• Aber was bringt das alles schon?
    Ein moderner Musiker ist Wynton Marsalis, den man sofort, wie Jeff Beck auf der Gitarre, beim ersten Ton erkennt; er hat dem Jazz frische Kraft eingeflößt, ist in der Barockmusik daheim und trägt immer schöne Anzüge.
    Ein weiteres Innovationswunder ist die Pianistin Chihiro Yamanaka aus Japan/NYC und einer der umwerfendsten Musiker war Randy California, der zusammen mit seinem Schwiegervater am Schlagzeug als `Spirit ` wundervolle Musik irgendwo zwischen Psychedelic, Rock, Blues und Jazz gemacht hat (R.I.P.).
    Von Danny Gatton wollen wir gar nicht erst reden, der größte Gitarrist aller Zeiten, aber zum Glück lebt noch David Paul (bei YouTube gibts umwerfende Musikfilmchen), der spielt sogar Chet Atkins locker an die Wand.
    So geht das bunte Leben der kulturellen Tradition weiter wie beim Staffellauf und Skurrilitäten wie John Cage erinnern eher an die bellenden Hunde neben der Karawane; wer wird in 100 Jahren noch von den sogenannten Stararchitekten unserer Tage sprechen, sie sind doch nur aufgeblasene Reklamegags in eigener Sache; die Baumeister von St. Michael in Hildesheim oder des Freiburger Münsters sind zwar nicht namentlich auf uns gekommen, aber wir werden Ihrer noch lange im Stillen gedenken.

  • Gegenüber diesen Erscheinungen lege ich wohl das an den Tag, das manche 'abendländische Überheblichkeit' nennen. Der Jazz ist bestenfalls ein nettes Phänomen der Folklore, eine Fußnote der Musikgeschichte - eine überholte anachronistische Nische.

    Zitat

    Was bringt das

    -
    was brachte Haydns Erfindung der thematischen Arbeit oder Wagners schweifende Harmonik?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "ursus carpaticus"


    a) Gegenüber diesen Erscheinungen lege ich wohl das an den Tag, das manche 'abendländische Überheblichkeit' nennen. Der Jazz ist bestenfalls ein nettes Phänomen der Folklore, eine Fußnote der Musikgeschichte - eine überholte anachronistische Nische.

    -
    b) was brachte Haydns Erfindung der thematischen Arbeit oder Wagners schweifende Harmonik?

    a) Soso

    b) Daß Menschen wie wir heute noch unsere Freude daran haben, während in den Karpaten...

    Ach lassen wir das, wir haben ihn falsch eingeschätzt, was nach einem geistreichen Gesprächspartner aussah, war nur aufgesetzt.

  • Zitat

    geistreichen Gesprächspartner


    Naja

    Ceterum kommt mir dieser Chuzpe-Stil irgendwie bekannt vor.
    Hmm.
    :idee:
    Ich wähne zu wissen, wer sich hinter diesem allzu frechen Novizen listig verbirgt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat


    kv2D
    Zum einen kann man sich als Passant schlecht dem Gebäude entziehen, zum anderen steht ein Haus zumeist in einem städtebaulichen Kontext, dem man gerecht werden sollte.

    Das ist natürlllllich (hehe, geht schon wieder, war nur kneine ninguistische, tepnitzbedingte Störung :zwinkern: ) der Hauptunterschied, nämlich dass es in der Musik kaum so etwas wie Zwangsbeglückung gibt.
    Was den von dir angesprochenen Kontext betrifft, so gibt es eine interessante Konkordanz, die mE in der Architektur viel zu wenig ausgeschöpft wurde, nämlich jene des collageartigen Zitats. Gerade in zerstörten Städten wäre dies eine große Chance gewesen, gleichzeitig auf das Gewesene, auf die historischen Wurzeln anzuspielen und dies noch dazu als höchst zeitgenössisches Stilmittel zu verwenden. Aber ich glaube, die modernen Architekten waren dafür viel zu humorlos und indoktriniert, sie konnten nicht ein kleinwenig vom dogmatisch vorgegebenen Weg nach rechts oder links schauen.
    Nicht so die Musiker, wie zB jenes geniale Stück aus Zimmermanns König Ubu zeigt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Oh ich muss zugeben, letzteres kenne ich gar nicht. Aber ich weiß was Du meinst. Ein typisches Beispiel dieser Art ware "Hymnen" von K.H.Stockhausen, ein Werk, welchem eine gewisse Humoristik nicht abzusprechen ist. (wie viele andere Werke Dieses Komponisten) Was mir in diesem Zusammenhang eher noch einfällt ist ein Komponist, den man eigentlich als Begründer des spielerischen Umgangs mit Zitaten sehen kann: Igor Stravinsky der alte Neoklassizist. Zugegebenermaßen liegt dieser eigentlich außerhalb des Dunstkreises der Epoche, welche Du zu Anfang angesprochen hattest. Dieses Factum gab es jedoch in mehreren jüngeren Epochen der Architektur (Stichwort "kritische Rekonstruktion), welche m.E. den Höhepunkt in den 80ern, der Postmoderne, erlebte.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    vorsicht mit solchen verallgemeinerungen: es gab etliche moderne architekten (rudolf schwarz, emil steffann, hans döllgast, otto bartning, um nur mal vier zu nennen, die mir auf anhieb einfallen), die genau dafür plädiert haben und vor einem zu raschen, allein ökonomischem druck gehorchenden wiederaufbau gewarnt haben, doch daran hatten die meisten bauherren wenig interesse. immerhin ist einiges gelungen, gerade im kirchenbau (wo eben kein ökonomischer druck existierte). das darmstädter gespräch 1951 kreiste genau um solche fragen, s. dazu auch den band aus der reihe bauwelt fundamente von ulrich conrads und peter neitzke.

  • Plädiert hat man sicher viel, auch für den originalgetreuen Wiederaufbau von ganzen Altsätdten, aber umgesetzt wenig bis nichts, zumindest in der ersten Wiederaufbauzeit. Und auch dann, wie erwähnt, eher 'rekonstruktiv', mw jedoch kaum spielerisch-surrealistisch.
    @kv2d
    Den Gehirnquetschmarsch aus 'roi ubu' kann ich nur empfehlen: eine scharfe Akkordrepetition aus einem Stockhausenklavierstück, Walkürenritt und so n Triumphmarsch aus der symphonie fantastique
    Und: frühes Entstehungsdatum hin oder her - unübertroffene Spitze an Collagetechnik ist das symphonische Werk Ives' - für mich überhaupt einer der bedeutendsten Komponisten überhaupt (an dieser Einschätzung kann nicht mal mein chronischer Antiamerikanismus rütteln 8))

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich habe lange hin- und herüberlegt ob ich hierzu etwas schreiben soll oder nicht. Eines vorweg: ich bin eher ein Freund neuerer Musik als jener Musikrichtungen, die landläufig meist als „klassische Musik“ bezeichnet werden.

    Ich denke einfach bei der Musik ist es wie in so vielen anderen Bereichen: gutes hält sich über einen langen Zeitraum, schlechtes gerät hingegen wieder in Vergessenheit. So hat Beethovens Musik die Zeiten überdauert, weil Beethoven ein überaus fähiger Künstler war, einer der besten Musiker seiner Epoche. Aber auch zu seiner Zeit dürfte es genug schlechte Musiker gegeben haben, über deren Werke heute niemand mehr spricht. Und so werden auch bei der neuzeitlichen Musik die Stücke talentierter Musiker wie der Beatles noch lange bleiben, während der Deutsche Schlager mit seinen „germanischen Schwachsinnigen“ (Zitat eines früheren ORF-Intendanten) langsam in Vergessenheit geraten wird – und dies völlig zu Recht!

    Wenn es da eine Parallele in der Architektur gibt, dann zwischen architektonisch anspruchsvollen Bauten, die entweder besonders gut gelungen sind oder für die Bautechnologie als solche Maßstäbe gesetzt haben, und billiger Investorenarchitektur andererseits, wo es vor allem auf den Profit ankommt – das Gebäude muß möglichst schnell bezugsfertig sein, damit der Rubel rollt.

    Bei den erstgenannten sieht es so aus, daß sie – wie im Falle der Dresdner Frauenkirche – selbst Jahrzehnte nach einer Zerstörung wieder neu errichtet werden, während Investorenbauten oft schon nach zwanzig Jahren ein Fall für den Bulldozer sind.

    Und es gibt durchaus Musik, die man als „Investorenmusik“ bezeichnen könnte: die sog. „Boygroups“ der 90er Jahre waren ein typischer Fall dafür. Es handelt sich nicht um talentierter Nachwuchsmusiker, die selbst entschieden haben miteinander Musik zu machen und aufgrund ihres Talents Erfolg haben, sondern um von Produzenten nach einem festen „Drehbuch“ ins Leben gerufene Bands. Die Musiker werden oft über Annoncen angeworben, der Erfolg stellt sich dann aufgrund des Marketings ein… Die Gruppen bestehen, so lange sie Profit abwerfen, danach läßt man sie in der Versenkung verschwinden, indem man eine Trennung der Mitglieder inszeniert. Ein Beispiel hierfür war /ist die britische Gruppe "Takte That".

    Ebenso reine Kommerzmusik ist die Pseudo-Volksmusik von Gruppen wie den Kastelruther Spatzen. In diesem Fall sind Menschen mit der Sehnsucht nach einer heilen Welt die Zielgruppe – offensichtlich gibt es genug davon, wie der Erfolg der Gruppe beweist. Dieser Musikrichtung könnte man in der Architektur gut den Landhausstil aus dem Baumarkt gegenüberstellen. Ebenso wenig wie der Landhausstil etwas mit traditioneller Architektur zu tun hat, hat diese "volkstümliche Schlagermusik" etwas mit echter Volksmusik zu tun.

    Der gesamten neuzeitlichen Musik aber rein kommerziellen Charakter und geringen künstlerischen Wert zu unterstellen, wäre fatal. Schon zu Zeiten Mozarts haben Musiker nicht nur der Kunst wegen Musik gemacht, sondern mußten auch von etwas leben.

    Eines noch – da im Anfangsbeitrag der Name Le Corbusiers fiel, dem Großmeister der Gewaltarchitektur: da wurde vor nicht allzu langer Zeit ein Lied (im Radio nur noch „Song“) der US-amerikanischen Sängerin Pink mit einem gewalttätigen Musikvideo beworben, das in einem Gebäude gedreht wurde, das aus der Feder Corbusiers hätte stammen können. In dem Film zieht die Sängerin (oder sollte ich aufgrund der „Piercings“ eher sagen: die wandelnde Blechdose?) wirklich alle Register der Gewalt, um ihren Freund davon abzuhalten, sie zu verlassen….

    Dazu fällt mir eigentlich nur ein „Pfui“ ein, aber nicht wegen der Architektur des Gebäudes, sondern wegen dem Inhalt des Videos…

  • Vielleicht völlig hanebüchener Ansatz, vielleicht zu unbedeutend, aber ich habe hier ein paar Artikel zu Neoklassik zusammen:

    Kontroverser Klassiktrend: Über das Phänomen der Neoklassik | BR-Klassik
    Banal oder zeitgemäß – bei der Musik von Ludovico Einaudi oder Nils Frahm gehen die Meinungen auseinander. Doch was hat es mit dem Trend der Neoklassik und…
    www.br-klassik.de
    Die sogenannte Neoklassik: Kitsch von atmosphärischen Dienstleistern
    Max Richter, Ludovico Einaudi und Co nehmen fälschlich jene Plätze ein, die einst Puccini und Mahler besetzten
    www.derstandard.de
    Neoklassik: Hämmer ohne Grenzen
    Punk ist zurück, sitzt aber am Klavier: Die Neoklassik von Nils Frahm, Francesco Tristano oder den Grandbrothers beantwortet eine Sehnsucht nach Reduktion und…
    www.zeit.de

    Ich finde daran interessant, dass Fachkritiker auch mit dem Verweis auf Kitsch versuchen, solche Strömungen scharf von der ,,reinen Kunst" zu trennen. Eventuell kann es ja sein, dass eine gewisse Motivation für eine Retraditionalisierung in der Architektur in selbiger Struktur liegt: Die Fachkritik und deren ,,fachmännische" Produkte sind derart exklusiv, dass sie bei den Menschen das Bedürfnis hervorholt nach einer gewissen Banalität in Form einer entsprechenden Gegenbewegung.

    Bitte hier jetzt jedoch nicht die kommerzielle architektonische Banalität z.B. von modernem Wohnungsbau einmischen. Sondern ich meine in der Architektur eine Banalität, die im Ergebnis weniger abstrahiert, weniger konzeptionell/verkopft ist. Und auch nochmal hier aufgepasst, nicht der Nebelkerze moderner Architektur von der vermeintlichen Einfachheit und Ehrlichkeit im Material auf den Leim gehen. Bloß weil man den Stahlträger nicht verkleidet, ist es immer noch eine komplexe Gestaltung: Man nutzt ein sehr kühles Element (Farbtemperatur, Glanz), das durch die technische Form bedingt kahl, kantig und abweisend vorliegt. Da braucht es entsprechende Konzepte, warum man sowas im Wohnzimmer haben möchte.

    Stahltraeger.JPG

  • Schau, mit der Neoklassik ist es so eine Sache: ich hab nichts gegen Rachmaninoff, wahrlich nicht, und hätte gern mehr Werke in seinem Stil. Aber wenn jemand so komponieren will, sollte er es auch KÖNNEN. Und daran gebricht es. Die ganz "Neoklassik" ist idR nichts als ein Mischung aus Kitsch und Stümperei. Es gibt ganz wenig Neue Musik im konservativen Stil, die mir gelungen erscheint.

    Bing-Video

    Aber ganz sicher bin ich mir da auch nicht. Vielleicht geht es einem bald auf die Nerven, es ist sehr lang(atmig), gefällt mir bisher aber schon recht gut, es hat was. Spätere Werke Vasks taugen hingegen sicher nichts.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dem Artikel vom Standard ist ausnahmsweise mal zuzustimmen, vor allem der Überschrift: "Kitsch von atmosphärischen Dienstleistern". Die Primitivität und Oberflächlichkeit von Einaudi und Co. ist größtenteils nicht auszuhalten und ihre Klavierstücke sind ein gigantischer Rückschritt im Vergleich zu den Höhepunkten des 19. Jhs - jedes Nocturne von Chopin besitzt mehr Ideen, mehr Raffinesse, mehr Tiefgang und mehr Seele. Diese Musik scheint aber einen Nerv der Zeit getroffen zu haben, sie ist unglaublich populär. Honi soit qui mal y pense...

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die Kritik des Feuilletons richtet sich aber nicht primär gegen die fehlende Qualität der Werke (der man sich durchaus anschließen kann), sondern vor allem gegen den Umstand, dass Komponisten es wagen, den Weg der atonalen "Moderne" zu verlassen. Also im Prinzip die gleiche grundsätzliche Abwehrhaltung der Modernisten wie in der Architektur. So muss man das betrachten.

    In dubio pro reko

  • Ja, reklov2708 sagt es nochmal prägnant, was ich versucht habe auszudrücken: Es gibt da ja doch so einige Parallelen. Wie, dass der Massengeschmack keine Bedeutung findet in der Fachwelt, ja offen abgelehnt wird. Oder, dass man meint Berufskollegen deutlichst herabzuwürdigen, die der breiteren Bevölkerung niederschwelligen Einstieg gewährt. Ich habe z.B. auch sehr mit mir gerungen, ob ich so einen Beitrag überhaupt posten kann, weil ich mich nicht mit Musik, insbesondere jener exklusiveren auskenne (und ich werd mir hier auch die Finger verbrennen). Aber: Dieses Elitäre, das Menschen bei etwas ausschließt, wo sie doch zumindest grundlegend gute Antennen bei sich tragen und was so bereichernd im eigenen Leben sein kann, wenn man Zugang gewinnt, ist eine Parallele zum Thema Stadtbild. Und zuletzt erinnert mich auch der Umgang mit den Werken an die Architekturwelt. Gesucht ist zwar stets scheinbare Innovation, aber die Grenzen werden eng gesetzt, was richtig und was falsch ist, wobei dadurch die Ergebnisse immer noch exklusiver fortentwickelt werden, bis sie wirklich nur noch einigen Fachpersonen offen stehen.

  • Tut mir leid, aber ich finde diesen Satz:

    Dieses Elitäre, das Menschen bei etwas ausschließt, wo sie doch zumindest grundlegend gute Antennen bei sich tragen und was so bereichernd im eigenen Leben sein kann, wenn man Zugang gewinnt,

    schon deutlich übertrieben... man muss erstens nicht alles respektieren oder gut finden, bloß weil es der Allgemeinheit gefällt und zweitens wird niemand von irgendetwas ausgeschlossen. Niemand wird davon abgehalten, sich ein bisschen zu bilden und den eklatanten qualitativen Unterschied zwischen z.B. Einaudi und Chopin selbst zu hören. Warum sollte man darauf nicht hinweisen dürfen? Nicht alles, was einem auf Anhieb gefällt, muss gut sein und es gehört manchmal ein bisschen Anstrengung dazu, sich in etwas einzuhören. Ich empfinde die limitierte und oberflächliche Ausdrucksart dieser sogenannten Neoklassik auf jeden Fall als gewaltigen Rückschritt im Vergleich zu den klassischen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte und könnte dies auch einigermaßen objektiv anhand musikalischer Kriterien belegen. Von daher müssen solche Musiker, wenn sie ihre Musik schon als "Neoklassik" bezeichnen, auch damit leben können, wenn man ihre Musik mit den alten Meistern vergleicht und substanziell kritisiert. Ich muss mich in meinem Berufsleben auf jeden Fall viel genug mit Einaudi und Co. herumschlagen und kann's größtenteils nicht "derpacken", tut mir leid.

    Aber es soll sich natürlich jeder gerne anhören, was er möchte und wenn jemand über Einaudi zu Schubert oder Chopin findet, dann freu ich mich auch.

    Bzgl. Vergleichbarkeit von Neoklassik und neuer traditioneller Architektur: wenn neue traditionelle Architektur ähnlich oberflächlich und primitiv wie weite Teile der Neoklassik ausfallen sollte, dann bin ich nicht sicher, ob ich sie wirklich lieber hätte als moderne...

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die Kritik des Feuilletons richtet sich aber nicht gegen die fehlende Qualität der Werke (der man sich durchaus anschließen kann), sondern vor allem gegen den Umstand, dass Komponisten es wagen, den Weg der atonalen "Moderne" zu verlassen. Also im Prinzip die gleiche grundsätzliche Abwehrhaltung der Modernisten wie in der Architektur. So muss man das betrachten.

    Ich hab nur den Artikel im Standard gelesen und dort kam's mir nicht so vor, als wie wenn gegen tonale Musik per se gewettert worden wäre, sondern es wurde die mangelnde musikalische Qualität der Neoklassik und die Degradierung von Musik zu "Kaminfeuersounds" (herrlicher Ausdruck!) kritisiert.

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  • wenn neue traditionelle Architektur ähnlich oberflächlich und primitiv wie weite Teile der Neoklassik ausfallen sollte, dann bin ich nicht sicher, ob ich sie wirklich lieber hätte als moderne...

    Naja, jetzt sind wir mal ganz ehrlich: Das meiste was wir bei neuer traditioneller Architektur sehen ist bisher zumindest auch noch nicht wirklich ganz ausgegoren oder darf sich zumindest noch nicht emanzipiert von den Vorbildern bezeichnen. Ich erinnere z.B. mal an den Fall, bei welchem im Forum über ein schwedisches Gebäude lebhaft diskutiert wurde:

    alberts-hus-hela-e1675287079905.jpg

    Und doch muss man auch in diesem Fall konstatieren, es funktioniert ja trotzdem. Auch wenn Fachleute das Gebäude, das Musikstück, zerpflücken können, im Falle des Gebäudes war es ein Kandidat für den Wettbewerb Schönster Neubau. Und ich denke mal nicht, dass Du hier lieber einen modernen Bau sehen würdest :)

  • Dieser Neubau ist meines Erachtens auch nicht so schlimm wie die Musik von Einaudi ;) aber vermutlich zeigt das nur, dass ich mich in Architektur nicht auskenne 8o

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    Karl Kraus

  • Übrigens, ich würde von Neoklassik auch nicht unbedingt erwarten, dass sie sich von den Vorbildern emanzipiert, sondern dass sie zumindest annähernd an die Qualität der alten Vorbilder herankommt. Etwas wirklich Neues erwarte ich mir in diesem Zusammenhang gar nicht, sondern nur etwas gut gemachtes, was den Vergleich mit den alten Vorbildern aushält, ohne gleich "genial" sein zu müssen. Das müsste mit genügend Sensibilität und Erfahrung doch zu schaffen sein, oder nicht?

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ich empfinde die limitierte und oberflächliche Ausdrucksart dieser sogenannten Neoklassik auf jeden Fall als gewaltigen Rückschritt im Vergleich zu den klassischen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte und könnte dies auch einigermaßen objektiv anhand musikalischer Kriterien belegen.

    Wahrscheinlich kommt auch in der Architekturfachwelt daher eine gewisse Grundablehnung. Ich bin sicher, dass diese Musiker nicht anstreben über den großen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte zu stehen. Bloß weil man etwas versucht zu erneuern, oder für anderes Publikum zu erschließen, gerät man doch gar nicht in eine Konkurrenzsituation. Im Gegenteil, man stellt sich eben auf die Schultern der Giganten und versucht als kleiner Fatzke seine Kunst zu finden. Bedenke auch, die ganzen Architekturtheoretiker können auch wunderbar objektiv belegen, warum die moderne Art des Bauens der einzige Weg des Fortschritts ist.

    man muss erstens nicht alles respektieren oder gut finden, bloß weil es der Allgemeinheit gefällt und zweitens wird niemand von irgendetwas ausgeschlossen. Niemand wird davon abgehalten, sich ein bisschen zu bilden und den eklatanten qualitativen Unterschied zwischen z.B. Einaudi und Chopin selbst zu hören.

    Die Allgemeinheit kann auch Geschmacksentscheidungen treffen, die mindestens obskur bis abwegig sind, volle Zustimmung also, dass man nicht jede Sau reiten muss. Und doch verliert man meines limitierten Eindrucks nach gerade die jungen Menschen, was so nicht sein sollte. Ich komme aus einem bildungsbürgerlichen Umfeld, da sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass die meisten ab und an Klassik hören oder zumindest Zugang finden. Und doch sind es nur einige wenige Hobbymusiker, die zumindest darüber das ein oder andere noch kennen bzw. die Rudimente der gymnasialen Musikbildung behalten haben. Nicht umsonst justieren Philharmoniker und ähnliche nach, präsentieren Filmmusik oder anderes Material aus der Popularkultur. So erreichen sie plötzlich doch wieder die jungen Menschen. Vor diesem Hintergrund muss ich doch von gewissen Hürden ausgehen, welche große Teile der Bevölkerung abhält sich mit klassischer Musik zu beschäftigen, ,,sich bisschen zu bilden".

    Und im Prinzip erleben Wir das in der Architektur doch auch, wobei es da schlimmer ist, weil es - wie jemand hier im Strang ganz am Anfang schrieb - viel unausweichlicher in unser aller Leben drängt und kaum vermieden werden kann. Auch die Architektur ist eine latent elitäre Beschäftigung. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele hier im Forum Studierte sind, bzw. eine höhere Schule besucht haben.