Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Gar nicht lustig, ich hatte mich schon gefreut. :(
    Man lässt sich wirklich in den letzten Monaten Zeit. Naja, ist ja auch noch viel Zeit bis Ende des Jahres, wenn alle Fassaden fertig sein sollen.

  • Nun was eher negatives: Ich bin heute Morgen mit NTV aufgewacht und musste dort in der roten Laufschrift lesen: "Stiftung bereut Kreuz auf Stadtschloss"...

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Es geht aber um diesen aufgeblasenen Wichtigtuer-/Rentnerverein namens "Stiftung Zukunft Berlin", also nicht um die Stiftung Humboldtforum (die ja das Kreuz vor kurzem noch bestätigt und bekräftigt hat). Das ist auch in dem Welt Artikel etwas missverständlich formuliert:
    https://www.welt.de/politik/deutsc…adtschloss.html

  • Wird das Kupfer nicht vielleicht noch flachgezogen, wenn die Falze gemacht werden?
    Das ist doch noch gar nicht ganz fertig, oder?

    Das kann auch sein. In der Tat sehen die Stehfälze noch unfertig aus. Aber die Arbeitsweise wäre dann eigenartig.

  • Es geht aber um diesen aufgeblasenen Wichtigtuer-/Rentnerverein namens "Stiftung Zukunft Berlin",

    Ach, dazu fällt mir nur dieser Spruch mit der Eiche und dem Borstenvieh ein...Wichtig wäre es m.E. auch im Blick zu haben ob die kleinen Kreuze der Kronen des Fensterbedachung des zweiten Stocks noch montiert werden. huh:)

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Was mir gerade mal auf/einfällt warum wurde eigentlich nicht der alte Teil (der nicht-rekonstruierte Teil) und der Apothekerflügel nicht als Umriss auf den Boden eingezeichnet oder mit Steinen die Grundmauern angedeutet? War so etwas denn mal im Gespräch?

  • Letzte Woche sind neue Großfenster angeliefert worden, welche nun eingepackt im Schlüterhof stehen.

    Dazu passend ein heute veröffentlichtes Filmchen bezüglich Herstellung und Einbau der Lustgarten-Portalfenster:

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    Also wenn man das so sieht fragt man sich ja immer wieder wie sie es damals ohne all diese technischen Hilfsmittel trotzdem geschafft haben.

  • Was mir gerade mal auf/einfällt warum wurde eigentlich nicht der alte Teil (der nicht-rekonstruierte Teil) und der Apothekerflügel nicht als Umriss auf den Boden eingezeichnet oder mit Steinen die Grundmauern angedeutet? War so etwas denn mal im Gespräch?

    Hallo Kaiserpalast, die Umrisse der nicht zu rekonstruierenden Gebäudeteile einzuzeichnen war zwar nie im Gespräch, es ist aber geplant, den ehemaligen Standort der Hofapotheke durch eine Baumgruppe zu markieren.

  • Die Fassaden des Schlosses, Erdteilallegorien und das Humboldtforum
    Nachdem das Schloss seine Schönheit, wenn auch noch hinter Reklametafeln mehr und mehr enthüllt, setzen die Schlossgegner auf den letzten Trumpf: Die barocken Fassaden, unterstellen sie, passten so gar nicht zum Übersee-Inhalt des Humboldtforums – sie seien betrügerische Kulissen, aufgeklebte Lügen, die den Inhalt verleugneten und den Betrachter täuschten. Solche und viele andere Fehlurteile können das Schloss auch nach Fertigstellung noch in den Dreck ziehen und auf Dauer belasten. Viele wissen es nicht besser, das ist schlimm, zumal für Journalisten, die recherchieren sollten, andere – und das ist schlimmer – lügen bewusst.

    Viele von uns hier haben immer wieder Argumente vorgetragen, die solche Beschimpfungen widerlegen. Ich will hier noch einige Gedanken an bereits Gesagtes anfügen, die beim Argumentieren für Schloss und Humboldtforum helfen können.

    Auch ich habe zunächst bedauert, dass nicht die Gemäldegalerie oder die kostbare Sammlung vergangener Handwerkskunst in das Schloss kommen. Zwar sind die Gemälde unvergleichlich gut ausgestellt, doch das Schloss wäre der würdigste Rahmen. Und das Kunsthandwerk ist verschenkt und verdämmert im nichtssagenden Kulturforum.
    Dennoch bin ich fast froh, dass es anders gekommen ist.

    Die Öffnung des Abendlandes zur Welt war eine Folge des Humanismus, der nach der mittelalterlichen Fokussierung der Welt auf die Religion den Menschen und die Natur zum Ziel hatte. Die Entdeckung Amerikas war nicht Ursache der Ausweitung des menschlichen Denkens und Forschens, sondern bereits die Folge, hat den Horizont aber entscheidend erweitert. Der älteste erhaltene Erdglobus – sicher nicht der erste – von Martin Behaim 1493, ein Auftrag des Rates von Nürnberg, verzeichnet bereits unzählige Handelsgüter als Aufschrift an den Orten ihrer Herkunft, soll also die Kaufleute Nürnbergs hinauslocken in die Welt: Beginn der Ausbeutung der Ressourcen weltweit und damit auch des Kolonialismus. Aber gleichzeitig auch Auftrag, die weite Welt zu erforschen.

    Rasch wächst nach der Weltkarte von Konrad Waldseemüller vom Jahr 1507 das Bewusstsein eines vierten Kontinents; es wächst nicht nur die Gier nach Schätzen, sondern auch das Bewusstsein, zu einer Welt zu gehören, die größer ist als die bekannte – aber auch als Verlust von Geborgenheit: Asien wächst im Bewusstsein immer mehr in die Weite – Indien, China, das ferne Zipangu (Japan), erstmals bei Marco Polo Ende des 13. Jhd., Afrika wird umrundet, Indien wird erreicht. Die Welt ist eine Kugel, was sich unter Magellan empirisch bestätigt, und nun noch Amerika.

    Zur Erschließung der vier Kontinente gehört die sogleich einsetzende Sammeltätigkeit, die über die bloße Gier nach Gewinn weit hinausgeht und auch hinauswirkt. Je weiter die Herkunft, desto kostbarer der Gegenstand, wie bereits dargestellt – macht man sich doch gewissermaßen nie erlebte und erfahrene Wirklichkeiten zu eigen. Die sich langsam entwickelnden Vorstellungen der Welt, die durch Gegenstände, Beschreibungen und Berichte immer mehr Nahrung erhalten, verlangen nach Ausdruck. Dieses Bedürfnis wird von der Kunst befriedigt: in Form von Allegorien, Personifizierungen, werden die vier Kontinente mit Eigenschaften versehen, die ihren Charakter erfassen sollen.

    Die hohe Zeit dieser Erdteilallegorien ist die Zeit des Barock. In Schlössern, Kirchen, Klöstern, Parks und Gärten, Palais und Bürgerhäusern, auch in Büchern wurden aberhunderte dieser personifizierten und mit fremden Menschen, Tieren, Pflanzen und Gegenständen ausgestatteten Allegorien der vier Erdteile gestaltet, im katholischen Süden (die Kirche wird zur Weltkirche) mehr als im Norden; dennoch wächst auch hier das Bewusstsein, zu einer Weltgemeinschaft zu gehören (auch sogleich mit den negativen Folgen eines aufkommenden missionarischen Sendungsbewusstseins). In Gemälden, Fresken, in Skulpturen aus Stein, Holz, Stuck oder Bronze, in Holzschnitten, Kupferstichen und Radierungen werden die Weltteile geschildert, versucht man, die Ferne in die Nähe zu holen, sinnenhaft erlebbar zu machen.

    Übersee wird so integrierender Bestandteil der barocken Thematik und Kunst!

    Das schönste Beispiel solcher Erdteilallegorien findet sich in der Bemalung der Decke des Treppenhauses der Würzburger Residenz. Peter Stephan, der im Berliner Extrablatt Nr. 86 so unvergleichlich die bauliche Ausstrahlung des Berliner Schlosses integrativ in die Stadt Berlin dargestellt hat, erschließt die geistige Grundlage der Fresken der Tiepolo als Ausdruck der Reichsidee der fürstbischöflichen Auftraggeber aus der Familie Schönborn. Um nun noch weiter die Idee der Verbindung der Barockepoche mit der Übersee zu zeigen – das ist kein Widerspruch – müssen wir hier das Wesen des Barock betrachten, weitgehend losgelöst von politischen Zusammenhängen.

    Barock entsteht – sehr verkürzt – in der mörderischen Zeit des 30-jährigen Kriegs: Die ständig erlebte Todesnähe durch Soldateska, Hunger und Seuchen hat eine doppelte Wirkung: die ständige Gegenwart von Vergänglichkeit bringt Frömmigkeit. Andererseits bewirkt sie aber auch das Gegenteil – wer überlebt, will erleben, möglichst mit allen Sinnen. Die barocke Kunst in Architektur, Malerei, Bildhauerei, Musik, Literatur ist vielleicht die sinnenfreudigste Kunstepoche aller Zeiten. Die Sinne werden angesprochen durch Klänge, Farben, Formen, ein üppige Theatralik, man denke an barocke Kirchen, an Bach und Händel – aber in den goldenen Stuckarbeiten oder den so prächtigen Blumenstillleben finden sich verwelkte Blüten, fressende Insekten, faulende Früchte …

    Den stärksten Ausdruck findet der Widerspruch zwischen Transzendenz und irdischer Realität fast in allen barocken Kirchen und Schlössern in den Deckenfresken: Die Decke des Raumes, wird mit malerischen Mitteln aufgerissen, der Blick geht direkt in den Himmel, während unten, gefangen in der irdischen Realität, der kleine Betrachter steht. Der gefühlte Kontrast, der dieses Paradoxon zwischen irdischem Blickpunkt und dem erlebten Jenseits verstärkt, ist die Darstellung der Erdteilallegorien. Sie weiten die Macht der Kirche oder des Adels als Auftraggebern optisch hinaus in die Welt, skalieren sie dadurch aber gleichzeitig auch wieder paradox herab – nämlich durch das Anderssein. Gleichzeitig wächst dadurch aber auch das Paradoxon zwischen dem unendlichen Jenseits und der Größe des irdischen Raums, die sich in den vier Allegorien ausdrückt, ins Ungeheure. Der bedeutendste Roman des Barock Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus endet in einer Robinsonade, zwei Generationen vor Robinson Crusoe von Daniel Defoe, auf einer Südseeinsel – das ist Barock!

    Da die überirdische Welt im aufgerissenen Himmel und die irdische Welt in den Erdteilallegorien aufs Äußerste sinnenhaft erlebbar gemacht werden, wird der Mensch in doppelter Weise existenziell herausgefordert: Einmal die Frömmigkeit des Barock, die nach der Lösung der religiösen Konflikte zumindest in Preußen bereits zur Toleranz strebt, woanders in die Enge des Pietismus führt, zum Zweiten der existenzielle Drang hinaus in die Welt der vier Kontinente, als Forscherdrang und als Sammlerdrang – Macht und Begehrlichkeit, Genuss und Wissenschaft. Von hier führt nun über Friedrich I., den Bauherrn des Berliner Schlosses und Gründer der preußischen Akademie der Wissenschaften, ein gerader Weg zur vorbildlichen Forscher- und Sammlertätigkeit Alexanders von Humboldt.

    Zumindest im Rittersaal des Berliner Schlosses hat es Erdteilallegorien gegeben: der Erdteil Amerika als Bekrönung der linken Türe in der Ostwand zu den Paradekammern, die Bekrönung der rechten Türe stellte den Erdteil Asien dar. Die Fremdheit der gezeigten Symbole ist gesucht und gewollt wie überall, hier Asien mit einem Kamel. Die allegorischen Frauenfiguren halten Palmen auch als Zeichen des Friedens. Und zur inneren barocken Gesamtschau ist die Rekonstruktion wenigstens einiger Räume aus allen den genannten Gründen eines harmonischen Zusammenspiels der Welt absolut unerlässlich.

    So denke ich mir die Substanz des Humboldtforums: das Schloss als einer der Höhepunkte des europäischen Barock trägt in sich ganz schlüssig den barocken Drang hinaus in die Welt – und es gründet damit, wie jeder weiß, direkt auch auf die Sammlertätigkeit der preußischen Könige, vorbildlich gemacht durch Humboldt. Denke ich an die Museumsinsel, die nun mit ihren Schätzen aus der ganzen Welt selbst zu einer Erdteilallegorie wird, so empfinde ich ein tiefes, wenn auch von einem schmerzhaften Rest nicht ganz freies Glück.

    Welcher moderne Bau hätte das alles leisten können?

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    5 Mal editiert, zuletzt von Bentele (5. August 2017 um 12:47)

  • Nachdem das Schloss seine Schönheit, wenn auch noch hinter Reklametafeln mehr und mehr enthüllt, setzen die Schlossgegner auf den letzten Trumpf: Die barocken Fassaden, unterstellen sie, passten so gar nicht zum Übersee-Inhalt des Humboldtforums

    Ich kann nicht erkennen, daß hier ein Trumpf vorhanden ist oder gar "sticht". Die barocken Fassaden sind beschlossen, fast fertig und damit nun auf lange Sicht irreversibel.
    Es ist wohl eher der Inhalt des Stadtschloßes/Humboldt-Forums, der austauschbar ist. Hinter der Kulisse von Schlössern findet man heutzutage europaweit fast alles, von Landtagen und Museen über Hotels und Behörden bis zu richtigen noch amtierenden Monarchen. :koenig:

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Welcher moderne Bau hätte das alles leisten können?


    Jeder.

    Zu jedem großen Bau, der nicht allein wirtschaftlichen Interessen dient, gibt es ein Nutzungskonzept. Meistens ist es die Nutzung, die zeitlich vor dem Bau steht, wenn man nämlich ein größeres Gebäude braucht. Das ist ungefähr so, als wenn im heimischen Wohnzimmer die Erkenntnis reift, ein neues Bücherregal anschaffen zu müssen. Fast jeder kennt das.

    Wenn man z.B. ein neues Rathaus oder eine Bibliothek in einer Stadt bauen will, ranken sich um die Nutzung die wildesten Bau-Ideen.
    Beim Schloss war es umgekehrt. Zunächst war der Wille da, die leere Fläche zu gestalten.
    Sonst nichts.
    Der Palast der Republik sollte abgerissen werden. Auch das kennen wir von zu Hause: Das Pressholz-Regal aus Studentenzeiten ist weg - und was tun wir jetzt da hin?

    Zum Glück war das Schloss die einzige Füllung, die in die Lücke passte. Da stieß die Beliebigkeit an Grenzen, und das hat man eingesehen.
    Die Nutzung war etwas völlig Nachrangiges und ist es bis heute. Welcher zufällig angesprochene Berliner Bürger könnte irgendwas Zutreffendes über das HuFo sagen? Und welcher könnte das nicht über die Baustelle auf der Museumsinsel?
    Ich hatte hier früher schon über die hoffnungslose Unterlegenheit des komplizierten HuFo-Konzeptes unter die durch ihre schiere Existenz überzeugende Idee der Schloss-Rekonstruktion geschrieben.

    Das Schloss ist nun da und was da reinkommt weiß man auch schon. Die Sachen (früher von mir als "Krempel" bezeichnet, wofür ich mich bei allen sich dadurch verletzt Fühlenden entschuldige) sind dort gut aufgehoben, wo sie zur Zeit stehen. Ob das Schloss als Standort perfekt ist, weiß man nicht. Es gibt vielfältige sprachliche Konstruktionen, die das beweisen möchten, aber überzeugend sind sie alle ebenso wenig wie es ein Umzug in den Gasometer von Oberhausen wäre. Argumente gäbe es genug dafür, also für den Gasometer, auch wenn sie heute wie Satire klingen würden.

    Die Exponate des künftigen HuFo sind so willkürlich zusammengesammelt, dass man damit alles und nichts begründen kann. Es ist das was unzählige Sammler, Eroberer und Forscher aus den unterschiedlichste Motiven beschafft haben. Es gibt keine naturgemäße Gravitation, die diese Sammlung in eine bestimmte Richtung ziehen würde.
    Sie könnte überall sein. Aber das Schloss nicht.


  • Es gibt keine naturgemäße Gravitation, die diese Sammlung in eine bestimmte Richtung ziehen würde.
    Sie könnte überall sein. Aber das Schloss nicht.

    Da gebe ich Dir uneingeschränkt recht. Man hätte sie auch weiterhin in Dahlem belassen oder in ein völlig anderes, evt. neu gebautes, Gehäuse einbringen können.
    Trotzdem finde ich, daß Benteles "Verbindungsaufbau" zwischen Barock, Friedrichs Akademie und Humboldt eine gewisse Plausibilität hat, die einen eigentümlichen Reiz erzeugt, was bei einem modernen oder anderen Gebäude so nicht möglich wäre.
    Ich wäre sehr dafür, einige Räume im Schloß wieder zu rekonstruieren (eher "viele" als "wenige"), aber die Nutzungsidee "Humboldtforum" ist zumindest für einen Teilbereich nicht ganz verkehrt.

  • Im Tagesspiegel erschien am 2.8.17 ein Artikel mit dem Titel "Wo Humboldt mit dem König plaudert". Darin geht es um die Wohnung König Friedrich Wilhelm IV. im Schloss und deren kunsthistorische Bedeutung, da sie von Karl Friedrich Schinkel gestaltet und umgebaut wurde. In diesen Räum war auch Alexander von Humboldt oft und gern zu Gast. Der Artikel liest sich fast so, als hege er den heimlichen Wunsch, diese Räume doch wiedererstehen zu lassen, als eine Art Brücke zwischen historischem Berliner Schloss und neuem Humboldt-Forum. Vielleicht auch als Auftakt weiterer Raumrekonstruktionen...? Wunschgedanken zwar, aber möglicherweise ein guter Ansatz, Innenräume in den Fokus zu rücken?

  • Barocksurfer sagt; „Das Schloss ist nun da und was da reinkommt weiß man auch schon. Die Sachen (früher von mir als "Krempel" bezeichnet, wofür ich mich bei allen sich dadurch verletzt Fühlenden entschuldige) sind dort gut aufgehoben, wo sie zur Zeit stehen. Ob das Schloss als Standort perfekt ist, weiß man nicht. Es gibt vielfältige sprachliche Konstruktionen, die das beweisen möchten, aber überzeugend sind sie alle ebenso wenig wie es ein Umzug in den Gasometer von Oberhausen wäre. Argumente gäbe es genug dafür, also für den Gasometer, auch wenn sie heute wie Satire klingen würden.
    Die Exponate des künftigen HuFo sind so willkürlich zusammengesammelt, dass man damit alles und nichts begründen kann. Es ist das was unzählige Sammler, Eroberer und Forscher aus den unterschiedlichste Motiven beschafft haben. Es gibt keine naturgemäße Gravitation, die diese Sammlung in eine bestimmte Richtung ziehen würde.
    Sie könnte überall sein. Aber das Schloss nicht.“

    Es ging mir in meinem Beitrag darum, zu zeigen, dass zwischen dem, was die Schlossfassaden ankündigen, und der Ausstellung der überseeischen Kulturen kein Widerspruch besteht. Ich halte das immer noch für sehr wichtig, denn man liest es fast jede Woche in irgend einem Presseorgan. Die Tendenz ist die, dass die Fassade ein Schloss verspreche, der Inhalt aber Betrug sei, weil er zu dieser Fassade überhaupt nicht passt. Dabei geht es den Gegnern nicht um eine Diskussion, sondern darum, einen weiteren Grund gegen das Schloss zu haben, auch wenn es bereits fertig dasteht. Dadurch werden das Schloss und das Humboldtforum besonders nachhaltig beschädigt, aber auch alle Bemühungen um eine Rekonstruktion von Innenräumen blockiert, denn hier gälte ja dasselbe Argument.

    Die Sache scheint ja zunächst auch einleuchtend: Wie passt denn ein Auslegerboot der Südsee in ein preußisches Barockschloss? Falscher Inhalt oder zumindest falsche Hülle! Da hätte man das Schloss doch besser gar nicht aufgebaut …
    Mir ist gleichgültig, was alles man sonst in das Schloss hätte packen können, oder ob der Inhalt vielleicht nicht auch in den Gasometer nach Oberhausen passen würde. Mir geht es um die Fakten.

    Und da ist es mir wichtig zu zeigen, dass gerade dieser Inhalt in gerade diese Barockfassade passt! Ungeachtet dessen, dass auch andere Sammlungen in das Schloss passen würden.

    Die ethnologische Sammlung, die heute den Grundbestand des künftigen Humboldtforums bildet, hat ihren Ursprung im 17. Jhd. in der Kunstkammer im Schloss des Großen Kurfürsten, 1950 mit dem Barockschloss zusammen gesprengt. Luise Henriette, die erste Frau des Großen Kurfürsten war eine Oranierin, so kamen schon ab 1671 Waffen, Geräte und Kleidungsstücke aus Ceylon, den Molukkenund Japan,chinesisches Porzellan, Manuskripte aus Indienund Objekte aus Afrika über die holländische Ostindien-Compagnie nach Berlin und die Sammlung wurde ständig erweitert. Sie blieb im Schloss auch nach dessen Barockerweiterung zu Beginn des 18. Jhds. 1794 unter Jean Henry wurde sie zum ersten Mal systematisch geordnet, gleichzeitig wurde zielgerichtet weitergesammelt und die Sammelgebiete ständig erweitert. Erst 1843 wurde die Sammlung, die große Ausmaße erreicht hatte, aus dem Schloss genommen und im Untergeschoss des Neuen Museums untergebracht. Sie war also über hundertfünfzig Jahre im Schloss verblieben! Gründungsdirektor der nun Ethnografisches Museum genannten Sammlung wurde Adolf Bastian, der als erster Angkor in Kambodscha erforscht und veröffentlicht hatte, er stellte dabei als erster fest, dass die gewaltige Anlage ihre Anfänge nicht im Buddhismus, sondern im Hinduismus hatte. Das Sammeln geschah schon unter dem Einfluss Humboldts nicht, wie von Barocksurfer dargestellt: „das was unzählige Sammler, Eroberer und Forscher aus den unterschiedlichste Motiven beschafft haben“, also eigentlich doch "Krempel": Sondern gesammelt wurde systematisch, unter bestimmten festgelegten Zielen, z.B. der Vergleichbarkeit mit anderen Kulturen.

    Wenn also Barocksurfer sagt: „Es gibt keine naturgemäße Gravitation, die diese Sammlung in eine bestimmte Richtung ziehen würde.“, so stimmt das aus allen gesagten Gründen nicht!

    Die weiteren Gründe kann man im entsprechenden Beitrag von mir nachlesen:

    Der Drang des Barock in die Ferne: Gerade das Fremde passt in den Geist des Barock. Der barocke Roman Simplicius des Grimmelshausen aus dem 17. Jhd. endet auf einer Südseeinsel. Dazu ganz schlüssig die im Barock aufkommenden unzähligen Erdteilallegorien mit dem Anliegen, unsere Welt in die große Welt einzufügen und die Weltteile aus sich selbst heraus und im Vergleich zu anderen zu erklären.

    Die Ausweitung der Museumsinsel in der Summe zum bedeutendsten Kultur-Museum der Welt.

    Barocksurfer sagt: „Welcher zufällig angesprochene Berliner Bürger könnte irgendwas Zutreffendes über das HuFo sagen?“ Eben. Es wäre Aufgabe der Presse und der öffentlich rechtlichen Anstalten, dem Bürger solche Zusammenhänge klar zu machen. Letztere werden aber kaum wahrgenommen, wenn sie es doch einmal tun. Die Presse versagt sich fast komplett.

    Wir müssen das selbst tun! Wozu gibt es Leserbriefe, Kontakte zu Abgeordneten, die kann man auch schaffen, und die Abgeordneten sind oft froh! Gespräche mit Journalisten, mit Freunden und Bekannten als Multiplikatoren, Vorträge, eigene Artikel; bitte, Fantasie, die Zukunft auf der Museumsinsel ist wert. Und vielleicht gibt es dann bei öffentlichem Interesse plötzlich Druck, im Laufe der nächsten Jahre die Gigantentreppe und sogar einige Innenräume zu rekonstruieren!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    5 Mal editiert, zuletzt von Bentele (8. August 2017 um 17:00)

  • Ich war ja jetzt im Urlaub und hatte die letzten Wochen das Schloss etwas beiseite liegen lassen und muss meinen Frust dann jetzt doch mal artikulieren. WARUM geht es so elend lagsam voran?

    Ich habe das Gefühl, es arbeiten vielleicht noch 5 Leute an den Fassaden, am Dach tut sich gar nix, einzig an der Kuppel ist so etwas wie ein Fortschritt zu sehen. Das nervt ich persönlich jetzt schon etwas.

    Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass man den Baufortschritt bis zum Tag der offenen Tür etwas rauszögert, um eben zu signalisieren, dass man noch Spenden braucht. Aber warum man sich jetzt noch so viel Zeit lässt, ich versteh es nicht. Mit 50 Arbeitern auf der Baustelle wären die Portale und der Schlüterhof in einer Woche fertig, die Kuppel in 4. Warum man das in diesem Tempo jetzt noch vermutlich bis weit in den Herbst zieht, mir leuchtet das nciht ein, gerade bei der Eindeckung der Kuppel sollte allein schon aufgrund von Sicherheitserwägungen für die Arbeiter doch der Fokus darauf liegen, das bei möglichst gutem Wetter fertig zu bekommen.

    Aber gut, wir können es eh nicht ändern, aber ich bin jetzt schon ungeduldig und will das Schloss dann jetzt auch endlich mal sehen :biggrin:

    APH - am Puls der Zeit

  • Bentele: das ist äußerst interessant, daß diese Sammlungen eigentlich ihren Ursprung im Schloß (Kunstkammern) haben.
    Nun sollen sie gewissermaßen wieder dorthin zurückkehren.
    Das praktische Problem, das ich sehe, ist aber: die sind inzwischen so gewachsen, können die da überhaupt ordentlich untergebracht werden? Ohne daß die mE auch sehr wünschenswerte Rekonstruktion von wertvollen Innenräumen unmöglich wird? Der Kompromiß mit der Schloßkuppel ist schon nicht so ganz zufriedenstellend, wiewohl die Schloßkapelle sicher nicht der allerwichtigste Raum war.
    Vermutlich könnte man an der "Wechselausstellungsfläche" etwas Raum abzwacken, die braucht nicht so groß zu sein mE.
    Aber ich sehe halt zunächst mal das Problem, daß die Sammlungen sehr groß und sehr fragil sind und entsprechend viel technisch aufwendiges Umfeld erfordern, das dann einer Innenraumrekonstruktion in die Quere kommt.
    Vielleicht ist das lösbar, man wird es auf alle Fälle versuchen, insofern hast Du schon recht, daß man da dranbleiben sollte - fertig ist das erst, wenns fertig ist, man hat ja bei Kuppel und Rondell gesehen, daß interessierte nahe Begleitung hilft.