• In der Augsburger Altstadt ist doch vergleichsweise sehr wenig Bausubstanz in der Gründerzeit geopfert worden. Tatsache ist doch das wesentliche Bauten wie das Stammhaus der Welser in der Karolinenstraße, das Höchstetter- und von-Stettenhaus am Kesselmarkt, das Schaurhaus am Metzgplatz, das Beckenhaus, einer der wichtigsten Bauten Elias Holl´s, das Hummelhaus mit seiner einzigartigen Fassade oder einer der wichtigsten Gesichtspunkte an der Maximilianstraße, der 3 Mohren, usw. nicht wiederaufgebaut wurden.
    Der heutige Zustand von Rathausplatz, Steingasse, Karlstraße, Ludwigstraße, Im Thäle, Obst- und Kesselmarkt und ganz besonders der hochbedeutsame Straßenzug nördliche Maximilianstraße / Karolinenstraße etc kann mE mit seinen unaugsburgischen Flachdachkisten anstelle hochbedeutsamer qualitätvoller Bürgerhauskultur doch nur als inferior bezeichnet werden. Den Wiederaufbau Augsburgs als gelungen zu bezeichnen ist mE nichts anderes als eine Verhöhnung des großartigen alten Augsburgs, das 1940 noch +/- intakt war und durch diesen fürchterlichen, geschmacklosen Wiederaufbau im zentralen Bereich völlig entstellt wurde. Wie schon geschrieben, Augsburg hatte einfach nur das Glück, das der Zerstörungsgrad nicht wie in Nürnberg oder Braunschweig war und die Altstadt eben sehr groß ist, so daß den Bombenterror und die Bereinigungen danach eben auch noch ein paar wenige der bedeutsamsten Bürgerhäuser überlebt haben (man braucht nur im Buch "Das Bürgerhaus in Augsburg" zu blättern, Wahnsinn wie wenig vom wesentlichsten geblieben ist!). Das soll die nichtsdestotrotz immensen Wiederaufbauleistungen nicht schmälern. Ich würde mir jedenfalls für Augsburg wünschen, das die anfangs genannten Gebäude wieder auferstehen dürften, sie hätte es verdient!

  • Zitat

    Das war halt der Zeitenlauf, der Zeitgeist und ein hochkomplexes Thema

    Ich würde empfehlen, sich mal Städte jenseits der Bundesgrenzen anzuschauen, bevor man solche (gelinde gesagt, es gäbe trefflichere Attribute) sehr verallgemeinende Aussagen trifft. Krakau, Olmütz, Vicenza, Graz, um nur einige Beispiele zu nennen. Abrissorgien in unzerstörten Städten gab es im mitteleuropäischen Kontext eigentlich nur in Deutschland.
    Man darf nicht vergessen, dass Augsburg zur Creme europäischer Stadtkultur zählte und auch im Nichtzerstörungsfalle (vgl zb Erfurt) wohl ein anderes Schicksal als zB Recklinghausen erfahren hätte (und daher nach der Zerstörung auch eine andere Bebauung verdient hätte). Mit Polemik hat die Konstatierung der Wiederaufbauarmseligkeit nichts zu tun - es handelt sich einfach um einen schmerzlichen Befund (im Gegenteil: das Verkennen dieses Befundes erscheint mir als Verdrängung, Realitätsverweigerung, zu denen im süddt. Raum -daher der Bezug zu Nürnberg, wo ähnliche Phänomene zu beobachten sind - ein allzu selbstgefälliger Moment tritt). Die traurige Wahrheit ist: so beschissen wie in westdeutschen Städten - egal wie reich ihre Kulturgeschichte war - sieht es eben nur in westdeutschen Städten aus (wurscht, wie ihre Kulturgeschichte war).
    Im europäischen Raum war nur Polen von einer vergleichbaren Zerstörungswelle betroffen. Dort hat man sich indes nicht mit dem Elend abgefunden, obwohl die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht allzu rosig waren. Gut, das war eine ander Zeit und andere moralische Voraussetzungen. Aber heute daherzukommen und den Wiederaufbau Augsburg, der zum erbärmlichsten und kulturvergessensten zählt, was das Wirtschaftswunderland zu bieten hatte, zu loben, noch dazu hier in diesem Forum, ist schon ein besondere Anmutung.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was ist die Quelle dafür?

    Auch hier sehe ich das aber teilweise anders, zumal diese Quelle keineswegs den grundnegativen Tenor teilt der hier zu lesen ist.

    Beispielsweise wurde natürlich das Rathaus nie mit einer Frontansicht geplant, weil die die Jahrhunderte bis zur Zerstörung der Börse (als letzter Bebauung des heutigen Rathausplatz-Areal) die "Draufsicht" schlicht nicht möglich war mangels Raum. Umgekehrt finde ich aber dass das Rathaus so umso besser zur Geltung kommt. Zusammen mit dem nicht im Ensemble geplanten Perlachturm, der bereits lange vor dem Rathaus errichtet wurde, ergibt sich so zufällig ein geradezu italienisches Piazza-Ensemble, mit dem weiten Platz der vom sehr mächtigen Rathaus und dem Perlachturm daneben, als "Campanile", beherrscht wird. Das ist natürlich gänzlich anders als einst von Holl geplant und anders als es bis zum Krieg aussah, aber gerade das ist ein Beispiel dafür dass der Wiederaufbau eben auch seine Glanzlichter hatte. Die Entscheidung den neu entstandenen Platz freizulassen war mit Sicherheit die beste städtebauliche Entscheidung Augsburgs seit Elias Holls Tagen.

    Ebenso wird sehr richtig angemerkt dass, ohne die alte Bebauung zu rekonstruieren, auf die "Lebbarkeit" der Stadt größte Rücksicht genommen wurde indem man Parzellierungen und die Dimensionen insgesamt fast durchgehend beibehalten hat. Die Zahl der Flachdachklötze ist in der Altstadt Augsburgs (nicht zu verwechseln mit dem kleinteiligen Handwerkerviertel, welches das Klischee einer "Altstadt" bei Auswärtigen zumeist am besten erfüllt!) in der absoluten Minderheit. In der Altstadt, also dem Gebiet innerhalb der ehemaligen Stadtmauer, herrscht das Satteldach mit Biberschwanz-Tonziegeln (nicht diese scheußlichen norddeutschen Dachsteine aus rotgefärbtem Beton in Wellblechdachoptik) zu gefühlten 99% vor. Zumindest was das Straßenbild anbelangt. Nochmal, wer geschlossene Ensemble vergangener Epochen will - der wird auch in Augsburg nicht sein Arkadien finden. Habe ich nie behauptet. Aber nach meinen Maßstäben kann der Wiederaufbau schlicht nicht als gescheitert betrachtet werden. Man hat enorm Rücksicht auf das historisch gewachsene Stadtbild und vorallem die Strukturen genommen. Außer der Karlstraße gab es keinen nennenswerten Eingriff, andere Städte haben ihre alten Strukturen komplett "abgeräumt" nach dem Krieg und mit Tunneln, Hochstraßen, Schachbrettraster, etc. rumgewerkelt. Es hätte auch wie in Essen ausgehen können, wo das Rathaus in einem 70er Büroblock sitzt, mit angebautem Einkaufszentrum, umbraust von mehrspurigen Straßen. Diese Schreckensbilder habe ich im Hinterkopf wenn ich an den typischen westdeutschen Wiederaufbau denke. Damit hat Augsburg gar nichts aber auch gar nichts gemeinsam.

    Und eine kleine Information am Rande, Augsburg ist mit an der Spitze der Prämien für KFZ Versicherungen. Weil die Zahl der Unfälle ausgenommen hoch ist. Das liegt, wie jeder Ortsansässige zu bestätigen weiss, an dem sehr verworrenen Straßensystem aus zahllosen Kurven, engen Gassen, Einbahnstraßen, plötzlichen Einfädelungen etc., wo sich dann auch noch die Straßenbahn durchquetscht. Alles der historischen Struktur geschuldet die man eben bis heute belassen hat, selbst an stellen wo keinerlei historische Bebauung mehr vorhanden ist bzw. den Krieg überstanden hat. Es sind nicht zuletzt die Dimensionen die eine Stadt ausmachen. Die Augsburger geben sich große Mühe und debattieren jahrelang über jede noch so kleine städtebauliche Veränderung, zum geplanten Königsplatz-Umbau gab es ganze drei Bürgerentscheide. Es mögen Fehler gemacht werden und erst recht wurden im Zuge des nötigen übereilten Wiederaufbaues, Obdachlosigkeit als Stichwort, noch viel mehr Fehler gemacht. Aber es stimmt auf gar keinen Fall dass die Augsburger ihrer Stadt gleichgültig gegenüber stehen und wo es sich aus Sanierungsbedarf ergibt versucht man auch gemachte Fehler zu beheben. Das braucht aber wohl nochmal 50 Jahre bis man sagen kann dass Augsburg wieder, wenn auch in sehr gemischten Architekturstilen, ein grundharmonisches Bild abgibt. Aber wir arbeiten daran. :gutenacht:

  • Was ist die Quelle dafür?


    Die findest Du am Ende des verlinkten Beitrags.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Einen schärferen Schnitt in Kulturgeschichte und Architektur als zwischen dem heutigen Nord- und Südbayern kann es kaum geben.


    Hierzu erlaube ich mir eine Randbemerkung, welche - naturgemäß - nichts mit dem eigentlichen Diskussionsgegenstand zu tun hat.

    Zu Nordbayern zählt neben den drei fränkischen Regierungsbezirken auch die Oberpfalz und von dort ist zum südlich angrenzenden Niederbayern durchaus kein „scharfer Schnitt“ zu verzeichnen, weder kulturgeschichtlich noch architektonisch. Dies sollte auch aus einer schwäbisch-südwestbayerischen Perspektive erkennbar sein.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Es geht ja nicht darum, den Wiederaufbau als Ganzen zu verteufeln. Natürlich gab es damals vordringlichere Probleme als ästhetische Fragen, natürlich sind über diese hinausgehend Fehler gemacht worden. Wichtig wäre, eine Bewusstseinsschaffung dafür, dass in Augsburg noch vieles möglich wäre, wofür jedoch kaum Ansätze vorhanden sind.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wahre Worte, es gibt viele sehr viele Beispiele dass gerade in den 80ern wirklich toll gebaut wurde. Mit klassischen Formen, ohne in Kitsch abzudriften. Diese Gebäude haben insbesondere auch im Inneren oft eine tolle Gestaltung mit traumhaft aufgeteilten Wohnungen. Wieso es in den Folgejahren wieder schlechter wurde kann ich mir auch nicht erklären, es scheint da auch zeitgenössische "Wellen" zu geben, mal bessere und mal schlechtere Zeiten.

    Für mein architektonisches Interesse gibt es im Übrigen Nachkriegsbauten die mir schon auch gefallen, obgleich sie nicht "gemütlich" in dem Sinne wirken. Beispielsweise der Eckbau gegenüber der Oster-Skulptur am Kennedy-Platz, wo heute die Firma Patrizia sitzt und sich daneben gleich einen Neubau errichtet hat. Das ist seit der Sanierung meiner Meinung nach ein Juwel der Nachkriegsarchitektur, denn mit eigentlich simplen Mitteln hat man eine interessante Fassade geschaffen. Da hat sich ein Architekt wirklich Gedanken gemacht. Und auf einen zweiten Blick sieht man selbst bei Gebäuden der Grottenau viele schöne Details, die teilweise auch schon verbaut wurden (zB durch Blech-Fassadenelemente, warum auch immer). Kleine Ornamentik im Detail. Das finde ich aufjedenfall erhaltenswert, eher sollte man diese Bauten wieder aus ihren nachträglichen Umbauten und "Entstellungen" herausschälen. Woran auch selten gedacht wird: die Farbe. Mit einer Rückkehr zur originalen, vom Architekt gewählten, Bemalung, inklusive der Kontraste, ergibt sich meist ein gänzlich anderer Eindruck. Mein größtes "Aha"-Erlebnis in dem Zusammenhang war in letzter Zeit bei einem historischen Gebäude, der neue Anstrich von evangelisch St. Ulrich (der eigentlich der Originalanstrich ist).

  • Eckbau gegenüber der Oster-Skulptur am Kennedy-Platz


    1. Was hat dieses Gebäude mit Augsburg zu tun?

    2. Inwiefern ist es besser als andere Gebäude dieser Ära in anderen Städten?

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  • So sehe ich das auch. Ein typischer Vertreter der austauschbaren und den Ort negierenden Architektur, die nicht Stadt, Region und Tradition repräsentieren soll, sondern eine bestimmte Ideologie. In einer kriegszerstörten Stadt sollte Architektur Diener des Ensembles sein und ortstypische Bezüge - in eindeutiger, nicht abstrahierender - Form aufweisen. All das, was Augsburg ausmacht, bewusst egoistisch zu kontrastieren, bewirkt eine weitere Verwässerung der durch Kriegseinwirkung bereits dezimierten städtebaulichen Identität.

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  • Architektonisch gesehen: reinste Dutzendware ohne die geringste Qualitätsanmutung. Ich meine, diesen Bau in Wien mindestens dreimal gesehen zu haben (allerdings eher an unscheinbaren Stellen, wo es wirklich nicht auf die Qualität von Neubauten ankömmt).
    Nur ist hier des Kaisers -Neue-Kleider-Syndrom noch nicht so fortgeschritten - keiner wird deartigen Schrott als "gelungen" oder "stimmig" oder wie auch immer apostrophieren.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Was in Augsburg wirklich unglaublich ist, daß die simplen Häuser der Nachkriegsmoderne am Rathausplatz tatsächlich unter Ensembleschutz stehen. :gehtsnoch:

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Ein Auszug zum Wiederaufbau Augsburgs aus dem Buch Denkmäler in Bayern, Stadt Augsburg, Seite XXXII:

    „Die Ost-West-Straße besitzt mit ihren unsicheren Baulinien und ihrer springenden Bebauung das unbefriedigende Aussehen aller im Zuge des Nachkriegswiederaufbaues in Deutschland entstandenen Straßendurchbrüche, und der vergrößerte Rathausplatz teilt ebenfalls das Schicksal seiner vielen bundesrepublikanischen Genossen, nämlich den Verlust des Gleichgewichts zwischen Raum und Umbauung. Die Wiederaufbauarchitektur ist meist äußerst anspruchslos. Sie versucht zwar hie und da das Altaugsburger Motiv des Flacherkers wiederaufzunehmen, verrät aber eine dezidierte Abneigung gegen Giebel und Dachung, Elemente, die die Stadtsilhouette der Vorkriegszeit geprägt hatten. Stattdessen herrscht eine Vorliebe für horizontale Traufabschlüsse vor, nicht selten über „hohen Stirnen“ aus halben Speichergeschossen, ein Motiv, das sich aus der heimischen Tradition kaum zwingend ableiten lässt und wahrscheinlich aus dem Formenvokabular des sozialen Wohnungsbaus der zwanziger Jahre stammt. Bei der Durchsicht der Zerstörungsphotos erhebt sich immer wieder die Frage, warum manche bedeutenden Bauten , die in den Außenmauern noch genauso aufrechtstanden wie das Rathaus oder der Neue Bau, nicht mit dem gleichen Recht wiederauferstehen durften: das für den Rathausplatz wesentliche Beckenhaus von Elias Holl etwa oder der im Straßenbild der Maximilianstraße herausragende barocke Hauptbau des Hotels Drei Mohren. Doch sind solche Verluste ein allgemeines Phänomen der deutschen Wiederaufbauproblematik...“

  • Eigentlich sogar erstaunlich, das sich in diesem Buch dergleichen an Aussagen findet. Mich wundert ja u.a. sehr, das bisher der "fiese/brutale" Eckbau Rathausplatz/Steingasse mit seinem Nachbarn ("würdiger" Hintergrund des wunderbaren Augustusbrunnen), das Gebäude der Stadtwerke am Hohen Weg oder das Gebäude der Augsburger Allgemeinen am Obstmarkt (an den ich immer wieder erinnert werde, wenn ich mit der S-Bahn in M-Laim nach Pasing am Tengelmann-Gebäude vorbeikomme) noch nicht unter Denkmalschutz gestellt wurden. Letztere beiden große "Verdienste" des 15 Jahre lang bis 1966 amtierenden Stadtbaurats Walther Schmidt. Auch bei der inzwischen abgerissenen Jugendherberge, ein "Glanzstück" seiner Zeit, hat es mich schon gewundert, das es da offenbar keine Probleme mit dem Denkmalschutz (vergleichbar das Schwarze Haus am Färbergraben in M) gab.

    Zum Rathausplatz: Mich persönlich würde ja der ursprüngliche Eindruck des Platzes ungemein interessieren, ich denke es war einer der grandiosesten Plätze überhaupt. Das heute ist nicht Fisch, nicht Fleisch, eigentlich absolut unbefriedigend und trotzdem, zu einer Wiederbebauung des Börsenareals könnte ich mich auch nicht entscheiden, da es eh nur modernistisch ausfallen würde (genau wie auch 1960, als immerhin 55056 Augsburger/innen gegen eine Bebauung votierten, 162 Architekten reichten seinerzeit Pläne ein). Für eine Bebauung mit Börse und Vogelhaus könnte ich mich aber schon begeistern, in Kombination mit Beckenhaus und natürlich dem Barockhaus Ecke Steingasse.

  • Die Häuser an der Westseite des Rathausplatzes in Augsburg sind demzufolge allein kraft der Aufnahme ins Ensemble nicht in ihrem Bestand geschützt; es geht vielmehr um eine etwaige Neubebauung und um Veränderungen an den bestehenden Gebäuden.


    Gut zu wissen, dann steht einer Rekonstruktion der Bauten am Rathausplatz ja grundsätzlich nichts im Wege.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Auch in den Dehio-Handbüchern finden sich häufig recht kritische Kommentare zum Wiederaufbau und zu den Altstadtsanierungen der Nachkriegszeit. Es wäre nur konsequent, wenn ein solches Problembewusstsein seitens scheinbar gar nicht einmal so geringer Teile des Denkmalschutzes darin münden würde, dass diese sich an die Spitze der Rekonstruktionsbewegung stellten. Leider klafft jedoch in der abgekapselten Welt des Denkmalschutzes eine riesige logische Lücke zwischen der Kritik an den Verfehlungen der Vergangenheit und den Handlungsvorschlägen für die Gegenwart.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Das große ehem. Verlagsgebäude westlich Kesselmarkt, nördlich Ludwig- bzw. Karlstraße, südlich Hafnerberg. Wenn man das wegreißen würde, könnte man das Höchstetterhaus mit dem immerhin erhalten gebliebenen Eck-Erker und das von-Stettenhaus rekonstruieren, in letzteres könnte dann wieder das Naturmuseum einziehen und hätte einen würdigen Platz.

  • Zum Rathausplatz: Mich persönlich würde ja der ursprüngliche Eindruck des Platzes ungemein interessieren, ich denke es war einer der grandiosesten Plätze überhaupt. Das heute ist nicht Fisch, nicht Fleisch, eigentlich absolut unbefriedigend und trotzdem, zu einer Wiederbebauung des Börsenareals könnte ich mich auch nicht entscheiden, da es eh nur modernistisch ausfallen würde (genau wie auch 1960, als immerhin 55056 Augsburger/innen gegen eine Bebauung votierten, 162 Architekten reichten seinerzeit Pläne ein). Für eine Bebauung mit Börse und Vogelhaus könnte ich mich aber schon begeistern, in Kombination mit Beckenhaus und natürlich dem Barockhaus Ecke Steingasse.

    Oh Gott, bloß nicht. Es gab keinen Rathausplatz, es gab nur einen Straßenraum rund um den Augustusbrunnen der recht dicht von relativ hohen Gebäuden umbaut war. Die einzige Draufsicht auf das Rathaus war die die man noch heute von der Steingasse aus hat. Der Rathausplatz ist das Herz der Stadt, der Ort für Veranstaltungen ebenso wie für Straßenleben in der warmen Jahreszeit. Er macht die Stadt lebendig. Und Holl hätte ihn auch angelegt wenn der Platz nicht so knapp gewesen wäre in der alten Reichsstadt. Das beweist dass er schon Häuser in der Maximilianstraße niederreißen ließ bzw. diese durch Abriße erst geschaffen hat um eine entsprechende Straße mit Raumwirkung zu bekommen. Augsburger Städtebau entsprach historisch nie dem Kitschbild deutscher Altstädte, von dicht gedrängten kleinen Fachwerkhäusle (die in Augsburg eh nicht heimisch waren). So es der Platz innerhalb der engen Stadtmauern zugelassen hat plante man im Zentrum mit weiten Straßenräumen, großen Gebäudekörpern und vielen Etagen.

    Die Nachkriegsgebäude am Rathausplatz sind wirklich sehr unbefriedigend. Der Platz selbst ist aber ein Juwel Augsburgs.

    In moderner Form neu interpretiert gibt es auch in der Nachkriegszeit eine augsburger Bautradition. Mit anderer bzw. ohne Ornamentik, klar. Das ist aber, Krieg und Wiederaufbau hin oder her, ohnehin weltweit heute nicht mehr angesagt noch war es das in den 50ern und 60ern.

    Mir mißfällt eher die aktuelle Architektur, diese ist beliebig und internationalistisch geworden.

    Einmal editiert, zuletzt von Datschi (7. Januar 2012 um 16:09)

  • Zitat

    Für uns freilich ist es undenkbar


    wer ist denn eigentlich immer mit "uns" gemeint? Der 0815-Augsburger, der unstimmige Nachkriegsprovisorien großartiger Stadtbaukunst vorzieht und sich mit primitiven Flachdachkisten zufriedengibt? Eine Wiederbebauung wird sowieso nicht kommen, insofern braucht ihr beide diesbezüglich auch keinerlei Angst haben, das euch das genommen wird...

  • Was ist das für eine grotesk-widersinnige Aussage:

    Zitat

    Die Nachkriegsgebäude am Rathausplatz sind wirklich sehr unbefriedigend. Der Platz selbst ist aber ein Juwel Augsburgs.

    Über die Nachkriegsbauten an sich braucht man hier kein Wort zu verlieren, da herrscht sogar so etwas wie Konsens, so mies sind diese. Das haben diese genialen Stadtplaner einfach übersehen: eine italienische Piazza, was sie wohl, weltgewandt, wie sie waren, im Sinne hatten, braucht auch so etwas wie eine großartige Umbauung. Mit den Nachkriegskisten ist da kein Staat zu machen.
    Zur Platzanlage: Diese ist in der Tat mehr als problematisch. Das Hauptproblem liegt darin, dass Rathaus und Perlachturm keine Platzfront ergeben, sondern zu weit auseinander stehen. Sie sind eben nur auf Schrägsicht ausgerichtet.
    Andererseits ergibt sich natürlich so etwas wie eine gewisse Wirkung dieser großartigen Bauten. Die Lage ist dennoch vertrackt und unbefriedigend. Von einem "Juwel" kann wirklich keine Rede sein, und es kann überhaupt kein Zweifel bestehen, dass die Wiederherstellung der alten Proportionen (incl. der Gebäude) unbedingt zu fordern wäre.

    Auch sonst ist Zeno massiv zu widersprechen: gerade die Größe macht ihn unübersichtlich und als Treffpunkt ungeeignet. Man müsste sich auf den Augustusbrunnen einschränken, den es indes schon vor dem Krieg gab. Und die Platzweite, der fehlende Schatten der Börse und der Ostseite der Philippine Welser Straße sind der gefährlichen Dehydrierung nur förderlich. Als bloß künstlich geschaffener Mittelpunkt fehlt ihm jegliche historische und wirtschaftliche Kompetenz als agorales Forum, was zur Folge hat, dass der angelockten leichtfertigen Menschenmassen nicht Herr geworden wird, ja dass deren Verpflegung ernsthaft gefährdet erscheinen muss.
    Es wäre schon aus Gründen der allgemeinen Sicherheit absolut notwendig, diesen Freiraum mit möglichst vielen Altaugsburger Bierstuben zu bebauen!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.