die Central-Apotheke untergebracht. Das Haus beherbergt heute das Sächsische Apothekenmuseum.

    Bei einem früheren Besuch des Apothekenmuseums konnte ich einige Bilder aus dem Haus und vom Innenhof machen. Leider hat man einen Aufzugsschacht mitten auf den Hof platziert, der ihm viel von seiner Wirkung nimmt.

    Leider verwackelt, datiert 1682.

    Dieses Binnenfenster im 1. OG. besitzt noch ein renaissance-zeitliches Porphyrgewand. Der Lichteinfall ist vom Innenhof aus.

    Die meisten Räume im Museum sind aber klassizistisch anmutend.

    Der folgende Ausschnitt aus einer Lithographie von Adolph Werl, von mir abfotografiert, zeigt die Südseite des Thomaskirchhofs um 1850 noch vor den größten gründerzeitlichen Veränderungen. Das Bosehaus, Thomaskirchhof 16, ist mit einem Pfeil markiert. Man erkennt den Übergang von der niedrigeren barocken Traufkante zur höheren Traufe des späten 19. Jh. Die obersten zwei massiven Stockwerke von Thomaskirchhof 12 sind erst bei dem Umbau 1843 dazugekommen. Auch Thomaskirchhof 14 und 15 hatten zu diesem Zeitpunkt schon ihre straßenseitigen Mansarddächer verloren.

    Zum Vergleich das heutige Ensemble. Um 1890 wurden Thomaskirchhof 13 und 14 abgerissen, die Parzellen zusammengelegt, und das erhaltene Gründerzeithaus erbaut.

    Man beachte die schmale Lücke mit dem Baugerüst - diese will uns nun interessieren. Da wir uns ob des Bauzaunes nicht von vorne nähern können, machen wir uns von hinten ran und entdecken folgende Situation. Links eingerüstet ist ein verputztes Fachwerkhaus, erbaut ca. 1590, das gerade im Rahmen eines Hotelneubauprojektes saniert wird. Dieses Haus ist auf dem Luftbild mit einem roten Punkt markiert. Dazu finden wir auch noch einen Torbogen aus der Renaissance!

    In nächster Nähe steht noch der Treppenturm der Goldenen Fahne, ein ca. 1570 von Hieronymus Lotter für seinen Sohn erbauter Bürgerhof. Dieser Turm ist mit einem grünen Punkt auf dem Luftbild versehen. Nach der Kriegszerstörung der Goldenen Fahne wurde der erhaltene Treppenturm in den bestehenden Neubau von 1960-63 integriert.

    Selbiger Turm ist auf folgendem Foto von 1956 in ruinösem Zustand zu sehen. Wie man sieht wurde die Goldene Fahne bis auf den Turm vollständig zerstört. Die Dachspitze vom erhaltenen kleinen Fachwerkhaus ist links vom Turm zu erkennen. Außerdem beachtenswert sind die zwei traufständigen Häuser zur Burgstraße rechts vom Turm - sie wurden offensichtlich in den 1950ern oder 1960ern leider abgerissen, um Platz für den heute existierenden DDR-Wohnungsbau zu schaffen. Auf dem Luftbild sind diese zwei abgerissenen Häuser mit einem roten Kreuz markiert. Hinter diesen zwei Häusern sehen wir die Rückseite von Thomaskirchhof 12 / Burgstraße 2.

    http://www.bildindex.de/bilder/mi01923b12a.jpg

    Um die Situation noch zu verdeutlichen folgt ein zweites Luftbild von ca. 1930 - wohl beim selben Überflug entstanden wie das erste - mit analoger Markierung.

    http://www.bildindex.de/bilder/fm931882a.jpg

    Einen schönen direkten Vergleich liefert uns an dieser Stelle die bekannte Vogelperspektive .

  • Schräg gegenüber von jenem Treppenturm steht in der Burgstraße an der Ecke zum Sporergäßchen der Thüringer Hof, Burgstraße 19-25. 1454 wird eine Gaststätte etwa auf dem heutigen Grundstuck Burgstraße 23 erbaut, die sich schnell als beliebtes Studentenlokal vor allem der Juristen etabliert, und die schon 1466 als "Studentenburse" bezeichnet wird. 1858 kauft der Wirt Grimpe aus Thüringen den Hof, dessen Sohn diesen ab 1877 umbauen und durch Integration der Nachbarhäuser Burgstraße 21 und 25 erweitern läßt. 1930-33 wird dann das Eckhaus zum Sporergäßchen Burgstraße 19 - das "Pflugk'sche Freihaus" - in den Komplex integriert. Der Zustand bleibt dann bis zur vollständigen Zerstörung 1943 etwa unverändert. 1948-1949 wurde das Erdgeschoss rekonstruiert samt Integration verschiedener Spolien - die gußeisernen Teile sind wohl alle originale des Grimpeschen Zustandes. 1993 fand der Abriss des wiederaufgebauten Erdgeschosses, danach die nochmalige Teilrekonstruktion bzw. der historisierende Neubau statt, wodurch sich der heutige teils historische teils postmoderne Zustand ergab. Rekonstruiert wurde insbes. die gewölbte Lutherstube im Erdgeschoss von Burgstraße 19, die noch vom ursprünglichen Pflugk'schen Freihaus stammt. Architekt war Alexander Freiherr von Branca.
    Man findet auf der Internetseite vom Thüringer Hof einige kleine Bilder von alten Postkarten, und außerdem zwei versteckte größere Dokumente von ca. 1912, die die Geschichte des Lokals kurz zusammenfassen.
    Der Giebel ist recht historisch getreu und an richtiger Stelle rekonstruiert worden, nur mit zwei zusätzlichen Stockwerken dadrunter.

    Das Sandsteinportal kommt mir ziemlich echt vor; womöglich ist es eine Spolie. Dies war der Haupteingang vom Pflugkschen Freihaus; der eigentliche Thüringer Hof befand sich weiter rechts in der damaligen Burgstraße 23.

    Tor zum Sporergäßchen links datiert 1601/erneurt 1901.

    Man erkennt das rekonstruierte Gewölbe der Lutherhalle im Erdgeschoss.

    Eine Gesamtansicht der Burgstraße will ich euch nun nicht vorenthalten. Der Zustand ist leider sehr suboptimal - vor allem die linke westliche Seite. Leider ist das die Bauflucht nicht respektierende Wohngebäude von 1959, das auf dem nächsten Bild hinter dem links angeschnittenen Bau zu erahnen ist, m.W. denkmalgeschützt als frühes Beispiel von DDR-Moderne.

    Spätestens hier geht uns die echte Altstadtsubstanz aus. Wir könnten uns zwar noch für die Fundamente der Pleißenburg oder für den Ratskeller interessieren, aber dies sind Kleinigkeiten. Ab dem Burgplatz gibt es keine vorgründerzeitliche Gebäude mehr. Deshalb machen wir uns auf, die Innenstadt zu verlassen. Unser Weg führt zunächst über den Burgplatz und durch die südliche Markgrafenstraße, bis wir an der Ecke Petersstraße/Martin-Luther-Ring angekommen sind. Da es in diesem Strang auch um die Vor- und Nachteile historistischer Überformung gehen könnte, erlaube ich mir nun einen kleinen direkten historischen Vergleich.

    Das Jahr ist 1860; wir stehen außerhalb der Stadt und blicken auf das Pöppelmannsche Peterstor von 1723. Rechts bildet sich die Schillerstraße heraus, die um diese Zeit von Osten nach Westen nordseitig neubebaut wird. Um die Petersstraße zu öffnen, wird noch im selben Jahr 1860 das Stadttor abgetragen - ein frühes Opfer des Verkehrs also. Im Hintergrund erhebt sich das Schiff der 1507 neu erbauten aber schon Jahrhunderte vorher belegten Peterskirche, die ein seltenes Beispiel für eine Kirche aus der Übergangszeit von Gotik zu Renaissance darstellt. Das Gesamtbild dürfte zum Zeitpunkt der Aufnahme schon seit 100 Jahren nahezu genauso bestanden haben wie auf dem Foto zu sehen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Leipzig_Alte_Peterskirche_1860_Süd.JPG

    Dieselbe Ecke etwa 20 Jahre später. Es fehlt zwar das Stadttor, und ein erstes Gründerzeitliches Eckhaus steht schon, aber noch zeugt vieles von der Existenz einer jahrhundertelangen Bebauung an dieser Stelle. Doch schon wenige Jahre später - 1886 um genau zu sein - wird die alte Peterskirche abgerissen und durch einen 08/15-Reichsbank-Bau ersetzt, nachdem man nach dem Bau der neuen Peterskirche keinen Nutzen für die alte mehr fand.

    Datei:Leipzig Alte Peterskirche 1880 Süd.JPG – Wikipedia

    In Folge wurden auch alle anderen älteren Zeugnisse von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hier vernichtet. Ziemlich jedes Jahrzehnt zwischen 1860 und 1930 hat sich das Gesicht dieser Ecke geändert. Erst seit dem Bau des Merkurhauses 1937 blieb der Zustand eingefroren. Inzwischen sind also wieder fast 100 Jahre seit der letzten Veränderung vergangen. Würden wir heute wie damals verfahren, alles abreißen und durch Neubauten ersetzen?

    Ich will noch bemerken, daß ich eher ein Freund als ein Feind des Historismus-Stils bin, der m.E. viel geleistet hat nicht nur in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Nur die massenweise Zerstörung von über Jahrhunderten hinweg überliefertem Kulturgut muß ich kritisieren, ob diese nun 1860, oder in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] eher ab 1905, oder 1945 oder 1975 oder 2015 stattfindet.

  • Nun wollen wir in die Petersvorstadt vorstoßen, eine der vier ursprünglich bereits im Mittelalter existierenden Vorstädte Leipzigs. Die heutige Bebauung der Petersvorstadt stammt allerdings fast außschließlich aus dem 19. und 20. Jh., was nicht nur auf gründerzeitliche Abrisse zurückzuführen ist, sondern auch auf vielfache Zerstörung in den verschiedensten Kriegen. Der folgende Ausschnitt aus der ältesten Stadtansicht Leipzigs 1547 während der Belagerung im Schmalkaldischen Krieg z.B. zeigt die völlig verwüstete Petersvorstadt, wo nur ein Gebäude unzerstört blieb.

    Im Hintergrund sehen wir Thomaskirche und stark beschädigte Pleißenburg, davor und etwas rechts die Peterskirche und das Peterstor, auf das hinzu von außen der Peterssteinweg führt. Dieser verläuft vom Tor nach Süden und erreicht bald eine größere platzartige Kreuzung direkt in Bildmitte, die er geradlinig überquert. Die links von dieser Kreuzung wegführende Straße entspricht der heutigen Dimitroffstraße. Nach Südosten hin - d.h. nach rechts unten - zweigt der Windmühlenweg ab, der Vorläufer der heutigen Windmühlenstraße. Nach Osten läuft eine Verbindungsstraße zur Grimmaischen Vorstadt, die heute keine Entsprechung mehr besitzt, denn sie würde etwa quer über den Wilhelm-Leuschner-Platz führen. Grob könnte man sie aber vielleicht der Brüderstraße zuordnen.

    Auch im dreißigjährigen Krieg wurde die Petersvorstadt in Mitleidenschaft gezogen. Im 2. Weltkrieg zerstörten Bomben vor allem den nördlichen Bereich rund um den damaligen Königsplatz fast vollständig. Die zuletzt zerstörten Areale wurden bis heute noch nicht wiederaufgebaut, und somit blicken wir - noch am Standort des ehemaligen Peterstors stehend - auf eine zunächst weitgehende städtebauliche Wüste. Der Peterssteinweg läuft geradlinig von uns weg bis auf einen im weiten Hintergrund stehenden gründerzeitlichen Kopfbau von 1874 zu. Im mittleren Hintergrund rechts von diesem Kopfbau erkennt man die Ecke des Polzeipräsidiums zur Dimitroffstraße, die nach rechts abläuft. Das eingerüstete Gebäude in Bildmitte ist das ehemalige Grassi-Museum, ein Prachtbau der Gründerzeit, der früher den Königsplatz nach Süden hin abschloss. Nach der Sanierung wird hier wieder die Stadtbibliothek einziehen. Links davon schließt recht stilvolle neoklassizistische DDR-Bebauung an. Dahinter erhebt sich der Turm der neuen Peterskirche. Soviel nur zur Kontextbildung. Wir werden nun zunächst dem Peterssteinweg nach Süden folgen bis zum frühgründerzeitlichen Kopfbau.

    Der Übersicht halber folgt hier wieder ein Luftbild von ca. 1930, worauf unser Weg eingezeichnet ist und mit einigen zusätzlichen Markierungen. Der Peterssteinweg schneidet den rechten Bildrand rechts oben - ab dort beginnen meine Bilder. Der bereits mehrfach angesprochene gründerzeitliche Kopfbau befindet sich an der Kreuzung von Peterssteinweg und Münzgasse. Wir machen einen kleinen Abstecher in die Münzgasse hinein und wieder zurück heraus, gehen dann noch eine kurze Strecke den Peterssteinweg entlang und biegen zuletzt nach Osten in die Emilienstraße hinein, d.h. nach rechts im Luftbild. Am im Luftbild nicht mehr sichtbaren Ende der Emilienstraße angekommen, geht es direkt zum Bayrischen Platz, wo unsere Tour ihr Ende finden wird.

    http://www.bildindex.de/bilder/fm931915a.jpg
    1 = Peterssteinweg 11
    2 = Münzgasse 7
    3 = Peterssteinweg 18
    4 = Emilienstraße 16


    Keine Angst, ab hier gibt es mehr Bilder und weniger Kommentare ;-).


    An der Ostseit des Peterssteinwegs hat sich mit den Häusern 5 bis 11 ein kleinteiliges Ensemble erhalten. Hier finden wir auch gleich das älteste Gebäude der Petersvorstadt - Peterssteinweg 11.

    Hier Peterssteinweg 7. Es wird leider nicht in der Denkmaltopographie aufgeführt, doch könnte man wohl von einem Baujahr 1860-1870 ausgehen, jedenfalls scheint die Fassade aus dieser Zeit zu stammen. Die beiden Nachbarn dürften gleich alt sein, wobei der rechte Nachbar eine Fassade im Stil der 1920er besitzt.

    Am interessantesten ist Peterssteinweg 11. Laut Denkmaltopographie wurde 1801 in einem bestehenden Haus eine Schmiede eingerichtet. 1836 wurde das verputzte Fachwerkhaus aufgestockt. Von 1871 stammt der bei der letzten Sanierung vereinfacht wiederhergestellte Fassadenschmuck. Durch Seitengebäude von 1836 wird ein kleiner Innenhof gebildet. Die Kernsubstanz des Fachwerkhauses dürfte also ins 18. Jh. zurückreichen, vielleicht sogar noch früher.

    Wir biegen nun in die Münzgasse ein, lediglich deren Südseite von uns nähere Betrachtung verdient.

    V.l.n.r. angeschnitten Kopfbau Peterssteinweg 10, Münzgasse 1, Münzgasse 3 und 5 mit Zwerchhäusern, dahinter die dreistöckige Münzgasse 7 tlw. bedeckt. Hinter dieser Häuserzeile befand sich seit dem 16. Jh. der eingemauerter Petersschießgraben des Schützenvereins. Die Mauer wurde Mitte des 19. Jh. abgerissen, wonach eine Bautätigkeit einsetzte. Die Häuser Münzgasse 1 bis 9 auf der Südseite stellen bis auf die Nummer 7 noch die ursprüngliche Erstbebauung dieser Fläche dar.

    Das jüngste Haus der Zeile ist Münzgasse 1 von 1868.

    Es folgen Münzgasse 3 von 1864 und Münzgasse 5 von 1862. Die Mietshäuser Münzgasse 1 und 5, sowie Peterssteinweg 10,12,14,16 wurden alle im Auftrag der Familie Bendix errichtet, die in diesem Winkel eine Seifenfabrik betrieb.

    Die Münzgasse 7 ist das älteste Haus der Straße. 1830 wurde ein zweigeschossiges Haus entfernt und ein neues zweigeschossiges siebenachsiges Haus an dessen Stelle errichtet. 1844 wurde das Erdgeschoss dieses Neubaus durch Einfügung eines Zwischengeschosses zweigeteilt. 1885 überbaute man die links anschließende Durchfahrt mit einem dreiachsigen dreigeschossigen Anbau, der sich stilistisch dem älteren Gebäudeteil anpasst und direkt an die Münzgasse 5 angrenzt. Insgesamt entstand so das heutige dreigeschossige zehnachsige Gebäude, wovon ein Großteil der Substanz noch von 1830 stammt.


    Hier die sieben Achsen von 1830. Offensichtlich wurde bei der letzten Sanierung die Fassade weiter vereinfacht, denn in der Denkmaltopographie ist eine deutlich feinere Gliederung abgebildet mit z.B. Akroterien über den Fenstern des 1. OG.

    Dies ist der Anbau von 1885.

    Als letztes die Münzgasse 9 von um 1860, die derzeit saniert wird.


    An der Nordseite der Münzgasse hatten sich noch bis 1943 mehrere kleinere ältere Häuser erhalten, von denen vielleicht einige noch frühneuzeitlich waren. Damals sah es dort so aus wie auf diesem Bild von etwa 1900, in dem der Kopfbau zur Münzgasse links angeschnitten ist. Leider wurden die acht kleinen aus den Baufluchten von Münzgasse und Straße des 17. Juni hervorragenden Häuser im Krieg zerstört. Zum Trost steht dort heute ein eher wertiger Neubau mit Spiegelglasfassade, den ich aber hier nicht zeigen werde.

  • Jetzt gehts weiter im Peterssteinweg. Das langgestreckte dreigeschossige Haus in der Mitte folgenden Fotos ist das noch unsanierte Haus Peterssteinweg 18 von 1847. Es ist das letzte Haus im Peterssteinweg, denn der gründerzeitliche Nachbar links davon gehört bereits zur Karl-Liebknecht-Straße, die an dieser Stelle aus dem Peterssteinweg hervorgeht. Rechts von Peterssteinweg 18 haben wir die Nummern 16 und 14 (angeschnitten), die beide 1863 für die Familie Bendix erbaut wurden.

    Eigentlich müsste uns die Sicht auf diese Häuserzeile von unserem Standort aus gesperrt sein, denn bis jedenfalls 1998 befand sich noch auf der Grünfläche das Eckhaus Emilienstraße 1 von 1859, welches noch in der Denkmaltopographie erscheint. Leider scheint es seitdem abgerissen worden zu sein.

    Peterssteinweg 18. Von 1847 stammen die mittleren neun Achsen über drei Stockwerke. Die zwei jeweils zweiachsigen seitlichen Anbauten wurden bereits 1850 angefügt. Diese letzteren waren ursprünglich viergeschossig, doch wurden bei der letzten Gebäudesicherung die obersten Geschosse zurückgebaut. Auf dem Luftbild erkennt man die frühere Gestalt einigermaßen. Ich würde davon ausgehen, daß die Dachlandschaft im Laufe der bevorstehenden Sanierung originalgetreu wiederhergestellt wird, wie etwa auch bei der Karl-Liebknecht-Straße 26 geschah. Im Inneren scheint viel aus der Erbauungszeit erhalten wie das Treppenhaus. Im Hinterhof befand sich die Druckerei des Leipziger Generalanzeigers. Passend also vielleicht, daß die LVZ im Nachbarhaus und gegenüber ihren Sitz hat.

    Peterssteinweg 16 und 14 von 1863, Geschäftsstelle der LVZ. Rechts angeschnitten Peterssteinweg 12 von 1868.

    Hier der Blick auf Peterssteinweg 18 aus der Emilienstraße, in die wir nun einbiegen.


    Links alles Gründerzeitliches oder später, doch wenn wir uns umdrehen...

    ...entdecken wir ein erhaltenes wenn auch etwas überformtes Ensemble von spätklassizistischen bürgerlichen Wohnhäusern, Emilienstraße 16-22.

    Emilienstraße 16 wurde 1848 als siebenachsiges zweistöckiges Wohnhaus erbaut, 1857 um zwei Fensterachsen und ein Stockwerk erweitert. Die Gauben sind Neuschöpfungen der letzten Sanierung, die nicht sonderlich gefallen.

    Die Fassade wurde auch nicht gerade liebevoll aufgearbeitet.

    Deutlich besser fiel die Sanierung der Emilienstraße 18 aus. 1853 Vorderhaus und erhaltener Seitenflügel errichtet. Die Fassade dürfte sich weitestgehend im Erbauungszustand zeigen. Wenn innen nicht zu stark modernisiert wurde, dürfte das Haus überhaupt einen hervorragenden Erhaltungszustand bieten.

    Durch die Lücke zwischen Emilienstraße 18 und 20 erspäht man die neue Peterskirche. 1865 ersetzte das bereits im Neorenaissancestil gehaltene links angeschnittene Haus Emilienstraße 20 einen Vorgänger von 1848.

    Die Nordseite der Emilienstraße besteht leider gänzlich aus banalen Nachwendegebäuden, was man bei diesem Bild vielleicht erahnen kann.

    Letztes erhaltenes Haus der Zeile ist Emilienstraße 22, erbaut 1856, Erweiterung 1864, Umbau 1905 und 1958 samt Aufstockung und Fassadenglättung. Bei der letzen Sanierung vor wenigen Jahren fand wohl eine Neuinterpretation der Fassade im klassizistichen Sinne statt. Die Aufstockung von 1958 wurde leider beibehalten. In der Denkmaltopographie ist von einer beeindruckenden erhaltenen Treppenanlage des Urpsrungsbaus die Rede.

    Das gelbe Gebäude mit negativ auffallendem Staffelgeschoss ist die Emilienstraße 30 von 1866 und letztes Haus der Straße.

    Jetzt, nachdem wir doch einiges Interessantes entdeckt haben, nähern wir uns dem Ende unseres kleinen Spazierganges zu. Von der Emilienstraße erreichen wir über die Riemannstraße den Bayrischen Platz. Wir blicken zuerst noch einmal zurück auf die neue Peterskirche.

    Umgedreht erscheint vor uns der Portikus des Bayrischen Bahnhofs, der zu den wichtigsten erhaltenen klassizistischen Bauwerken Leipzigs zählt.

    Von den fünf ursprünglichen klassizistischen Kopfbahnhöfen Leipzigs - erbaut zwischen 1839 und 1859 - blieb nur der Bayrische zu größeren Teilen erhalten. Thüringer, Magdeburger und Dresdner Bahnhöfe wurden 1907-1913 durch den Hauptbahnhof ersetzt. Der Berliner Bahnhof verlor auch seine Funktion an den Hauptbahnhof, und wurde 1912 abgerissen. Der gründerzeitliche Eilenburger Bahnhof von 1874 war ein Kriegsopfer, obwohl einige Reste von ihm noch bestehen auf der Fläche des Lene-Voigt-Parks.

    Von dem 1841-44 erbauten Bayrischen Bahnhof sind Portikus und diverse Nebengebäude erhalten. Die Längshalle dagegen wurde Kriegszerstört. Es handelt sich um eines der ältesten Bahnhöfe der Welt, m.W. um den ältesten Kopfbahnhof Deutschlands, und unter den ältesten Bahnhöfen der Welt wohl um eines der schönsten.
    Leider ist der Bayrischer Platz derzeit eine große Baustelle, und auch der Portikus ist eingerüstet, also habe ich keine Bilder davon gemacht - zumal mein Akku auch gerade leer wurde...
    Ich bediene mich deshalb einiger gemeinfreier Bilder aus der Wikipedia. Auf folgendem Foto von Hermann Walter sehen wir den Bahnhof um 1890 von vorne, wie er sich dem Bayrischen Platz präsentierte. Das rechte Nebengebäude ist samt Verbindungstrakt erhalten. Dort besteht heute eine Gosebrauerei. Das linke Pendant ging leider verloren. Inwiefern es in den nächsten Jahren rekonstruiert bzw. in moderner Form neugebaut wird, ist noch unklar.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bay…zig_um_1890.jpg

    Das nächste Bild zeigt den Zustand 2005. Nach Beendigung der City-Tunnel-Arbeiten voraussichtlich 2013 wird die umgebende Fläche neu gestaltet. Man hat bereits erste konzeptionelle Pläne hierfür entworfen und einen Wettbewerb durchgeführt, worüber man hier nachlesen kann.
    Wettbewerb zum Stadtraum Bayerischer Bahnhof: Ergebnisse liegen vor

    http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bay…_Leipzig_2k.jpg

    Hoffentlich konnte ich euch mit diesem Rundgang unterhalten. Wenn Interesse besteht, kann es in einigen mehreren Wochen weitergehen, vielleicht in die südliche Ostvorstadt, wo es noch einen kleinen barocken Rest zu entdecken gibt. drink:)

  • Vielen vielen Dank Pleißenbummler für diesen sehr interessanten Rundgang und den umfangreichen und arbeitmachenden Beitrag cclap:) . Leider werden eben solche substantiellen Beiträge hier immer seltener, umso mehr habe ich mich nun darüber gefreut. Es kann gerne weitergehen biggrin:)

    Gruß DV

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia


  • Mir gefällt die spätere Ansicht allerdings besser, auch wenn es um die Kirche schade ist. Aber dieser Reichsbank-Palazzo ist doch wirklich sehr schön.
    Ich als großer Historismus-Freund finde es etwas bedauerlich, daß auch in diesem Forum von einigen Seiten eine Geringschätzung dieser Bauten anklingt und die vorgründerzeitliche Architektur pauschal als höherwertig angesehen wird, selbst wenn ein Historismus-Bau viel eindrucksvoller ist als der im Vergleich schlichtere Vorgänger. Für mich bedeutet älter nicht automatisch wertvoller, bei mir zählt der Eindruck der Architektur.

    In dubio pro reko

  • Großartiger Beitrag. Das Problem, was du ansprichst, ist ein bisschen auch das, was etwa Gotik und Renaissance gegenüber dem Barock haben. Oder führt zu der Frage, was man als „wertvoll“ betrachten sollte. Die oft schlichten gotischen und Renaissance-Bauwerke haben genauso wie die des frühen und hohen Klassizismus einfach das Problem, dass sie vom, ich drücke es mal vorsichtig aus, gemeinen Auge oft als schlicht und somit unbedeutend angesehen werden. Das Problem haben die reich dekorierten Gebäude des Barock und der Gründerzeit nunmal nicht.

    So einfache zweigeschossige Vorstadthäuser kann man, abstrakt formuliert, einfach verschwinden lassen, obwohl sie per se einen hohen Wert schon deswegen besitzen, weil sie tausendmal weniger überliefert sind als die gründerzeitliche Blockrandbebauung. Das ist auch meine grundsätzliche Meinung zum Historismus. Wobei allerdings noch beachtet werden sollte, dass der klassische Gründerzeitler vom Ensemble in geschlossener Blockrandbebauung lebt, weswegen man auch da nicht pauschal sagen kann, dass ein Abriss weniger zu bedauern wäre.

    P.S.: Noch als Tipp - so substanzielle Beiträge würde ich nicht auf einmal posten, sondern, wie du es ja schon gemacht hast, in einzelne Stücke zerlegen, aber über einen größeren Zeitraum verteilen. Denn kaum einer hat nach Internet-Lesegewohnheiten die Muße, das alles auf einmal durchzulesen, was dann mangels Antworten eventuell als Undankbarkeit bei dir ankommen könnte.

  • Danke, Pleißenbummler, für diese ausführlichen und fundierten Beiträge; solche "Spurensuchen" sind ganz nach meinem Geschmack! Wie Hephaistos schon schrieb, rate ich Dir, die Beiträge gestaffelt, so mit drei bis vier Tagen Abstand, hier einzustellen. Denn wenn man solche Beiträge genau lesen und mitverfolgen möchte, muss man sich viel Zeit reservieren. Über [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wird in diesem Forum überhaupt viel geschrieben, und vor allem wird es sehr ausführlich bebildert, weshalb ich mich immer wieder gern virtuell in dieser Stadt aufhalte.

  • Jo! Grandios recherchiert und gut geschrieben. Werde die Ecken bei meinem nächsten Besuch von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mit etwas anderen Augen sehen. Vielen Dank!

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Vielen Dank für den Beitrag. Bis auf die wenigen Ausnahmen aus Renaissance und Barock bestätigt sich hier mein Eindruck, dass zum einen noch viel klassizistische Bebauung vorhanden ist, und dass zum anderen der Unterschied zwischen den klassizistischen und gründerzeitlichen Wohnhäusern äußerlich gering ist. Das macht mE auch den Reiz Leipzigs aus, weil die ganze Stadt dadurch ein recht homogenes Gepräge aufweist - der Historismus ist sehr zurückhaltend und wirkt in vielen fast klassizistisch. Das bildet einen großen Kontrast zB zu DD, aber auch zu vielen anderen Städten in D und Ö.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und die netten Kommentare. Da es doch Interesse am Thema zu geben scheint, werde ich mich um eine Fortsetzung bemühen, die ich dann etappenweise einstellen werde gemäß

    P.S.: Noch als Tipp - so substanzielle Beiträge würde ich nicht auf einmal posten, sondern, wie du es ja schon gemacht hast, in einzelne Stücke zerlegen, aber über einen größeren Zeitraum verteilen.

    guter Tipp :thumbup:


    Das macht mE auch den Reiz Leipzigs aus, weil die ganze Stadt dadurch ein recht homogenes Gepräge aufweist - der Historismus ist sehr zurückhaltend und wirkt in vielen fast klassizistisch.

    Ich denke der Leipziger Klassizismus wird etwas unterschätzt. M.M.n. muß sich [lexicon='Leipzig'][/lexicon] in dieser Hinsicht nicht vor München verstecken. Wenn auch [lexicon='Leipzig'][/lexicon] keine so dichte Ansammlung an klassizistischen Bauwerken wie in der Münchener Maxvorstadt aufweisen kann, ist die Qualität der Einzelbauten und deren Gesamtanzahl - verstreut übers Stadtgebiet - doch vergleichbar.

    Ich möchte nun noch ein wenig Historisches zur alten Peterskirche und zum Thomaskirchhof und Bosehaus ergänzen. Zwecks Letzterem habe ich einige Bilder aus Schneiderheinze abfotografiert.

    Mir gefällt die spätere Ansicht allerdings besser, auch wenn es um die Kirche schade ist.

    Die alte Peterskirche war unter den mittelalterlichen Kirchen Leipzigs sicher die unscheinbarste, doch entwickelte auch sie im Ensemble mit Peterstor und Kornhaus nach stadteinwärts hin eine schöne Ästhetik, die der der heutigen Situation in meinen Augen eindeutig überlegen war. Folgender Stich von 1723 - das Peterstor war gerade nagelneu - kann hierfür als Beweis dienen. Der hohe Giebel links gehörte zum abgerissenen Kornhaus. Im barocken Zeitalter fügte man den Kirchen Leipzigs kleine Privatkapellen an, die von reicheren Bürgern aufgekauft wurden. Auch die Peterskirche war von solchen Kapellen dreiseitig umgeben - es sind auf diesem Bild die 6 kleineren Anbauten, vgl. das Foto von 1880, wo die südseitigen Kapellen zu sehen sind. Für den Bau der Kappellen mussten ältere Häuser an der stadteinwärtigen Seite der Kirche weichen. Das Ensemble bestand in dieser Form bis Mitte des 19. Jh., wurde dann in einigen Jahrzehnten vollständig vernichtet - leider!

    Johann George Schreiber, ein bekannter sächsicher Kupferstecher, fertigte 1725 eine schöne Ansicht vom Thomaskirchhof, ein Ausschnitt aus welcher ich jetzt zeigen möchte.

    Man erkennt die offenen Wasserleitungen, die jedem Haus mit Wasser speisten, auch z.B. den Springbrunnen im Garten des Bosehauses. Das Eckhaus, nummeriert 6, ist das erhaltene 1843 aufgestockte Haus Thomaskirchhof 12. Links anschließend die zwei dreiachsigen Häuser, nummeriert 4 u. 5, die wie bereits erwähnt wohl erst um 1960 abgerissen wurden. Hier noch mal die Bildindex-Ansicht, worauf sie noch zu sehen sind.

    Positiv war dagegen die Sanierung des Bosehauses 1983 - 1985, nicht übrigens 1989 wie ich fälschlicherweise oben schrieb. Eine Zeichnung in Schneiderheinze zeigt das Haus im Querschnitt. Ich verlinke sie nur hier .
    Links hat man den straßenseitigen Teil des Hauses, rechts die Gartenseite. Der 1985 rekonstruierte Sommersaal ist im 2. OG und 1. Dachgeschoss der Gartenseite zu sehen. Dieser Festsaal, der unbeheizbar war und somit nur im Sommer Verwendung fand, wurde 1859 erheblich umgestaltet, so daß sein barocker Charakter nicht mehr erlebbar war. Bei der Sanierung 1985 versuchte man, diese Umgestaltung möglichst rückgängig zu machen. So wurde z.B. die 1859 eingefügte Zwischendecke entfernt und die ovale Balustrade rekonstruiert. Ein neues Deckengemälde wurde auch 1985 geschaffen. Einige Bilder hatte ich schon verlinkt, hier noch eins aus Schneiderheinze.

    Mit dem Sommersaal vergleichbar in Charakter und Funktion dürfte dieser Saal in Halle gewesen sein.

    In einige Wochen wird es dann weitergehen mit der südlichen Ostvorstadt auf der Fläche des ehemaligen Großbosischen Gartens.