Als ich in 1999 in Budapest war, sah das ehemalige Jüdische Viertel sehr zerfallen aus - teilweise sogar ruinös. Vor kurzem gab es dazu ein Bericht auf Deutschlandfunk "Budapest - sanierung der Altstadt". Leider scheint es nun sehr viele Abrisse der Altbauten zu geben (der Titel war deshalb viel zu positiv) - weisst jemand mehr darüber?
Hier der Text:
ZitatAlles anzeigenWo heute in Budapest sozial Schwache und Studenten wohnen, sollen Luxuswohnungen entstehen. (Bild: AP Archiv) Häuserkampf in Budapest
Die schwierige Sanierung der Elisabethstadt
Mit Marktwirtschaft und freiem Wettbewerb auch im Immobiliensektor hat sich das Stadtbild in vielen mittel- und osteuropäischen Innenstädten verändert. So auch in Budapest. Dort wird die alte Elisabethstadt saniert, das ehemalige jüdische Viertel: Und die Eingriffe sind so erheblich, dass sich jetzt erster Widerstand rührt. Jan-Uwe Stahr berichtet.Es wird gehämmert und gesägt, gebohrt und gebaggert in den engen, alten Strassen der Erszebetvaros, der Elisabethstadt. Das ehemalige jüdische Viertel, im 7.Bezirk von Budapest, scheint aus einem langen Dornröschenschlaf zu erwachen. Zwischen leer stehende Synagogen und niedrige, grau und verlassen wirkende Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhundert, schieben sich nun neue Appartementblocks, grell-bunt und bis zu sechs Stockwerke hoch. Wo heute vor allem sozial Schwache und Studenten wohnen, sollen jetzt Luxuswohnungen und Edelboutiquen entstehen. Doch nicht alle Budapester finden gut, was hier - nach Jahrzehnten der Vernachlässigung - in dem baufälligen Altstadtviertel des 7. Bezirks passiert.
"Ein wunderschöner, einladender Ort hätte das werden können und jetzt entsteht hier ein Parkhochhaus", sagt Orsolya Egri von der Bürgerinitiative OVAS (Owasch), zu deutsch Einspruch. Die große, schlanke Frau deutet auf eine breite Lücke, die Abrissbagger in die Straßenfront mit den zweistöckigen alten Wohnhäusern gerissen haben.
"Eigentlich sollte es geschützt werden, aber wie man sieht wurde es zerstört." Ohne Rücksicht auf die Vergangenheit und die bewegte Geschichte des einstmals jüdischen Ghettos werde die Altstadt hier abgerissen, klagt die Ovas-Sprecherin und Cafe-Haus Besitzerin Egri. Tatsächlich rissen Bagger im Frühjahr letzen Jahres eine breite Schneise durch die alten Häuser und Hinterhöfe. Vorbereitungen für eine überdachte Fußgängerzone, deren ursprüngliche Planung noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammte, aber nie verwirklicht wurde. Als die Bagger dann auch eines der schönsten alten Häuser, eine ehemalige Silberschmiede niederwalzten, gingen die Budapester auf die Barrikaden.
Man habe es einfach nicht hinnehmen wollen, dass die Investoren jetzt alles kaputtmachen, was der Krieg und der Sozialismus nicht zerstören konnte, sagt die Budapesterin. Die Ovas-Leute markierten die abrissgefährdeten Häuser mit einem für alle sichtbaren Zeichen. Organisierte öffentliche Rundgänge, zeigten den interessierten Budapestern die verborgenen Winkel der Erzszebetvaros, die noch immer ein wenig von dem Geist des einstmals quirligen jüdischen Lebens ausstrahlen. Und nach Meinung von Ovas durchaus renoviert und vitalisiert werden könnten. Kurz: Ovas rüttelte die Budapester auf und erreichte, dass endlich auch das staatliche Denkmalamt aktiv wurde: Eiligst wurde ein vorübergehender Abrissstopp in der Erszebetvaros verfügt. Und eine Liste aufgestellt mit 51 besonders schützenswerten Häusern. Allerdings gegen den erklärten Willen der zuständigen Bezirksverwaltung, sagt Denkmalschützer Atilla Györ:
"Wir stießen auf völliges Unverständnis. Wir sollten ihnen erklären warum wir ihre Pläne jetzt durchkreuzen. Und warum wir das nicht bereits vorher unter Denkmalschutz gestellt hatten. "
Nun kämpft auch das Budapester Denkmalamt auf der Seite von Orsolya Egri und der Initiative Ovas. Um in der Erszebetvaros zu retten, was noch zu retten ist. Doch es ist ein zäher Kampf. Denn in Budapest haben die einzelnen Bezirke die Planungshoheit und nicht die Stadtregierung. Eine europaweit einmalige Regelung, die auf die Wendezeit zurückgeht. Nur einzelne Häuser konnten deshalb vom staatlichen Denkmalamt geschützt werden, nicht aber Ensembles, ganze Straßenzüge oder das ganze Viertel, wie es sich auch die Budapester Stadtregierung wünschen würde.
Es sei schwierig gegen so viele Widerstände anzukommen sagt Orsolya Egri: Gegen die geschichtlich nicht interessierten jetzigen Bewohner der Erszebetvaros, gegen die äußerst korrupten Bürokraten und gegen die Interessen der Investoren, die mehr Geld mit Neubauten verdienen könnten als mit der Renovierung der alten Häuser. Auch für den staatlichen Denkmalschützer Attila Györ steht fest, wer in Budapest zurzeit das Sagen hat in der Bau- und Sanierungspolitik:
"Im Allgemeinen bestimmen die Investoren was gemacht wird und setzen ihre Interessen durch."