Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Nur interessehalber: mit welcher Begründung wird eigentlich hier ständig Rettig als der "Cafe-Erbauer" so in den Fokus gerückt? Wenn ich mich recht an den Ablauf erinnere - man möge mich korrigieren - sind die ersten Ideen zu so einem Dachkaffee schon lange vor Rettig aufgekommen und zwar aus der Politik - und da war insbesondere Thierse ein begeisterter Anhänger. Dort bei der Politik, nämlich im Kultur- und dann später im Haushaltsausschuss des Bundestages ist die Entscheidung getroffen worden. Thierse hat in der Schlossangelegenheit schon immer kräftig die Strippen im Hintergrund gezogen - beginnend von der Überzeugungsarbeit bei einem Großteil seiner SPD-Parteikollegen Mitte/Ende der 90er im Bundestag, die ja mehrheitlich mehr als skeptisch ob eines Schloss-Wiederaufbaus waren.

    Das Rettig der Idee positiv gegenüberstand ist zwar Tatsache, aber selbst wenn nicht, was hätte es geändert? Glaubt man denn naiverweise ernsthaft, dass sich die eitlen Politiker - die sich vorher schon vom Architekten versichern haben lassen, dass dieser Dachimbiss möglich ist - von einem angestellten Manager etwas sagen lassen? Oder umgekehrt: dass Rettig als Baumanager sich wegen dieser ästhetischen Frage gegen seinen Arbeitgeber stellt (solange es keine Probleme bei der Finanzierung gibt)? Und hätte sich Rettig dagegen gestellt, hätte man einen Neuen geholt. Rettig hat letzlich die vom Bundestag kommende Order umgesetzt - ein "braver Beamter". Auch sollte man das Selbstverständnis der Stiftung sehen: man baut ein Humboldtforum und kein Stadtschloss.

    Im Prinzip war es bei dieser Entscheidung damals genau so wie mit den Kolonnaden/Neptunbrunnen heute: Man hat Politik mit dem Geldsäckel gemacht, vor einigen Jahren ist die Rechnung zu Ungunsten unseres Anliegen - dem möglichst störungsfreien Wiederaufbau - voll aufgegangen, auch weil es wohl so gut wie keinen Widerstand gegen den Fresswürfel gab. Und heute geht die Rechnung mit Kolonnaden und Neptunbrunnen (noch) nicht auf - wieder zu Ungunsten unseres Anliegen.

    Diese Dachaufbauten sind wirklich grauenhaft, sowohl aus ästhetischer Sicht als auch als Idee überhaupt und ich hätte wirklich zu gerne darauf verzichtet - aber zumindest bei mir überwiegt bei weitem immer noch die Freude und Dankbarkeit über die sich langsam der Vollendung entgegenstrebenden, meisterhaften Fassaden. Ich bin überzeugt, stünde heute die Entscheidung pro oder contra Schlossfassade nochmal an, es würde keine Rekonstruktion mehr geben bei der derzeitigen politischen Großwetterlage.

  • Nur interessehalber: mit welcher Begründung wird eigentlich hier ständig Rettig als der "Cafe-Erbauer" so in den Fokus gerückt?


    z.B. wegen dieser Meldungen:

    http://berliner-schloss.de/blog/pressespi…dachrestaurant/

    Wenn das Berliner Schloss wieder aufgebaut ist, soll es nicht nur von außen und innen, sondern auch von oben zu besichtigen sein: ähnlich wie das Reichstagsgebäude soll es ein Dachrestaurant erhalten. Das schlägt der Geschäftsführer der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum, Manfred Rettig, vor.


    http://www.bz-berlin.de/berlin/bekommt…schen-aufs-dach

    Es gäbe keinen schöneren Ort für eine Tasse Kaffee“, sagt Manfred Rettig (62), Vorstand der „Stiftung Berliner Schloss“. 2019 könnte es fertig sein, wie der Rest des Humboldt-Forums.Die Baugenehmigung liegt vor, der Haushaltsausschuss hat den Bau aller technischen Voraussetzungen bereits abgesegnet. Trotzdem gibt es Streit. Denn nicht alle Mitglieder des Stiftungsrats wollen ein begehbares Schlossdach
    ...
    Noch einmal will der Bauherr dem Haushaltsausschuss seine Pläne vorstellen. Denn nicht nur Stiftungsrat, sondern auch Bundestag müssen zustimmen.

    Also, wer hat das Ganze wohl gegen alle Widerstände durchgeboxt?

  • Leider gibt es das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz nicht mehr in voller Schönheit. Dort gab es auch mal einen beeindruckenden Dachgarten. Dieses Haus sollte auch wiederkommen.

  • Leider gibt es das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz nicht mehr in voller Schönheit. Dort gab es auch mal einen beeindruckenden Dachgarten. Dieses Haus sollte auch wiederkommen.

    Dachterrassen sind schon was feines, mit Tanztee oder auch ohne.
    Ja, zu Karstadt am Hermannplatz kann man nur sagen, dass für das Geld der letzten großen Umbaumassnahme auch die Originalfassade, vielleicht mit kleinen Änderungen, hätte stehen können. Allerdings nicht mit Herrn Sawade als dafür leider verantwortlichen Architekten. Der damalige Investor hatte auch nur Sinn für "Piefig 2.0". Ich warte noch auf den Großinvestor, der dies korrigiert. Aber dazu vielleicht in einem neuen Thread.
    Zur Dachterrasse über dem Humboldtforum wird es sich zeigen, ob sie angenommen wird. Da die Hauptsicht von dort in Richtung Museumsinsel und Unter den Linden geht, stehen die Chancen für Erfolg.

  • Ob die Dachterrasse des Humboldtforums angenommen werden wird, kann heute noch keiner sagen.
    Schließlich kommt es auch darauf an, ob man im Sitzen eine gute Aussicht hat und wer dieses Café betreibt.
    Für mich steht eines fest:
    Wenn das Dachterrassen-Café Ende Oktober 2019 in Betrieb sein sollte, dann werde ich dort mit meinen Angehörigen meinen 70sten Geburtstag gehörig feiern!
    Darauf freue ich mich jetzt schon...

    Der Wind gedreht
    Albtraum verweht
    Zum Schluss jetzt das Glück
    Das Schloss kommt zurück!

  • Aber genau das ist kontraproduktiv. Genau dass sollte man nicht tun. Wenn man jetzt dort hin pilgert und ordentlich Kuchen isst und Kaffee trinkt, dann rechnet sich das Café und der Betreiber macht gute Gewinne.
    Richtig wäre es, das Café nie zu betreten, damit es Verluste macht und geschlossen wird. Nur dann wären die Chancen gut, dass es in absehbarer Zeit rückgebaut wird.
    Wenn es eröffnet werde ich es natürlich auch einmal besuchen. Aber nur einmal!

  • Das ist doch lächerlich... :augenrollen: Dann geht höchstens der Betreiber pleite und es kommt ein neues rein. Oder man nutzt es als Abstellraum. Abgerissen würde der Pavillon deswegen sicher nicht. Manchmal muss man sich eben auch den Gegebenheiten abfinden...

    2 Mal editiert, zuletzt von Benni (5. Januar 2017 um 14:09)

  • Wenn von uns da niemand reingeht, ist das für den geschäftlichen Erfolg des Cafés völlig egal. Bitte, nicht durchdrehen!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Je näher die Fertigstellung des Berliner Schlosses rückt umso näher rückt auch die Fertigstellung der ungeliebten Dachterasse. Aber ist es denn nötig das wir alle paar Tage über diese ungeliebte Dachterasse unsere Eindrücke austauschen und zum Teil emotionale Debatten führen?

    Es wird sich nicht vermeiden lassen, das man sich hier und da über die Dachterasse unterhält aber man sollte die Diskussion nicht jedes Mal unnötig in die Länge ziehen.

  • Könnte es sein, dass zum ersten Male die Arbeiten am Schloss dem Zeitplan hinterherhinken? Ich hatte das so in Erinnerung, dass zumindest die drei Außenfassaden Ende 2016 fertiggestellt sein sollten. Es fehlen aber an der Schlossplatzseite noch immer die Balustraden auf den Portalen und auf dem Eckrondell, die Portale III, IV und V sind von ihrer Vollendung noch weiter entfernt. Außerdem kann ich seit Weihnachten keinerlei Baufortschritt mehr feststellen. Sind die Arbeiten womöglich wegen der einsetzenden Winterwitterung eingestellt worden?

  • Das Problem mit dem Dachcafé besteht m. E. nicht nur in den unschönen Aufbauten, welche die Kubatur des Schlosskörpers stören und die Wirkung der Kuppel beeinträchtigen. Wie das Hotel de Rome am Bebelplatz zeigt, wird man auch auch mit Sonnenschirmen, Bepflanzungen und eventuell Stellwänden gegen Zugluft zu rechnen haben. All das erweist sich für barocke Fassaden als absolut unpassend.
    Der zweite Effekt wird sein, dass die Anlage nicht als das Berliner Schloss mit modernem Innenleben wirken wird, sondern als das Humboldt-Forum mit historischer Hülle. Denn der moderne Kern wird die Fassaden erkennbar überragen und diese somit auf Hüllen reduzieren. Das, denke ich, ist politisch durchaus gewollt.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (10. Januar 2017 um 01:33)

  • Aha, so, so! War ja naheliegend! Treffende Anschauung, die mit Kern und Hülle!
    Wir haben eben keine gescheiten Visualisierungen zur Verfügung, um sehen zu können, ob die Aufbauten verkupfert mit dem Schloßdach optisch verschmelzen oder nicht!?

  • Zukünftig Schloss- und Palast-Exponate in den Räumen des Humboldt Forums?

    Gründungsintendant Neil MacGregor hat der BZ ein Interview gegeben:

    Zitat von McGregor

    Viele Besucher erwarten einen Original-Raum des Schlosses, haben Sie den eingerichtet?
    Natürlich haben wir daran gedacht. Aber schon vor meiner Zeit ist entschieden worden, dass man keine Rekonstruktion eines ganzen Interieurs haben würde. Was wir für interessant halten, und ich spreche hier auch für meine Ko-Intendanten Hermann Parzinger und Horst Bredekamp, ist, dass der Besucher spürt, dass es an diesem Ort nicht nur ein Schloss, sondern auch einen Palast gab.

    Wie wollen Sie das darstellen?
    Ein bisschen überall im Haus. Wir hoffen mit dem, was wir Interventionen nennen, auf die Geschichte mit Objekten aus dem Schloss, aus dem Palast, auf Persönlichkeiten und Ereignisse hinzuweisen. Friedrich der Große muss dabei sein, 1848 ebenso, auch die Volkskammer.

    Warum ist Ihnen das wichtig?
    Wenn wir Objekte aus allen Epochen der Geschichte dieses Ortes zeigen, dann kann man auch mit Erinnerungen umgehen. Gerade was den Palast der Republik betrifft, gibt es viele Leute, die Erinnerungen daran haben. Das wäre ein anderer Zugang auch für das Publikum.

    (Quelle BZ)

    "Ein bisschen überall im Haus"? Also neben schrulligen Figuren aus Afrika mal ein Barockmöbel und neben einer Azteken-Götterfigur ein paar hellgrüne 70er Sessel aus dem Palast ??
    Auch wenn das eine "nett' gemeinte Idee sein mag, klingt das für mich nicht sehr überzeugend, dann doch lieber gleich konsequent einen ganzen Saal vollständig rekonstruieren (z.B. den Rittersaal) und im Restaurantbereich im EG einen Palast-Nostalgieraum schaffen.
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (9. Januar 2017 um 05:30)

  • Schlütertreppenhaus und Rittersaal halte ich für unverzichtbar.

    Verzicht auf ein "ganzes Interieur" wird der Würde des Schlosses und seiner kunsthistorischen und historischen Bedeutung nicht gerecht. Einzelne Versatzstücke, goldene Stühle und ein paar Bilder in Betonräumen wirken kalt und fremd und können die Phantasie nicht beflügeln. Die Fassaden würden Hülle bleiben. Der Gesamteindruck würde hohl.

    Die Wiederherstellung aber wenigstens eines oder zweier geschlossener Interieurs könnte die Erwartungen des Besuchers, die von den Fassaden befeuert wurden, in die Richtung einer Gesamtvorstellung lenken, die er mit Filmen und Büchern erweitern könnte. Das wäre wenig genug!

    Bleiben die heutigen Macher hartnäckig und blind - ich hoffe da immer noch auf das fertige Schloss - dann bleiben nur noch die künftigen Generationen. Aber dafür bin ich eigentlich zu egoistisch.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Es sind auf lange Sicht doch Innenraumrekos angedacht, die Gigantentreppe und der Schweizersaal im großen Schlüterhofrisalit. Darüber haben wir doch schon oft und lange diskutiert.
    Es muss aber das Geld dafür zusammen kommen. Im Moment kommt es ja noch nicht einmal für die Fassaden zusammen und der Bund musste schon in die Bresche springen.
    Also, erst mal alles Geld für die Fassaden aufbringen, dann kann man über die Innenräume reden. So lautete der Deal von Anfang an zum Stadtschloss/Humboldt-Forum.

  • Noch ein Gedanke zur Rekonstruktion von Innenräumen.

    Das Humboldtforum, so wird immer gesagt, lebt vom Dialog der Kulturen. Ein Dialog wird zweifellos stattfinden zwischen den Objekten aus weiten Teilen der Welt, fast alles hochkarätigste Exponate, und der Fassade des Schlosses, künftiger kostbarster Hülle als Heimstatt der fremden Kulturen.

    Wie wichtig und selbstverständlich wäre doch da der Dialog mit dem "ganzen" Schloss - wenigstens einigen rekonstruierten Innenräumen!

    Erst dann ist doch der Dialog ein gleichberechtigter auf Augenhöhe.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

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    Hölderlin

  • Also ich würde da auf die Vernuft und den Intellekt der Nach- bzw. noch Nichtgeborenen setzen bzw. einmal hoffen. Im jetzigen Deutschland und mit dem jetzigen Personal sind wir noch nicht so weit, dass man wieder "normal" funktioniert. Wenn einmal das Humboldforum einige Zeit steht, wird man (bzw eben die Nachgeborenen) bald einmal darauf kommen, dass ein "Einbaummuseum" in einer europäischen Stadt und in einem Stadtschloss nicht viel verloren hat bzw. selbst verloren wirkt wie aus einer anderen Welt. Die GrünInnen werden schon noch durchsetzen, dass die ganzen Einbäume und sonstiges Schnitzwerk den eigentliche indigenen Völkern zurückgegeben werden müssen und dann ist die Zeit ohnedies reif für eine Reko des Innenlebens :)

    Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden...Berlin mit seinen (gedanklich versklavten) Politikern sollte man bedeutend mehr Zeit lassen.

  • Aha, so, so! War ja naheliegend! Treffende Anschauung, die mit Kern und Hülle!
    Wir haben eben keine gescheiten Visualisierungen zur Verfügung, um sehen zu können, ob die Aufbauten verkupfert mit dem Schloßdach optisch verschmelzen oder nicht!?

    Die Überlegung, die Aufbauten wie das Dach zu gestalten, standen im Raum, wurden aber verworfen. Es geht wohl wirklich darum, den modernen Kern auch nach außen hin sichtbar werden zu lassen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Zitat von Seinsheim

    Es geht wohl wirklich darum, den modernen Kern auch nach außen hin sichtbar werden zu lassen.

    Was man ja zum Beispiel auch bei der Kommandantur gemacht hat. Dort beschränkt sich der modernistische Glas-Terror wenigstens auf die Rückseite des Gebäudes, wenngleich diese vom Schinkelplatz aus natürlich einsehbar ist; hier hätte man mit ein paar breiten, dichten Laubbäumen das Ganze halbwegs kaschieren können, aber auch diese Chance wurde vertan.