Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Toll!
    Drei Erkenntnisse ergeben sich daraus:
    1.) Die Berliner fühlten sich den Schwaben schon 1932 überlegen.
    2.) Der Staatsratskasten muss weg und die Brüderstraße wieder hin.
    3.) Auf dem Dach unmittelbar westlich von Portal II ist ein flacher Aufbau mit Fenstern, der auf einer älteren Aufnahme (von einem Luftschiff aus) noch nicht existiert.
    Welche Funktion hatte der?

  • So, dann wäre das jetzt auch ein für allemal geklärt, wenn auch spät, aber wir sind ja in Berlin, immerhin... ! :D:thumbup:

    „Disneyhaft“, du liebes Bisschen, „disneyhaft“ ist ein wohlfeiles Etikett, das man überall ankleben kann, wo etwas unterhaltsam, komfortabel und womöglich noch historisch wiederhergestellt ist; wobei das richtige „Disneyland“ alles andere als eine originalgetreue Rekonstruktion darstellt, so wie das hiesige Schloss, sondern pure Fantasie.

  • 3.) Auf dem Dach unmittelbar westlich von Portal II ist ein flacher Aufbau mit Fenstern, der auf einer älteren Aufnahme (von einem Luftschiff aus) noch nicht existiert.
    Welche Funktion hatte der?

    Der Joachim-Saal (E.von Ihne) entstand 1909 im 2.Obergeschoss über dem Portal II. Er war breiter und höher als der davor befindliche Apollo-Saal. Darüber wurden dann noch Räume für das Pesonal geplant. Daher die Fenster.

  • @
    Pagentorn

    Vielen lieben Dank für diese Auszüge - man fühlt sich als hätte man es selbst so gesehen, nach dieser Lektüre :)

    PS: Gibt es eigentlich außer dem Schlüter-Film andere Filme die die Schlossräume in bewegten Bildern von Innen zeigen?

    Gibt es Planungen die wichtigsten Räume zumindest als 3D Animation (evtl. Im Schloss/HBForum) zu zeigen?

  • Heute Abend, unbeachtet von den zahlreichen Sonnensitzern...

    ...wurde dann auch das letzte Flügelstück noch reingehievt.

    Ein schöner Brocken im doppelten Sinn.

    Zum Vergleich das Portal aus dem Staatsrat:
    Bildquelle: Wikimedia, Urheber 'Gryffindor', CC BY-SA 3.0 unportiert

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • obwohl dies bestimmt schon 1000 X beantwortet ist:
    weshalb hat man vom denkmal geschutzen Staatsrat Gebaude die Schloss Fasade nicht entfernt und im neuen Stadtschloss eingebaut???
    war es nur ein Frage der Denkmalschutz???
    nochmalls warscheinlich schon 1000 X Beantwortet aber bin trotzdem neugierig danach!

  • obwohl dies bestimmt schon 1000 X beantwortet ist:
    weshalb hat man vom denkmal geschutzen Staatsrat Gebaude die Schloss Fasade nicht entfernt und im neuen Stadtschloss eingebaut???
    war es nur ein Frage der Denkmalschutz???
    nochmalls warscheinlich schon 1000 X Beantwortet aber bin trotzdem neugierig danach!

    Denkmalschutz und weil die Figuren zum Teil falsch rekonstruiert wurden. An dem Portal ist sowieso nicht sehr viel alt, weil man beim "Abbau" alles andere als professionell vorging.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Und weil man am Portal IV aus ideologischen Gründen manches auch willkürlich geändert hat: Der preußische Adler auf der Wappenkartusche wäre am Staatsratsgebäude der DDR natürlich ganz unerträglich gewesen, man hat ihn durch Jahreszahlen ersetzt.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Außerdem war das Portal ja wohl schon vor 1945 nicht mehr ganz original, weil es dort während der Aufstände 1919 Beschussschäden gab, die in den 1920ern ausgebessert wurden - oder verwechsele ich da jetzt Portal IV und V?

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Nach der Quellenlage stand Liebknecht auf einem Autodach vor dem Schloß im Lustgarten. Das Partal am Staatsrat ist ersten schon kaum mehr ein materielles Original, zudem weiter verändert worden. Letztendlch ist das nachgebaute Portal des Staatsrats ein Zeugnis der Geschichtspolitik der DDR, die Stuhllemmerkopie wird ein Nachbau sein, der sich deutlich näher am Original befindet.

  • Der Bauherr des barocken Berliner Schlosses, Kurfürst Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I. war ein sehr früher Naturschützer:

    „Se. Churfürstl. Durchl. verboten, keine nachtigallen auffzufangen, oder in gebauren [Käfigen] zu halten.“ Selbstverständlich durften sie da auch nicht gejagt und getötet werden.

    Dieses Dekret wurde zum Anlass für ein langes Preisgedicht, aus dem, hier ein kleiner Auszug gegeben werden soll:
    Über die von Sr. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg etc. geschützte Nachtigallen
    von Benjamin Neukirch (1665 – 1729)

    (…) Ist‘s möglich, großer Held! Dass dein bemühter Geist,
    Da Deutschlands Feinde dich an deinen Grenzen kränken,
    Doch noch an Vögel kann, an schlechte [schlichte] Vögel, denken?
    Dass, da der stolze Hahn zwar alles reizt und beißt,
    Die Kinder [hier Küken] aber selbst für [durch] Hunger lässt verderben,
    Dein Adler Fremden auch kann Ruh und Schutz erwerben? (…)

    Beglückte Nachtigall: Wo bist du hin gestiegen?
    Du ziehst nun ohne Scheu in Friedrichs Gärten ein (…)

    Aus: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bisher ungedruckte Gedichte Erster Teil Leipzig 1695 S. 213, hier in moderner Rechtschreibung wiedergegeben.

    Der Schutz der Nachtigall unter dem Kurfürsten von Brandenburg, um 1695, dürfte der erste Vogelschutz überhaupt gewesen sein. Coburg folgte mit dem Schutz der Nachtigallen 1739. 1777 versuchte Sachsen-Weimar- Eisenach durch eine Käfigsteuer die Käfighaltung zu reduzieren, andere Fürsten folgten. Die Zeit des Deutschen Bundes war dann im 19. Jhd. die große Zeit der Nachtigallensteuern. Staatlich verordneten allgemeineren Vogelschutz gab es Im Deutschen Reich erst ab 1888.

    Warum die Nachtigall? Ihr nächtlich klagender Gesang galt schon im Mittelalter als Symbol der Liebe und der Himmelssehnsucht.

    Mir scheint, dass dieser nette literarische Fund gut zu der Figur der fortitudo in der Lunette im Portal V des Berliner Stadtschlosses passt: die Staatsgewalt, also der Kurfürst, der sich nicht auf rohe Gewalt und Krieg verlässt. Dem Hahn, der die Küken nicht versorgt, stellt der Barockdichter Neukirch den (brandenburgischen) Adler gegenüber, der Fremde aufnimmt und schützt – wohl Bezug zu den vom großen Kurfürsten aufgenommenen Hugenotten und anderen „Fremden“.

    Eine Erklärung für den kurfürstlichen, bald darauf königlichen Schutz des Singvogels? Vielleicht war es seine Körperbehinderung, die seine Teilnahme für Schwache und grundsätzliche Friedensbereitschaft reifen ließ. Das Volk nannte ihn den Schiefen Fritz: Eine Hebamme hatte ihn im ersten Lebensjahr fallen lassen; er blieb Zeit seines Lebens verkrüppelt. Vom Vater erhielt er wenig Förderung, die Stiefmutter blockierte seine Thronfolge. Er setzte seine Ansprüche aber durch und erwies sich bei nicht von ihm zu verantwortenden militärischen Aktionen vor Bonn und Kaiserswerth in den vordersten Reihen als äußerst mutig. Dennoch führte er in seiner Zeit als Kurfürst und dann als König keinen einzigen Krieg. Sein Sinn galt der Wissenschaft und der Kunst, es könnten also auch ästhetische Gründe sein, die zum Schutz der Nachtigall beigetragen haben. Im Geschäft des Regierens war er schwach: Er vertraute korrupten Beratern, den drei Wehs der Mark Brandenburg.

    Der Alte Fritz sagte über ihn: „Wenn Friedrich I. Lob verdient, so geschieht es deshalb, weil er seinen Landen immer den Frieden erhalten hat, während die Nachbarn vom Krieg verwüstet wurden.“

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Vielleicht kann man das auch auf eine metaphorische Ebene heben. Der Hahn (gallus) steht in der barocken Staatsikonographie für Gallien/Frankreich. Entsprechend schmückt er auch die Kapitelle im Spiegelsaal von Versailles.
    Der Adler steht für Brandenburg bzw. Preußen, entsprechend ziert er die Kapitelle von Portal I, II und III des Berliner Schlosses. Die Nachtigall steht vielleicht für die Pflege der Künste, die trotz kriegerischer Bedrohung nicht vernachlässigt werden soll.

    Moderationshinweis (Aedificium): Direktes Zitieren und doppelte Vollzitate entfernt, bitte auf ordentliche und nutzerfreundliche Ausführung des abzusendenden Beitrags achten! Danke!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.