• Zitat von "ursus carpaticus"


    Zerstörung der gewachsenen Marktfront als Preis dafür, dass irgendwelche hinteren Teile penibel an Ort und Stelle erhalten bleiben (wenn sie geschichtlich ach so wertvoll sind, hätte sie ausbauen und musealer Pflege zuführen können, bei gleichzeitiger Bewahrung des äußeren Erscheinungsbildes).
    Dem haftet beinahe etwas Kultisches an.

    Ich werde mich jetzt nicht über Gera streiten. Aber angesichts solcher Kommentare zum Jenaer Haus Markt 16 würde ich Dich herzlich bitten, Dir zumindest kurz mal diese Seite oder doch wenigstens den bunten Längsschnitt am unteren Ende der Seite anzusehen:
    http://www.stadtspeicher.de/index.php?opti…e&id=2&Itemid=2" onclick="window.open(this.href);return false;\r
    http://www.stadtspeicher.de/index.php?o ... 2&Itemid=2

    Die "irgendwelchen hinteren Teile" sind die Fachwerkkonstruktion des Hauses. Bei einem "Ausbau und musealer Pflege" wäre das Haus weggewesen. Und wieder stellt sich so die Frage: altes Haus oder schöne Fassade, wobei hier nicht mal die Fassade schön war.

    Zitat


    Eine derartige "Denkmalpflege", die nach außen, noch dazu zur Marktfront, nichts von der alten Substanz übriglässt, ja, die ihren (bescheidenen) ästhetischen Wert aus der Störung, ja der Zerstörung des historischen Zusammenhanges bezieht, ist schlechthin ridikülös.

    Ich halte das Einzeldenkmal für wesentlich bedeutender als die Fassade aus den 60er Jahren. Um das Denkmal zu retten, mußte die Fassade fallen (siehe oben). Die Entscheidung über eine Neugestaltung oder eine Rekonstruktion - auch hier noch mal die Frage, von welchem Zustand eigentlich? - ist nur noch begrenzt eine Sache der Denkmalpflege.

    Zitat


    Man stelle sich das mal mit 500 multipliziert vor: eine Altstadt aus Glasfassaden, die aber zeitgemäß-authentisch renoviert ist und dahinter die wertvolle Originalsubstanz penibel erhalten hat.


    Vorstellen kann man sich vieles und mir wäre diese Vorstellung sogar lieber als eine "Altstadt" nach einem Totalabriß der originalen Bausubstanz und einer Rekonstruktion der Fassaden bzw. nur originalen Fassaden und dahinter Betonwüsten. Aber so eine Fassade funktioniert eben auch nur nur, weil es sie nicht 500 mal gibt und sie dadurch das Gebäude aus den übrigen heraushebt als öffentliches Gebäude mit besonderer baugeschichtlicher Bedeutung.

  • Ursus, in dieser Hinsicht sind wir ja mal voll auf einer Wellenlänge! :schockiert:
    Über das ganze intellektuell-theoretische Denkmaldenken hinweg vergißt man gänzlich die Ästhetik einer Stadt. Da hat man dann lieber einen Marktplatz aus Beton und Glas ohne jeden Bezug auf die ästhetische Geschichte der Stadt, Hauptsache irgendwelche alten Holzstufen, über die Goethe in sein Schlafgemach gewandelt ist, bleiben erhalten.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    Und wieder stellt sich so die Frage: altes Haus oder schöne Fassade, wobei hier nicht mal die Fassade schön war.

    Was heißt hier eigentlich "schon wieder". Die ganze Diskussion "Altes Haus oder schöne Fassade" ist doch eine reine Schein-Diskussion. Selbst in dem vorgestellten Fall hätte man ja durchaus einen der früheren Fassadenzustände rekonstruieren können (warum nicht die gotische, unter der Voraussetzung hinreichender Dokumentation?!) oder eine ästhetisch anspruchsvolle, an thüringische Bautraditionen angelehnte neue Fassade bauen können. Auf die rein (fachwerk)bautechnische und denkmalpflegerische Problematik dessen, was man stattdessen gemacht hat, hat RMA ja bereits hingewiesen.

    Wie oft wird also bitte der Fall eintreten, daß man sich wirklich zwischen beidem entscheiden muss? Vielleicht einmal in einer Million Fälle!

    Ich würde daher gar nicht erst groß versuchen, umständliche Begründungen für eine Entscheidung in dem einen oder anderen Sinn zu geben; das führt doch nur in die Irre. Und ich würde ursus und youngwoerth empfehlen, das genauso zu halten.

    Ich persönlich würde übrigens, wenn ich denn vor diese Wahl gestellt wäre und es wirklich keine Möglichkeit gibt, beides zu erhalten, tatsächlich auf die schöne Fassade zugunsten der Originalsubstanz verzichten. Aber wie gesagt handelt es sich ohnehin um so verschwindend wenig Einzelfälle, daß das praktisch nicht von Bedeutung sein dürfte.

    @ LE Mon. hist.:
    Ich harre noch einer Antwort auf meine Ausführungen 8)

  • @ LE Mon. hist.:

    Deine Bilder und Erklärungen sind sehr interessant. Ich habe Jena seit Juni 1989 nicht mehr gesehen und finde alles im allem, dass die Stadt sich gut entwickelt hat. Man sollte ja nicht vergessen wie der Markt in 1989 ausgesehen hat. Damals hatte die Stadtkirche sogar flache Dächer und keinen Turmhelm.

    Der Glassbau am Markt finde ich ganz lustig, man hätte aber Problemlos eine normale Fassade errichten können. Hier scheint man in Jena nicht ganz konsequent zu sein. Auf der einen Seite gibt es viele angepasste Neubauten, auf der anderen werden neue kontraste erzeugt. Was mich sehr negativ überrascht hat sind die Pläne für den Eichplatz. Im Bebauungsplan steht wörtlich, dass historisierende Neubauten vermieden werden sollen! So ein Blödsinn.

    Hier sieht man übrigens was abgerissen wurde - eine Jammer: http://www.jentower.de/Historie&Daten_Historie.htm" onclick="window.open(this.href);return false;\r
    http://www.jentower.de/Historie&Daten_Historie.htm

    Bilder aus Altenburg und Gera wären übrigens sehr interessant.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Auch in dieser Diskussion fehlt mir wieder die Beachtung unserer spezifischen Situation in Deutschland. Auch Jena besteht in seinem Kern nur noch aus kläglichen Resten, also müsste eigentlich jede Rekonstruktion Vorrang haben, unabhängig von der ehemaligen Bedeutung des Hauses.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • @ ursus carpaticus und Philon
    Ich möchte noch mal nachfragen, ob ich das

    Zitat


    Zerstörung der gewachsenen Marktfront als Preis dafür, dass irgendwelche hinteren Teile penibel an Ort und Stelle erhalten bleiben


    und das

    Zitat


    Ich persönlich würde übrigens, wenn ich denn vor diese Wahl gestellt wäre und es wirklich keine Möglichkeit gibt, beides zu erhalten, tatsächlich auf die schöne Fassade zugunsten der Originalsubstanz verzichten.


    richtig verstanden habe. Gesetzt den Fall, ihr hättet die Entscheidung treffen müssen, hättet ihr wirklich ein nahezu komplett erhaltenes Fachwerkhaus von 1384 und ein zweites von 1435, von denen es in Deutschland grob über den Daumen gepeilt vielleicht noch 100 gibt und die wenigsten davon so gut erhalten, geopfert, um eine Fassade zum Markt hin zu erhalten, die im 17. Jh. errichtet worden war, 1737 verändert und im 19. Jh. komplett neu gestaltet wurde, um 1900 ein historistisches Dekor erhalten hatten, welches in den 1960er Jahren wieder abgenommen wurde und wie es sie zu Tausenden in deutschen Städten gibt?

    Ich halte das auch nicht für eine Scheindiskussion, denn genau bei der Beantwortung dieser Frage werden offenbar ganz wesentliche Unterschiede deutlich in der Bewertung von (historischer) Architektur zwischen "den Denkmalpflegern", zu denen ich mich mal dazu zähle, und "den Rekonstruierern" oder "APH"lern oder wie immer "ihr" auch genannt werden möchtet.

    Zitat


    Selbst in dem vorgestellten Fall hätte man ja durchaus einen der früheren Fassadenzustände rekonstruieren können (warum nicht die gotische, unter der Voraussetzung hinreichender Dokumentation?!) oder eine ästhetisch anspruchsvolle, an thüringische Bautraditionen angelehnte neue Fassade bauen können.

    Für den gotische Fassade gibt es meines Erachtens keine bildliche Quelle, an der man sich hätte orientieren können. Auf welchen Grundlagen hätte eine solche Rekonstruktion erfolgen sollen? Außerdem war das Haus noch eine Etage niedriger als die heute umgebenden Bauwerke und vor allem war es giebelständig. Erst im 17. Jh. wurde der Dachstuhl mit der Traufe zum Markt gestellt und 1737 ein Stockwerk aufgesetzt.
    Das Stockwerk mußte nun aber aus den genannten Gründen wieder abgenommen werden. Das heißt aber auch, dass jeder Rekonstruktion einer jüngeren Fassade - es gibt ja genügend zur Auswahl ;) - ein Geschoß gefehlt hätte. Spätestens beim Umbau um 1900 wurde den Ansprüchen der Zeit entsprechend die alte Fassade im Erdgeschoß zugunsten einer Ladenfront beseitigt.

    Zitat


    Auf die rein (fachwerk)bautechnische und denkmalpflegerische Problematik dessen, was man stattdessen gemacht hat, hat RMA ja bereits hingewiesen.


    Ich bin bei Fragen nach Raumklima etc. viel zu wenig bewandert, um mitreden zu können. Das Haus ist öffentlich zugänglich und man wird sehen, wann und ob die prognostizierten Schäden eintreten.

    Zitat


    Wie oft wird also bitte der Fall eintreten, daß man sich wirklich zwischen beidem entscheiden muss? Vielleicht einmal in einer Million Fälle!


    Und trotzdem ist es eine grundsätzliche Frage für andere Fälle: Schöne Fassade oder Denkmal im Sinne der üblichen Definition - gebautes historisches Zeugnis?

  • philon schrieb: "Wie oft wird also bitte der Fall eintreten, daß man sich wirklich zwischen beidem entscheiden muss? Vielleicht einmal in einer Million Fälle!

    Ich würde daher gar nicht erst groß versuchen, umständliche Begründungen für eine Entscheidung in dem einen oder anderen Sinn zu geben; das führt doch nur in die Irre. Und ich würde ursus und youngwoerth empfehlen, das genauso zu halten."

    Grundsätzlich (und auch nicht nur grundsätzlich) völlig richtig.
    Bei meiner Stellungnahme ging es mir zunächst darum, dass
    a) ich, von einem völlig Neubau bzw einer Baulücke ausgehend, die moderne Fassade nicht so verrissen habe wie andere hier
    b) diesen denkmalamtlichen Fehlgriff, der hier vorliegt, unter Zugrundelegung der für die Planer dieses Wahnsinns GÜNSTIGSTEN Sachverhaltsannahme, bloßstellen wollte. D.h., selbst wenn dies die einzig (im wahrsten Sinne des Wortes) tragfähige Fassadenlösung gewesen wäre, würde es sich um einen Schwachsinn handeln.

    Dass diese Alternative ja in Wahrheit gar nicht besteht, wie du zurecht ausführst, erleichtert in der Tat unseren Standpunkt enorm, bzw legt diesen Unsinn in seiner ganzen Schärfe offen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "LE Mon. hist."

    um eine Fassade zum Markt hin zu erhalten, die im 17. Jh. errichtet worden war, 1737 verändert und im 19. Jh. komplett neu gestaltet wurde, um 1900 ein historistisches Dekor erhalten hatten, welches in den 1960er Jahren wieder abgenommen wurde und wie es sie zu Tausenden in deutschen Städten gibt?

    Die Frage ist für mich nicht, ob es sie in tausend deutschen Städten noch gibt, sondern dass sie zu zehntausenden durch den Krieg vernichtet worden sind und sich die hier diskutierte Fassade am zentralen Marktplatz einer Großstadt befindet. Wie viele komplett erhaltene oder wiederhergestellte Marktplätze in deutschen Großstädten gibt es denn noch? Getreu dem üblichen Denkschema haben wir heute ein Betonmuseum neben dem Kölner Dom, ein Betonhaus am Bremer Marktplatz, einen Betonkomplex am Münsterplatz in Ulm, einen Betonbreuninger am Münsterplatz in Freiburg, einen Betonkarstadt beim Marienplatz in München, und fast hätten wir ein Betongewandhaus am Dresdner Neumarkt bekommen. Alles nur deswegen, weil Fassade und Ensemble - wie auch bei Dir - in den Hintergrund rücken und der Wandel der Zeit (vor allem wenn dieser im Historismus stattgefunden hat) als Abwertung der Fassade begriffen wird, obwohl ja auch diese Veränderungen ablesbare Geschichte darstellen, und dafür aber kunsthistorisch-denkmalpflegerische Werte bedacht werden, die aber an den angesprochenen Ästhetikproblemen und der durch die Bombardierung stattgefundenen Identitätsverstümmelung deutscher Städte nichts ändern. Unter gegebenen Umständen ist mir die Fassade - und somit die Ensemblewirkung bzw. Wiedergewinnung der Ensemblewirkung durch Rekonstruktion - an einem deutschen Marktplatz wichtiger als das, was sich hinter dieser Fassade befindet.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    richtig verstanden habe. Gesetzt den Fall, ihr hättet die Entscheidung treffen müssen, hättet ihr wirklich ein nahezu komplett erhaltenes Fachwerkhaus von 1384 und ein zweites von 1435, von denen es in Deutschland grob über den Daumen gepeilt vielleicht noch 100 gibt und die wenigsten davon so gut erhalten, geopfert, um eine Fassade zum Markt hin zu erhalten, die im 17. Jh. errichtet worden war, 1737 verändert und im 19. Jh. komplett neu gestaltet wurde, um 1900 ein historistisches Dekor erhalten hatten, welches in den 1960er Jahren wieder abgenommen wurde und wie es sie zu Tausenden in deutschen Städten gibt?

    Offensichtlich hast du meine Aussage nicht richtig verstanden. Wie klar soll ich denn noch sagen, daß ich die mittelalterliche Originalsubstanz jederzeit einer "schönen Fassade" vorziehen würde?! Wie kommst du darauf, ich hätte das Gegenteil behauptet?

    Insofern bin ich durchaus mit dem Denkmalschutz und seinen Kriterien einig. Ich weise "nur" seine Beschänkung auf (zufälligerweise) Erhaltenes als dogmatische Verengung zurück. Das habe ich aber bereits in meinem ersten Beitrag ausführlich dargelegt, auf den du bislang mit keinem Sterbenswörtchen eingegangen bist.

    Es mag übrigens durchaus sein, daß es andere hier im Forum gibt, die das in einzelnen Aspekten anderes sehen. Insofern gibt es "den Rekonstruierer" oder den "aph'ler" auch nicht. Es gibt unterschiedliche Positionen mit unterschiedlichen Akzenten, wobei eben die einen den stärkeren Akzent auf die ästhetische Dimension und die anderen den stärkeren Akzent auf die geschichtliche Dimension des zu Rekonstruierenden legen. Ich würde mich klarerweise zu den letzteren zählen.
    In der Praxis laufen die unterschiedlichen Akzentsetzungen üblicherweise ohnehin auf dasselbe hinaus, weil i.d.R. beides zusammenfällt und es ja, wie youngwoerth so richtig bemerkt hat, auch eine "ästhetische Geschichte" der Stadt gibt. Das war damit gemeint, daß die Diskussion eine Schein-Diskussion ist.

  • Dem Tenor nach hat youngw. völlig recht, mit einer kleinen Maßgabe:
    "Betonmuseum neben dem Kölner Dom, ein Betonhaus am Bremer Marktplatz, einen Betonkomplex am Münsterplatz in Ulm, einen Betonbreuninger am Münsterplatz in Freiburg, einen Betonkarstadt beim Marienplatz in München, und fast hätten wir ein Betongewandhaus am Dresdner Neumarkt bekommen."

    Diese Beispiele sind in diesem Zusammenhang nicht optimal (sieht man vom Münchner Kaufhof ab, Fr kenn ich nicht),da hier, eher AUSNAHMSWEISE, so etwas wie Architektur (und zwar nicht mal schlechte, wie vor allem in Bremen und Köln) passierte bzw in DD passiert wäre, eine Qualität die die Jenaer Glasfassade nie und nimmer erreicht.
    Übler sind da die die zahllosen Betonmonster untester Güte.
    Die Masse macht s, nicht diese (überwiegend) relativ gelungenen Beispiele modernen Bauens, die auch in einem unzerstörten Land hin und wieder passieren.

    Natürlich erhöht dieser Umstand, wie youngi völlig zurecht ausgeführt hat, die Verantwortung am Jenaer Hauptplatz, und natürlich wäre bei einem weitgehend erhaltenen Altbau daher eine entsprechend ansprechende historische Fassade zu rekonstruieren gewesen. Für provokante Glasfassaden sind wahrlich genug Baulücken vorhanden. Ich hätte überdies für eine Reko der historischen Fassade des Kirstenschen Hauses plädiert, weil diese als Abwechslung dem sehr schlichten Platzgefüge gut getan hätte. Dazwischen dann die Glasfassade- das wär anspruchsvoll und mutig gewesen (verärgert Dogmatiker jeder Seite).
    Aber so?
    Stumpfsinn und daneben kleinster gemeinsamer Nenner.
    Die Neubauten auf der Nordseite hab ich übrigens als nicht so übel empfunden, auch nicht einmal sosehr die auf der Westseite. Das Jenaer Mischmasch hat einen gewissen Reiz. Aber einen erhaltenen Altbau mit so einer Fassade zu versehen, dafür fehlt mir jegliches Verständnis.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "Philon"


    Offensichtlich hast du meine Aussage nicht richtig verstanden. Wie klar soll ich denn noch sagen, daß ich die mittelalterliche Originalsubstanz jederzeit einer "schönen Fassade" vorziehen würde?! Wie kommst du darauf, ich hätte das Gegenteil behauptet?


    Entschuldige bitte, das war mein Fehler. Ich hatte Deine Aussage gelesen, aber in meinem Hirn kam es genau andersrum an.

    Zitat


    Das habe ich aber bereits in meinem ersten Beitrag ausführlich dargelegt, auf den du bislang mit keinem Sterbenswörtchen eingegangen bist.


    Auch den werde ich noch einmal in Ruhe lesen und hoffentlich reagieren können. Aber ebentuell in einem anderen Thread.

    Dass es hier ein breiteres Meinungsspektrum innerhalb eines allgemeinen Grundkonsens bzw. eines gemeinsamen Grundanliegens gibt, nehme ich sehr wohl zur Kenntnis. Deshalb versuche ich ja auch, mitzudiskutieren, auch wenn ich bei einigen Themen anderer Meinung bin. Allerdings gilt das mit dem "es gibt nicht den ... " auch für Denkmalpfleger und Denkmalpflegerinnen bzw. allgemein Leute, die auch Architektur nach dem Historismus eine ästhetische Qualität bzw. einen (bau-)historischen Wert zuerkennen. Ich stoße hier aber nicht selten auf sehr allgemeine Spitzen gegen "die Denkmalpflege(r)".

  • Zitat von "ursus carpaticus"


    Natürlich erhöht dieser Umstand, wie youngi völlig zurecht ausgeführt hat, die Verantwortung am Jenaer Hauptplatz, und natürlich wäre bei einem weitgehend erhaltenen Altbau daher eine entsprechend ansprechende historische Fassade zu rekonstruieren gewesen. Für provokante Glasfassaden sind wahrlich genug Baulücken vorhanden.

    Eine Fassade hat meines Erachtens immer schon die Aufgabe, das Gebäude aufzuwerten, zu schmücken und herauszuheben. Deshalb hat man die mittelalterliche Fassade des Hauses durch eine neue Fassade im Barock ersetzt. Möglicherweise gab es ja auch eine völlig verlorene Renaissance-Fassade. Ca. hundert Jahre später wurde sie zusammen mit der Aufstockung überarbeitet, um im 19. Jh. und noch mal um 1900 wieder erneuert bzw. überarbeitet zu werden, mit Ladenfront und historistischem Dekor. Sie wurde immer wieder im Stil der jeweiligen Zeit erneuert und angepaßt, zuletzt in den 60ern. Das Gebäude dahinter wurde auch verändert, blieb aber im Grunde das Haus des 14./15. Jh. Insofern ist das, was hier in Jena geschehen ist, nicht so unhistorisch, wie bisweilen behauptet wird.

    Eine so herausragende Fassade - jetzt nicht als Qualitätsbegriff, sondern als "anders als ..." gemeint - z.B. bei einem sonst völlig belanglosen Neubau wie etwa an der Stelle des sogenannten Germanenhauses in der Mitte der Nordfassade neben der Göhre hätte meines Erachtens auch nicht funktioniert, denn sie hätte ein Gebäude gegenüber den anderen und vor allem gegenüber der Göhre herausgehoben, das eine solche Betonung nicht verdient gehabt hätte. Es ist nicht die Fassade irgendeines Wohn- und Geschäftshauses mit einem Drogeriemarkt im Erdgeschoß, einem Textilhändler darüber, zwei Anwaltspraxen und zwei Lofts, sondern einem der ältesten Häuser der Stadt, in der sich der Ausstellungsbereich Stadtspeicher und die Tourismus-Information befinden.

    Germanenhaus (im Krieg zerstört, bis Ende der 1990er weitgehend Brache):
    http://egov1.kommunenonline.de/fotodb/index.p…es&keywordId=59

    heute:

    Zitat


    Ich hätte überdies für eine Reko der historischen Fassade des Kirstenschen Hauses plädiert, weil diese als Abwechslung dem sehr schlichten Platzgefüge gut getan hätte. Dazwischen dann die Glasfassade- das wär anspruchsvoll und mutig gewesen (verärgert Dogmatiker jeder Seite).


    Da sind wir mit unserer Meinung nicht so weit auseinander. Auch ich hätte mir etwas wesentlich qualitätvolleres als dieses in seiner Fassade gespiegelte 08/15-Teil an der Ecke gewünscht und mir da etwas in Anlehnung an das Kirstensche Haus vorstellen können. So hätte z.B. die Kubatur des Hauses aufgegriffen werden können. Ein Freund von Rekonstruktionen bin ich wie gesagt nicht. Außerdem hätte man dann wohl auch konsequenterweise das Kaufhaus Hepprich rekonstruieren müssen, dass nun nicht gerade zu den interessantesten Häusern am Markt gehörte ;-):
    http://egov1.kommunenonline.de/fotodb/index.p…s&keywordId=551
    Oder aber links eine Reko eines immer noch nicht benannten Zustandes der Hauses Markt 16, rechts an der Ecke eine Reko des Kirstenschen Haues und in der Mitte an Stelle des Kaufhaus Hepprich die Hologramm-Fassade, obwohl dahinter ein Haus daraus wird. Ich weiß nicht, welcher Investor das hätte betreiben wollen und können.

  • Zitat

    Entschuldige bitte, das war mein Fehler. Ich hatte Deine Aussage gelesen, aber in meinem Hirn kam es genau andersrum an.


    Alles klar, kein Problem. :zwinkern:

    Zitat

    Auch den werde ich noch einmal in Ruhe lesen und hoffentlich reagieren können. Aber ebentuell in einem anderen Thread.


    Ich warte gespannt. :)

    Zitat

    Dass es hier ein breiteres Meinungsspektrum innerhalb eines allgemeinen Grundkonsens bzw. eines gemeinsamen Grundanliegens gibt, nehme ich sehr wohl zur Kenntnis. Deshalb versuche ich ja auch, mitzudiskutieren, auch wenn ich bei einigen Themen anderer Meinung bin. Allerdings gilt das mit dem "es gibt nicht den ... " auch für Denkmalpfleger und Denkmalpflegerinnen bzw. allgemein Leute, die auch Architektur nach dem Historismus eine ästhetische Qualität bzw. einen (bau-)historischen Wert zuerkennen. Ich stoße hier aber nicht selten auf sehr allgemeine Spitzen gegen "die Denkmalpflege(r)".

    Durchaus richtig, aber was die "Spitzen gegen die Denkmalpfleger" angeht, gibt es noch zwei gewichtige Unterschiede:

    Erstens sind diese Spitzen das Ergebnis zahlloser sehr leidvoller Erfahrungen mit Denkmalpfleger(innen), die sich auch dem kleinsten Rekonstruktionsvorhaben immer wieder und mit immer denselben nachgeplapperten Argumenten aufs aggressivste und vehementeste widersetzen. Und diese Erfahrungen wiederholen sich immer wieder ... insofern kann man da fast von einer induktiv bestätigten These sprechen. Das bestätigt sich auch darin, daß die wenigen Denkmalpfleger, die nicht auf der offiziellen Linie sind, sondern wie z.B. Mathias Donath Rekos dezidiert befürworten, sich selbst geradezu als Rebellen betrachten (müssen) und auch von der Zunft als solche betrachtet werden.

    Zweitens gibt es beim Denkmalschutz - anders als bei den "Rekonstruierern" - eine mehr oder weniger offizielle Doktrin, die nunmal dezidiert Anti-Reko ist (und noch eine ganze Reihe andere grundsätzliche geschichtsphilosophischer, geschichtstheoretischer, ästhetischer und praktischer Probleme aufweist). Und diese Doktrin wird nunmal an den Unis gelehrt und jedem Studenten vermittelt. Das erklärt im übrigen auch die Erfahrungen, die ich unter Punkt 1.) geschildert habe.

    P.S.: die betreffenden Erfahrungen machen z.B. die Altstadtfreunde in Nürnberg ständig. Wie plausibel findest du es z.B., dem Abriß eines gotischen Handwerkerhauses zwar zuzustimmen, nachdem die Altstadtfreunde es dann aber in letzter Sekunde aufgekauft, gerettet und renoviert haben, ihnen zu verbieten, einen in den 50'iger Jahren abgerissenen Dacherker dieses Hauses rekonstruktiv zu ergänzen?! Das ist "Denkmalschutz" live! Auf so einen Denkmalschutz verzichte ich lieber gleich.

  • Zitat von "youngwoerth"

    Die Frage ist für mich nicht, ob es sie in tausend deutschen Städten noch gibt, sondern dass sie zu zehntausenden durch den Krieg vernichtet worden sind und sich die hier diskutierte Fassade am zentralen Marktplatz einer Großstadt befindet. Wie viele komplett erhaltene oder wiederhergestellte Marktplätze in deutschen Großstädten gibt es denn noch? Getreu dem üblichen Denkschema haben wir heute ein Betonmuseum neben dem Kölner Dom, ein Betonhaus am Bremer Marktplatz, einen Betonkomplex am Münsterplatz in Ulm, einen Betonbreuninger am Münsterplatz in Freiburg, einen Betonkarstadt beim Marienplatz in München, und fast hätten wir ein Betongewandhaus am Dresdner Neumarkt bekommen. Alles nur deswegen, weil Fassade und Ensemble - wie auch bei Dir - in den Hintergrund rücken und der Wandel der Zeit (vor allem wenn dieser im Historismus stattgefunden hat) als Abwertung der Fassade begriffen wird, obwohl ja auch diese Veränderungen ablesbare Geschichte darstellen, und dafür aber kunsthistorisch-denkmalpflegerische Werte bedacht werden, die aber an den angesprochenen Ästhetikproblemen und der durch die Bombardierung stattgefundenen Identitätsverstümmelung deutscher Städte nichts ändern. Unter gegebenen Umständen ist mir die Fassade - und somit die Ensemblewirkung bzw. Wiedergewinnung der Ensemblewirkung durch Rekonstruktion - an einem deutschen Marktplatz wichtiger als das, was sich hinter dieser Fassade befindet.

    Gerade die Marktplätze der zerstörten Städte wurden oft halbwegs vernüftig wiederaufgebaut - vielleicht um zumindest eine gute Stube zu haben. Das gilt z.B. für Bremen (trotz der Bürgerschaft), Düsseldorf, Frankfurt, Aachen, Bielefeld, Paderborn, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Köln (verglichen mit dem Rest der Innenstadt), Münster, Osnabrück, Trier, Freiburg, Ulm (der Marktplatz), Hamburg (Rathausmarkt), Rostock, Halberstadt, Hildesheim, Karlsruhe, Mainz u.a. Klägliche Ausnahmen sind natürlich Stuttgart, Neubrandenburg und viele Ruhrstädte. Das Hauptproblem bilden oft die Fussgängerzonen.

    Was Jena betrifft ist der Marktplatz auf jedem Fall besser dran als in 1989. Aber selbstverstädlich hätte man problemlos eine ganz normale Fassade aufbauen können - warum soll unbedingt ein Kontrast erzeugt werden?

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • "Oder aber links eine Reko eines immer noch nicht benannten Zustandes der Hauses Markt 16, rechts an der Ecke eine Reko des Kirstenschen Haues und in der Mitte an Stelle des Kaufhaus Hepprich die Hologramm-Fassade, obwohl dahinter ein Haus daraus wird."

    Genau das hab ich gemeint.
    Mit den Anspielungen auf Vorgängerbauten ist das so eine Sache. Meistens sind sie eindeutig schwächer als das Vorbild, womit posthum bewiesen ist, dass die Entscheidung gegen die Reko falsch war.
    Ich kenn nur eine Ausnahme, wo ein solcher Neubau eine besondere, spezielle Qualität hat, bei der ich mir nicht sicher bin, ob sie doh nicht ebenbürtig ist (Potsdam, Neuer Markt).
    Aber wie hätte das beim Kirstenschen Haus, das zumindest in seiner letzten Gestalt vom historistischen Stuck lebte, funktionieren sollen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    (Potsdam, Neuer Markt)


    Fantastisch, dieses Haus! Es beweist, dass es da noch etwas gibt außerhalb von Rekonstruktion, untergeordnetem Füllbau, und provokantem Modernismus! Leider erfahren gerade solche Bauten von Jury, Denkmalpflege, und Kunsthistorik oft die größte Ablehnung. An eine Weiterentwicklung alter Stile wird seit dem Historismus nicht mehr gedacht. Erstaunlich, dass diese Fassade in Potsdam an so einem zentralen Platz möglich war.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Insgesamt geht der Jenaer Markt wie gesagt so halbwegs an und zeigt deutlich den seit den 90ern bemerkbaren enormen architektonischen Fortschritt gegenüber der Wiederaufbauphase vor vier Jahrzehnten, von dem jedoch, wie es scheint, in erster Linie die sog neuen Bundesländer profitiert haben und von dem in der Alt-BRD nicht viel zu spüren zu sein scheint (vielleicht FF momentan ausgenommen).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    (Potsdam, Neuer Markt)

    Nur zur Info für alle, die das besagte Gebäude nicht kennen:

    http://www.potsdam-wiki.de/thumb.php?f=Ne…rkt_5.jpg&w=579
    -> Das Haus mit der Nummer 5, am Neuen Markt, entstand in den Jahren 1998 und 1999 als Neubau. Die Architektin Nikola Fortmann-Drühe hat sich bei der Gestaltung an den Vorgängerbau angelehnt: 1755 hatte Johann Gottfried Büring das ursprünglich hier stehende Haus entworfen. Die Architektin hat die historisierende Fassade mit einer Glasfront kombiniert. So entstand eine [gelungene] Verbindung zwischen Geschichte und Moderne.