Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Die Aufstellung der Oranierfürsten steht eben jetzt "in der heutigen Zeit" an, und in den Niederlanden gibt es leider immer noch Resentiments gegen Deutschland, wie ich aus Erfahrung weiß. Jedes Argument zur Wiederaufstellung punktet, und Fusajiro hat schon recht! Es wäre tatsächlich ein wichtiger Beitrag zur Versöhnung.

    Versöhnung durch Rekonstruktion!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ein Gedanke zum 3. Oktober...

    Ich weiß nicht ob es schon jemandemaufgefallen ist: Aber so wie die Aufstellung der vom Zaren geschenkten Rossebändiger vor Portal IV eine freundschaftliche Geste gegenüber Russland darstellte und die der Oranierfürsten auf der Lustgartenbalustrade eine Hommage an die Niederlande symbolisierte so war die des Coligny-Denkmals als ausgestreckte Hand gegenüber dem seit 1871schmollenden Frankreich zu werten. Mir ist kein anderer Amtssitz eines Staatsoberhauptes bekannt, von dem so viele positive geschichtspolitische Signale an die jeweiligen Nachbarstaaten ausgingen, wie vom Berliner Stadtschloß unter Kaiser Wilhelm II.

    Wenn man darüber nachdenkt, kann schon eine gewisse Wehmut aufkommen und ein schlechtes Gewissen beim Blick in Richtung Doorn…

    Und wenn Viele sicherlich das genaue Gegenteil behaupten werden: Der Neptunbrunnen auf dem Schlossplatz muß nicht zwangsläufig als Zeichen der maritimen Konkurrenz mit der angelsächsischen Welt gedeutet werden, sondern kann als Symbol für die Verbundenheit mit Großbritannien und Nordamerika über die Meere hinweg stehen…

  • Ich kann das Spielen mit der Stella-Fassade so schnell ja nicht lassen...
    Jetzt habe ich was produziert mit Ohrenfenstern und Girlanden und Konsolen. Gefällt mir halbwegs.
    Den Eingang habe ich noch nicht, nur die Fläche von der Ecke her.

    Hier könnt Ihr gucken:

    Ich nenne es mal "Entwurf 1 Stella-Fassade"


    Bildquelle: Schloßförderverein, ich selbst

    2 Mal editiert, zuletzt von Loggia (3. Oktober 2016 um 14:26)

  • Nun zur Wiederherstellung des Schlossumfeld gehört auf jeden Fall der Neptunbrunnen, die Adlersäule, die Rossbändiger und die fünf Fürsten. Einer der fünf Fürsten ist ja schon zurückgekehrt.

    @ Beitrag 7091: wenn die Ostfassade so gestaltet wäre, wie in obengenannten Beitrag dann wäre sie aber nicht mehr modern und das war ja die Voraussetzung der damaligen Bundesregierung bei der Ausschreibung.

    Einmal editiert, zuletzt von Meister Lampe (3. Oktober 2016 um 14:44)

  • Zu Pagentorn

    Das Denkmal für Coligny hatte ich tatsächlich vergessen. Es stand unter den Bäumen bei Portal V.

    Gaspard de Coligny, Feldmarschall Frankreichs, war das erste Opfer der Bartolomäusnacht. Als Hugenotte steht er für die französischen Wurzeln Preußens und vor allem Berlins. 1685 hatte Ludwig XIV. die Toleranz zu dieser Glaubensrichtung aufgekündigt. Sie mussten fliehen. Der Große Kurfürst nahm etwa 20 000 von ihnen auf, die meisten in Berlin, der Anfang des wirtschaftlichen und damit des politischen Aufstieg Preußens. Auch der Anfang der einmaligen Toleranz anderen Konfessionen gegenüber in diesem Land.

    Dafür steht dieses Denkmal, es sollte ebenfalls unbedingt wieder aufgestellt werden!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

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    Hölderlin

  • und in den Niederlanden gibt es leider immer noch Resentiments gegen Deutschland, wie ich aus Erfahrung weiß.

    NL ist nicht Polen. Solche Resentiments gegen Deutschland an sich gibt's hier meist nur noch vonseiten einiger selbsternannten linken "Eliten" und "Satiriker" (und Fußballhooligans und anderen intellektuellen Leichtgewichte). Anders sieht's aber aus, wenn's um Leute wie etwa Merkel, Schulz oder Schäuble geht (was ich an sich nicht schlimm finden kann...).

    So, und jetzt Schluss mit diesem Thema.

  • So, und hier noch auf die Schnelle ein abgespeckter, halbkahler Entwurf, der mehr dem entspricht, was SchortschiBähr anfangs vorschwebte

    Ich nenne es mal "Entwurf 2 Stella-Fassade"

    Bildquelle: Schloßförderverein, ich selbst

    Vom Harmonieren mit Marstall und Dom her gefällt mir Entwurf 1 besser.

  • Zu Nr. 7.189 von Pagentorn:

    Meines Erachtens gibt das Figurenprogramm des Neptunbrunnens keinerlei Hinweis auf die damalige deutsche Flottenpolitik. Zwar ist der antike römische Meeresgott Neptun dargestellt; andererseits sitzen am Rande der Brunnenschale vier Frauenfiguren, welche die Personifikationen der von vier Flüssen des damaligen Königreichs Preußen darstellen:

    - Rhein ( Fischernetz für Fischerei und Weintrauben für den Rheinwein),
    - Weichsel (Holzklötze, Hinweis auf den Holzreichtum der dortigen Wälder),
    - Oder (Ziege und Fell für Lederproduktion),
    - Elbe (Ähren für Getrteideanbau und Früchte für Obstproduktion).

    Aus dem Bildprogramm des Brunnens ergibt sich m. E., dass man aus dem Neptunbrunnen keinen Hinweis auf Deutschland als Seemacht ableiten kann. Vielmehr weist der Neptunbrunnen auf die großen Flüsse des damaligen Königreichs Preußen hin.

  • Das kann ich voll und ganz bestätigen und wie ich es den Touristengruppen auch immer erzählt habe. Die vier Damen am Brunnenrand symbolisieren die vier großen Ströme Weichsel, Oder, Elbe und Rhein.

  • Unvollständigkeit der Flüsse-Liste von Begas

    In der Tat habe ich mich mit meiner Ausführung nur auf den zentralen Neptun bezogen und die 'binnenländische' Seite der Brunnenanlage mit ihren Personifikationen der großen Flüsse Preußens diesmal hintenan gestellt. Das Tat ich allerdings auch noch aus einem anderen Grund, da ich mit der - sicherlich durch den beengten Raum notwendige und daher nachvollziehbaren - Beschränkung auf lediglich vier Ströme nie so ganz einverstanden gewesen bin. Denn immerhin waren ja auch die Donau (ihr Oberlauf durchquerte die Provinz Hohenzollern), der Pregel in Ostpreußen und - als Bremer möge man mir das nachsehen - die Weser (man denke nur an deren monumentale Fassung an der Porta Westfalica mit dem Denkmal des alten Kaisers) veritable preußische Flüsse...

    Aber all das ändert natürlich nichts daran, daß man mit dem Netpun einen positiven Konnex des Schloßumfeldes zur englischen Verwandtschaft Wilhelms II. und zu den von ihm geschätzten US-Amerikanern herstellen kann. Wer weiß, vielleicht könnte man durch die Betonung dieser Sachlage z.B. nochmals Henry Kissinger, der sich ja bisher schon sehr für den Wiederaufbau des Schlosses eingesetzt hat, als moralischen Unterstützer auch für die Rückversetzung des Brunnens auf den Schloßplatz gewinnen...

    Mit anderen Worten:

    In einem wiederaufgebauten Marien- und Heilig-Geist-Viertel gehört ein Brunnenarrangement vor das Rote Rathaus, welches das engere Umfeld der Hauptstadt mit Spree, Havel, Müggel- und Wannsee thematisiert. (Eine Berolina ist für meine Begriffe dort nicht erforderlich, da ja letztlich auf dem Alexanderplatz einst die rekonstruierte alte Statue wieder stehen sollte). Was haben demgegenüber die großen preußischen Ströme vor dem Rathaus zu suchen ? Diese haben dort keinerlei Bezug ! Sie gehören vielmehr vor das Gebäude, welches für die gesamte Monarchie stand - vor das Stadtschloß !

  • Muss man die Gestaltung des Schlossumfelds jetzt so ideologisch oder historisch überfrachten? Es ist ja wohl nicht anzunehmen, dass die US-Amerikaner einen Deut von ihrer Politik abweichen oder VW auch nur eine Million Dollar Schadensersatz erlassen, weil dort der Neptun vor dem Schloss steht, der irgendeine Beziehung zur angelsächsischen Welt symbolisieren könnte.
    Und wenn es in den Niederlanden immer noch dumme Menschen gibt, die sich in Ressentiments gegen Deutsche eingegraben haben, statt mal aus dem Fenster zu schauen, wie ihre gesellschaftliche Realität aussieht, juckt mich das kaum noch. Daran würde ja auch kein Oranier-Standbild viel ändern.

  • Zu Nr. 7.197 von Pagentorn noch eine kurz Anmerkung:

    Das Schema der 4-Ströme-Brunnen ist bereits seit dem Manierismus und dem Frühbarock recht beliebt. so z. B. der Vierströmebrunnen von Bernini in Rom. Als barocken Vorgänger des Neptunbrunnens würde ich den Donnerbrunnen am Neuen Markt in Wien (I. Bezirk) nennen. Dieser wurde 1737-1739 errichtet. Zwar ist hier die zentrale Figur nicht Neptun, sodern die Providentia (Vorsehung), doch gibt es auch hier am Brunnenrand vier Flussfiguren, welche einerseits die vier Lebensalter, die Temperamente und schließlich nicht zuletzt vier Flüsse des Erzherzogtums Österreich darstellen, davon 2 männliche und zwei weibliche Figuren. Es handelt sich hierbei um die Personifikation der Flüsse Traun, Enns, Ybbs und March.

    Aus dieser barocken Tradition heraus dürfte auch der ebenfalls barock gestaltete Neptunbrunnen die Personifikationen von nicht mehr und nicht weniger als vier Flüssen aufweisen. Weshalb seinerzeit für den Neptunbrunnen die Wahl auf die Flüsse Rhein, Weichsel, Oder und Elbe gefallen ist, wird sich nicht mehr feststellen lassen kann heute letztlich auch dahingestellt bleiben. Der Neptunbrunnen ist zweifellos wunderschön und hat dessen Schöpfer, Reinhold Begas, weit über Deutschland hinaus berühmt gemacht. Dieser Brunnen gehört vor das Schloss an seinen angestammten Platz, für den er einst geschaffen worden ist und an sonst keinen anderen Platz.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (3. Oktober 2016 um 23:21)

  • Mannomann, hier geht`s jetzt aber durcheinander. Vielleicht könnten wir uns wieder mehr auf das Architektonische konzentrieren und Loggias Fassadenspielereien betrachten!

    Zu
    Entwurf 1: Üppig, üppig, aber durchgängig und konsequent dekoriert. Mußte schmunzeln beim ersten Eindruck. Wie doch aus so einem Fassadengerüst eine passable gründerzeitliche Fassade werden kann. Aber leider würde die wohl bei Stella nicht durchgehen!
    Entwurf 2: ja, in der Tat, so in der Art schwebte mir das vor! Gut! Würde da noch die Rustizierung etwas abschwächen und die Fenstersimse im 1.OG entfernen, oder wenn die bleiben sollen, dann konsequent in der obersten Fensterreihung auch welche einfügen. Dann aber in beiden Stockwerken etwas abschwächen. Sollte das vorletzte Gesims nicht auf Linie mit dem der Barockfassade kommen. Würde auch die Kassettierung über den Wasserspeiern weglassen.
    Und wenn es dann stimmig erscheint, schicken wir mit freundlichen Grüßen die Entwürfe an das Büro Stella,... :thumbup:;)

  • Wenn wir die Rückkehr des Brunnens so heftig und zu Recht fordern, so meine ich, ist es überaus nötig, möglichst gut über ihn Bescheid zu wissen, und dazu gehören wie beim Schloss eben auch die historischen Hintergründe der dargestellten Motive.

    Die Darstellung der vielen Vierströmebrunnen, die es gibt, wurzelt in den vier Flüssen des biblischen Paradieses: Pischon, Ghon, Euphrat und Tigris. Wer also einen Vierströmebrunnen errichten lässt und zum Mittelpunkt eines Landes oder einer Stadt macht, setzt Land und Stadt dem Paradies gleich. Nämlich dadurch, dass er die vier Flüsse allegorisch dem eigenen Land zuweist. Es ist anzunehmen, dass dies den Auftraggebern von Begas noch bewusst war.

    Marc Schnurbus hat im letzten Extrablatt überzeugend dargestellt, dass der Brunnen gewissermaßen den Nabel Berlins und damit Preußens bilden sollte wie der von Villa genannte Brunnen Berninis auf der Piazza Navona in Rom. Preußen und Berlin als Paradies - daran kann man seine Zweifel haben, aber es ist eine historische Botschaft des Brunnens.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

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    Hölderlin

    Einmal editiert, zuletzt von Bentele (4. Oktober 2016 um 01:00)

  • An der Weichsel saß schon der Große Kurfürst, dessen Schloß das ja auch war. Allerdings nur an einem winzigen Stück, aber das Stück am Rhein war noch winziger.
    Ulkig finde ich die Repräsentation des Rheins durch eine weibliche Allegorie ("die Rhein"?!). Ich kenne als übliche Rhein-Repräsentationen eine neptunartige "Vater Rhein"-Gestalt.

  • Werte(r) Loggia,

    der Neptunbrunnen wurde am 01.11.1891 eingeweiht. Damals gehörte Westpreußen schon längst zum Königreich Preußen (wenn ich mich nicht irre, seit 1777). Das zur Weichsel. Das Rheinland, die damailige preußische Rheinprovinz war bereits seit dem Wiener Kongress (1815) ein Teil des Königreichs Preußen. Und was den Rhein als weibliche Brunnenfigur anbetrifft, so könnte es auch durchaus die Loreley sein, die den Rhein verkörpert. Spätestens seit dem Gedicht von Heirich Heine war die Loreley fast schon ein Synonym für den Rhein. So gesehen musste der "Vater Rhein" nicht unbedingt eine Brunnengestalt abgeben, wenngleich er mir bestimmt gefallen hätte.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (4. Oktober 2016 um 10:41)

  • Was die Spekulationen um das Genus der vier weiblichen Figuren am Neptunbrunnen betrifft, so könnte ich mir Folgendes vorstellen:
    Begas wollte einen Kontrast zwischen der Figur des Neptun (alter Mann) und den Flusspersonifikationen (junge Frauen) schaffen. "Vater Rhein" wäre dem Neptun ikonographisch zu ähnlich gewesen. Daher wählte Begas, meine Vermutung, vier Quellnymphen. Die sind immer jung und immer weiblich und daran zu erkennen, dass ihre Attribute Wasserurnen (als Zeichen des Ursprungs) sind.
    Außerdem überlege ich mir, ob die Flussquellen mit den Attributen der Jahreszeiten assoziiert sind:

    • Rhein (Fischnetz und Weintrauben = Herbst)
    • Weichsel (Holzklötze, Symbol für Wälder = Brennholz als klassisches Attribut des Winters),
    • Elbe (Ähren und Früchte = Sommer).
    • Oder (Ziege und Fell - ergeben keinen Bezug zum Frühling, wohl aber der Blütenkranz auf der Urne).

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Bei der Auswahl der Flüsse des Neptunbrunnens hat man wohl die vier größten / längsten Flüsse Preußens genommen.


    Rhein und Weichsel finden sich übrigens symbolisch auch am Reichstagsgebäude, als die damals beiden größten Flüsse des Landes.

  • JA, in der Tat, wo ein Neptun durch die Fluten schwimmt sind auch die Nymphen und See-/Meerjungfrauen nicht weit, das fordert schon der Polaritätenausgleich: Neptun-männlich, Nymphen-weiblich. Also haben wir hier die Quellnymphen der Flüsse personifiziert, die dem Meer zufließen, Neptun entgegen, dem Gott des Meeres (Na ja, wenn's auch "nur" Nord- und Ostsee sind!). So würde auch ich das sehen wollen.

    Hier Beispiele des Sujets in verschiedenen Ausführungen:

    Quos ego - Neptun die Wogen beschwichtigend v. Peter paul Rubens, um 1635

    Neptun und Seejungfrau. Italienischer Kupferstich von J. Barlari aus dem 16.Jh.


    Und Beispiele von Arnold Böcklin:




    Und schließlich das ältere Vorbild auf der Piazza Navona:




    Quelle: Bildindex der Kunst und Architektur

    Was mir nicht bewußt war, daß Nürnberg auf dem Hauptmarkt einst auch einen Neptunbrunnen hatte, der jetzt im Park steht und man sich offensichtlich auch frägt, ob dieser wieder zurück in die Altstadt könne!?


    Quelle: wikipedia


    Siehe hier:

    http://www.thiel-architekten.de/aktuell/akt_td…ptunbrunnen.htm



    Quelle: wikipedia

    Und noch "unser" Neptun vor dem Schloß: