Berlin - Parochialkirche

  • Aus dem Turmprojekt hat sich das LDA weitgehend rausgehalten. Haspel und Schulte , seine Mitarbeiterin in der Baudenkmalpflege, wurden zwar regelmäßig unterrichtet, es gab aber keine grundsätzlichen Auflagen. Was der Laie nicht versteht, gehorcht dennoch einer gewissen Logik und Konsequenz: Es handelt sich beim Turm nämlich um einen Neubau (!), es ging dem LDA vor allem um Fragen, die vorhandene Bausubstanz nicht zu schädigen. Das LDA hätte auch stillgehaten, wenn "Denkmal an Berlin" einen modernen Turm draufgesetzt hätten. Da bin ich mir sicher.

    Letztlich haben wohl auch taktische Gründe das Verhalten Haspels beim Turmnbau bestimmt. Es ist immer besser, einem Projekt zunächst kritisch gegenüber zu stehen und am Ende, wenn alles gut läuft, auf den Zug aufzuspringen. Dass das Projekt erfolgreich zu Ende geht, war anfangs keineswegs sicher. Und wenn das LDA ein Förderer des Turmbaus gewesen wäre, stünde es bei einem Mißlingen blamiert da.

    Und noch ein Hinweis zur Rolle Haspels und seines LDAs beim Wiederaufbau des Hunboldtforums: Auch hier ist man außen vor, weil es sich um einen Neubau handelt. Die Haltung der Behörde zu dem Projekt dürfte allerdings allen klar sein...

  • Habe heute beim Anhören des Mittagsgeläuts einige Bilder gemacht.

    Von Norden mit "Haspel-Gedächtnis-Feston" :zwinkern:

    Mitte März sollen die Gerüste dann endlich weg sein.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Weitere Fortschritte am Patzschke-Neubau rechts der Parochialkirche:



    Beim Herumgehen um die Kirche fühlt man sich ein bisschen wie in einer alt-Berliner Welt...






    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Wie gut sind den jetzt die Details , bzw. die Reko des Turmes ? Ich hatte nämlich einmal hier im Forum gelesen , das jemand geschrieben hatte (das wäre eine dem Geldmangel geschuldete " Billige " vereinfachte Kopie des Turmhelmes). huh:)

  • Wie gut sind den jetzt die Details , bzw. die Reko des Turmes ? Ich hatte nämlich einmal hier im Forum gelesen , das jemand geschrieben hatte (das wäre eine dem Geldmangel geschuldete " Billige " vereinfachte Kopie des Turmhelmes). huh:)

    Eine letzendlich Beurteilung von Cocceji würde mich auch interessieren.

    Die Kapitelle wirken auf mich gerade im Detail z.B. wenig gelungen:

    Sie sehen irgendwie seltsam und neuinterpretiert aus. Und generel stimmt irgendwas nicht mit den Proportionen der Säulen, oder?

    Edit:
    Der Patzschke-Bau ist zwar noch nicht komplett entblättert, aber er fügt sich unerwartet gut in das Ensemble ein. Da war ich anfangs etwas skeptischer, das verfliegt aber je mehr man tatsächlich sieht. Von den Proportionen gut gelungen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Treverer (27. März 2017 um 08:06)

  • Ja, sehe ich ähnlich! Die Plastizität der Kapitelle wirkt schwach. Waren die alten vielleicht ein Bronzeguß?
    Bei den Säulen stimmt die Entarsis nicht, so mein Eindruck. Also die Bauchung der Säulen. Sie wirken zu gerade gestreckt!?
    Aber gut, Feinheiten. Wunderbar ist doch der noch funkelnde Turmhelm insgesamt, der die Berliner Stadtsilhouette nun wieder bereichert.

  • Ein Turmhelm muss aus der Ferne und im Straßenbild wirken. Und da macht er einen hervorragenden Job... Wer meint, er muss mit dem Super-Objektiv unbedingt bis auf den cm ranzoomen, kann das ja machen, sollte den normalen Passanten aber nicht jucken, der sich einfach dran erfreut. ;) Auch Originale waren in diesen Höhen nicht immer fein und auf Spitzenniveau ausgearbeitet, weil man wusste, dass das so eh fast nie ein Mensch zu sehen bekommt.

    Danke jedenfalls für die großartigen Bilder, mein Herz lacht! Da bekommt man doch wieder Hoffnung, dass zumindest ein Teil des altstädtischen Berlins allmählich zurückkehrt.

  • Ich kopiere im Folgenden noch mal meine Einschätzung im Beitrag 420 hier rein:

    @Fachwerkliebhaber


    da muss ich leider vehement widersprechen. Hochwertig ist die
    handwerkliche Ausführung der Außenhaut nicht. Leider. Was aber nicht an
    der beauftragten Firma aus Leipzig liegt. Sie tut ihr bestes. Es ist
    letztlich eine Frage des Gesamtbudgets und der Planung.


    Dem Verein "Denkmal an Berlin e. V." und dem Architekten gebührt Respekt
    und Anerkennung, den Turmbau angestoßen und zu Ende gebracht zu haben.
    Was die Form und Verarbeitung angeht, kann ich aber leider die
    Begeisterung nicht teilen.


    Der Turm der Parochialkirche wird eine in ihrer Fertigung äußerst
    "sparsame" , reduzierte und leider historisch fehlerhafte Textur der
    Außenhaut bekommen, was bei den Kompositkapitellen der Säulen und
    Pfeilern endet, aber schon an ganz anderer grundsätzlicher Stelle
    beginnt.


    Exemplarisch:

    Die besten Baumeister Berlins haben Anfang des 18. Jh. einen Turm
    entworfen und erbaut, der zu den reifsten Leistungen Berliner
    Barockarchitektur gehörte. Es ist ein Wechselspiel von Kreisform und
    rechtem Winkel. DieGrundform der Geschossebenen im hölzernen Turm war
    immer ein verkröpftes Kreissegment. Auf dieses charakteristische Prinzip
    wird nun im Nachbau gänzlich verzichtet. Es gibt keine Kreissegmente,
    stattdessen sind die Grundrisse polygonale Vielecke, was aus meinerSicht
    ein schwerwiegender Fehler ist. Die Lösung ist kostengünstiger und
    schneller bzw. einfacher herzustellen, hat aber negative Auswirkungen
    auf die Gesamtharmonie.


    Die Gesamtproportionen des Turmes und die Profilabwicklung der Gesimse
    sind zum Teil unstimmig und fehlerhaft, obwohl eine photogrammetrische
    Auswertung stattgefunden hat. Das Dach über dem Glockengeschoss ragt
    viel zu weit über. Die Säulen sind im Durchmesser zu schmal und die
    großen Voluten zwischen den Uhrengauben deutlich zu klein. Durch diese
    Abweichungen besitzt der Nachbau nicht die Ausgewogenheit des Originals.


    Brilliant umgesetzt und identisch mit dem historischen Turm ist der Bereich der Löwen mit dem quasi schwebenden Obelisken.


    Insgesamt steht das Projekt unter einem hohen Kosten- und Zeitdruck und
    hat leider eine Projektstruktur, die äußerst ungünstig ist. Zudem ist
    der Blick von Wall und dem Verein in erster Linie aufdas Glockenspiel
    gerichtet und nicht auf die historische Genauigkeit der barocken
    Schmuckfassade.

  • Die Kapitelle wirken auf mich gerade im Detail z.B. wenig gelungen:

    Wenig gelungen? Die sind ehrlich gesagt ne Katastrophe...... Sehr enttäuschend... Ich frage mich: Es gibt sehr gute Bildhauer/Modelleure, die das blind und aus dem FF können. Wieso greift man auf solche nicht zurück???.....

  • Daneben haben sich aber auch interne Faktoren, auf die ich nicht näher eingehen will, eine bessere Lösung verhindert.


    Die Kompositkapitelle sind natürlich miserabel. Und das hat nicht am Geld gelegen. Sie waren auch historisch aus Blech und nicht gegossen.

    Im Folgenden stelle ich die entsprechenden Seiten der "Analyse zur Rekonstruktion der barocken Schmuckfassade " hier rein:





    hier der Abschnitt mit den Säulen. Sie sind vor allem viel zu schmal proportioniert.


  • Mal ehrlich, habt ihr euch das Stadtbild auf Cöllner und Altberliner Seite in letzter Zeit mal angesehen?
    So ärgerlich eine teils fehlerhafte Ausführung dieser Turmrekonstruktion im Detail sein mag, es gibt noch so verdammt viel zu tun in der Ecke. Da ist es jetzt vergeudete Energie und Liebesmüh, sich mit einem ohnehin erstmal vollendeten Bauwerk den Kopf zu zermatern. Berlins Städtebau-Probleme sind östlich der Spree so gigantisch, dass diese Diskussion geradezu ein Hohn ist...

  • das mag stimmen, dennoch nuss man schauen, welche Lehren man für künftige Bauvorhaben ziehen kann. Und solange zum Teil öffentliche Gelder verwendet werden, darf man mindesten das Ergebnis bewerten und dieses Forum ist einer der wenigen Orte dafür.

  • Berlins Städtebau-Probleme sind östlich der Spree so gigantisch, dass diese Diskussion geradezu ein Hohn ist...

    Na ja, es geht in diesem Zusammenhang aber nicht um die - zugegebenermaßen - riesigen städtebaulichen Probleme Berlins, sondern um die Frage, wie man einen hochbedeutenden Bau(teil) fachmännisch-wissenschaftlich rekonstruieren muss - und es andererseits eben nicht tun darf.

    Da muss man sich doch einfach nicht wundern, wenn die Kritik an Rekos einfach nicht abreißt und am Ende die gesamte Fachwelt - teilweise zu recht - drüber herfällt und sie in der Luft zerreißt.
    Mit der Frauenkirche hier ist das nicht passiert, da solche groben (!) Schnitzer dort nicht passiert sind (andere gleichwohl auch), aber es geht wie gesagt um die leicht vermeidbaren Fehler.

    Natürlich waren die Kapitelle dort oben keine schweren Guss- sondern Kupfertreibarbeiten. Alles heute noch machbar...

  • Wenig gelungen? Die sind ehrlich gesagt ne Katastrophe.

    Ich habe mich mit stärkerer Ablehnung zurückgehalten, weil ich bis auf das Anschauungsmaterial, was Cocceji uns erst jetzt gezeigt hat, keinen Vergleich zu der Originalgestaltung hatte. ;) Nachher hätte noch wer gesagt: "Krieg dich mal ein, hier, das sah nämlich früher genau so aus."
    Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass man die Säulen und Kapitelle so falsch und miserabel interpretieren würde. Hat man aber. Das zeigen die Vergleichbilder eindeutig. :/

  • .. wobei das nichts mit Interpretation zutun hat, sondern mit Ignoranz (seitens des Architekten), Kompetenz (Ausführungsplanung) und Transparenz (Projektstruktur) neben den schon aufgeführten Aspekten wie handwerkliche Fähigkeit und finanziellen Möglichkeiten. Letzteres spielt aber bei den hier genannten Mängeln keine Rolle.

    Es ist kein Scherz: Die Kapitelle hat eine Praktikantin bzw. Auszubildene gefertigt, zumindest in der Anfangsphase.


    Jeder Zentimeter der barocken Schmuckfassade war erforscht und virtuell rekonstruiert, zusätzlich gab es eine photogrammetrische Berechnung. Und dann zum Teil diese Ergebnisse. Es ist zum Heulen, wenn man weiß, was möglich gewesen wäre.

    Ich muss mich hier leider zurückhalten. Aber die Umsetzung des Bauvorhabens war zum Teil skandalös.

    Wir sprechen hier über die wichtigste und schönste Barockkirche in Nordeuropa...

  • Wir sprechen hier über die wichtigste und schönste Barockkirche in Nordeuropa...

    Na das halte ich doch, bei all meiner Laienmeinung, für etwas überbewertet und selbst wenn du Norddeutschland nimmst, gibt es da noch streitbare andere Kandidaten. (War mit Nordeuropa eigentlich nordalpin gemeint?)