Potsdam - Quartier Barberini und Alte Fahrt

  • Wenn es denn so wäre, könnte ich gut mit dem gezeigten Resultat leben. Warten wir also gespannt auf Anfang November.

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • "Nicht schlecht" erscheint mir mehr als euphemistisch für diese graue Primitivität. Der Verfasser sollte sich eigentlich schämen müssen für solch einen garstigen Entwurf, der hoffentlich nicht in Erwägung gezogen wird.

    An dieser Stelle sollte das neue Gebäude vielmehr gegenüber der Traufhöhe des Barberini zurücktreten, wie es auf der anderen Seite an der Humboldtstraße hoffentlich auch vorgesehen ist.
    http://www.potsdamermitte.de/2728/img/SANIE…ALTER_MARKT.jpg

    Die historische & schlichte Bebauung der Brauerstraße 1/2 sollte als Vorbild für die Neubebauung des Grundstücks dienen; DAS war ein "nicht schlechter" Füllbau!
    Hotel Stadt Königsberg – PotsdamWiki

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Hallo zusammen,

    ich war am Freitag auf der besagten Veranstaltung, auf der die Sieger der Ausschreibungen vorgestellt wurden. Der Baubeigeordnete Herr Klipp hatte sich hierbei einige Male gegenüber den Zuhörern und Fragestellern im Ton vergriffen: nicht nur, dass das dort Vorgestellte angeblich "das Beste ist, was wir haben, besseres kommt nicht", es wurde auch den Fragestellern über den Mund gefahren: "das ist jetzt so, das Verfahren wird nicht noch einmal aufgerollt. Schließlich haben Sie alle dem Verfahren so zugestimmt." Und dann kommt noch besser: nachdem der Bürgerverein Mitteschön angekündigt hatte, alle Entwürfe selbst zu bewerten und auf dessen Initiative und Druck hin überhaupt der Leitbau und die "Leitfassaden" gekommen sind, wurde auch gleich abgekanzelt: "wenn Mitteschön eigene Kriterien aufstellt, dann ist das Ihre Sache, ändert jedoch nichts."

    Alle Entwürfe hingen an großen Tafeln, die schäbigsten Fassaden wusst man jedoch gut zu verstecken, denn die wurden sehr klein dargestellt und der Hauptaugenmerk lag dann auf Innenaufteilung und Gartengestaltung. Daher habe ich hier Fotos vom Modell eingestellt. Beginnend von der Humboldtstraße über Alter Markt in die Brauerstraße 1 bis 3.

    Keines der Leitfassaden-Gebäude hat "Rückseitig" eine auch nur zitierend historische Fassade bekommen. Nur der Palast Barbarini wird auch von der Alten Fahrt aussehen, wie ehemals. Gelichzeitig wurden alle Neubauten drum herum soweit an die Wasserkante gestellt, wie es Uferweg und Grundstücksgrenze zu ließen. Im Ergebnis ist nun nicht mehr der Palast Barbarini das beeindruckende und prominente Gebäude, denn es befindet sich auf seinen historischen Grenzen. Die ehemaligen Nachbargebäude waren viel weiter zurück stehend, nun wird der Barbarini jedoch von der Moderne verdeckt.

    Aber seht selbst:


    Position Humboldtstraße 1, ehemals Palasthotel. Das Gebäude nimmt weder Bezug auf das ehemalige Palasthotel, noch auf das auf der anderen Straßenseite liegende neue Stadtschloß. Nicht einmal die historischen Grundrisse und Position wurden eingenommen. Es entsteht ein viel größerer Platz, als er ehedem war. Die Kastanie, die heute an der Position der Bittschriftenlinde steht, wird sehr einsam und deplatziert wirken...


    Ehemals Humboldtstraße 3: ein eingeschossiges Haus mit hohem Spitzdach in typischer potsdamer Barock-Bauweise, bildete den Abschluß der Ansicht des Alten Marktes. Dadurch, dass alle Gebäude vom Barbarini aus, immer kleiner wurden, trat das Barbarini erst richtig in Geltung und der Platz wirke viel länger. Nun wird ein 4-Geschosser errichtet, der nicht nur nicht die Architektur des alten Gebäudes aufnimmt, sondern zudem auch noch diese geschickte Verlängerung des Platzes durch die Höhenveränderung verhindert.


    Einzig diese Wasserseite will mir gefallen. Leider ist die Position des Giebelgebäudes zu weit nach vorn geraten, sodaß der Barbarini von der Langen Brücke aus, fast nicht mehr zu sehen sein wird. In seinen Proportionen, der Dreiteilung und der Giebelseite zur Alten Fahrt, nimmt es jedoch die ehemalige Bebauung auf. Dieses Gebäude hätte besser in die Brauerstraße 1 gepasst, da auch genau dort ehemals ein gleichwertiges Gebäude, ja sogar an ähnlicher Position stand.


    Der Palast Barbarini wird wieder etstehen! Und zwar nicht nur an der Alten Markt Seite, sondern auch zur Alten Fahrt hin. Die einizige gute Nachricht, denn in den Ausschreibungsentwürfen hätte ein Bauherr sogar die Rückseite modern fassen dürfen. Frau Schmack sei dank, die nun nicht nur Herrn Plattner zu seiner Spende überreden konnte, sondern nun selbst auch tatkräftig baut. Fast nicht zu glauben, dass die Stadtverwaltung ihr den Zuschlag gab, da sie doch sonst nichts für das historische Erbe tut, vielmehr sich an historischen Bauten vergeht, diese abreisst und Moderne prodegiert.


    Die Vorderseite zum Alten Markt.


    Und nun folgt die unterirdischste Banalität, die direkt daneben gebaut werden kann. Ursprünglich stand hier ein 2,5 geschössiges Gebäude von 1740 von Johann Boumann. Ein barokes Haus, welches sehr zurück genommen war. Dieses hatte der Baudezernent Klipp daher auch gleich mal als banalen Biedermeier verortet. Man beachte diese Kompetenz in der Bauverwaltung.
    Statt dessen wird nun dort ein 4-Geschosser errichtet, direkt angrenzend an den Barbarini, ohne jedoch in der Höhensprache entsprechend zurück zu gehend und genügend Platz dem Palast zu lassen. Banaler und ignoranter kann man hier nicht bauen. Da man am Modell nicht viel erkennen kann (naja, das Gebäude hat auch nichts) hier das Foto von den besagten Plakat-Wänden:

    Sie suchen die Fassade? Oben Links, das kleine Bildchen: ja, das Haus hat keine...


    In der Mitte Stella, mit seinem Entwurf einer Stadtvilla, vermag (mir) als einziger moderner Bau zu gefallen. Vorn wie hinten. Zur alten Fahrt Seite nimmt er sogar die Formensprache des Palastes auf und übernimmt diese auf das schmale Grundstück. Ein Italiener hat hier leichtes Spiel, er begreift von Natur aus, wie Potsdam funktioniert: mit italienischer Formensprache.

    Und daneben entsteht, was man nicht banal, dafür um so mehr als aggressiv-brutal modern bezeichnen muss. Ein Haus, deren Fenster von Prismen-Fassaden eingefasst sind. Dabei ist jedes Fenster nicht identisch mit dem Unteren und Oberen und mit den Seitlichen schon garnicht. Leider ist das Modell sehr undetalliert in der agressiven Ausprägung der projektierten Fassade. Auch hier also ein Bild von den Plakatwänden, das deutlicher spricht:

    Nun diese 3 Gebäue von der Havelseite her. Ganz rechts brutale Brauerstraße 3, in der Mitte Stella mit der Brauerstraße 2 und Rechts die banale 1:

    Das Modell in Gesamtansicht:

    Schöne Neue Mitte, schöne Aussichten? Auch nicht: auf der anderen Havelseite baut nun die ILB und mal wieder Billig-Semmelhaack.
    Grüße Luftpost

    11 Mal editiert, zuletzt von Luftpost (30. Oktober 2011 um 20:12)

  • Sicher konnte die nachbarhauser links von B. schoner werden.


    Die Hauser links von B. finde ich aber sehr schon.
    Es ist mit andere Worter eine ahnliche Ergebnis zum Dresdner Neumarkt.
    Manches sehr gutes, manches banales.
    Naja, das passt ja gut zu unsere Zeitgeist.

    Luftpost
    Must du immer so aggresiv in dein Schreibstil sein?
    Ein bisschen mehr Ruhe ware auch nicht schlecht. :harfe:

  • Zum Palais Barbarini und den anderen Rekos: weiss jemand wie die Rekos technisch geplant sind? Wie in DD mit Styropor und Spritzputz oder wertiger?

    Zu den Neubauten: Stellas Gebäude ist sicher der bester Neubau. Die Ecke Humboldt 1 ist von Thomas Albrecht (HSA) der hier leider Dutzendware abgeliefert hat. Wenn der Neubau im Rahmen einer Mischkalkulation von Kondor Wessels zwischen Rekos und Neubauten entsteht müssen wir hier mit Vollwärmeschutzfassaden mit aufgemalter Bossierung im EG rechnen. Ein bischen 80er-Jahre, oder? Die geraden Fensterstürze usw. - das war der Nöfer-Entwurf tausendmal besser.

  • Mir gefällt's. Da ist auch wirklich Variation drin. Fassadenreko macht man heutzutage mit Glasschaum, nicht Polystyrol. Tolles Material. Mir ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Benutzung anderer Materialien bringen soll, zumal die ohnehin gestrichen werden. Alles kein Hexenwerk mehr, gerade darum sollten Fassaden rekonstruiert werden.

  • Erstmal Danke an dich Luftpost, für deinen Einsatz vor Ort.
    Wenn alles so kommt wie beschlossen kann man trotz der beiden Ausfälle in der Brauerstraße städtebaulich zufrieden sein. Vor allem die beiden Rückseiten sind hart am Limit, auch abseits aller Moderne vs. Reko Diskussion ist hier kein Stil, keine Eleganz erkennbar. Aber machen wir uns nichts vor, so ist unsere Zeit nun einmal. Deinen Schreibstil finde ich übrigens OK.

    Falls nicht gesondert erwähnt: die Bilder sind selbst erstellt.

  • Ich mag Luftposts kritisch- skeptischen Stil ja an sich sehr gerne, gleicht er ja doch auch meiner Wesensart. Aber was hier so sehr auszusetzen sein soll, leuchtet mir so recht nicht ein. Der Nachfolgebau des Palasthotels ist Sicht mE völlig in Ordnung, gerade aus konservativer Sicht, da hier ein anspruchsloses, sich auf die Funktion des klaglosen Einordnens beschränkendes Bauwerk geschaffen wird. Das alte Palasthotel war zu protzig und überdimensioniert, und zuvor stand da auch nichts Rekonstruierbares. Das Nachbarhaus Humboldtstr 3 ist noch besser gelungen, zumal gerade hier, noch in der Fluchtlinie des Marktplatzes, die Anpassung noch essentieller sein wird. Das Absinken der Firstlinie war mE nur Zufall und wirkte nicht besonders organisch.

    Auch die Rückseite finde ich sehr in Ordnung.

    Brauhausstraße 1 ist, wie von Luftpost wohl richtig dargestellt, etwas schwächelnd, aber immerhin so schlicht, dass es als Anpassungsbau noch durchgehen kann. Gegen 2 und 3 ist mE nichts einzuwenden.

    Fazit: Am Alten Markt werden drei herrliche stadttypische Fassaden in angemessenem, sinnvollem Ambiente und mit ansprechender Rückseite wiederhergestellt. Was hätte man sich realistischer Weise eigentlich an Besserem erwarten können?

    Meine Sorge ist nur, dass dieses Projekt wegen der Finanz- und Währungskrise nicht mehr durchgehen könnte.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was hätte man sich realistischer Weise eigentlich an Besserem erwarten können?


    Einen konstruktiveren und respektvolleren Umgang mit kritischem Bürgerengagement und eine andere Prioritätensetzung beim Grundstücksverkauf (Stichwort Ärztehaus).

    Das eigentliche Übel scheinen mir nicht so sehr die Bauten zu sein, sondern wie so oft diverse Köpfe dahinter.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    Grundstücke an der Humboldtstraße 1 und 2 werden nicht neu ausgeschrieben
    [...]
    Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) hatte den Entwurf für eine Neubebauung der Ecke Humboldtstraße/Lange Brücke in einer früheren Äußerung als „solide Langeweile“ bezeichnet.

    http://www.pnn.de/potsdam/601298

    Und wie bezeichnet Frau Hüneke dann den jämmerlichen Entwurf für die Brauerstraße 1 samt graukubischer Rückseite gleich neben dem P. Barberini? Der war offenbar überhaupt kein Thema?
    Ich kann mit dem Kopfbau dagegen gut leben. M. E. irgendwie seltsame Gewichtung...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Hallo zusammen,

    Zitat aus der heutigen PNN zum Antrag der Grünen zur Neuausschreibung der Humboldstraße 1 und 2 "„Wir sind kein Geschmacksbeirat“, so SPD-Fraktionschef Mike Schubert"

    und noch besser wird's danach: "Diskutiert wurde in der Runde der Kooperations-Fraktionschefs ... auch das Bieterverfahren und mögliche Unstimmigkeiten dabei." Demnach "hat das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Details des Verfahrens, das vom städtischen Sanierungsträger abgewickelt wurde und keinen offiziellen Charakter hat, in einem Bericht als zwar noch zulässig, aber äußerst bedenklich gewertet. So soll es bei der Bewertung der Gebote zwei verschiedene Rechenwege gegeben haben, die ... nicht einheitlich angewandt wurden."

    Wäre interessant zu wissen, welche Bauherren jetzt schön gerechnet wurden und welche nicht. Das in Potsdam bei Grundstücksverkäufen nichts mehr kosher abläuft, sollte -spätestens seit dem Bertiniweg- auch dem politisch Uninteressiertesten klar sein.

    Grüße aus dem technokratischen Potsdam
    Luftpost

  • Das hatten wir noch nicht hier. Zumal es keine Meldung mit Datierung auf den 1. April ist:

    Rechenfehler an der Alten Fahrt
    Rechnungsprüfer: Grundstücke nicht korrekt vergeben / Unterlegene haben Recht auf Schadensersatz
    http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12…aben-Recht.html

    Ich machte mir wegen dieser Diskrepanz unendliche Sorgen, aber Dein naechster Link scheint anzudeuten, dass trotz der Fehler alles in Ordnung ist:

    Alte Fahrt: Verträge unterschrieben
    Archäologische Grabungen beginnen im Mai / Kondor-Wessels hat umgeplant
    http://www.pnn.de/potsdam/638901/

    Nun, da wollen wir mal hoffen, dass Kondor-Wessels sein Projekt vernuenftig und im historischen Sinne "nachgebessert" hat. :engel:

    Zitat

    Die erforderlichen Baumfällungen haben bereits stattgefunden.


    Aus dem von Heimdall zitierten Artikel.

    War das noetig? Waren diese Baumfaellungen wirklich "erforderlich"? Was fuer ein Jammer. Sogar ein ganz junger stehender Baum, auch ein Baeumchen das nur ein paar Jahre alt ist und nach einem Zeitabstand von einem Jahr oder mehr sogar dann wesentlich aelter sein wuerde als sein Nachfolegeexemplar muss dem nachgepflanzten absolut vorgezogen werden. Architekten und Staedteplaner scheinen von der Natur wenig Ahnung zu haben.

    Wie oft sehen wir Architektenzeichnungen von ihrem Machwerk das von reifen, ausgewachsenen Baeumen gesaeumt wird! Schoen waer's weil dadurch fuer den Betrachter ein verhuellender Schleier entsteht, aber auf diesen muss man 20 - 30 Jahre warten.

  • Auf der Homepage von Kondor Wessels sind offenbar die überarbeiteten Entwürfe für die Humboldtstr. 1-2 zu sehen.

    Auf den ersten Blick ist kein Unterschied zum ursprünglichen Entwurf zu sehen. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass die mittleren 3 Fensterachsen nach vorne gerückt wurden und dass die Rahmung des Eingangs etwas kräftiger ausfällt. Weiterhin wurde der Raum zwischen den Fenstern an den Ecken und im 1. OG anders gestaltet. Insgesamt ein kleine Verbesserung.

    Neu: Kondor Wessels Berlin: Humboldtstraße 1-2

    Alt: http://static.pnn.de/fm/61/thumbnai…jpg.5008228.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von campus solis (2. Mai 2012 um 23:01)

  • Humboldt 1: weiss jemand, wie die Sockelzone abgesetzt ist? Hier wirkt es als sei dies nur farbig - gepflegte Langeweile ist der richtige Ausdruck.

    Humboldt 3: Die Rück- bzw. Wassserseite der Humboldt 3 wirkt sehr trivial-kleinstädtisch. wer ist denn da der Architekt?

  • Nun sind mittlerweile fast alle Bäume auf den Baugrundstücken an der alten Fahrt abgeholzt. Auf dem Grundstück Humboldtstr.1 wird auch gerade mit den Ausgrabungsarbeiten begonnen. Zu sehen sind bereits Kellerräume des alten Palasthotels:


    2 Mal editiert, zuletzt von buergm (9. Mai 2012 um 12:58)