Institutionen des Denkmalschutzes in der Kritik

  • In der aktuellen Diskussion um die Erweiterungspläne des Amtsgerichts in Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis, Baden-Württemberg gibt es laut Zeitungsbericht eine merkwürdige Gewichtung der staatlichen Denkmalpflege:

    Während ein Erweiterungsbau in Absprache mit der Landesdenkmalpflege zwischen dem Gerichtsgebäude und dem Gefängnis (http://www.suedkurier.de/storage/pic/xmlios_import/region/schwarzwald-baar-heuberg/villingen-schwenningen/10749337_1_upd_hi_file6pouzc2w7s95zokiii4.jpg?version=1472799671, rechts im Bild) auf dem Parkplatz trotz finanziellem Mehraufwand (Beibehaltung von 3 Standorten = Mehrkosten!) und funktionaler Schwachpunkte (u.a. Parkplatzproblematik) sowie auch mit unvermeidbaren Eingriffen in die Gebäudesubstanz im öffentlichen Sinne vertretbar sein soll, wird ein Erweiterungsbau an die Rückseite dieses Gebäude (http://www.notariat-villingen.de/pb/site/jum2/g…20Villingen.jpg) außerhalb der historischen Innenstadt allein wegen einer möglichen Versetzung dieses (maroden) Werks des 20.Jahrhunderts (http://static5.suedkurier.de/storage/scl/xm…sion=1472799673) seitens der Behörde kategorisch ausgeschlossen.

    Und da ist sie wieder, die berechtigte Frage, ob die Hinterlassenschaften der Moderne seitens der Denkmalpflege in Baden-Württemberg nicht doch höher gewichtet werden.

    Zitat

    Am Eingangsbereich des Gebäudes in der Schwenninger Straße 2 steht ein großes Kunstwerk des international renommierten deutschen Malers, Grafikers und Bildhauers Otto Herbert Hajek (1927-2005). Diese Plastik hätte im Falle eines Gebäudeumbaus entfernt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden müssen. Dagegen schritt die Obere Denkmalbehörde in Freiburg ein. Sie stellte das Hajek-Kunstwerk namens „Räumliche Wand“ mit dem gesamten Eingangsbereich dieses Jahr kurzerhand unter Denkmalschutz. „Daraufhin haben wir die Finger von einem Umbau gelassen. Schließlich haben wir als Landesbehörde eine Vorbildfunktion für den Denkmalschutz“, erläutert Thomas Steier.

    Quelle: http://www.suedkurier.de/region/schwarz…t372541,8882623

  • Ein klassischer Fall, der die Beliebigkeit des Denkmalschutzes in Baden-Württemberg offenbart.
    Sobald Denkmalschutz zum Spielball von Interessen wird und die Untere Denkmalschutzbehörde, angesiedelt bei den Kommunen, als Instrumentarium zur Aufweichung des Denkmalschutzes dient, muss der Sinn und Nutzen des Denkmalschutzgesetzes infrage gestellt werden.

    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villing…2d897b98b4.html

  • muss der Sinn und Nutzen des Denkmalschutzgesetzes infrage gestellt werden.

    Wie ist es denn in BW? Ist die Stellungnahme des Landesamts bindend, oder ist das Landesamt ein Papiertiger, den man nach Belieben ignorieren kann? Je nachdem, wie das im Gesetz geregelt ist, ist der Fall entweder ein Beleg für ein ausgehöltes Gesetz oder einen dreisten Lokalherrscher, der "seine" UD dahinschubst, wo es ihm passt.

    Hier scheint es ja wieder mal so zu sein, dass die Denkmalbehörden, vor allem die untere, von der Stadtspitze übergangen werden. Die untere hat offensichtlich eine Anweisung bekommen, der Erweiterung zuzustimmen. Zwischen den Zeilen gelesen, nehme ich an, dass die untere hier vom OB einen auf den Deckel bekommen hat, weil sie die Stellungnahme bereits weitergegeben hat. Schön, wenn man öffentlich die fachliche Meinung des Landesamts als falsch darstellt, den Experten also mithin öffentlich ohrfeigt und sagt, dass sie keine Ahnung haben. Wenn das keine Willkür ist, weiß ich es auch nicht. Gegen Willkür helfen die besten Gesetze nur wenig...

  • Das Prozedere zur möglichen Aufhebung des Denkmalschutzes, welches hier im Forum unlängst angemahnt wurde, lässt der Baubürgermeister von Villingen-Schwenningen in einer Gemeinderatssitzung öffentlich und unverblümt verlauten:


    Zitat

    Einzige Möglichkeit für die Stadt, ein denkmalgeschütztes Objekt loszuwerden, sei der Nachweis, das dessen Erhaltung wirtschaftlich nicht mehr zumutbar sei. Dann kann die Denkmalbehörde eine Abrissgenehmigung geben. Genau diesen Weg, so war in der Gemeinderatsitzung zu erfahren, will die Stadt auf dem Kasernengelände Mangin gehen. Laut Baubürgermeister Bührer wurde ein Architekturbüro beauftragt, nachzuweisen, dass der Erhalt des ehemaligen "Maison die France" sowie der ehemaligen Poststelle und dem Kino unwirtschaftlich seien. Die Stadt würde diese Gebäude gerne abreißen dort eine Zufahrt in das künftige Wohnquartier bauen.

    Quelle: http://www.suedkurier.de/region/schwarz…t372541,9177191


    Da Gutachten offenbar gezielt eine mangelnde Wirtschaftlichkeit ungeliebter Kulturdenkmale aufzeigen sollen, sind Denkmalschutzgesetze obsolet.

  • Zitat

    Die Wege zum Denkmal-Status sind ganz unterschiedlich, können vom offensichtlichen Alter...


    ...bis dahin reichen, dass der dort zuständige Mitarbeiter im Rahmen einer Exkursion ein erhaltungswürdiges künftiges Denkmal entdeckt...


    ..."das ist nur durch eine Begehung erfolgt, durch eine Inaugenscheinnahme, deshalb haben es die Eigentümer auch nicht mitbekommen",...

    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villing…08db596b00.html

  • Da Gutachten offenbar gezielt eine mangelnde Wirtschaftlichkeit ungeliebter Kulturdenkmale aufzeigen sollen, sind Denkmalschutzgesetze obsolet.

    Ja, so gesehen schon, vor allem, wenn die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde das Ergebnis der Prüfung des Gutachtens vorgegeben bekommt... Letztlich ist nicht das Gesetz obsolet, hier liegt ein Mißbrauch der gesetzlichen Vorgaben und Möglichkeiten vor. Wenn man will, kann man jedes Denkmal "kaputtrechnen". Es ist wie überall und immer: wenn der Eigentümer partout nicht will, ist es fast unmöglich, ein Denkmal zu erhalten.

    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Unwirtschaftlichkeit dann nicht greift, wenn es ein öffentlicher Eigentümer ist, sondern dass die Denkmale der öffentlichen Hand "nach Maßgabe des Haushaltsplanes" zu erhalten sind. Aber das mag in BW anders sein.

  • Ich habe mir das aktuelle Denkmalschutzgesetz für BW nicht angesehen, aber die meisten Bundesländer haben das sog. "ipso-iure" Prinzip in den Gesetzen verankert, d.h., dass ein Denkmal aus sich heraus Denkmal ist. Durch die Behörden wird die Denkmaleigenschaft lediglich festgestellt, ohne dass es dafür einen Verwaltungsakt braucht. Insofern muss der Eigentümer hierbei auch nicht beteiligt werden, da er bei der Feststellung der Denkmaleigenschaft ohnehin kein Mitspracherecht hat. (Wie beim Auto: wenn die Polizei feststellt, dass der TÜV abgelaufen ist, ist das zunächst eine Feststellung.) Gegen die Folgen dieser Feststellung gibt es ggf. den Rechtsweg, aber nicht gegen die Feststellung selber.

  • Zitat

    Letztlich ist nicht das Gesetz obsolet, hier liegt ein Mißbrauch der gesetzlichen Vorgaben und Möglichkeiten vor.

    Das Gesetz ist dahingehend obsolet im Sinne von hinfällig oder schwach, als dass ein Kulturdenkmal - abgesehen von höherer Gewalt - nicht von Gutachten geschützt ist, deren ausgesprochenes Ziel die Aberkennung seines Status ist.

  • „Kraft Gesetzes“ per Inaugenscheinnahme ist dann auch der Kritikpunkt. Diese subjektive Feststellung, ohne ausreichende Prüfung und mit persönlichen Vorlieben versehen, hat nachhaltige Konsequenzen nicht nur für den/ die Eigentümer*in, der/ die den Rechtsweg bestreiten kann, sondern vor allem ganz konkret für das jeweilige Gebäude. Angesichts einer modernistischen Geisteshaltung im gegenwärtigen Architekturbetrieb ist eine objektivierte Bewertung von Gebäuden nicht gegeben, was wiederum die beklagten Fälle von fehlender Inventarisation und Streichung aus Denkmallisten vormoderner Gebäude mit erklärt.

  • http://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/…m-albtraum.html

    Für die, die das Schloss nicht kennen: Es ist richtig vernachlässigt, befindet sich im Verfall. Während der Eigentümer darauf gehofft hat:

    Zitat

    „Wenn ich mit Ihrer Hilfe wenigstens die Eingangsfront von Schloss Illesheim instand bringen könnte, wäre das eine ganz große Sache, weil im Sommer 1983 die 700 -JahrFeier der Gemeinde Illesheim begangen wird.“

    (a.a.O.)

    , hat eine Referentin des BLfD den Ernst der Lage nicht begriffen und ...

    Zitat

    ... träumte von der Wiederherstellung des Ehrenhofs mit Wasserspielen.

    (a.a.O.)

    Unglaublich!

    Kein Wunder, dass dank den überzogenen Vorstellungen aus der Wiederherstellung nichts geworden ist. 36 Jahre später gammelt das Schloss derer von Berlichingen immer noch vor sich hin.

    Wenn's einer kaufen will:
    https://de.trovit.com/immobilien/lis…ark.HZ1OY01tn1g

  • (a.a.O.)
    , hat eine Referentin des BLfD den Ernst der Lage nicht begriffen und ...

    (a.a.O.)
    Unglaublich!

    Kein Wunder, dass dank den überzogenen Vorstellungen aus der Wiederherstellung nichts geworden ist. 36 Jahre später gammelt das Schloss derer von Berlichingen immer noch vor sich hin.

    Wenn's einer kaufen will:
    https://de.trovit.com/immobilien/lis…ark.HZ1OY01tn1g

    Wie ist es da um die Infrastruktur bestellt? Als S- U oder Trambahn? Oder Bus oder Fernbahnanbindung? Und wie weit ist es von München? Wenn es nicht weit von München ist und entsprechende Verkehrsanbindungen hat, ist es schon ein Schnäppchen.

  • Wie ist es da um die Infrastruktur bestellt?

    Eine Bundesstraße ist 200 m entfernt. Ansonsten abgelegen. Dünn besiedelt. Weit entfernt von allen größeren Zentren. Das Dorf hat ca. 500 Einwohner. Am Rand des Dorfes, dreimal so groß wie das Dorf selber, der modernste Hubschrauberlandeplatz der Welt mit 2000 amerikanischen Soldaten und Fluglärm Tag und Nacht.

  • Es ist zwar schon etwas her, aber 2015 wurde die Villa Heßberg vom Architekten Alfred Fischer, immerhin einem der prägenden Architekten der Moderne im Ruhrgebiet, abgerissen. Auch wenn einige hier der Moderne nicht viel abgewinnen können, ist es m.E. ein bedeutender Verlust.

    Wie immer sind es dieselben Argumente, das Gebäude wurde zu sehr verändert, das Denkmalamt sieht es daher als nicht erhaltenswürdig an und die Architektin und Projektentwicklerin bedauert es auch noch, dass das Gebäude abgerissen wurde... aber immerhin sind dort fünf Terassenwohnungen hingekommen anstatt einer Villa.

    Artikel auf WAZ.de

    Immerhin hat die Stadt Essen das Gebäude relativ ausführlich online dokumentiert (Link) - inkl. historischer Fotos und dem Zustand kurz vor dem Abriss

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)