Wien - Südbahnhof wird Hauptbahnhof

  • So ist es. Für mich war der ehemalige (ich glaube) Nordostbahnhof ohnedies das Prachtstück unter den Wiener Bahnhöfen - im Inneren ca wie das Heeresgeschichtliche Museum, wie mir mein Vater, der den alten Bahnhof noch kannte, erzählte. Auch hier ist der stehengebliebene Teil erst in den 60er Jahren abgerissen worden...überhaupt sieht dieser einst prachtvolle Boulevard vor dem Riesenrad und dem Teggethoff-Denkmal heute trostlos und versifft aus. Leider auch durch die Neugestaltung des "neuen" Pratersternbahnhofs, der irgendwie eine Mischung aus Käfig und Schuhschachtel darstellt. Wien ist an den Stellen, wo die Nachkriegsarchitekten und heutigen Architekten losgelassen wurden einfach grauenhaft hässlich.

  • Kleist hat 2009 bereits von alle 6 Wiener Kopfbahnhöfen eine Abbildung eingestellt!

    Hier aber noch eine detailiertere Hommage an den ehemaligen Südbahnhof:

    So sah das Ensemble bis 1945 aus:

    Links im Vordergrund das Arsenal (Kaserne) dann das ausgedehnte Grün der spätere Maria-Josefa-Park (heute Schweizergarten) dann folgt der ehemalige Staatsbahnhof (der größte der Wiener Bahnhöfe) der wie ein Riegel das Bild teilt, dann das Gebäude in gelb mit dem deutlich roterem Dach war das Verwaltungsgebäude und Restauration für beide Bahnhöfe, dahinter das ausgedehnte Industriegelände der Lokomotivfabrik der StEG oder kurz "k.k. landesbefugte Maschinen-Fabrik in Wien der privilegirten österreichisch-ungarischen Staats-Eisenbahn-Gesellschaft" und recht vom Verwaltungsgebäude dann erst der ehemalige Südbahnhof
    Zwischen den Ensemble der Bahnhöfe und ihres mittigen Verwaltungsgebäudes befand sich die Freifläche des Gehga-Platzes.
    Hier das ganze noch mal planmäßig:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…Wien_S%C3%BCd-_
    Auf Straßenniveau sah das ganze von der Ecke Gürtel/Prinz Eugen Straße so aus - also Gehga Platz mit links Verwaltungsgebäude und rechts Südbahnhof
    #

    Dieser war der einzige, an dem die Züge in Hochlage in die Stadt kamen:

    Blick vom Gürtel Richtung Südost

    Ein weitere Besonderheit für Wien war die palastartige oder tempelartige Ausführung:

    Darüber hinaus war er der einzige Bahnhof in Wien mit einer gemeinsamen Ankunfts- und Abfahrtshalle:

    erkenntlich am Plan ganz link die weiße Fläche mit der eingezeichneten Treppe

    Hier eine Aufnahme dazu:

    oder Blick gegen Südwand:

    Bei den Abrissarbeiten des 50iger Jahre Bahnhofs wurde man auf das aufmerksam, was diese schwarz-weiß-Bilder verheimlichen: dass alles sehr farbig und lebensfroh gestaltet war
    Der Einreichplan und einige Skizzen geben davon einen kleinen Eindruck:


    Hier Pläne des Hofsalons

    Wurde die Pracht ein Raub des 2. Weltkriegs?

    Es darf nie vergessen werden, dass die Kunst eines Landes der Wertmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern vor allem auch seiner Intelligenz ist

  • Er überstand das ganze relativ unbeschadet: Es wurden keine Bauschäden berichtet, sondern lediglich viel Glas (Glasdach der Ankunfts- und Abfahrtshalle) ging bei der Schlacht um Wien zu Bruch!

    Und obwohl das Bundesdenkmalamt ihn als den erhaltenswürdigsten Bahnhof in Wien beurteilte wurde er demoliert:
    von 1955 - 1961 wurde dann der Nachfolgebau für beide Bahnhöfe - also Süd- und Ostbahnhof - auf dem Freigelände des Gehgaplatzes errichtet:


    Aufnahme Ecke Gürtel/Prinz Eugen Straße

    Aufnahme Ecke Argentinierstraße/Gürtel
    Quelle: beide Bilder aus dem Archiv ÖNB

    Erst als er fertig war, konnte die Spitzhacke diesen Ausdruck des Kapitalismus und der Bourgeoisie beseitigen:

    Ouelle: ÖBB-Archiv

    Jeden der mehr wissen will, kann ich nur die Puplikation "Zeitschienen II - Der Südbahnhof in Wien" wärmstens empfehlen (Preis Euro 15,--)

    Es darf nie vergessen werden, dass die Kunst eines Landes der Wertmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern vor allem auch seiner Intelligenz ist

  • Bestätigt eigentlich nur, dass der Hass auf den Historismus in den 1950ern und 1960ern kein nachkriegsdeutsches oder BRD-spezifisches, sondern ein wenigstens mal nordeuropäisches Gesamtphänomen war. In den skandinavischen Ländern hat man in der Zeit ja auch wie bescheuert abgerissen.

  • Das Tragischtes daran ist aber, dass gerade stadtprägende Repräsentativbauten wie Rathäuser und Bahnhöfe, die man sich vlt noch in der Gründerzeit oder mit dem Boom ab 94/95 hatte leisten können, der Abrissbirne zum Opfer vielen. Ersetzt von Betonbunkern. Ich habe das gerade in Westfalen unglaublich oft gesehen, nicht nur in Großstädten auch in Provinznestern.

    Aber ich schweif ab^^

  • Das Design des neuen Bahnhofs ist gar nicht mal so schlecht. Allerdings nur von oben.
    Aus der Sicht eines normalen Menschen wird es wieder mal ein weiteres Prachtstück der Hässlichkeit. Abgesehen davon dass die Anbindung an den Südbahnhof so extrem schlecht ist dass ich mich wirklich wundere wie dieser zum neuen Hauptbahnhof verkommen sollte.

  • Eine der acht Löwenfiguren des alten Südbahnhofs stand in der Kassenhalle des Nachkriegsbahnhofs.

    Bildquelle: Wikipedia, Urheber 'Gryffindor'

    Diese ist nunmehr zurückgekehrt an den neuen Hauptbahnhof und sieht dort in etwa genauso deplatziert aus wie zuvor.

    Markuslöwe jetzt am Hauptbahnhof - ORF

    Hauptbahnhof bekam seinen Löwen zurück - heute.at

    Wiener Hauptbahnhof: Der Markuslöwe steht - DiePresse.com

    Es heißt in den Quellen stets, dass ein weiter Löwe sich in Laxenburg befinde und die restlichen sechs (im Krieg oder beim Abbruch in den 50ern) zerstört worden seien.
    Nun heißt es in einem Leserkommentar im zuletzt genannten Artikel: "Wenn Sie in die Wiener Straße nach Mödling fahren, stehen gegenüber der Wiener Straße 27 4 von den ehemals 8 Löwen. Grimmig blicken sie die Wiener Straße an und ärgern sich definitiv, dass ihre Existenz von der Presse bestritten wird."

    Weiß ein Austrianer vielleicht mehr darüber?

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • ch verbitte mir diese Anrede bzw fühle mich nicht angesprochnen. Ich bin Rapidler.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Also das mit den 4 vorhanden Löwen an der Wiener Straße 27 in Mödling bezweifle ich mal - hab mir die Denkmaliste einmal angeschaut und da ist zwar von 4 Postamentlöwen die Rede aber das Bild ziegt eindeutig, dass diese keinerlei Ähnlichkeit mit denen vom jetzt wieder im neuen Südbahnhof aufgestellten bzw. in Laxenburg aufgestellten haben:


    Quelle: Wikimedia.org

    Und ob die restlichen durch Kriegseinwirkungen zerstört wurden bezweifele ich nach der Durchsicht des Bildarchivs der OENB - zumindest 3 sind auf Grund der Aufnahmen (jeweils auf den Seitenpavillions am Dach) nachweislich vorhanden gewesen. Noch dazu sprach der Gesamteindruck und das Vorhandensein der sonstigen Plastiken am Dach für einen ungeschädigten Zustand - urteilt selbst:

    Quelle: Bildarchivaustria

    Es darf nie vergessen werden, dass die Kunst eines Landes der Wertmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern vor allem auch seiner Intelligenz ist