Institutionen des Denkmalschutzes in der Kritik

  • Der Bau von Tiefgaragen hat zum großen Teil etwas mit der antiquierten Gesetzgebung der Länder zu tun, die in ihren jeweiligen Baugesetzen genaue Vorgaben dazu treffen. Leider widersprechen diese - wie gesagt - mittlerweile veralteten Regelungen meist den Zielen einer modernen Stadtplanung. Die Vernichtung von Bodendenkmalen muss in diesem Zusammenhang als Kollateralschaden gewertet werden.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zitat

    Kurz nachdem der Investor die Villen gekauft hatte, prüfte das Landesamt für Denkmalschutz die Häuser und kam zu dem Ergebnis, Aegir und Emma seien nicht mehr denkmalwürdig. Zufall oder nicht? Jedenfalls wurden sie daraufhin von der Denkmalliste gestrichen.


    Quelle: http://www.ndr.de/regional/meckl…/bansin107.html

  • Der Investor Seetel hatte zunächst versprochen, diese Bauten zu sanieren. Ich werde ihn daran erinnern.

    Das Ganze steht ja im Zusammenhang mit dem geplanten Grand Hotel Kaiserstrand. Ich kann mir zwar vorstellen, dass hochwertige Nachfolgebauten entstünden - aber der Erhalt von Originalen sollte da eindeutig Vorrang haben.

  • Im Rottweiler Ortsteil Hausen ist der Weg für den Abbruch des Gebäudes Horgener Straße 61 frei.
    http://rottweil.net/frame/Ansichte…r2009/frame.php
    Der Umwelt-, Bau- und Verkehrsausschuss stimmte am Mittwochabend dem entsprechenden Antrag der Eigentümer zu.
    Das Wohn- und Ökonomiegebäude, das um 1800 in der Ortsmitte errichtet wurde und als Kulturdenkmal eingestuft ist, steht seit 20 Jahren leer. Da die Substanz mittlerweile so stark geschädigt ist, dass gar von einer Einsturzgefährdung ausgegangen wird, hat die Denkmalpflege Bedenken gegen den Abbruch zurückgestellt.
    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.rottwei…00f30d451d.html

    Anmerkung: Da hat man im Osten der Republik schon ganz andere "Bruchbuden" vor der Zerstörung gerettet, siehe unzählige Beispiele in diesem Forum. Im Südwesten pflegt man mit den Ortsbildern und Kulturdenkmälern offensichtlich einen anderen Umgang oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Es ist wohl nur eine Frage der Zeit bis solche Ortskerne komplett von vorindustriellen Profanbauten abgeräumt sind.

  • Ganz offensichtlich wird mit zweierlei Maß gemessen. Vielleicht wird man in Baden-Württemberg in einigen Jahrzehnten auch umzudenken beginnen, wenn sich die dortigen Ortsbilder weitestgehend altbau- und denkmalfrei darstellen, weil man nach und nach alles als "nicht sanierungsfähig" abgeräumt hat. Dann, vermutlich erst dann, werden sie beginnen zu verstehen, dass man Geld nicht essen kann und dass in dem jetzt noch anhaltenden Modernisierungswahn auf der Strecke geblieben ist, was wir benötigen, um uns in unserem Lebensraum wohlzufühlen.

  • Bedeutet auch ganz einfach. Baden-Württemberg wird zukünftig in der Tourismusbranche eine absteigende Rolle einnehmen. Keiner besichtigt eine nur mit glatten Neubauten gepflasterte Ortslandschaft, in der die Kulturdenkmale zunehmend verschwinden. Andere Regionen werden zunehmend das Rennen machen. Und das wird sich dann ganz langsam auch wieder im Geldbeutel der Schwaben und Baden bemerkbar machen. Zum Beispiel bei den Übernachtungszahlen der Hotels und Pensionen. Zu spät, wird man ihnen dann zupfeifen... floet:)

  • Zitat

    Ein Schild am Haus Josefsgasse 7 belegt den Sitz von Amtmann und Domänenverwaltung des Klosters St. Blasien seit 1321. Der jetzige Bau wurde 1663 urkundlich erwähnt. Seit dem Jahr 1956 sind im Pfleghof des Klosters St. Blasien in der Josefsgasse 7 städtische Ämter untergebracht...

    ...Man glaubt seinen Augen nicht zu trauen, wenn man vor dem Haus Josefsgasse 7 steht, an dem nun an beiden Giebelseiten Fluchttreppen in Form von Stahlgerüsten angebracht wurden. Dass so etwas an einem historischen Gebäude möglich ist, kann man fast nicht glauben. Jedem privaten Besitzer eines denkmalgeschützten Hauses werden immense Auflagen von Seiten der Ämter gemacht. Wahrscheinlich würde vorgeschlagen, das Haus anderweitig zu nutzen. Eine derartige Verunstaltung dieses historisch wertvollen Gebäudes ist eine Unmöglichkeit. Da sei die Frage gestattet: „Was kommt wohl als nächstes?“

    Quelle: http://www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/villingen-schwenningen/meinung/Der-Bretterverhau-am-Buergeramt;art1014834,6423938]http://www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/villingen-schwenningen/meinung/Der-Bretterverhau-am-Buergeramt;art1014834,6423938

  • Da ich auch die Arbeit des Denkmalschutz in Deutschland sehr kritisch sehe, überrascht mich umso mehr folgende Meldung: Die MoPo, 05.12.13 berichtet, dass die Eigentümerin die Kosten für die Sicherung von zwei Gebäuden übernehmen muss. Die Eigentümerin plant den Abriss der zwei 1890 erbauten, denkmalgeschützten Gebäude (Riviera und Gesellschaftshaus in Grünau), die offensichtlich immer mehr verfallen. http://www.morgenpost.de/bezirke/trepto…kmalschutz.html

    Hier noch der Link zu einer BI: http://www.riviera-retten.de/

    und hier noch eindrucksvolle Bilder auf dem Portal digitalcosmonaut, die einen Sprachlos machen. Dieses Gebäude saniert wäre eine echte Perle: http://digitalcosmonaut.com/2013/111-place…llhaus-riviera/

    ...

  • Interessante Entdeckung, Wikos. Komisch nur, dass sich ausgerechnet im boomenden Berlin für sowas noch kein Investor gefunden hat. Dürfte aber bei der sich abzeichnenden Entwicklung mittelfristig der Fall werden.

  • Wer soll aber diese "Gesellschaftssäle" noch nutzen und so indirekt mitfinanzieren? Die "Gesellschaft" hängt ja nur noch vor dem Fernseher und Internet rum…

    Jedenfalls ist das Phänomen unbenutzter Säle weit herum zu beobachten, unabhängig von der Grösse einer Stadt. Sogar Bierbrauereien, die ja oft über solche Säle verfügten, haben Mühe, diese rentabel zu betreiben.

  • Riegel, wieviele Säle von dieser Sorte gibt es denn in Berlin? Clärchens Ballhaus, Sophiensäle, ich kenne nicht alle, aber der Saal in Berlin-Grünau hergerichtet wäre ein echtes Kleinod für Hochzeiten, Events etc. Sorry, aber wer nicht die Phantasie besitzt einen solchen Saal richtig zu vermarkten, der sollte sich diesen nicht anschaffen.

    ...

  • Ja, die wirtschaftliche Nutzung solcher alten Gebäude ist immer ein Knackpunkt. Das bricht vielen Projekten und Ideen das Genick, denn dauerhafte Zuschussobjekte kann sich eine Gesellschaft, ein Staat nicht unbegrenzt leisten. Und gerade Berlin und Umgebung ist ja jetzt schon im Ruf, ein Fass ohne Boden zu sein...
    Für diesen speziellen Fall könnte ich mir eine Nutzung als Spielbank / Casino vorstellen. Im Gegenzug schließt man die jetzige Spielbank Berlin. Dazu noch gelegentliche Sportveranstaltungen, die einen glamourösen Rahmen brauchen. Deutsche Billardmeisterschaft, Tanzturniere und alles, was in diese Richtung geht. Das ist natürlich keine Lösung für jeden x-beliebigen Tanzsaal irgendeines Dorfgasthofs - Aber hier könnte das vielleicht funktionieren!
    Ich würde es aber nicht betreiben wollen, ehrlich gesagt...

  • Dafür hat das Landesdenkmalamt in Berlin die Plattenbauwohnanlage "Thälmannpark" unter Schutz gestellt. 80er-Jahre Platte, niedrigstes Niveau.


    Ist nicht wahr, oder? Ich habe das alte Gaswerk noch gekannt, mit den 3 Gasometern, welche dann in den 80er Jahren gesprengt wurden. Der sogenannte Thälmannpark ist eine billige Plattenbauanlage aus DDR Zeiten, welche keinerlei Denkmalschutz verdient!!!

  • Aufgrund der recht hohen wirtschaftlichen Stärke ist Patina nicht gern gesehen, was nicht auf Hochglanz poliert ist, wird gerne weggerissen und auch von vielen noch bejubelt.


    Gibt es da vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit zu der Situation in Baden-Württemberg?

  • Wo in Baden-Württemberg meinst Du? Gerade auf der Schwäbischen Alb gibt es doch etliche Kleinstädte, die sehr gut erhaltene Ortskerne haben - und durchaus auch leichte Verfallserscheinungen zeigen.
    Gefühlt würde ich sagen, dass im Münsterland eigentlich nie eine besonders hohe Wertschätzung alter Architektur existierte. Allerdings war die Gegend bis zum 2. Weltkrieg nicht sonderlich reich (meines Wissens), so dass sich viele alte Gebäude lange erhalten haben. Seit den 50ern wird aber nach und nach alles Alte ersetzt, dabei wird die Architektur leider immer schlechter und ortsneutraler. Während in den 50ern noch Neubauten im traditionellen Stil entstanden, wird seit längerer Zeit gar kein Wert mehr auf irgendetwas gegeben, bunte Fassaden, Flachdächer etc. sind an der Tagesordnung.
    Hier mal zwei Beispiele aus meiner Heimatstadt, für die jeweils traditionell gestaltete Gebäude abgerissen wurden:
    Beispiel 1
    Beispiel 2
    Insbesondere die Farbe der Klinker ist absolut atypisch für diese Region.

    Schade z.B. auch um das im Jahr 2010 abgerissene Gebäude der FH Münster, Fachbereich Design. Dieses Gebäude aus den 1930er Jahren ist mit dem Satteldach, den hellroten Klinkern, Sandsteineinfassungen und Sprossenfenster so richtig typisch für das Westmünsterland. Abgesehen davon, sieht diese Kombination auch extrem schön aus, wird aber kaum noch bei Neubauten gebaut.
    Bild

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Wo in Baden-Württemberg meinst Du?


    So genau und konkret habe ich das gar nicht gemeint. Der von Dir beobachtete Zusammanhang zwischen Prosperität und dem Wunsch, dass alles auf Hochglanz poliert ausschauen soll, hat mich halt an Baden-Württemberg denken lassen. Denn das Land ist wirtschaftlich stark und das Denken der Menschen übermäßig stark auf Wirtschaftskraft ausgerichtet. Gleichzeitig werden viele Altbauten vernachlässigt und schließlich durch moderne Neubauten ersetzt, die nicht selten den Eindruck machen, dass sie die Wirtschaftskraft betonen sollen.

    Was aber unterschiedlich ist, ist der allgegenwärtige Eindruck der Ortsbilder: Während es in vielen Orten Württembergs (Baden ist in dieser Hinsicht anders) verfallende oder jedenfalls vernachlässigte Bausubstanz gibt, ist Westfalen (soweit ich das beurteilen kann) ausgesprochen sauber und gepflegt. Das überwiegende Fehlen der Patina in Westfalen ist mir stets gegenwätig, wenn ich an Westfalen denke; nicht zuletzt deswegen habe ich einen guten Eindruck von Westfalen. Daneben sind die westfälischen Orte nicht selten stark von Neubauten geprägt.

  • Das überwiegende Fehlen der Patina in Westfalen ist mir stets gegenwätig, wenn ich an Westfalen denke; nicht zuletzt deswegen habe ich einen guten Eindruck von Westfalen. Daneben sind die westfälischen Orte nicht selten stark von Neubauten geprägt.

    Mein persönlicher Eindruck ist, dass Westfalen hier nicht gleich Westfalen ist. Während sich das Münsterland gerne herausgeputzt und neu gebaut gibt, hat Ostwestfalen-Lippe m.E. eine etwas gesündere Einstellung zu alter Bausubstanz - was auch erklärt, warum sich die meisten Städte mit historischen Ortskernen dort befinden. Im Sauerland ist dagegen extrem viel Gründerzeit erhalten, wenn auch nicht immer in bester Verfassung, was vermutlich auch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Industrialisierung zu erklären ist. Das Ruhrgebiet ist wiederum ein Sonderfall, hier gibt es m.E. keinen großen Unterschied zwischen Westfalen und Rheinland, dass die besser erhaltenen Städte (Wanne-Eickel, Recklinghausen, Herne, Castrop-Rauxel, Hattingen) in Westfalen liegen, ist vmtl. eher der geringeren Kriegszerstörung zuzuschreiben.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)