Berlin in alten Fotografien

  • Wo ich gerade das Wort "Wilhelmstraße" lese: es gibt ein großartiges Buch von Laurenz Demps zur Wilhelmstraße und den preußischen und deutschen Staatsbauten:

    http://www.amazon.de/Berlin-Wilhelm…t/dp/3861535971

    Das Buch ist reich bebildert und zeigt Gebäude von außen und innen, die uns heute so alltäglich und vertraut wären wie die Downing Street oder der Elysée-Palast, wäre die deutsche Geschichte 1933 anders verlaufen.

    Wer in Berlin ist: dort gibt es dieses Buch in etwas kompakteren Format für einen Spottpreis bei der Landeszentrale für politische Bildung (Hardenbergstraße), für Studenten etc. sogar kostenfrei!

    "Die Qualität städtischen Bauens resultiert aus einer Generationen währenden, kollektiven Leistung." Hans Kollhoff

  • Apropos Laurenz Demps, natürlich habe ich sein Buch über die Wilhelmstraße und deshalb gleich mal ein paar Fotos zur Wilhelmstraße 65, dem Palais Pennavaire / Prinz August Wilhelm.

    Zur Geschichte aus dem Buch von L. Demps:

    Wilhelmstraße No. 65, vormals No. 64
    (Abb. Seite: 76 ff., 153, 155, 180, 218, 253) siehe Laurenz Demps Berlin Wilhelmstraße


    21. September 1736 Erbverschreibung für den "Obristlieutnant bei dem Regiment Gensd'armes", Peter Ernst von Pennavaire; "... nachdem wir solches vom vorigen Eigenthümer mit baarem Gelde erkauft, gantz frey und wirklich eigenthümlich ... Friedrich Wilhelm ".

    15. August 1749 durch Erbschaft an den Sohn Carl Anton von Pennavaire. 14. Januar 1764 für 25 000 Taler an den Königlichen Legationsrat und Domprobst zu Havelberg, Friedrich Christoph Hieronymus Voß verkauft. 15. September 1780 für 25 000 Taler an den Ober-Hofmarschall Reichsgraf von Solms verkauft.

    28. Juli 1806 Für 41 000 Taler haben "Seine Königliche Hoheit, Prinz August Ferdinand Wilhelm von dem Herrn Staatsminister von Voss, das ... in der Wilhelmstraße No. 65 belegene Haus erkauft,
    Das Besitztum wird mit 35 000 Talern bei der Feuertaxe eingetragen.

    2. Mai 1813 Nach dem Tode des Prinzen Ferdinand tritt sein Sohn, Prinz August, Friedrich Wilhelm Heinrich von Preußen, das Erbe an.
    23. Juni 1817 mit 121 650 Talern bei der Feuertaxe eingetragen.

    1843 Nach dem Tod des Prinzen August sind seine morganatischen Gattinnen Friederike (Wichmann) von Waldenburg und 4 Kinder sowie Auguste (Arndt oder Arend) von Prillwitz und 5 Kinder die Erben.

    3. Juli 1844 für 130 000 Taler an den Königlichen Fiscus für den Kabinettsminister von Bodelschwingh und sein Büro verkauft.

    14. Oktober 1844 Eine Königliche Kabinettsorder bestimmt, für den Justizminister Uhden "provisorisch eine Dienstwohnung in der bel-Etage des ehemaligen Palais" einzurichten. Einrichtung weiterer Geschäftsräume mit einem finanziellen Aufwand von 2z 90o Talern. 1848 Nach dem Wegfall des Kabinettsministeriums steht das Gebäude zur alleinigen Nutzung für das Justizministerium zur Verfügung. Vorübergehend tagt eine Kommission der Nationalversammlung dort.

    1867 bis 1868 Um- und Erweiterungsbau für das Preußische Justizministerium.

    Dezember 1944 Zerstörung des Gebäudes durch Luftangriff.

    August 1950 Feststellung des Zerstörungsgrades, der auf 85 % festgelegt wird. Übergabe an den Magistrat und Beginn der Abrissarbeiten. Grundstück wird freigehalten für die Verlängerung der Französischen Straße.

    28. Oktober 1966 Einrichtung eines Kinderspielplatzes als Provisorium,


    Heute führt hier die Verlängerung der Französischen Straße über das Grundstück



    Wilhelmstr 65_Palais Pennavaire_F A Schwartz_Fassade_um 1880:

    Das Palais wurde zum Justizministerium ausgebaut, blieb aber im Inneren weitgehend erhalten:

    Der Festsaal auch teilweise Tanzsaal oder Blauer Saal genannt:

    Entwurf von K. F. Schinkel von 1816:


    Wilhelmstr 65_Justizministerium_Blauer Saal_ausgebaut 1816-17 durch K F Schinkel_BfAuK_1912:



    Wilhelmstr 65_Justizministerium_Grüner Saal_ausgebaut 1816-17 von K. F. Schinkel_1938:



    Wilhelmstr 65_Justizministerium_Marmorsaal von Karl Friedrich Schinkel, 1938:




    Wilhelmstr 65_Palais Pennavaire_Justizministerium_Gartenpavillon_1940:

    1954:


    abgerissen.


    Quellen: Laurenz Demps, Wilhelmstraße und Blätter für Architektur und Kunst (BfAuK)

    :

  • Interessant! Ich erkenne in der Gestaltung der Schinkelschen Innenräume des Palais Pennavaire mehr als nur Ähnlichkeiten mit den zu DDR-Zeiten komplett neuentworfenen Innenräumen des Schauspielhauses aka Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Finde ich eine sehr schöne Idee und Praktik für immer Verlorenes in neuer Form dort zurückzubringen wo es möglich und sinnvoll ist. :)

  • Noch ein Bildchen - diesmal im Sommer mit Blick zur Schleusenbrücke.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Was haben wir nicht alles verloren!

    ...und bei Plätzen und Brunnen wäre es ein Leichtes (gewesen), wenigstens diese wiederherzustellen. Wartet mal ab, was das noch ein Eiertanz mit dem Schlossplatz und dem "Neptunbrunnen" wird. Die Kuh ist noch lange nicht vom Eis. :opa:

  • Nun ja, ich vermute mal, dass es im Schauspielhaus neben dem Schauspielsaal eben noch zusätzlich diesen Konzertsaal gab. Beide von Schinkel und beide in Form vollendetem Klassizismus. Spree-Athen lässt grüßen.

  • Es gab ehemals außer dem Theater noch den Konzertsaal und einen Probesaal in einem der Seitenflügeln. Ein Umbau erfolgte 1905.

    Einige Impressionen aus dem Schinkelschen Schauspielhaus:

    Konzertsaal, Galerie, 1935:



    Konzertsaal, 1935:


    Obererer Foyersaal, 1935:



    Vestibül im Südflügel, 1935:



    Gendarmenmarkt_Schauspielhaus_Zuschauerraum nach Umgestaltung 1905_um 1910:


    Und noch Kopien der Deutschen Bauzeitung von 1904 mit einem Artikel über den Umbau des Schauspielhauses



    und den Grundriss daraus vergrößert:


  • Bei allem schönen was uns erhalten geblieben ist kommt die große ernüchterung doch meistens spätestens nach betreten der Gebäude. Wenn ich hier die Fotos von den wunderbar ausgestatteten Salons, Festsälen und Lokalitäten sehe schmerzt es doch sehr dass rein gar nichts davon erhalten ist.

    Ich war unlängst für ein paar Tage in Los Angeles... eine Stadt in der dutzende male tabularasa gemacht wurde. Ganze Blocks der historischen Innenstadt wurden im laufe der zeit abgerissen um Parkplätzen, Haighwayauffahrten oder sterilen Bürogebäuden platz zu machen. Dann gab es noch ein paar schwere Erdbeben und Feuersbrünste und nicht zuletzt die totale vernachlässigung zwischen 1960 und 1990.

    Und DENNOCH: dort wo es noch historische substanz gibt ist sie meist vollständig erhalten. Bars haben oft noch ihre Originale 100 Jahre alte einrichtung, Treppenaufgänge, Wartesäle, Eingangsbereiche, Restaurants, Tanzsäle alles oftmals derart prachtvoll verziert dass man nur staunen kann.

    nur ein paar Beipsiele:
    bradbury building
    the ace hotel
    ace theater
    los angeles theater
    biltmore hotel
    the gallery bar
    cliftons restaurant

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Die Amerikaner legen generell mehr Wert auf Tradition (vielleicht weil sie naturgemäß nicht so viel davon haben. ;)). Schau dir alleine mal Einfamilienhäuser dort an und wie diese eingerichtet sind. Oft nah an der Grenze zum Kitsch aber doch bewusst traditionell und heimelig. Deutschland und vor allem Berlin ist da das genaue Gegenteil...slebst wenn hier nichts kaputtgebombt wäre, die Berliner hätten so oder so einem Großteil der alten Substanz den Garaus gemacht. Das fing ja schon in den 20ern an.

  • Das stimmt wohl. Ich habe ein Buch mit dem Titel: "die moderne Wohnung" aus den 20er Jahren. Gab es mal recht günstig beim ZVAB. Darin sind auch einige vorher/nachher Bilder. Vorher: Kaiser/Gründerzeitlicher Pomp mit Stuck, Wandteppich und Deckenfresko. Nachher: kein Stuck, kein schnörkel, alles weiß, sauber und aufgeräumt.

    Nicht ganz so drastisch, aber einen guten Eindruck wohin die Reise gehen wird zeigen auch die Bilder in diesem Buch:
    Berliner Interieurs

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Wow, der komplette Häuserblock war bis in die 60er komplett erhalten, nur um dann mutwillig zerstört zu werden. Was für eine ungeheuerliche Kulturbarbarei! Da treibt es mir echt die Tränen vor Trauer und Wut in die Augen...

  • Wen stellt eigentlich das Mosaik am Eckhaus dar? Scheint als hielte sie Getreide auf dem Schoß. Ceres? Wenigstens dies ist noch erhalten...

  • In DDR-Zeiten war hier das Restaurant 'Ganymed', aber das Mosaik war verdeckt. Es muss also nicht unbedingt einen Bezug zum Liebling des Zeus gegeben haben.

    Hier mal ein Foto in Vergrößerung, das ich vor Jahren geknipst habe:

    Ich denke es ist eine allegorische Figur, die sich auf das Theater am Schiffbauerdamm bezieht,, das ja zeitgleich errichtet wurde. Maske und Lyra, Textbuch und Lorbeer deuten darauf hin.