Altstadthaus in der Töngesgasse 37

  • Zitat von "Wikos"

    Kann jemand etwas zum Gebäude "Töngessgasse 37" in der Frankfurter Innenstadt sagen. Ist dieses Gebäude im Krieg stehen geblieben?
    http://www.altec-properties.de/altec_t37.html\r
    http://www.altec-properties.de/altec_t37.html

    Dies Gebäude ist mir auch schon aufgefallen. Fakt ist, die Brandmauern sind auf jeden Fall alt. Eine Schande wir die teils sehr schönen Steinmetzabeiten mit der widerwärtigen, blauen Farbe beschmiert sind.

    Fakt ist auch, das in der Töngegasse drei Häuser die Märzangriffe 1944 überstanden haben. (Nebenan steht noch ein erst vor kurzem weiter enstelltes klassizistisches Gebäude).

    Ob jedoch unter der Verkleidung noch Fachwerk ist, kann ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Denkmalschutz besteht übrigens nicht.

  • Zitat

    Fakt ist auch, das in der Töngesgasse drei Häuser die Märzangriffe 1944 überstanden haben

    Naja, die Märzangriffe haben hunderte Gebäude überstanden - die dann aber die Ära Kolb nicht überstanden haben. Auch in der Töngesgasse wäre nach 1944 mit Sicherheit noch mehr zu retten gewesen.

    Form und Anordnung der Fenster sehen in der Tat nach einem Fachwerkhaus oder zumindest einem spätestens im 19. Jahrhundert errichteten Gebäude aus - es könnte sich um einen totsanierten Vorkriegsbau handeln.

    Vielleicht wissen unsere Experten (RMA, Kardinal, jörg, Der Frankfurter...), was unter der jetzigen Fassade steckt. Mich würde das auch interessieren. Ich war bisher immer davon ausgegangen, daß die Töngesgasse (mit Ausnahme des Stoltze-Museums) nur noch aus Nachkriegskrempel besteht.

  • Das ist falsch, innerhalb der Staufermauer blieben an Bausubstanz vor 1871 lediglich die drei erwähnten Häuser der Töngesgasse, der Rest des Nürnberger Hofes, das Haus Wertheim, ein klassizistisches Haus gegenüber des Hauses Wertheim (später abgebrochen für das historische Museum). Und zwei, oder drei klassizistische Häuser am Mainkai erhalten.

    Die Brandmauern des besprochenen Gebäudes stammen übrigens definitiv nicht aus der Gründerzeit, sondern sind auf jeden Fall älter.

  • Zitat von "Götzenhainer"

    Das ist falsch,

    Nein, das ist richtig. Für wie blöd hältst Du mich eigentlich? Von "innerhalb der Staufermauer" habe ich nichts gesagt - ich sprach von der gesamten Stadt Frankfurt. Die Tatsache, daß ein Haus in Frankfurt die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden hatte, läßt leider nicht darauf schließen, daß das Haus heute noch steht, da in Ffm nach dem Krieg bekanntlich sehr viele unbeschädigte bzw. wiederaufbaufähige Gebäude abgerissen worden sind. Darum ging es.

  • Das ist trotzdem falsch, selbst wenn wir die gesamte Innenstadt bis zum Anlagenring in Betracht ziehen.

    So sind mir an weiteren erhaltenen Altbauten lediglich ein Barockhaus in der Großen Gallusstraße (glaube 1953 abgebrochen) und das im Forum bereits besprochene Haus in der Biebergasse bekannt. Ansonsten sind an der Hoch- und Bleichstraße noch ca. zwei Dutzend klassizistische Häuser gefallen.

    Wo stehen denn die anderen "hunderte Gebäude"? Selbst wenn wir noch ein paar regenerationsfähige Brandruinen von Gründerzeitlern auf der Zeil in Betracht ziehen möchten, weiss ich nicht wo in der Innenstadt sonstiger Altbaubestand in größerem Umfang abgebrochen worden wäre?

  • Wie gesagt: Frankfurt allgemein war gemeint. Altstadt, Braubachstraße, Zeil, Bahnhofsviertel, heutiges Bankenviertel, Westend, Bockenheim - es ist doch nun wirklich hinreichend bekannt, daß in den 50er bis 70er Jahren jede Menge Altbauten geopfert worden sind - unversehrte und beschädigte, und zwar aus so ziemlich allen Epochen (wie auch in anderen deutschen Großstädten in Ost und West). Googel' doch mal ein bißchen oder geh in die nächste Bibliothek - Du wirst mehr als genug Altbauten sehen, die den Krieg mehr oder weniger überstanden haben, die Du heute aber vergeblich suchst!

    Darüber will ich jetzt aber auch gar nicht diskutieren - kommen wir lieber zum Thema zurück: Wer kann etwas zu dem Haus Töngesgasse 37 sagen?

  • Zum Haus Töngesgasse 37 kann ich mal einen Artikel schreiben. Dieses Haus ist mir bereits bei meinem ersten Frankfurtbesuch vor drei Jahren aufgefallen, und schon da hatte ich mit ihm "Freundschaft" geschlossen :) . Aber ich wollte nicht, dass schon allgemein bekannt wird, dass dieses Haus eine Rarität darstellt. Es handelt sich um ein Fachwerkhaus, welches nach dem dortigen Quartierbrand (1711, 1717 - weiss das genaue Datum jetzt nicht auswendig) neu erstellt worden sein muss. Als "gewordener Solitär" hat es die Bombardements überstanden... !
    (auf den alten Plänen bis 1944 trägt es noch die Hausnummer 59)

  • Um nur eines klarzustellen: Nimmt man das gesamte Stadtgebiet Frankfurts als Bemessungsgrundlage, so haben nicht hunderte, sondern tausende Gebäude das Bombardement überstanden, insgesamt wohl mehr als die Hälfte der Stadt. Der Zerstörungsgrad innerhalb der alten Stadtmauern ist wie üblich nicht ansatzweise mit dem der Gesamtstadt vergleichbar. Auch heute noch stehen tausende Gründerzeitler in Frankfurt herum, vielfach durch Modernisierung entstellt, aber im Kern erhalten - abseits der Altstadt kann es doch durchaus in Frankfurt etwa so aussehen. Der Gründerzeitbestand gehört womöglich sogar zu den bedeutenderen in Deutschland. Mit einer rekonstruktiv ergänzenden Sanierungspolitik im Gründerzeitbestand ähnlich der in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] könnte man jedenfalls noch einiges aus manchen Bereichen der Stadt herausholen.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Riegel"

    Es handelt sich um ein Fachwerkhaus, welches nach dem dortigen Quartierbrand (1711, 1717 - weiss das genaue Datum jetzt nicht auswendig) neu erstellt worden sein muss. Als "gewordener Solitär" hat es die Bombardements überstanden... !

    Bingo. Wikos hatte also den richtigen Blick! Und ich habe das Haus zwischen all den 50er-Jahre-Klötzchen übersehen. :schockiert:

    Zitat


    Zum Haus Töngesgasse 37 kann ich mal einen Artikel schreiben.

    Ja, bitte!

  • Riegel hat eigentlich schon das Wesentliche gesagt. Das Haus Töngesgasse 37 ist insofern eine Besonderheit, als es offenbar weder dem Denkmalschutz noch der Stadt selbst als Altbau bekannt ist, zumindest, wenn man nach einigen nach dem Krieg erstellen Karten und Katastern geht. Auf IFAUST gibt es eindeutige Bilder von Wolff und Kochmann nach der Zerstörung der Altstadt (der staufische Stadterweiterungsteil zwischen Holzgraben, Liebfrauenberg und Fahrgasse wurde bereits 1943 ziemlich heftig zerstört), auf denen dieses Haus noch genauso aussieht wie auf Bildern von Vömel in den 1930er Jahren. Die Tatsache, dass es *zu beiden Seiten* Brandmauern besitzt – ganz entsprechend der 1720 vom Rat nach dem Großen Christenbrand erlassenen Vorschrift (woran sich freilich kaum jemand gehalten hat) – scheint dieses Haus im Zweiten Weltkrieg vor dem links und rechts tobenden Feuersturm gerettet zu haben. Allerdings erscheint es bei der Dichte an Brandbomben, die 1944 hier runter kam, wie ein Sechser im Lotto, dass es nicht trotzdem im Dachbereich Feuer gefangen hat.

    Ein Vergleich mit dem Jetzt-Zustand zeigt äußerlich nur, dass an einigen Fenstern gegenüber dem direkten Nachkriegszustand etwas verändert worden ist, wenn ich mich recht entsinne, sind ein oder zwei vermauert worden. Die Brandmauern links und rechts sind definitiv wenigstens aus dem 18. Jahrhundert, da sie "Kragsteine" enthalten, die stilkritisch durchaus in die Zeit um 1700 passen. Das Haus ist wie der Großteil des vom Großen Christenbrand betroffenen Gebietes 1719 oder 1720 gebaut worden. U.U. ist allerdings das Erdgeschoss älter, der Gewölbekeller, falls noch vorhanden, dürfte wesentlich älter sein und könnte rein unter siedlungsgeschichtlichen Gesichtspunkten locker bis in das 13. Jahrhundert zurückgehen.

    Inwieweit das Innere durch Umbauten verstümmelt ist, ist schwer zu beurteilen. Im Laden im Erdgeschoss, in dem ich mal vor ein paar Monaten drin war und Interesse an der Ware geheuchelt habe, kann man praktisch nix erkennen.

    Zur vorigen Diskussion: Schloßgespenst hat natürlich Recht. Die totale Zerstörung der Altstadt ist ein Mythos, der einzig auf den – wenn auch kunsthistorisch bedeutendsten – Teil zwischen Dom und Römer bis hin zur Fahrgasse zutrifft, den hier haben die Sprengbomben selbst die steinernen Patrizierhäuser zertrümmert. Mehr oder minder schwer beschädigt und problemlos zu reparieren waren aber ohne Zweifel hunderte Häuser innerhalb des Anlagenrings, von denen sicher 95 % alleine bis 1950 sang- und klanglos verschwunden sind. Die meisten Steinhäuser, etwa solche unbekannten wie der Alte Frosch in der Falkengasse, oder das bekanntere Haus Lichtenstein am [lexicon='Römerberg'][/lexicon] etwa hätten mit Sicherungsmaßnahmen, wie sie dem Goethehaus zugetan wurden, problemlos gerettet werden können. Man schaue sich bloß mal die Ruinen des Steinernen Hauses an – das hat man fast 20 Jahre der Witterung ausgesetzt als Ruine stehen lassen und dann aufgrund der dadurch eingetretenen Materialschäden fast vom Grunde auf neu erbaut. Auch der Arnsburger Hof war eine unzweifelhaft wiederaufbaufähige Ruine, reden wir lieber erst gar nicht von den völlig intaken Torausfahrts-Annexbauten des Nürnberger Hofs in der Schnurgasse, die für die Berliner Straße abgeräumt wurden, von der Weißfrauenkirche, die eine der am wenigsten beschädigten und zugleich ältesten Innenstadtkirchen war, aber ebenfalls für die Berliner Straße abgerissen wurde. Und was an beschädigten Gründerzeitlern jenseits des staufischen Bereichs im besagten Zeitraum gefallen ist – der Historismus war nach 1945 ja geradezu "entartete Kunst" – auch darüber breiten wir lieber den Mantel des Schweigens. Und auch außerhalb der eigentlichen Altstadt gab es z.B. im Ostend mit dem romanischen Herrenhaus des Großen Riederhofs (um 1150, vermutlich zeitgleich mit dem Palas des Saalhofs von Friedrich Barbarossa errichtet) richtig alte "Alt-Frankfurter"-Architektur – die man im konkreten Fall dann etwa aufgrund vermeintlicher Kriegsschäden (das Dach war abgebrannt) lieber durch ein schönes Lagerhaus ersetzt hat. Die Verantwortlichen können bis heute dankbar sein, dass es dazu so wenige Fotos bzw. breit bekannte Veröffentlichungen gibt.

    P.S.: Riegel, über einen Artikel von dir zu Töngesgasse 37 würde ich mich auch sehr freuen. Aber das brauche ich ja kaum nochmal zu sagen. ;) Ich biete auch gerne an, Fotos zu machen, solltest du welche benötigen.

  • Danke für die Info, RMA.

    Zitat

    Das Haus Töngesgasse 37 ist insofern eine Besonderheit, als es offenbar weder dem Denkmalschutz noch der Stadt selbst als Altbau bekannt ist, zumindest, wenn man nach einigen nach dem Krieg erstellen Karten und Katastern geht.

    Das wäre ja unfaßbar, wenn dieses Haus der Stadt und dem Denkmalschutz nicht bekannt ist. Das würde nämlich bedeuten, daß es reiner Zufall ist, daß das Haus überhaupt noch steht - es könnte mangels Denkmalschutz jederzeit abgerissen werden.

    Da werden 50er-Jahre-Klötze, die den Maßstab der Altstadt sprengen wie der ehemalige Bundesrechnungshof unter Denkmalschutz gestellt - aber ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert nicht? Daß das inmitten der rauchenden Trümmer stehengeblieben ist, das hat niemand mitbekommen? Muß man das verstehen?

    Sollte man nicht mal die Kommunalpolitik und/oder die zuständigen Behörden oder die Presse darauf hinweisen? Insofern verstehe ich auch Riegels nachstehende Äußerung nicht ganz:

    Zitat

    Aber ich wollte nicht, dass schon allgemein bekannt wird, dass dieses Haus eine Rarität darstellt.

    Zitat von "RMA"

    Die Tatsache, dass es *zu beiden Seiten* Brandmauern besitzt – ganz entsprechend der 1720 vom Rat nach dem Großen Christenbrand erlassenen Vorschrift (woran sich freilich kaum jemand gehalten hat) – scheint dieses Haus im Zweiten Weltkrieg vor dem links und rechts tobenden Feuersturm gerettet zu haben.

    Interessant. Da sieht man, wie wichtig Brandschutzbestimmungen schon immer waren. Man stelle sich vor, die Einhaltung dieser Vorschriften wäre damals so streng überwacht worden wie heute... :augenrollen:

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Sollte man nicht mal die Kommunalpolitik und/oder die zuständigen Behörden oder die Presse darauf hinweisen? Insofern verstehe ich auch Riegels nachstehende Äußerung nicht ganz:


    Man kann dies ja zuerst mit der Denkmalpflege besprechen, und muss nicht direkt in die Presse. In der Verwaltung ist die Presse eh unbeliebt, da diese in solchen Fällen generell schlecht recherchiert, und so würden sich gleich zu Beginn die Fronten erhärten. Vor allem als Hauseigentümer fühlte ich mich auch kompromitiert, wenn ich über mein Haus aus der Presse erfahren würde, ohne vorher kontaktiert worden zu sein. Und vor allem möchte ich auch nicht, dass der Immobilienwert bei Bekanntwerden dieser Rarität deswegen in die Höhe schnellen würde...

    In Nürnberg hat dies schon zweimal so geklappt; was der Auslöser war, weiss ich nicht... :)

    Lorenzerstr. 23, mittlerweile unter Schutz gestellt: http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=16463#p16463">viewtopic.php?p=16463#p16463 (am Schluss, und Folgebeiträge)
    Maxplatz 46, dito: http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=69774#p69774">viewtopic.php?p=69774#p69774
    >>> http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=93720#p93720">viewtopic.php?p=93720#p93720

  • Bei http://www.stadtgeschichte-ffm.de">http://www.stadtgeschichte-ffm.de kann man übrigens eine historische Ansicht des Gebäudes sehen. Dort wird die Geschichte des benachbarten Geschäftshauses Wächtershäuser, ehemals Haus-Nr.61 beschrieben. "Unser Haus" ist links angeschnitten.

    Ich glaube übrigens nicht, dass alleine die Brandmauern die Zerstörund des Gebäudes verhindert haben. Vielmehr hatte die Töngesgasse/ Liebfrauenberg durch die schwächeren Angriffe von 1943 Einzelschäden. Diese "Lücken" in der Bebauung haben ein Übergreifen der Flammen verhindert.

  • Wenn man runterscrollt und auf das untere Foto klickt und dann die vergrößerte Ansicht hat, dann sieht man das die Kernsubstanz des Hauses wohl bis heute erhalten ist. Lediglich die Auskragung wurde wohl nach dem 2. Weltkrieg bis zur Erde weitergemauert, so dass im Erdgeschoss die heutige Ladenfläche entstanden ist.

    ...

  • Ich habe noch bessere historische Bilder, kann diese aufgrund des Urheberrechts aber nicht hier einstellen, da sowohl Vömel als auch Wolff noch nicht 70 Jahre tot sind.

    Anbei zwei Bilder von mir, ein High-ISO-Bild von gestern abend:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Und noch ein Detail des "Kragsteins" in der westlichen Brandmauer (Bild vom Dezember 2007), unter dem abgeplatzten Anstrich kann man meines Erachtens sogar das Holz wohl eines Eckständers erkennen:


    (Klicken zum Vergrößern)