Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Neues von Nikolaus Bernau in der Berliner Zeitung - diesmal zum Schloß.

    So ein Unsinn. Geschichte kann man nicht idealisieren oder fälschen - sie ist ja vergangen und über die Vergangenheit des Berliner Schlosses gibt es keinen Deutungsstreit. Bernau akzeptiert nur nicht, dass die Geschichte dieses Ortes weiter geht, nicht mit der DDR beendet ist und die Existenzpause des Berliner Schlosses eben auch wieder beendet werden kann.
    Auch das gehört zu der "vielgestaltigen Architekturgeschichte" des Schlosses, die Bernau in seinem ersten Satz beschwört.
    Auf die Idee zu kommen dass der Wiederaufbau "nationalistische Töne" hat, weil unterschlagen wird, dass Andreas Schlüter "im Königreich Polen geboren" wurde ist allerdings eine weitere Verdrehung. Erstens ist der Geburtsort Danzig, der seinerzeit zu über 95 % deutschsprachig war, nicht verbürgt - andere Quellen sprechen von Hamburg als Vaterstadt. Zweitens Hat sich Schlüter nicht als Pole gefühlt, auch wenn er am Königsschloß in Warschau gearbeitet hat; Rastelli ist auch kein Russe geworden. Drittens wäre das Gegenteil "nationalistisch", nämlich wenn der Geburtsort ein Kriterium wäre. Viertens spielte das im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert gar keine Rolle - ist also, wie so viel bei Bernau - aus heutger Sicht geurteilt.

  • Ich will mich jetzt nicht so sehr über Herrn Bernau aufregen, allerdings würde ich doch etwas mehr Sachkenntnis befürworten, wenn man in der Zeitung etwas schreibt, als nur den Wikipedia-Eintrag zur Schlossfreiheit zu übernehmen. Und nur als einer von mehreren Punkten möchte ich darauf hinweisen, dass das Cafe Josty die Adresse "An der Stechbahn 1" hatte und nicht an der "Schlossfreiheit" lag und über eine Terrasse zum Wasser verfügte. Es ist übrigens mittig auf meinem Profilbild zu sehen, das die Stechbahn am Schlossplatz zeigt.

  • Der Bernauer Nikolausi hat auch unlängst in der "Frankfurt Rundschau" einen Artikel über Kulturbauten in der BRD im Allgemeinen und Berlin im Besonderen hinsichtlich grandioser Steuerverschwendungen verfasst.

    Vieles mag stimmen, aber natürlich kann er sich nicht verkneifen, im letzten Absatz ausgerechnet einen Seitenhieb auf's Berliner Schloss einzubauen - dem derzeit einzig bekannten öffentlichen Kulturbau, der, anders als alle anderen, sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan liegt und darüberhinaus als einziges seine herrliche Barockfassade aus den freiwilligen Spenden der Bürger gebaut bekommt.

    http://www.fr-online.de/leitartikel/su…6,35077760.html

    Auch hier zeigt sich wieder Bernaus mangelnde Kenntnis der Materie.

    Habe umgehend mit einem entsprechenden Leserbrief gekontert - ob der veröffentlicht werden wird, wird man sehen.

  • Bautradition, Friedenau, ich schlage vor, dass ihr eure Meinungen nochmal in der Kommentarfunktion der betreffenden Online-Artikels wiederholt. Das ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, etwas Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Ich selbst nutze das gerne, allerdings fühle ich mich fachlich nicht berufen, zum Berliner Schloss fundiert Stellung zu beziehen.

  • In der Berliner Zeitung ist heute ein interessanter Artikel zum Stand der Arbeiten am Schloss erschienen.

    Die beste Nachricht darin lautet:

    Det is doch knorke, wa ?! cclap:)
    >> Hier der Link zum gesamten Artikel der Berliner Zeitung
    .

    Ist das wirklich knorke?
    Wie schon Benni geschrieben hat ist die Südfassade schon viel weiter und
    der Bauherr verzichtet auf die Einnahmen von Samsung, die sicherlich noch ein weiteres Jahr geflossen wären.
    Anscheinend braucht man kein Geld mehr.

    Auckland bei Nacht

  • [...] der Bauherr verzichtet auf die Einnahmen von Samsung, die sicherlich noch ein weiteres Jahr geflossen wären.
    Anscheinend braucht man kein Geld mehr.

    Ich bin davon überzeugt, dass die Stiftung ein Teufel tun wird, das Projekt auch nur ansatzweise zu gefährden oder auch nur minimal in ein schlechtes Licht zurücken. Sie werden sich da wohl ganz sicher sein.


    Ist das wirklich knorke?
    Wie schon Benni geschrieben hat ist die Südfassade schon viel weiter

    Auf beiden Seiten sind die Fensterachsen alle fertig, vom Sockel bis zur Balustrade. Nur die Portale sind auf der Südseite je zu ca. 90% fertig, auf der Nordseite zu ca. 50% (Portal V) und ca. 30% (Portal IV) und diese bestehen aber überwiegend aus Sandstein. Beides ist möglich, aber die Nordseite verspricht mehr PR. ;)

    PS: Ich würde übrigens die Westfassade als am weitesten hinterher hängend einschätzen. Das Eosanderportal ist bestimmt nicht bis Juni/Juli fertig.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Wann kommt die häßliche Box eigentlich wieder weg? Ich würde die ja versteigern... Spätestens, wenn die Lustgartenfassade fertig ist, steht sie im Weg.

    Simulation von Catherine Feff 1992/4:

  • Bernaus Artikel zum Schloss ist doch kalter Kaffee. Von Befürwortern der Rekonstruktion wurde ja stehts bemängelt, insbesondere beim Ostflügel so viele Abstriche machen zu müssen. Da erzählt er denen (also uns) ja nichts Neues. Nur was die Konsequenz aus seinem Urteil ist, erschließt sich mir nicht. Ganz auf die Rekonstruktion verzichten? Dann gibts ja nichts von alldem was noch viel mehr hätte sein müssen.

  • Das Restaurant ist in der Tat ein Ärgernis. Daß Gastronomie auf's Dach kommt, halte ich für sehr richtig. Nur wie hätte man es denn machen können, daß die Schloßansicht weniger beeinträchtigt wird?

    Man hätte es zumindest auf die andere Seite plazieren können, damit es von der Kuppel verdeckt wird. Dann wäre wenigstens der Lindenblick erhaben.

    Ist mir sowieso ein Rätsel, wie man so ein geiles Projekt starten kann und dann so herummosert und -knausert bei den Laternen (Mini-Kuppeln) oder beim Umfeld.

    Die Stella-Fassade finde ich hingegen sehr gut. Da sollten die Traditionalisten mal ein wenig ihr Spießertum ablegen. Eine vierte Barockfassade wäre öde, eine Originalrekonstruktion zwar besser, aber auch merkwürdig und suboptimal. Denn gerade die Inszenierung seiner Brüche macht Berlin stark und authentisch. Eine reine Rekonstruktion wäre aus meiner Sicht tatsächlich zu bieder, zu unwirklich, zu autistisch, geschichtsverleugnend.

    In Berlin braucht es auch für andere Areale ganzheitliche, dialektische Lösungen, gerne natürlich mit starkem Traditionsbezug.

  • Denn gerade die Inszenierung seiner Brüche macht Berlin stark und authentisch. Eine reine Rekonstruktion wäre aus meiner Sicht tatsächlich zu bieder, zu unwirklich, zu autistisch, geschichtsverleugnend.

    Das sind so olle, abgedroschene Phrasen, lol. Damit beeindruckst du hier keinen. ;)

  • Eine vierte Barockfassade wäre öde, eine Originalrekonstruktion zwar besser, aber auch merkwürdig und suboptimal. Denn gerade die Inszenierung seiner Brüche macht Berlin stark und authentisch.

    Gerade die Ostfassade hatte mehr als genug Brücke in sich vereint, es scheint aber das es wohl nicht die richtigen Brüche waren, historische eben. Die viel zitierten "Brüche" sind m.E. ein Synonym für modernistische Verschandelungen und merkwürdig supotimale Veränderungen an historischen Gebäuden oder Ensembles. Diese modernen Brüche, besonders an Rekonstruktionen sind m.E. unehrlich bis trügerisch, weil genau die modernistischen Zutaten eine Entwicklung, ja vielleicht eine Art Spur der Zerstörung und Wiederaufbau, darstellen wollen, die es so nicht gegeben hat.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Vor einigen Monaten wurde hier ja schon einmal das wiederentdeckte Gutachten der DDR zu den Wiederaufbaukosten des Schlosses erwähnt. Gestern hab ich durch Zufall festgestellt, dass jenes Guthaben eingescannt wurde und vollständig beim Bundesarchiv einzusehen ist. Interessant und traurig zugleich.

    http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkei…2/index.html.de

    Unter dem Artikel steht das Datum 13.01.17, also glaube ich nicht, dass das hier schon mal verlinkt wurde.

  • Die Stella-Fassade finde ich hingegen sehr gut. Da sollten die Traditionalisten mal ein wenig ihr Spießertum ablegen.

    Ich finde die Stella-Fassade auch eine brauchbare Lösung, vielleicht die beste, wenn man an dieser Stelle unbedingt eine moderne Fassade will. Ich hätte dennoch die Rekonstruktion der Spree-Fassade tausendmal vorgezogen: An ihr konnte man die Geschichte des Schlosses ablesen wie in einem Buch.

    Ich lehne es aber energisch ab, mich deshalb als "Spießer" zu betrachten!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Zu dem Kostenvoranschlag des Wiederaufbaus Berliner Schloss vom 13. 11. 1950: An diesem Datum war die Sprengung des Schlosses schon in vollem Gange. Bekanntgabe des Beschlusses zur Sprengung war der 23. Juli 1950, Beginn der Sprengung war der 7. September dieses Jahres.

    Es kann sich also bei dem Kostengutachten nur um ein Täuschungsmanöver handeln: Schaut her, wir hatten ja die beste Absicht, aber es ist viel zu teuer. Wir können uns die Restaurierung bei bestem Willen einfach nicht leisten!

    Die Sprengung war dann viel teurer als die Kosten für die Sicherung der Ruine bis zu einem endgültigen Wiederaufbau. Honecker bedauerte nachweislich später die Zerstörung und hätte das Schloss am liebsten rekonstruiert, hatte aber weder Geld noch Baumaterial. Stattdessen kam der Palast der Republik.

    Von der heutigen Nachfolgepartei der damaligen SED, die heute in Berlin regiert, müsste man eigentlich eine gewisse Einsicht in die damalige Verlogenheit des Systems und ein Bedauern über die nachfolgende Kulturbarbarei erwarten und die Absicht wenigstens einer gewissen Wiedergutmachung - Schlossumfeld, Innenräume, zumindest ein gewisses Verständnis für die Heilung der von ihren Vorgängern geschaffenen Wunde und damit für das heutige Schloss.

    Das Gegenteil ist der Fall.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    Einmal editiert, zuletzt von Bentele (21. Januar 2017 um 11:52)

  • Die BZ veröffentlichte gestern einen lesenswerten Artikel in dem es auch um die Farbigkeit der Fassaden geht:

    Zitat

    Wie beim Bau des Barock-Schlosses im frühen 18. Jahrhundert kommt der Sandstein überwiegend aus Sachsen und Schlesien. Dennoch sind Farbunterschiede nicht zu vermeiden. „Steine sind nun mal ein Naturmaterial“, sagt Lindemann. Die Expertenkommission hatte zwar vorgeschlagen, das Schloss mit seinen Sandsteinskulpturen mit einer ins Weiße gehenden Schlämme einzufärben, konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Anstrich hätte nämlich alle zwei bis drei Jahre wiederholt werden müssen. So wird es bei der Eröffnung manche Bereiche der Fassade geben, die farblich gut harmonieren, bei anderen wird es dagegen deutlichere Tönungsunterschiede geben, sagt Lindemann. „Aber das wird sich von Jahr zu Jahr nivellieren.“

    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/stadtsc…wollen-25573946

    Schade, dass es mit der Originalfassung nicht geklappt hat. Allerdings ist es auch sehr aufwendig die Fassade alle paar Jahre komplett neu Streichen zu müssen...

  • Zur Farbigkeit allgemein:
    Hat man die Farbigkeit der Putzflächen schon mit der Musterfassade endgülltig festgelegt oder wird man an der richtigen Schloßfassade noch etwas experimentieren? auf den Visualisierungen den letzten Jahren und Jahrzehnten entstanden sind kursieren ja bestimmt ein halbes Dutzend möglicher Farbfassungen.