Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Bekanntermaßen ist die deutsche Presselandschaft mittlerweile mehr oder weniger austauschbar, die Texte wie die Fratzen, die sie geschrieben haben. Doof voneinander abschreiben, nicht sorgfältig recherchieren und wie eine Schafsherde dem gegenwärtigen politischen Mainstream folgen, dafür stehen die deutschen Medien in ihrer Mehrheit (die wenigen Ausnahmen sind leider kaum bekannt).
    Von daher gesehen verwundert es auch nicht, dass die aktuelle Spiegel-Lüge über das Stadtschloss durch die übrigen Medien unreflektiert übernommen wird, wie man bei Google-News sehen kann. :daumenunten:

    (zugegebenermaßen hat der Spiegel auch schon mal noch deutlich schlimmer gehetzt, man erinnere sich nur an die üble "Liebe-Neger"-Lüge über Bundespräsident Lübke)

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  • Der FAZ-Architekturkritiker Niklas Maak beschäftigt sich in der heutigen Ausgabe der Zeitung mit den (vermeintlichen) Finanzierungsproblemen. Viel interessanter für das Forum dürften aber seine Äußerungen über Stellas Ostfassade sein:

    Zitat

    Das Schloss hat aber ein ganz anderes, fundamentales Fassadenproblem, über das erstaunlich wenig gesprochen wird. Dabei kann man es gar nicht übersehen: Es ist die schon komplett enthüllte Fassade zum Osten hin, mit der die chaotisch über Jahrhunderte gewachsene ursprüngliche Fassade durch eine Reißbrettphantasie ersetzt wurde. Schon das ist eine böse geschichtspolitische Pointe: Ausgerechnet der Ostteil der Stadt, der jahrzehntelang auf den modernen Palast der Republik schaute, bekam statt rekonstruierter Geschichte ein gigantisches Abluftgitter vor die Nase gestellt, gegen die der entsorgte sozialistische Monumentalbau fast idyllisch wirkte. Verteidiger des Architekten Franco Stella behaupten zwar, der in Stein gehauene Giga-Gitterrost zitiere den italienischen Razionalismo und übersetze so die Antiken- und Italien-Sehnsucht der preußischen Baumeister in die Moderne. Wenn man davorsteht, sehnt man sich allerdings noch energischer nach Italien fort als ohnehin schon. Die Fassade ist eben nicht so präzise und hell und scharf-kühl und luftig-euphorisch wie die Bauten von Terragni, sie hat nicht die Eleganz und den Schwung der Hauptpost an der Piazza Bologna in Rom. Sie hockt mit ihren dicken steinernen Beinen und den Sprossenfenstern, die man ihr in die Rasterfelder klebte, so stramm und hüftsteif da wie alle Berliner Verwaltungsbauten: Hier steht ein preußisches Aktenregal, das davon träumt, in den Adelsstand erhoben zu werden.

    Vielleicht ist diese erste enthüllte Fassade aber auch bloß eine strategisch geschickte Drohung an die Öffentlichkeit: So sieht ein neues Schloss aus, wenn ihr die restlichen Millionen für die historische Schminke nicht zusammenbekommt.

  • Die Zahl von lediglich 43,3 Mio. Spendeneingängen bis Oktober 2017 ist aus jeglicher Perspektive/ Lesart purer Blödsinn.
    Ich habe mir die Mühe gemacht, die Jahresabschlüsse von 2011 - 2016, die hier

    https://berliner-schloss.de/der-verein/zah…resabschluesse/

    öffentlich einsehbar sind, durchzuackern. Dort sind alle Einnahmen sowie Ausgaben des Fördervereins auf den Cent genau dokumentiert, mit etwas Mühe (trockene Materie halt...) sind auch die Zuwendungen an die Stiftung als Bauherrn zu finden.

    Demnach sind in allein diesem Zeitraum 52.924.534,44 € als Geldzuweisungen weitergegeben worden.

    Außerdem wurden Sachleistungen (Baupläne, Modelle für Fassadenschmuck und -Skulpturen) im Gegenwert von 1.314.506,55 € weitergeleitet.

    noch genauer:

    2011: 1.000.000,- Geldzuweisungen, 601.681,54 Sachleistungen,
    2012: 4.604.194,44 Geldzuweisungen, 387.987,67 Sachleistungen,
    2013: 7.890.000,- Geldzuweisungen, 206.440,17 Sachleistungen,
    2014: 14.076.000,- Geldzuweisungen, 92.857,98 Sachleistungen,
    2015: 13.720.000,- Geldzuweisungen, 10.599,73 Sachleistungen,
    2016: 11.634.340,- Geldzuweisungen, 14.939,26 Sachleistungen.

    Allles jeweils durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen hochprofessionell dargestellt.

    Dazu kommen mindestens noch Sachleistungen (Fassadenpläne, Modelle) im Wert von über 3 Mio, die zwischen 2004 und 2007 erstellt wurden.

    Die Jahresabschlüsse 2009 und 2010 fehlen leider, aber auch dort dürften erfahrungsgemäß weitere Sachleistungen im 5- bis 6-stelligen Bereich erbracht worden sein.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

    Einmal editiert, zuletzt von Ein_Hannoveraner (20. Februar 2018 um 23:54)

  • Auf Kulturradio vom rbb gab es da einen eher erfreulichen und gar nicht mal wetternden Kommentar, der die Kirche im Dorf lässt, eine treffende Ansage an die Politik enthält und ganz am Schluss mit einem phänomenalen Vorschlag aufwartet:

    http://www.ardmediathek.de/radio/Kulturra…mentId=50130744

    Gar nicht so verkehrte Ansätze ja. Bin sehr dafür, die Millionen für die Einheitswippe zu sparen und stattdessen in die Schlossfassaden zu stecken! :thumbup: Und es stimmt, es ist schon erstaunlich, welch gewaltige Spendenmenge bereits zusammenkam, und es ist selbstverständlich, dass die Fassaden vervollständigt gehören. Der Staat hat dank dem Steuergeld der Bürger so viel Plus gemacht in den letzten Jahren und schleudert es bevorzugt für Unsinn raus, da wäre es nur gerecht, jetzt einmal den Menschen etwas Dauerhaftes zurückzugeben.

    Dass ganz Deutschland das Schloss aber als "Preußenprojekt im Feindesland" ansieht, glaube ich kaum. Die Spenden kamen von überall. Und so unreflektiert preußenfeindlich wie die Medien heute sind die Leute auch nicht.

  • Ich bezweifle nach wie vor, dass in einem Bericht des Bundesbauministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages die Spendeneingänge eines gemeinnützigen Vereins, dem Förderverein Berliner Schloss e.V., erwähnt werden. Der Spiegel betreibt aber, so komisch das klingt, mit Fakten Desinformation.
    Den Weg des Geldes Spender -> Verein -> Bund -> Auftragnehmer wird undurchsichtig, unvollständig oder gar nicht von den Medien (in dem Fall der Spiegel) verdeutlicht. Jemand der nicht auf den Kopf gefallen ist wird, wenn er das weiß, so denke ich davon ausgehen, dass der Schritt Bund -> Auftragnehmer nicht vom Schritt Spender -> Verein abhängig sein kann.
    Die 43,3 Millionen Euros werden schon stimmen, doch auf was sie sich beziehen bleibt, solange man den Bericht nicht selber liest und es dort auch drinsteht, unklar. Das die Fassaden (derzeit) von Steuergeldern bezahlt werden stimmt auch. Doch wird dabei natürlich ausgelassen, dass nicht der derzeitige Stand zählt, sondern was nächstes Jahr unterm Strich in der Rechnung des Bundes für die Fassaden steht: eine Null oder doch eher ein Minus.

    Oder kurz, dieser Spiegel-Bericht ist inhaltlich irrelevant, für das Projekt aber rufschädigend. Die Klarstellung des Vereins ist daher genau richtig und wichtig. Mehr muss man dazu eigentlich nicht mehr sagen, alles weitere sehen wir Ende nächsten Jahres. Ich bezweifle jedoch, dass der Bund die Ausstände dann bezahlt, eher wird dann halt über 2019 hinaus gesammelt werden müssen.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • ... tja, man hat es potentiellen Spendern ja auch nicht immer leicht gemacht ...

    Unvergessen die Episode, als Winfried Kretschmann, seines Zeichens Ministerpräsident von BW, mehrere Großspender zu einer insgesamt Millionenspende (waren es drei oder fünf Millionen?) bewegt hatte. Einzige Bedingung der Südwestdeutschen war damals, dass einer der Säle im Schlosss "Baden Württemberg" genannt werden sollte.

    Und das war denn Damen und Herren Entscheidern dann doch zu piefig - man lehnte die Spende tatsächlich ab! Denn einen Saal mit Namen eines Bundeslandes zu benennen, das ging ja gaaar nicht!

    Nicht auszudenken, was eine positive Entscheidung des Gremiums bei den Landesfürsten der anderen 15 Bundesländer ausgelöst hätte - nicht unwahrscheinlich, dass man sich bei Spendenakquisitionen im eigenen Bundesland geradezu hätte überbieten wollen um dadurch auch einen schönen Saal mit seinem Ländernamen zu schmücken.

    Die Fassaden könnten längst finanziert sein!

  • Dass nun gerade Baden-Württemberg 5 Millionen für das preußische Schloss in Berlin spenden und dafür einen Raum mit dem Landesnamen haben wollte, geschah eigentlich nicht ohne historischen Hintergrund, freilich wird das nicht der Grund gewesen sein. Die angeblich heute noch so gehassten Preußen, zumindest das preußische Königshaus waren ja Schwaben: Hohenzollern. Die Stammburg der preußischen Könige ist heute als historistische Rekonstruktion des 19. Jhd. am Rande der Schwäbischen Alb noch zu besichtigen und ein kultureller Höhepunkt in BW. Ich war schon als Kind mit mindestens zwei Schulausflügen dort oben. Auch das Land Preußen selbst können wir Schwaben als unseren Ursprung betrachten: Die ersten stammesmäßig nachweisbaren Bewohner des Raumes Berlin und Ostpreußens waren die Sueben, also die Schwaben, die dann bereits ab Caesars Zeiten in unsere heutigen wirtlicheren Weinbaugegenden ausgewandert sind. Die Ostsee hieß bei den Römern noch mare suevicum - Schwäbisches Meer.

    Vor allem die Badener hätten Grund zum Preußenhass: So wurde der Potsdamer Maximilian Dortu (von ihm stammt die Bezeichnung Kartätschenprinz) 1849 in Freiburg im Breisgau von den Preußen hingerichtet. Er hatte sich auf die Seite der badischen Revolutionäre geschlagen. Aber das ist lange her.

    Selbstverständlich ist die Spendenbereitschaft für das Schloss hierzulande recht üppig und wird der Bau von sehr vielen, wie ich weiß, mit Eifer verfolgt.

    Noch eine kleine Episode: Als die hohenzollerischen Stammlande im19. Jhd. Preußen zugeschrieben wurden, gab dies der Pfarrer von Hechingen mit folgenden Worten bekannt: Liebe Gemeinde, ich muss euch heute zwei Dinge sagen: dass wir preußisch geworden sind und dass wir es um unserer Sünden willen nicht besser verdient haben.

    Aber wir Schwaben sind nicht nachtragend und beim Schloss schon gar nicht!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Gestern Abend wurden in der Aktuellen Kamera (>> Link) endlich mal zutreffende Zahlen genannt und auch halbwegs sachlich berichtet.
    Das ganze Affentheater um die Schloss-Finanzierung ist einfach nur noch nervig, keinen Menschen in Berlin juckt offensichtlich die Milliardenverschwendung für den Hauptstadtflughafen oder die lokalen "Schutzsuchenden", aber wenn's um's Schloss geht dann kommen schlagartig die altbekannten scheinheiligen Empörungs-Reflexe.

  • Und was schließen wir daraus: Unterscheide zwischen den Spendenangaben der Stiftung Humboldtforum und denen des Fördervereins Berliner Schloß e.V., aufgrund verschiedener Berechungsweisen und zusätzlich etlichen Sachleistungen auf Seiten des Fördervereins. Dadurch kommen unterschiedliche Zahlen heraus. Den tatsächlichen Spendenstand kann der Interessierte nur über die Jahresabrechnungen des Vereins transparent erhalten, inklusive aktuellem Stand. Das sollte sich die Journallie mal hinter die Ohren schreiben!

  • Schafft man die Enthüllung der Schlossfassaden dann eigentlich schon zum 251. Geburtstag Wilhelm von Humboldts am 22. Juni 2018? Oder wann genau ist das vorgesehen?

    Im Sommer wurde gesagt, von daher: Vielleicht, vielleicht auch nicht.

    Nach den Aussagen der Verantwortlichen wird Alexander und sein runder 250.Geburtstag für das Museum und sein Eröffnungstermin auch höher gewertet als Wilhelm. Aber vielleicht lässt man sich diesen kleinen Höhepunkt auch nicht entgehen, wer weiß.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • @Bentele
    "Vor allem die Badener hätten Grund zum Preußenhass: So wurde der Potsdamer Maximilian Dortu (von ihm stammt die Bezeichnung Kartätschenprinz) 1849 in Freiburg im Breisgau von den Preußen hingerichtet. Er hatte sich auf die Seite der badischen Revolutionäre geschlagen."
    Immerhin hat der badische Großherzog 21 Jahre später in Versailles das Kaiserhoch ausgebracht. Eigentlich sind wir Badener also auch recht versöhnlich.
    Interessant auch, dass das "Schwäbische Meer" heute nicht mehr die Ostsee, sondern der Bodensee ist. Liegt das an der Boden-Ständigkeit und Genügsamkeit von euch Schwaben?


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    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Der sehr populäre Großherzog Friedrich I. von Baden hatte die einzige Tochter Kaiser Wilhelms I., Luise geheiratet. Die beiden Häuser Baden und Preußen waren also eng verwandt. Baden war militärisch an Preußen angegliedert. Wenn ich recht informiert bin, befand sich in Karlsruhe in Baden die einzige Königlich Preußische Kadettenanstalt außerhalb Preußens (das Gebäude steht noch, darin befindet sich die Oberfinanzdirektion Karlsruhe).

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (23. Februar 2018 um 19:45)