Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Das ist so hoch, ich würde da eher an Liefer-Lkw (allerdings schmale) oder Hubwagen mit Bäumen in Töpfen denken...
    Parkplätze wird es da vermutlich nicht viel geben, das erscheint mir doch ein wenig arg profan - die ganze 19.Jhdt- Bebauung der Innenstadt kommt mit recht wenigen Parkplätzen aus, mehr wie für ein paar Großkopfeten wird da nichts sein... zumal Lieferverkehr ja Abladerampen braucht, und der Lkw vermutlich auch da unten wenden muß - jedesmal rückwärts rausfahren erscheint mir doch ein wenig arg verkünstelt.

  • Betrachtet man die Gestaltung des Raumes zwischen Schlüter-Rondell und dem Stellabau mit dem einstigen Schlossgärtchen, so wird die Leistung auch des vielgeschmähten 19. Jhd. deutlich, aber auch die geistige Grundhaltung modernen Bauens. Beim ehemaligen Schloss wurde an dieser Stelle große Rücksicht genommen auf die hochkarätige Umgebung. Die Abstände stimmen, die Bauteile atmen, verstärkt durch die Bepflanzung, und sie steigern sich gegenseitig. Das macht seine Anmut aus und diesen unwiderstehlichen Zauber.

    Stella rückt seinen Bau gnaden- und rücksichtslos an das Rondell heran und erstickt es. Dazu mag die späte Spende des Rondells beigetragen haben - Raumplanung im Innern hätte geändert werden müssen. Man hat es nicht gemacht, ein gewaltiger, nicht wieder gutzumachender Fehler! Auch ein typischer Fehler.

    An dieser neuralgischen Stelle dann auch noch eine Zufahrt, welche auch immer, zu planen, vernichtet jede weitere Möglichkeit der Gestaltung: Sachzwänge vor Ästhetik. Das mag bei einem Industrie- oder Verwaltungsbau seine Berechtigung haben. Hier ist es Brutalität.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    3 Mal editiert, zuletzt von Bentele (20. Februar 2017 um 23:16)

  • Bentele: wie gesagt, Dazu mag die späte Spende des Rondells beigetragen haben - ich vermute, genau das war das Problem. Das war halt eine Änderung in letzter Minute...

    Ansonsten fand ich die vor ein paar Beiträgen aufgebrachte Idee mit dem Efeu ganz charmant, um dem horror vacui modernensis abzuhelfen.

  • An dieser neuralgischen Stelle dann auch noch eine Zufahrt, welche auch immer, zu planen, vernichtet jede weitere Möglichkeit der Gestaltung: Sachzwänge vor Ästhetik. Das mag bei einem Industrie- oder Verwaltungsbau seine Berechtigung haben. Hier ist es Brutalität.

    Dem stimme ich zu. Man muss aber auch (an)erkennen, dass die Kellerzufahrt immerhin an den einzig überhaupt vertretbaren Ort des Gebäudes gelegt wurde. Noch viel schlimmer wäre eine Zufahrt im Teil der historischen Fassaden gewesen. Und auch auf der anderen Seite des Stella-Flügels gegenüber dem Dom wäre sie eine noch größere Katastrophe gewesen, hätte sie dort doch für alle Zeiten einen Wiederaufbau des Apothekerflügels verhindert, auf den ich in einiger Zukunft noch hoffe, um den Lustgarten vernünftig nach Osten abzuschließen.

    Bentele: wie gesagt, Dazu mag die späte Spende des Rondells beigetragen haben - ich vermute, genau das war das Problem. Das war halt eine Änderung in letzter Minute...

    Wir sollten dennoch froh sein, dass das Rondell überhaupt gekommen ist und dass der Stella-Flügel dafür um immerhin eine Fensterachse verkürzt wurde. Mit etwas gutem Willen hätte Stella den Flügel aber noch um 3 weitere Achsen verkürzen können, um das Eck-Rondell wirklich freizustellen. Wie auf dem von mir gezeigten Grundrissausschnitt zu erkennen ist, befinden sich dort "lediglich" ein Aufzug und ein Treppenhaus. Diese beiden Elemente hätten sich doch wohl leicht ein wenig nach Norden verschieben lassen - zugegeben auf Kosten der beiden dort liegenden Büroräume.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich bin auf folgende Online-Petition gestoßen, die sich für den Einbau/Nachbau (zumindest einer Auswahl) der im Berliner Stadtschloss ursprünglich vorhandenen Parkettböden einsetzt.

    Wer will, kann dort unterzeichnen (Weiß irgendwer weitere Hintergründe zu der Petition?)

    https://www.openpetition.de/petition/onlin…ett-ins-schloss

    Parkett ins Schloss !!
    -
    Wir fordern den Einbau/Nachbau (zumindest einer Auswahl) der im Berliner Stadtschloss ursprünglich vorhandenen Parkettböden.

    Begründung:
    Das Berliner Stadtschloss (HumboldtForum) wird nur durch die Außenfassade an seine Historie angebunden.
    Das Original beherbergte die schönsten Parkettböden in ganz Europa.
    Durch Beschluss der Bundesregierung sollen die Innenräume keinen Bezug zum Original haben. Es werden daher unscheinbare Nutzböden in diesem Bauwerk eingebracht.
    Die vom Netzwerk-Parkett angebotene kostenfreie Bereitstellung und Installation zumindest einiger gestalteter Holzböden nach historischen Vorbild (auch bei abweichender Raumgeometrie) würde zum Einen den Steuerzahler entsprechend entlasten und zum Anderen die Schönheit der historischen Parkettböden in die Gegenwart übertragen, damit sich kommende Generationen ein angemessenes Bild der Baukunst vergangener Jahrhunderte machen können.
    Im Namen aller Unterzeichner/innen.
    Berlin, 12.02.2017 (aktiv bis 11.08.2017)

  • Immerhin schon 60 Unterzeichner und das nach nur 11 Tagen. Noch knapp 14.000 Bürger müssten mobilisiert werden zu unterzeichnen.
    Die Bevölkerung ist heutzutage zu desinteressiert. Wir leben in einer Schei.. Egal Gesellschaft. Nach der Arbeit geht's nach Hause vor den Fernseher irgendwelche Doku Soaps glotzen, damit der IQ ja nicht über den eines Vollkornschwarzbrotes steigt.
    Wie die Stadt um sie herum aussieht ist den meisten völlig gleichgültig. Hauptsache die Wohnung in der Platte ist schön warm. Dann ist die Welt in Ordnung.

  • Das Rondell kam erst, nachdem die Ostfassade geplant war. Sie für das Rondell zu kürzen, war leider nicht mehr möglich.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das Rondell wurde 2012 gespendet. Da waren noch nicht einmal die Gründungspfähle gezogen. Die Grundsteinlegung war erst im darauffolgenden Jahr.

    Die Hinzufügung des Schlüter-Rondells war ein riesiger Schritt zur Authentizität des Schlosses, die entscheidende Abrundung zum Schloßplatz und zur ehemaligen Langen Brücke. Da man schon auf die Ostfassade verzichtet hatte, kam dem Übergang zum Stella-Bau entscheidende Bedeutung zu. Großzügigkeit, Einfühlungsvermögen und historische Kentnisse waren velangt. Ich bin überzeugt, dass Einfühlsamkeit und historische Kenntnisse nicht das Hauptproblem waren.

    Im modernen Bauen geben sie nicht mehr den Ausschlag. Sachzwänge, Zeitfaktoren Funktionalitäten und Finanzen sind heute wichtigere Komponenten für Entscheidungen - leider auch für gestalterische. So hat man hier den empfindlichsten Teil des Schlosses grob verhauen. An dieser Stelle stößt der architektonisch wertvollste Teil des ganzen Schlosses mit dem modernsten zusammen. Eine lohnende und große Aufgabe nicht gelöst. Jetzt wahrscheinlich für alle Zukunft unsagbar hart. Eher nicht durch Unfähigkeit. Schade!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

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    Hölderlin

  • Ich finde das nicht besser. Das wirkt so, als wäre da ein Schloß hinter einer Art von Paravent versteckt. Alternativ sieht die Ostfassade so fast wie eine Lärmschutzmauer aus, die einige Meter vor dem Schloß steht.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Wie einer ganz aktuellen Ausschreibung zu entnehmen ist, beginnt im Juni die Verkleidung der Schlosskuppel. Der Ausführungszeitraum ist wie folgt benannt:

    Beginn: 12/06/2017
    Ende: 26/06/2018

    Ebenfalls aus dem Ausschreibungsanzeiger die nachstehend zitierten Angaben zur Leistungsbeschreibung:

    Unter diesem Link kann man sich die Vergabeunterlagen anschauen - nach dem Öffnen der Seite etwas nach unten scrollen (viele interessante Schnitte und Detailpläne):
    https://www.evergabe-online.de/tenderdocuments.html?1&id=151737

  • Seit heute morgen wurden beide Reliefs rechts und links der großen Kartusche an Portal 3 gesetzt.

    Ja, und für Portal 1 liegen die Steine für die obere Plattform (nennt man das so...?) schon bereit, Portal 2 ist jetzt vorbereitet für den Aufbau der Brüstung (nennt man das so...?), bei Portal 4 scheint es wieder los zu gehen und im Schlüterhof wird auch schon fleißig gemauert sowie Rahmen und Fenstergiebel (nennt man das so...?) gesetzt!

    Nur an der Ostfassade tut sich nichts. Ich befürchte ja, die soll tatsächlich im Rohbauzustand bleiben :kopfschuetteln:

    _______________________________________
    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Von den Architekturbegriffen hab ich auch keine Ahnung , obwohl man hier im Forum ne ganze Menge lernt :thumbup:

    Nur an der Ostfassade tut sich nichts. Ich befürchte ja, die soll tatsächlich im Rohbauzustand bleiben :kopfschuetteln:

    Ist ja nicht mehr der Rohbauzustand. Die ist fertig.

  • Von den Architekturbegriffen hab ich auch keine Ahnung , obwohl man hier im Forum ne ganze Menge lernt :thumbup:

    Ist ja nicht mehr der Rohbauzustand. Die ist fertig.

    War'n Scherz!

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  • @ Martintre und Maxinator: ...also wenn man hier viel lernen kann, dann soll dem entsprochen werden und die Fragen werden beantwortet. Hab mich freilicih zur Sicherheit vorher schlau gemacht, hoffe ich irre nicht. Unsere Kunsthistoriker können es ja korrigieren.
    An Portal 1 und 2 ist man noch an der Gebälkzone (Architrav) beschäftigt, ganz genau aber werden bei Portal 1 demnächst das Geison verlegt.
    In einer alten Kunstgeschichte (Lübke/Semrau) heißt es dazu so schön:
    "Über den Kapitellen schließen sich die steinernen, von einer Säulenachse zur anderen reichenden Balken des Epistyls (Architrav) sich zu einem breiten Bande zusammen, auf welchem der Fries ruht. Über diesem wieder springt nach außen die weitschattende Platte des Hauptgesimes (Geison) vor, nach dem Inneren des Peristyls die steinerne Balkenlage der Decke (Pteroma) deren Zwischenräume durch dünnere Steinplatten geschlossen werden."

    Auf einer dieser schönen Architekturzeichnungen wird das konvex-konkav geschweifte Abschlußgesims dann noch als Sima bezeichnet. Das ist das mit den Löwenköpfchen, die , wie hier in der Zeichnung beschriftet, sich auch bereits am ionischen Athenetempel zu Priene finden lassen, sowie ebenso am Erechtheion der Akropolis von Athen (als Beispiele). Unser gebildeter Churfürst und Baumeister Schlüter haben also jahrtausendealte Anleihen aus der klassischen Architektur sich erlaubt.

    Die Brüstung ist bei einem Barockschloß stimmiger mit Balustrade bezeichnet. Die Fensterrahmungen sind Fenstergewände oder -Laibungen, die Fensterbedachungen über den Fensterstürzen bestehen aus Dreiecks- und Segmentgiebeln (Halbkreise). Fehlt die Mitte ist es ein Sprenggiebel.
    So, nun seid ihr fit for classical architecture!
    :lehrer:8)

    Edit: evt. hier zum Nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Ionische_Ordnung

  • Die alten Architekturzeichnungen sind einfach zu schön, um sie euch vorzuenthalten. Habe sie nun einfach abfotografiert und Beim Blättern noch einiges gefunden.
    (aus: Lübke/Semrau: Die Kunst des Altertums)

    Die ionische Säulenordnung:

    Variation der ionischen Ordnung:


    Die korinthische Ordnung:

    Am Berliner Schloß haben wir, wenn ich mich nicht irre, die barocke Version einer Kompositordnung, also die Kombination von ionischer und korinthischer Ordnung.

  • Auf dieser Zeichnung sind im Vordergrund rechts Werkstücke drapiert: Zuvorderst so eine Geison-Platte, wie sie jetzt an Portal 1 verbaut wird. Dahinter eine Deckplatte vom Säulenumgang.

  • Des weiteren fielen mir folgende Architekturvergleiche auf. Zuerst die Vorhalle von San Giovanni in Laterano, Rom (Alessandro Galilei ,1691-1737). Ein Beispiel für eine offene Fassade/einen offenen Risalit, die im Prinzip mit dem großen Risaliten des Schlüterhofes vergleichbar ist, die ja ebenfalls einst offen gewesen war. (Ja, es gibt noch weitere Parallelen im Schloßbau, hier nur, was mir beim Blättern in der alten Kunstgeschichte an schönen passenden Zeichnungen aufgefallen ist. Und ja Schlüters Hof existierte da schon!)
    (aus: Lübke-Semrau: Barock und Rokoko)


    Und dieser Vergleich hat mich dann doch verblüfft. Die Fontana di Trevi, von Niccolo Salvi (1699-1751). Das sieht doch schon sehr nach unserer Westfassade aus. Wann hat sich Eosander an die Westseite rangemacht? Die Kombination von Triumphbogen und Palastarchitektur!