Weshalb ein unglücklicher Vergleich? Waren es nicht ganz konkret Absicht und Tun der Nazis, daß die jüdische Kultur und Religion eben keine mit Leben mehr erfüllte sein sollte? Genau in diesem Zusammenhang habe ich das Wort gebraucht. Damit entspricht meine Aussage doch ziemlich dem, was Du auch geschrieben hast: „aus dem Bewußtsein der Menschen streichen, als ob es sie nie gegeben hätte“.
Ich finde ja, es wäre schon viel erreicht, wenn alle die noch existierenden Synagogenbauten erhalten und in einen würdigen Zustand versetzt würden (schon da hapert es). Vielleicht bieten die sich tatsächlich auch für die von Dir benannten Zwecke an, wenn man z.B. in einer fränkischen oder badischen Landsynagoge das einstmals vor Ort existierende jüdische Leben dokumentiert, denn es ist ja leider eine Tatsache, daß nur noch wenige der erhaltenen Synagogen ihrem ursprünglichen Zweck dienen und wirklich Orte der Gemeindeversammlung und Religionsausübung sind.
Aber hat es nicht auch irgendwie eine zynische Seite, wenn man eine Kultur und Religion ins Museum steckt, sie zum Ausstellungsgegenstand macht und auf ihre Großartigkeit und ihren immensen Beitrag zu unser eigenen Kultur verweist, wenn man nämlich zuvor die Menschen, die Träger dieser Kultur und Religion waren, vertrieben und umgebracht hat?
Wir sollten uns aber vielleicht an dieser Stelle auf die reine Rekonstruktionsfrage beschränken, die „erbse“ mit einer bestimmten Frage angestoßen hatte und zu der ich einige grundsätzliche Überlegungen beisteuern wollte.
Ich will ja gar nicht behaupten, daß ich mit meinen Überlegungen richtig liege. Wie immer, wenn man sich in andere hineinzudenken versucht, kann das gründlich mißlingen.
Und ich sehe durchaus auch den Punkt, daß wir hier im Strang über andere reden, anstatt mit ihnen zu reden.
Es muß aber doch Gründe geben, warum es in den letzten 25 Jahren, seit die Rekonstruktionsdebatte – angestoßen von den Debatten zur Dresdner Frauenkirche und dem Berliner Schloß – eigentlich zum täglichen gesamtgesellschaftlichen Diskurs gehört, es mit Ausnahme der Herfoder Synagoge bislang ausschließlich zu virtuellen Rekonstruktionen von Synagogen gekommen ist und nicht einmal diese (und damit ganz anders als die Berliner Schloßsimulation) den Wunsch nach realen Rekonstruktionen erzeugt zu haben scheinen.
In Herford lag der Fall ja wohl so, daß sowohl das jüdische Schul- und Gemeindehaus wie die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof noch existierten, und Gemeindehaus und Synagoge einstmals einen Gesamtkomplex bildeten. Alle drei Bauten zeigten zudem denselben Stil. Aus dieser konkreten Gesamtsituation heraus wurde wohl der Wunsch geboren, die ehemals bestehende Einheit wieder herzustellen, weshalb man sich für die Rekonstruktion entschied.
Aber wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß dieser Wunsch von Seiten der jüdischen Gemeinde selbst kam.
Wir mögen uns ja als Architekturfreaks noch so sehr weitere Rekonstruktionen von Synagogen wünschen, aber wir sollten nichts forcieren und vermeiden, uns als Außenstehende, als Nichtjuden so zu verhalten, daß es paternalistisch wirkt.
Vielleicht kommt irgendwann die Zeit, wo tatsächlich noch andere jüdische Gemeinden eine Rekonstruktion erwägen.