Historismus in Deutschland

  • Zitat

    ein Zentrum musste Zentrumsfunktion erfüllen können, und das in vielen Städten mit den kleinstädtischen Altstadtstrukturen eben nicht im vollen Umfang möglich. Also mussten größere, modernere Bauten geschaffen werden. Es bestand akute Wohnungsnot [...] ebensolche Abrisswellen waren eben auch zu Zeiten der Industrialisierung teilw. nötig, um die Städte nicht im Chaos versinken zu lassen.

    Hm, genau mit den Argumenten hat man freilich auch nach dem Krieg die mittelalterlich-frühneuzeitlichen Altstädte Deutschland nicht wieder aufgebaut.

    So ziemlich jeder einzelne dieser Sätze ist z.B. in Frankfurt in den Jahren 1945-50 fast wortgetreu gefallen, um die Entscheidung gegen den Wiederaufbau der gotischen Altstadt zu begründen...

    Also ich habe da wirklich Probleme, die Historismus-Fans zu verstehen. Worum geht es euch denn eigentlich? Um die alteuropäische Stadt, diesen unvergleichlichen Dreiklang aus Mittelalter, Renaissance und Barock, offenbar nicht. Denn den würdet ihr dem Historismus (wenn auch nicht der Nachkriegsmoderne) ja durchaus zu opfern bereit sein.

    Als Stadterweiterung und gerade für Villenviertel mag der Historismus ja - da halte ich es wie ursus - durchaus angehen, aber definitiv nicht, wenn er alteuropäische Bauten und Viertel ersetzt.

  • Ich bin der Ansicht, der Historismus ist diesem "unvergleichlichen Dreiklang" aus ästhetischer Sicht absolut ebenbürtig, und diese Bewertung ist für mich, wie auch für zahlreiche andere Teilnehmer hier, überaus gewichtig, auch wenn ursus und Du dies nicht nachvollziehen mögt und ganz andere (deswegen aber nicht legitimere)Qualitätsmaßstäbe erhebt. Ihr mögt Mittelalter oder Barock favorisieren, andere haben eine Vorliebe für die Architektur der Gründerzeit, ist das so schwer zu verstehen?

    PS: Eine Geringschätzung gründerzeitlicher Architektur im Vergleich zu älteren Epochen gab es EBENSO, nicht nur in Frankfurt in den Jahren 1945-50. Deswegen mussten unzählige Bauwerke fallen.

    In dubio pro reko

  • [EDIT: Ich habe den in Philons Antwort zitierten Satz gelöscht, da ich ihn im Nachhinein so nicht mehr schreiben würde]

    Zitat von "ursus carpaticus"

    Für die belanglose Bremer Börse wurde ein ganzer ma Häuserblock geopfert.


    Ich fang gleich an zu heulen! :weinengelbtraenen:
    Äußert sich die Belanglosigkeit im Aufgriff der Weserrenaissance? In der perfekten Eingliederung ins bestehende Ensemble? In der vorzüglichen Materialwahl?
    Ich war von diesem Gebäude bei meinem Bremen-Besuch so was von begeistert. Wie kann man die bestehenden Großbauten aus früherer Zeit nur so sinnvoll und einfühlsam ergänzen und das Bremer Stadtzentrum um Rathaus und Dom dabei noch großstädtischer und prächtiger erscheinen lassen? Mit dem modernistisch kalten Haus der Bremischen Bürgerschaft vielleicht? Nein, mit Historismus! Was für ein Glück, dass der mittelalterliche Häuserblock für diese Weiterentwicklung und Aufwertung gefallen ist. So, jetzt hab ich auch mal ein bißchen was ursusmäßig erzählt. Ich hab diesen Ton auch drauf...

    Hier nochmal das Zusammenspiel zwischen Rathaus, Historismus und Dom: http://img2.travelblog.org/Photos/17072/85406/t/533348-The-Rathaus-Dom-and-Bremer-Bank-0.jpg\r
    img2.travelblog.org/Photos/17072 ... Bank-0.jpg (im Hintergrund die Bremer Bank)
    Ich finde das hammerhart! Sowas Geniales! Meine Güte, wenn dort mittelalterliche Häuserchen stehen würden... :schockiert:

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat

    Ich kapier dieses penetrant überhebliche Gefasel auch nicht, Dirk.


    Na, danke für die Blumen. Ich schenk mir jetzt mal eine Replik auf demselben "Niveau".


    Zitat

    Was für ein Glück, dass der mittelalterliche Häuserblock für diese Weiterentwicklung und Aufwertung gefallen ist.


    O-Ton Frankfurt 1946.

  • Zitat von "Philon"


    O-Ton Frankfurt 1946.


    Sach ma Philon, hast Du nicht gemerkt, dass diese ganze Polemik nicht bierernst gemeint war, sondern vor allem den werten Herrn Ursus mal auf seinen durchschnittlichen Tonfall und Wortlaut hinweisen sollte? :?

    Wie oft soll ich eigentlich noch sagen, dass das alles subjektiv ist, dass dem Einen die Mittelalter-Häuser und dem Anderen der Gründer-Prunk besser gefällt, und dass man demgemäß auf völlig unterschiedlicher Basis seine jeweils ureigene Argumentation aufbaut :?::?: Aber eigentlich hatte Dirk das alles ja schon prima zusammengefasst.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
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  • younig, die Bremer Börse steht nicht mehr, dort befindet sich das heutige Haus der Bürgerschaft. Der von dir gemeinte Bau ist in der Tat ein bisschen besser.
    Aber mir hat keiner meine Frage beantwortet: warum die DD und FF Altstädte nicht historistisch befüllen, wenn das eh so schön ist und gegenüber den ma Bauwerken so eine Bereicherung darstellt? Billiger und rentabler ist s allemal.

    Zitat

    Ich bin der Ansicht, der Historismus ist diesem "unvergleichlichen Dreiklang" aus ästhetischer Sicht absolut ebenbürtig, und diese Bewertung ist für mich, wie auch für zahlreiche andere Teilnehmer hier, überaus gewichtig, auch wenn ursus und Du dies nicht nachvollziehen mögt und ganz andere (deswegen aber nicht legitimere)Qualitätsmaßstäbe erhebt. Ihr mögt Mittelalter oder Barock favorisieren, andere haben eine Vorliebe für die Architektur der Gründerzeit, ist das so schwer zu verstehen?

    Genau das gleiche ließe sich zB über den Karstadt in Celle auch behaupten. Der Verweis auf angebliche 'Subjektivität' bringt doch überhaupt nichts. Beliebig reproduzierbare Massenarchitektur mit authentischen (schon hier gebrichts den Pseudostilen einigermaßen, das Vokabular ist eben aus 2. Hand), schon ob ihrer Seltenheit kostbarer, dazu in unerreichter handwerklicher Meisterschaft ausgeführten Kunstwerken gleichzusetzen, ist schlicht widersinnig. Man kann auch genauso sagen, eine Präferenz des musicals 'Cats' um ein besonders widerwärtiges Beispiel zu wählen, gegenüber dem Rosenkavalier sei ausschließlich subjektiv wie eine gegenteilige, beide 'Werke' wären grundsätzlich gleichrangig.
    Natürlich kann man es sagen, aber auf diesem Niveau ist halt eine Diskussion nicht eben sinnvoll.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ^ Der Vorgängerbau der Bremer Börse war barock, kein mittelalterliches Ensemble.

    Zitat von "youngwoerth"

    alles subjektiv ist, dass dem Einen die Mittelalter-Häuser und dem Anderen der Gründer-Prunk besser gefällt, und dass man demgemäß auf völlig unterschiedlicher Basis seine jeweils ureigene Argumentation aufbaut :?: Aber eigentlich hatte Dirk das alles ja schon prima zusammengefasst.


    So "öst" es und so verbleiben wir. Ein weiteres Ankeifen macht nicht viel Sinn, wir kommen hier wohl nicht mehr auf einen Nenner ;)


    Ich habe eine Idee, wie wir dieses Diskussionsloch nun künftig kompensieren können.. Seid gespannt 8)

  • Zitat

    Wie oft soll ich eigentlich noch sagen, dass das alles subjektiv ist, dass dem Einen die Mittelalter-Häuser und dem Anderen der Gründer-Prunk besser gefällt,

    Ja, aber der Punkt, um den es mir doch gerade geht ist doch, daß das subjektive Gefallen oder Nicht-Gefallen hier nicht das entscheidende Kriterium ist.

    Wir reden schlicht aneinander vorbei, genauer gesagt reden wir fast zwangsläufig aneinander vorbei, weil du und Dirk offenbar eben nur das subjektive ästhetisierende Gefallen oder Nicht-Gefallen als Kriterium akzeptieren wollen. D.h. es geht eben nicht darum, ob mir persönlich das eine oder das andere subjektiv besser gefällt oder nicht, sondern ob das subjektive Gefallen das entscheidene Kriterium ist. Genau auf diese Fragestellung geht ihr aber gar nicht ein, sondern biegt sie immer sofort wieder auf subjektives Gefallen oder Nichtgefallen zurück.
    Das sieht man hervorragend am Diskussionsverlauf:

    Schritt 1: u kritisiert die Abrißwut des Historismus in W.
    Schritt 2: y und d verteidigen den Historismus, weil der ihnen "subjektiv gefällt"
    Schritt 3: p argumentiert, daß das subjektive Gefallen nicht das entscheidende Kriterium ist und daß unter Anlegung der wirklich entscheidenden Kriterien die für den Historismus abgerissenen mittelalterlich-frühneuzeitlichen Bauten wertvoller und bedeutsamer waren als die historistischen
    Schritt 4: y und d antworten p folgendermaßen: "Aha, dir gefallen also mittelalterlich-frühneuzeitliche Bauten subjektiv besser als historistische Bauten"

    Glatt aneinander vorbei geredet ...

  • Zitat

    Der Verweis auf angebliche 'Subjektivität' bringt doch überhaupt nichts. Beliebig reproduzierbare Massenarchitektur mit authentischen (schon hier gebrichts den Pseudostilen einigermaßen, das Vokabular ist eben aus 2. Hand), schon ob ihrer Seltenheit kostbarer, dazu in unerreichter handwerklicher Meisterschaft ausgeführten Kunstwerken gleichzusetzen, ist schlicht widersinnig.

    Exactement. Ich kann in dieser Stellungnahme nur jedes Wort fett unterstreichen.

  • Da offenbar noch Bedarf besteht: Ich lege grundsätzlich eher wenig Wert auf die "kunsthistorische" Bedeutung (auch kein objektives Maß, da kann im Grunde alles als kunsthistorisch wertvoll deklariert werden) eines Gebäudes, solange es einen geringeren Beitrag zu einem ästhetischen Stadtbild leistet als ein historistischer Nachfolgebau.

    Darum geht es wohl auch youngwoerth und Dirk. Es gilt, die maximale Ästhetik und Vielfalt aus einer Stadt herauszuholen, ob dies durch mittelalterliche, barocke, klassizistische oder historistische Ensembles gelingt, ist letztlich zweitrangig. Ich pflege auch zu sagen: Die Mischung macht's. In diesem Zusammenhang gefällt mir z.B. Görlitz außerordentlich, das all diese Stile gekonnt zu vereinen vermag. In großen Teilen gilt das auch für Prag, wenn auch Barock und Gotik überwiegen. Ohne die historistische Ringbebauung und seine gründerzeitl. Prachtbauten mag ich mir aber auch Prag nicht vorstellen. Sie sind integraler Bestandteil der Stadtlandschaft und genauso Ausdruck künstlerischen Freigeistes und architektonischer Wertschöpfung wie die barocken und mittelalterlichen Ensembles der Stadt. Nur eben im Sinne ihrer Zeit, wie das in jeder architektonischen Epoche der Fall ist.

  • Bevor ich heute abend noch ausführlich antworte: Ich kann diesen Slogan "Beliebig reproduzierbare Massenarchitektur" nicht mehr hören. Warum habe ich eigentlich bis heute keine Antwort auf meine Differenzierung und teilweise Widerlegung dieses tendenziös-polemischen Begriffs gehört? Nie geht jemand darauf ein, stattdessen wird munter weiter polemisiert. So eine Diskussion kotzt mich an, wenn man immer wieder von vorne anfangen darf. Stichpunkte: Arbeitersiedlungen und Massenwohnungsbau müssen unabhängig vom Baustil betrachtet werden, sonst entsteht ein Ungleichgewicht. Barocken Massenwohnungsbau könnte man mit historistischen Arbeitersiedlungen vergleichen, nicht mehr und nicht weniger. Zweiter Stichpunkt: Lokale Ausprägungen des Historismus. Authentizitätsbegriffe und handwerkliche Kunstfertigkeit sind polemisch. Exilwiener hat am Beispiel des Kaiserpalastes bereits die höchste handwerkliche Kunstfertigkeit belegt. Bis heute abend.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • @Jungingen

    Weil eben nicht alles "Beliebig reproduzierbare Massenarchitektur" war! Das wissen unser Pappenheimer doch und deswegen können sie es selbstverständlich nicht widerlegen.

    Das Wiener Rathaus, das Parlament, die Votivkirche, ach wozu eigentlich Beispiele nennen, wo es doch auf der Hand liegt.

    Mir ist die Diskussion einfach zu dogmatisch. Architektur ist nun mal keine exakte Naturwissenschaft und deshalb nehme ich den heutigen Denkmalschutzbegriff nicht wirklich ernst. Wie gesagt ich bin und bleibe eingefleischter Ringstraßenarchitekturbewunderer und liebe die Vorzüge der Gründerzeithäuser mit ihrem großartigen Flair. Ich kann aber auch relativieren und weiß dass die Gründerzeithäuser in der Arbeierviertel Massenware waren. Na und, deswegen liebe ich ja auch die großbürgerlichen Palais und Mehrgeschossler in den Prachtmeilen. Rein von der Lebensqualität dieser großbürgerlichen Bürgerpalais hängen doch meine/unseren geliebten Bauten alles andere ab, was vorher bewohnt wurde und nachdem zum Wohnen gebaut wurde.

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Da offenbar noch Bedarf besteht: Ich lege grundsätzlich eher wenig Wert auf die "kunsthistorische" Bedeutung (auch kein objektives Maß, da kann im Grunde alles als kunsthistorisch wertvoll deklariert werden) eines Gebäudes, solange es einen geringeren Beitrag zu einem ästhetischen Stadtbild leistet als ein historistischer Nachfolgebau.

    Darum geht es wohl auch youngwoerth und Dirk. Es gilt, die maximale Ästhetik und Vielfalt aus einer Stadt herauszuholen, ob dies durch mittelalterliche, barocke, klassizistische oder historistische Ensembles gelingt, ist letztlich zweitrangig. Ich pflege auch zu sagen: Die Mischung macht's. In diesem Zusammenhang gefällt mir z.B. Görlitz außerordentlich, das all diese Stile gekonnt zu vereinen vermag. In großen Teilen gilt das auch für Prag, wenn auch Barock und Gotik überwiegen. Ohne die historistische Ringbebauung und seine gründerzeitl. Prachtbauten mag ich mir aber auch Prag nicht vorstellen. Sie sind integraler Bestandteil der Stadtlandschaft und genauso Ausdruck künstlerischen Freigeistes und architektonischer Wertschöpfung wie die barocken und mittelalterlichen Ensembles der Stadt. Nur eben im Sinne ihrer Zeit, wie das in jeder architektonischen Epoche der Fall ist.

    Auf dich einzugehen, ist nicht so leicht, erbse, und nicht unbedingt geboten, weil du einerseits durchaus Vernünftiges sagst, das andererseits allerdings nicht konkret das Thema betrifft.
    Was die Durchmischung betrifft, so kann man schon einverstanden sein, ein einzelnes historistisches Gebäude muss nicht unbedingt schaden, kann ein Ensemble sogar verstärken, Thema sind aber der gründerzeitliche Flächenabriss und eine grundsätzliche (kunst)historische und artifizielle Wertigkeit, was einige hier absolut nicht kapieren wollen.
    Niedersächsiche Renaissance-FWH oder Wiener Barockpalais waren um 1890 nicht mehr reproduzierbar. Gründerzeitbauten hingegen beliebig. Heutige Karstadtfassaden heute ebenfalls. Auch wenn man Karstadtfassaden schöner findet, rechtfertigt dies noch lange nicht die Verdrängung von ma. Bauten.
    Und jetzt bleiben wir bei heutiger Sicht: Gründerzeitfassaden sind nach wie vor beliebig wiederherstellbar oder neu erfindbar. Wenngleich einzelne aufwändigere Beispiele durchaus Schwierigkeiten bereiten könnten, so geht das immer noch einfacher als bei Niedersächsischen FWH, nicht war? Und selbst bei wirklich guten Rekos von Letzteren wie dem KHAH zu HH bleibt immer noch ein gewisses Manko der Authentizität. Auch den DD Neumarkt-Rekos, Rampische Straße fehlen bei aller Pracht ein bisschen barocke Leichtigkeit und Schwung, die in Wien errichteten Rekos von Barockbauten würden als Einzelobjekte nicht sehr überzeugen, wenngleich sie im Ensemble ihren Zweck gut erfüllen, Historismusrekos indessen sind in Wien wie DD völlig unproblematisch.
    Darum geht s. Ob der Kaiserpalast formal total verunglückt oder der Gipfelpunkt an abendländischer Baukunst ist, das ist eine ganz andere, von uns nie gestellte Frage.
    Aber wie philon dargestellt hat - auf meinen Befund, was in W alles verloren gegangen ist, und den ich - unter obigen Gesichtspunkten - als bedauerlich bezeichnet habe (allerdings habe ich tatsächlich am Rande auf das Nichtgenügen der Folgebebauung hingewiesen, auch dies ist objektiv belegbar, da etwa der in D hie und da anzutreffende artifizielle Aufwand bei uns idR völlig fehlt, ebenso wie irgendeine formale Originalität, allerdings nur die Massenware der Wr Innenstadt und nicht etwa Ringstraße betreffend, wobei ich auch Ausnahmen wie den Graben anerkannt habe), erwidert der exilant, macht nichts, Hauptsache in Gründerzeitbauten wohnt sich besser, und der jungnickel ist gleich überhaupt beleidigt, weil man seine Lieblingsepoche herabwürdigt.
    @noch mal erbse: Ich nehm mal an, dass du mit Prager "Ring" nicht den Altstädter oder Kleinseitner Ring meinst, wo sich der Historismus alles andere denn günstig ausnimmt, sondern die Trennungslinie zwischen Altstadt und Neustadt, also Graben und Fortsetzung.
    Dazu ist zu sagen, dass diese Straßenzüge längst nicht so historistisch dominiert sind, hier findet sich viel Jugendstil, art deco, Kubismus etc.
    Geschlossener Historismus findet sich in Prag glücklicherweise nur in historistischen Stadterweiterungsgebieten.
    ad Bremen:
    Die Börse war der Vorgängerbau des Haus der Bürgerschaft und lt meinen Infos musste ihr ein ganzer ma Block weichen. Younig verwechselte ihn mit einem anderen Bau, ev der heutigen Börse.
    ad erbses Verweis auf Görlitz:
    kann ich nicht nachvollziehen. Auch in Görlitz hat der Historismus schlimmen Schaden angerichtet: Abriss der Pilzlauben und Substituierung durch den die Platzproportionen sprengenden Rathauserweiterungsbau. Immerhin war man so rücksichtsvoll, eine Renaissancefassade in den Zwischenbau zu integrieren. Am Obermarkt wurde noch viel mehr geopfert, hier sind alte Bauten arg in der Minderzahl. Auch wurde das Platzgefüge durch den Abriss des Salzhauses arg beeinträchtigt. Auch die Beseitung der schlesisch anmutenden Renaissancehelme der Peterskirche hat die Stadt um ein wesentliches Stück Identität gebracht.
    Nein, die Symbiose in der Görlitzer Innenstadt funktioniert überhaupt nicht, sie ist weit schlechter, als in anderen dt Städten.
    Was allenfalls anerkennenswert erscheint, ist die historistische Stadterweiterung, die man gelten lassen kann. Zeigt sich anhand ihrer Ausgedehntheit auch deutlich der Massencharakter und die architektonische Beliebigkeit, so muss zugestanden werden, dass ihr eine gewisse Qualität innewohnt.

    Wie man s auch dreht und wendet: Die Bilanz des Historismus in historischen Innenstädten ist verheerend. Da kann man gleich sagen: WC war der größte Städtebauer aller Zeiten.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Nun, dann lassen wir unserem Xtremkarpaten doch einfach die Freude, immerhin waren seine letzten Ausführungen schon differenzierter, wenn ich auch längst nicht alle Aussagen unterstreichen kann. Bin grade viel zu müde, vielleicht antworte ich irgendwann noch oder jemand Anderes übernimmt...

    Nur eins muß ich noch klar stellen:

    Zitat von "ursus carpaticus"

    Younig verwechselte ihn mit einem anderen Bau, ev der heutigen Börse.


    Ich verwechsel hier überhaupt nix, den Begriff "Bremer Börse" hast alleine Du eingeführt, my lovely Ursus - ich habe immer nur von der Bremer Bank geredet.

    Euer DH (Deftige Hühnerbrut).
    WC = Weltcrieg

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Und jetzt bleiben wir bei heutiger Sicht: Gründerzeitfassaden sind nach wie vor beliebig wiederherstellbar oder neu erfindbar. Wenngleich einzelne aufwändigere Beispiele durchaus Schwierigkeiten bereiten könnten, so geht das immer noch einfacher als bei Niedersächsischen FWH, nicht war? Und selbst bei wirklich guten Rekos von Letzteren wie dem KHAH zu HH bleibt immer noch ein gewisses Manko der Authentizität. Auch den DD Neumarkt-Rekos, Rampische Straße fehlen bei aller Pracht ein bisschen barocke Leichtigkeit und Schwung, die in Wien errichteten Rekos von Barockbauten würden als Einzelobjekte nicht sehr überzeugen, wenngleich sie im Ensemble ihren Zweck gut erfüllen, Historismusrekos indessen sind in Wien wie DD völlig unproblematisch.
    Darum geht s.

    Beim KHAH muss ich widersprechen (DD Neumarkt-Rekos usw. kann ich nicht beurteilen). Bei der Rekonstruktion des KHAH verwendete man auch das alte Material von abgebrochenen Fachwerkhäusern aus der Region, die aus der gleichen Zeit stammten. Auch die Dachziegel (aus Hand gefertigt und verschieden groß) hatten schon ein hohes Alter. Das Kellergewölbe (Platz für 50 Menschen) ist schon rund ein halbes Jahrtausend alt und absolut authentisch. Bei einem Rittermahl kommt man sich dort wie im Mittelalter vor. In 200 Jahren wird man sagen: damals in den Achtzigern des... Genau so wie wir heute sagen: Nach dem Brand von 1790 wurde Haus XY wiederaufgebaut... Und in der heutigen Zeit bewundert man es usw. ...
    http://img13.imageshack.us/img13/8750/gewlbekhah.jpg

  • Zitat von "Philon"

    Ja, aber der Punkt, um den es mir doch gerade geht ist doch, daß das subjektive Gefallen oder Nicht-Gefallen hier nicht das entscheidende Kriterium ist.

    Wir reden schlicht aneinander vorbei, genauer gesagt reden wir fast zwangsläufig aneinander vorbei, weil du und Dirk offenbar eben nur das subjektive ästhetisierende Gefallen oder Nicht-Gefallen als Kriterium akzeptieren wollen. D.h. es geht eben nicht darum, ob mir persönlich das eine oder das andere subjektiv besser gefällt oder nicht, sondern ob das subjektive Gefallen das entscheidene Kriterium ist. Genau auf diese Fragestellung geht ihr aber gar nicht ein, sondern biegt sie immer sofort wieder auf subjektives Gefallen oder Nichtgefallen zurück.
    Das sieht man hervorragend am Diskussionsverlauf:

    Schritt 1: u kritisiert die Abrißwut des Historismus in W.
    Schritt 2: y und d verteidigen den Historismus, weil der ihnen "subjektiv gefällt"
    Schritt 3: p argumentiert, daß das subjektive Gefallen nicht das entscheidende Kriterium ist und daß unter Anlegung der wirklich entscheidenden Kriterien die für den Historismus abgerissenen mittelalterlich-frühneuzeitlichen Bauten wertvoller und bedeutsamer waren als die historistischenSchritt 4: y und d antworten p folgendermaßen: "Aha, dir gefallen also mittelalterlich-frühneuzeitliche Bauten subjektiv besser als historistische Bauten"

    Glatt aneinander vorbei geredet ...


    Kann ich auch nur fett unterstreichen. Ein mittelalterliches (Fachwerk)Haus aus dem 15. Jh. ist m.E. wertvoller und bedeutsamer für die Stadtidentität als ein ganzer Block aus der Gründerzeit.

  • Was das entscheidene Kriterium wertvoller Architektur ist, wollen uns schon die Modernisten erzählen, bitte nicht auch noch
    innerhalb des APH...Für mich ist die ästhetische Wirkung im Stadt-/Ortsbild eines der wichtigsten Kriterien, und da lasse ich
    auf die Bauten des Historismus (es gibt natürlich auch hier Ausnahmen) nichts kommen, auch wenn sie von den unterschiedlichsten
    Seiten wegen anderer Kriterien Geringschätzung erfahren.
    Von meiner Seite der letzte Beitrag zu dieser Diskussion :)

    In dubio pro reko

  • Zitat von "Hildi"


    Kann ich auch nur fett unterstreichen. Ein mittelalterliches (Fachwerk)Haus aus dem 15. Jh. ist m.E. wertvoller und bedeutsamer für die Stadtidentität als ein ganzer Block aus der Gründerzeit.

    Ja genau, man kann es nur so sehen!

    lg

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940