• Neben der Zerstörung von Baudenkmälern bringt Stuttgart 21 ja noch andere Probleme mit sich – dieses sündhaft teure Prestigeprojekt trägt ja in keinster Weise zur Lösung von Verkehrsproblemen bei.

    Es bindet Finanzmittel, die für wirklich wichtige Schienenprojekte dann nicht zur Verfügung stehen: Stuttgart 21 ist ein Projekt für den Personenverkehr, wichtiger wäre es aber in den Güterverkehr zu investieren, so wie es in vielen europäischen Ländern bereits der Fall ist.

    Erst in jüngster Zeit hat ein Herr Mehdorn mit seinem unsäglichen "MORA-C"-Programm in großem Umfang entsprechende Infrastruktur vernichtet und damit die Zahl der Lkws weiter erhöht; private Bahnunternehmen wurden dabei bewußt ausgebremst.

    Es muß dringend in den Neubau und Wiederaufbau von Strecken und Infrastruktur für den Güterverkehr investiert werden, außerdem in den Regionalbahnverkehr.

    Firmen die ihren Güterverkehr auf die Schiene (zurück)verlagern müssen steuerlich begünstigt werden, Firmen die trotz der Möglichkeit einer Verlagerung weiterhin auf die Straße setzen, müssen finanziell wesentlich stärker belastet werden.

    Natürlich waren viele der in den 60er – 90er Jahren eingestellten Nebenstrecken nicht mehr zeitgemäß. Viele Bahnübergänge, schlechter Oberbau und eine kurvenreiche Streckenführung, die nur niedrige Geschwindigkeiten zuließen, Stationen die teilweise weit außerhalb der Orte lagen. Hier hätte man aber mit Modernisierung und / oder (teilweisem) Neubau Abhilfe schaffen können. Damals hieß es das wäre zu teuer, für die Investitionen würde keiner mehr aufkommen; gleichzeitig wurden jedoch Unsummen in den Neu- und Ausbau von Straßen und Autobahnen verpulvert - Beträge, für die man auch die örtliche Nebenbahnstrecke hätte auf Vordermann bringen können...

    Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof ist in der derzeitigen Form nicht mehr zeitgemäß; aber auch hier wäre durch eine Modernisierung der bestehenden Infrastruktur Abhilfe möglich.

    Aber in Deutschland gibt es eine mächtige Baulobby, die beschäftigt werden möchte. Dabei könnte die Bauwirtschaft auch anders in Stutgart beschäftig werden, nämlich indem man die ganze minderwertige Nachkriegsarchitktektur im Stadtkern endlich einebnet und durch Neubauten im traditionellen, ortsüblichen Stil ersetzt.

    Sechs Jahrzehnte nach Zerstörung der Stuttgarter Altstadt wäre es endlich überfällig mit ihrer Rekonstruktion zu beginnen.

    Aber schon klar, das geht nicht, aber für viele Milliarden Euro Tunnel graben geht dann schon...

    Alleine schon dieser unsägliche Breuninger-Bau, in manchen Teil der "Alt"stadt kommt man sich ja vor wie am Nordatlantikwall oder in Slums wie Berlin-Marzahn und Rostock-Lichtenhagen...

    Und dann diese noch viel unsäglichere Stadtautobahn alias B14...weg damit, eine Stadt muß für den Menschen da sein und nicht für das Auto.

  • Man könnte die Argumentation gegen Stuttgart 21 sogar noch ausweiten…

    …da wäre z.B. die berechtigte Frage wie es denn langfristig gesehen mit den Unterhaltungskosten der sehr umfangreichen Tunnelanlagen aussieht. Irgendwann werden dann auch erste Sanierungen anstehen, oder Modernisierungen.

    Außerdem sind Kopfbahnhöfe für den Bahnbetrieb heute nicht mehr das Problem, das sie noch vor einigen Jahren darstellten. Ein Großteil der Reisezüge im Nah- wie in Fernverkehr verkehrt mittlerweile entweder als Triebzug, oder als sog. Wendezug, bei dem der letzte Wagen mit einem Führerstand ausgestattet ist. Somit entfällt der früher übliche, zeitaufwendige Lokwechsel, wodurch sich die Aufenthaltszeit der Züge im Bahnhof deutlich verkürzt.

    Natürlich existieren im Ausland teilweise ähnliche unterirdische Bahnhofsanlagen. Nur läßt sich das kaum auf Stuttgart übertragen. Und das Berliner Hauptbahnhof-Projekt ist ebenfalls nicht vergleichbar, denn es hatte ganz andere Ausgangsbedingungen, da ein Teil der Verkehrsinfrasturktur durch die Zerstörungen von Krieg und Teilung nicht mehr vorhanden war und daher ohnehin neu gebaut werden mußte - in Stuttgart wird hingegen eine funktionierende Infrastruktur, welche ein großes Optimierungs- und Modernisierungspotenzial bieten würde, zerstört.

  • Was ist eigentlich an einem Kopfbahnhof so verkehrt? Fuer den Reisenden ist ein Kopfbahnhof die bequemste Art, von einem Bahnsteig zum anderen zu kommen. Danke fuer das Video, Stefan! :)

  • Der Lokwechsel gilt als der standardmäßige Nachteil von Kopfbahnhöfen.

    Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, das ist ein Prestigeprojekt, das der Großteil der Bürger nicht will und das nur durchgedrückt wird, weil es der Steuerzahler zahlt.

  • Zum Vergleich: Nürnberg Hbf verfügt über 21 Bahnsteiggleise (es gibt außerdem zusätzliche zwei Durfahrts- und Rangiergleise ohne Bahnsteig in der Mitte der Bahnhofsanlage), Stuttgart 21 wird mit acht Gleisen nicht mal über die Hälfte verfügen. Wenn man die Denkweise der S21-Planer auf Nürnberg umlegt, dann müßte dieser Bahnhof eigentlich maßlos überdimensioniert sein. Aber er ist es keineswegs. teilweise werden Bahnsteigsgleise im Regionalverkehr schon mit zwei Zügen belegt, die dann jeweils in zwei entgegengestzte Richtungen abfahren (beispielweise nach Regensburg und Lichtenfels).

    Und, das kommt noch hinzu: dieser Bahnhof und seine Zufahrtsgleise werden ausschließlich vom Personenverkehr genutzt, durchgehenden Güterverkehr gibt es keinen. Denn für den Güterverkehr gibt es die Nürnberger Ringbahn mit umfangreichen Anlagen im Süden der Stadt.

    Das Kopfmachen konnte in Nürnberg zwar dank der neuen Schnellfahrstrecke nach Ingolstadt reduziert werden, aber es gibt trotzdem genug Zugläufe, bei denen es immer noch nötig ist. Der genannte Zuglauf aus Ausgburg (München) ist so ein Fall.

  • Zitat von "Pilaster"

    ICEs und auch andere Zugmodelle haben heutzutage vorne wie hinten einen Lokwagen, das Argument wird also im Laufe der Zeit schwaecher.

    Das nennt sich Steuerwagen und ist ein normaler Reisezugwagen, der an einem Ende mit einem Führerstand ausgerüstet ist. Die Technik war bereits in den 50er Jahren für Regionalzüge entwickelt worden, wurde aber leider in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht konsequent genug umgesetzt. So waren noch jahrzehntelang zahlreiche Fahrzeuge ohne die nötige Ausrüstung für den sog. Wendezugbetrieb unterwegs, was dann den Lokwechsel unumgänglich mache.

    Für Fenzüge bzw. die dafür nötigen höheren Geschwindigkeiten hat man diese Technik erst in den 90er weiterentwickelt.

    So kam es, daß noch zu Beginn der 90er Jahre, als die Pläne für S21 geschmiedet wurden, tatsächlich noch bei vielen Zügen Lokwechsel nötig war. Dieser war ja nicht nur zeitaufwändig, sondern verursachte eine große Zahl zusätzlicher Rangierfahrten im Bahnhofsbereich, welche die Kapazität der Anlagen auch wieder verringerten. Unter diesen RAhmenbedingungen erscheint ein Durchgangsbahnhof erstmal als die praktikablere Lösung. Nachdem jedoch der Wendezugbetrieb sowie der Einsatz von Triebzügen seither konsequent ausgebaut wurde, sind diese Probleme allerdings weitgehend obsolet.

    Man sollte sich aber stets vor Augen halten: dieser technische Rückstand bei der Bahn hätte nicht bestanden, wenn Deutschland nicht jahrzehntelang bei der Verkehrspolitik aufs falsche Pferd gesetzt hätte.

  • Hier ein Video von den regelmäßigen Montagsdemonstrationen zu denen mittlerweile 4-5000 Menschen jeden Monatg um 18Uhr vor den Nordeingang des Hbf kommen. Aus eigenem Erleben kann ich sagen: es tut sich was in Stuttgart!!! Sehr berührend und beeindruckend, wenn wir als Bürger aufstehen und in den Gang der Politik eingreifen!!!
    Die Bürger wachen auf breiter Front auf, nicht nur im Kampf um die Erhaltung und Modernisierung ihres Kopfbahnhofes, auch was die Gestaltung ihrer Stadt an sich angeht. Hier im Video wird dem Bürgermeister Schuster der Rücktritt nahegelegt. Sehr sehenswert!!!

    http://www.youtube.com/v/S4ceeKjsWzs&hl=de&fs=1&color1=0x234900&color2=0x4e9e00&border=1\r
    http://www.youtube.com/v/S4ceeKjsWzs&hl ... 0&border=1

    Und hier stets die aktuellsten Informationen um Stuttgart 21 und den Aktionen drumherum:

    http://www.leben-in-stuttgart.de/\r
    http://www.leben-in-stuttgart.de/

    http://www.parkschuetzer.de/\r
    http://www.parkschuetzer.de/

  • Über 20.000 Demonstranten am Wochenende. Respekt. Die Menschen artikulieren mehr als deutlich, dass sie das historische Erbe der Stadt bewahren möchten. Mal sehen wie ernst die Entscheider des Projektes, den Bürgerwillen nehmen.

    ...

  • Hoffentlich gedenken die Bürger auch der Altstadt, vor allem dem Marktplatz. Stuttgart sollte hier Frankfurt nachziehen (aber es besser machen als in Frankfurt beim historischen Museum, der Kunsthalle Schirn und so).

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Beeindruckend! Hätte ich von Stuttgart ehrlich gesagt nicht erwartet. Das ist wirklich toll, dass die Bürger auf die Strasse gehen. Ich stimme zu, der Marktplatz muss sein altes Gesicht zurückbekommen!

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Was hat denn das eine (gegen S21) mit dem anderen (Reko des Marktplatzes) zu tun? Es geht der überwiegenden Mehrheit sicher nicht um das bauliche Erbe Stuttgarts, es sei denn, die Konservierung des Status Quo ist damit gemeint.

  • spacecowboy: Das stimmt, das hat nicht direkt was damit zu tun. Allerdings gibt es deutliche Anzeichen, dass Bürger sich zunehmend für die Bewahrung des historischen Erbes einsetzen. Während sich der Protest der 68er-Generation überwiegend gegen die Zerstörung von preiswerten Wohnraum richtete, gab es danach lange keinen bürgerübergreifenden Widerstand mehr gegen die Stadtzerstörung. Gegenwärtig artikuliert sich ein neuer Zeitgeist, der nicht nur gegen die Gentrifizierung oder Tilgung von ökologischen Stadt-Nischen aufbegehrt, sondern - und das ist neu - unverkrampft die Bewahrung und Wiederherstellung des historischen Erbes einfordert. Natürlich gab es eine solche Bewegung auch schon in der deutschen Wiederaufbauzeit, jedoch mussten sich die damaligen Protagonisten noch viel mehr gegen Vorwürfe wie rückwärtsgewandheit und unmodernität wehren.

    ...

  • Unglaublich, da werden trotz massivster Bürgerproteste und unkalkulierbaren finanziellen Auswüchsen einfach Tatsachen geschaffen. :klaresnein:

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Zitat von "SchortschiBähr"


    Die Bürger wachen auf breiter Front auf, nicht nur im Kampf um die Erhaltung und Modernisierung ihres Kopfbahnhofes, auch was die Gestaltung ihrer Stadt an sich angeht. Hier im Video wird dem Bürgermeister Schuster der Rücktritt nahegelegt. Sehr sehenswert!!!

    http://www.youtube.com/v/S4ceeKjsWzs&hl=de&fs=1&color1=0x234900&color2=0x4e9e00&border=1\r
    http://www.youtube.com/v/S4ceeKjsWzs&hl ... 0&border=1
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    Guter Redner, glaubwürdiges Auftreten, guter Duktus, Rede rhetorisch hervorragend aufgebaut mit plastischen Bildern und klarem Höhepunkt.
    Ohne solche Leute klappt jede Bewegung in sich zusammen, mit ihnen an der Spitze kann sich eine Lawine entwickeln.