• Durch den Ensembleschutz ist z. B. ein modernes Flachdach oder eine moderne Glasfassade in diesem Bereich nicht möglich und auch schon bei anderen Bauprojekten im Altstadtbereich verhindert worden (wo es der Bauherr gerne so gehabt hätte).

  • Und ich nenne deine Äußerung Polemik. Diese Visualisierung ist eine bessere Skizze, keine Simulation des fertige Baus. Wie hier schon geschrieben wurde, aber auch offensichtlich ist (siehe zB die fensterlosen Dachgauben oder die Darstellung des Daches als offensichtlich nur angedeutete Ziegel). Wenn du das nicht sehen willst, bitteschön. Mir ist der Bau tausendmal lieber, als der unterdimensionierte und banale Vorkriegsbau, der weder zu seinen wuchtigeren Nachbarn, noch zur viel wuchtigeren Basilika St. Ulch und Afra gegenüber, irgend einen Bezug aufbauen konnte. Wenn du jedoch "in dubio pro reko" als Mantra hast, dann bringt wohl alle Diskussion nichts. Ich dachte hier jedoch nicht im "Rekonstruktion Deutschland"-Forum zu sein, sondern im Stadtbild Deutschland Forum. Und für das Stadtbild ist das eine passende Füllung der klaffenden Nachkriegslücke. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  • PS: ich habe nochmal recherchiert und kann bestätigen, das Dach wird mit Ziegel gedeckt; Sturz, Laibung und Fensterbrett der Fenster werden, ebenso wie der Rahmen des gläsernen Eingangsbereichs und der unterste Sockel des Gebäudes, mit Stein verkleidet; die Hangmauer bleibt als Backsteinmauer erhalten; die Fassade erhält einen Mineralputz; auch die Dächer zum Innenhof hin, die von der Maxstraße aus nicht sichtbar sein werden, erhalten Schrägen. Wie gesagt, klassische, schwäbische Bauweise, der man aber ansieht, dass es ein Neubau ist. Und ja auch ansehen darf.

    "Horror" ist für mich der Neubau von katholisch St. Ulrich aus den 70ern auf der anderen Seite der Doppelkirchenanlage:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…2C_Augsburg.jpg

    http://static.panoramio.com/photos/large/12062081.jpg


    Das im Kontext betrachtet - der evangelische Neubau immer noch "Horror" usw.?

    Einmal editiert, zuletzt von Urmel (17. Juni 2017 um 12:07)

  • Direkt südlich des kath. Haus St. Ulrich schließen ja vorbildliche Wohnblocks der städtischen Wohnungsbaugesellschaft an. In den 70ern und 80ern gebaut und geplant, wirken sie mit ihren kleinteiligen Ziegeldächern und Putzfassaden, mit klassischen Holzfenstern und den schmalen Gassen stimmig. Sie schlagen die Verbindung vom Zentrum zum Roten Tor und man hat nicht das Gefühl, dass man die Altstadt verlässt, wenn man dort entlang spaziert, auch wenn man natürlich sofort sieht, dass das "Neubauten" der Gegenwart sind:

    https://static.panoramio.com.storage.googleapis.com/photos/large/53021967.jpg

    Solche Beispiele gibt es insgesamt ja recht viele in Augsburg, bis in die heutige Zeit (siehe auch in der Maxstraße, das Projekt Max 23). Sowas, denke ich, wird auch hier am Ende entstehen.

  • Stefan Zweig schrieb 1925 folgendes über Augsburg:

    Ich danke Augsburg einer der stärksten bildnerischen Eindrücke, die mir je eine deutsche Stadt gegeben. Ich kannte Augsburg noch nicht und wollte doch gerne einen übersichtigen Blick tun in die altberühmte Stadt; der Sommermorgen war licht und klar.

    So stand ich schon um halb fünf Uhr morgens auf und ging durch die Straßen. Unvergeßliche Erinnerung. Die Menschen waren noch nicht wach, die Plätze leer: wie durch ein anderes Jahrhundert ging ich vorbei an den palastähnlichen Gebäuden, die unverstellt ihre kraftvoll wuchtige Schönheit in steigendem Licht erhellten.

    Was sonst die Stunde fühlen läßt und die Gegenwart, lag noch im Schlummer, nur das Vergangene war wach mit einer Eindringlichkeit und vornehmen Gewalt, wie ich sie kaum je an einer anderen deutschen Stadt gespürt habe. Nur die Brunnen sprachen, mit schönen Gestalten geschmückt, nur die bemalten Häuser boten Rede und Spruch.

    Ich ging durch die Tore, die altertümlichen kleinen Straßen, und hinab zum Lech. Inzwischen waren die Glocken an den Kirchen wachgeworden. Ich trat ein: es waren einige wenige Fromme darin, alte Leute zumeist mit holzschnittartigen Gesichtern, wie man sie von den Tafeln der deutschen Meister kennt, und an ihnen wie an den alten Häusern von vordem empfand ich den starken Zusammenhang, der hier - stärker als fast überall - noch Vergangenes mit unserer Zeit bindet.

    Dann begannen die Sirenen zu pfeifen, die Fabriken, die mächtigen mußten im Gange sein, die Straßen bekamen Leben, der Tag des Erwerbs trat vor, hastig, vehement wie überall.

    Aus: Augsburg so wie es war (Ludwig Wegele, Droste Verlag, 1974)

    „Groß ist die Erinnerung, die Orten innewohnt“ - Cicero

  • Hier ist noch kurz ein Link zum Sparkassenneubau MAX 23. Er fügt sich recht gut in die Häuserreihe ein.

    Ich war die Woche in meiner Heimatstadt Augsburg und habe mir unter anderem MAX 23 angeschaut und war schwer enttäuscht.

    Das Gebäude hat ein Dach, einen straßenseitigen Giebel und eine symmetrische Lochfassade. Das ist die Minimalleistung in einem altstädtischen Ensemble.

    In Natura fällt aber auf, dass der Bau eine Enttäuschung auf der ganzen Linie ist (wenn man denn Erwartungen hatte). Die Farbgebung ist das Äquivalent zum "Renterbeige" - da verschwimmt alles in einem unifarbenen Brei. Einziger Farbtupfer sind das grelle Rot der Sparkasse und das reflektierte Blau des Himmels. Wenn es aber mal keinen strahlend blauen Himmel oder dramatischen Sonnenuntergang hat, haben die Fenster dasselbe Problem wie alle Glasflächen - sie werden zu schwarzen Löchern.
    Hinzu kommt, dass die Fenster scheinbar einen Alurahmen haben und die Querteilung der Fassade (mir fällt der Name nicht ein?) aus Beton sind - beides Materialien, die bereits neu billig wirken und schlecht altern. Ich prophezeie, dass in 15 Jahren der Bau ein optischer Schandfleck sein wird und das an einem der schönsten Plätze, die ich kenne.

    Das man sich schon darüber freuen muss, dass das Gebäude wenigstens die Minimalleistung eines Giebels erbringt, zeigt, wie sehr wir schon durch das moderne Bauen zermürbt worden sind :(

  • Tatort Augsburg. Ehemaliges Bürgermeisteramt der 1910er abgerissen und den Kasten hingesetzt:

    Der schleichende Austausch in unseren Städten ist in vollem Gange. Verantwortlich dafür sind schlechte Menschen.

    In dubio pro reko

  • Tatort Augsburg. Ehemaliges Bürgermeisteramt der 1910er abgerissen und den Kasten hingesetzt:

    Der schleichende Austausch in unseren Städten ist in vollem Gange. Verantwortlich dafür sind schlechte Menschen.

    Ihr Schwaben seit ja echt nicht zu beneiden, klar in Bayern gibt es auch entsprechende Scheußlichkeiten, aber daß man ein historisches Gebäude für solch einen gesichtslosen und grottenhäßlichen Betoncontainer geopfert hat, geht zu weit.

  • Grüß Euch, nach längerer Zeit wieder einmal am Forum... und wie ich sehe, hat sich nicht allzu viel geändert!

    Zur Diskussion: Aller Wertschätzung historischer Architektur zum Trotz kann ich ein gewisses Verständnis für den Neubau aufbringen. So wertvoll, dass man alle Abrissbefürworter als "schlechte Menschen" bezeichnen muss, war der Vorgängerbau nun auch nicht.
    Abgesehen davon, dass der Neubau schlimmer sein hätte können - Mit der Umgestaltung des Areal wird offenbar ein schöner, offener Platzraum vor der Schule geschaffen. Und das ist schon etwas.

  • Der Bau wirkt in seiner Umgebung reichlich deplaziert und ist auch sonst mit seinen kubischen Formen nicht gerade wie ein Schmuckstück. Wieso man aber die verantwortlichen Personen als schlecht Menschen titulieren muss, erschließt sich mir auch nicht. Wichtig wären hier die Beweggründe für den Neubau und ein Blick auf die alte Situation.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Abgesehen davon, dass der Neubau schlimmer sein hätte können - Mit der Umgestaltung des Areal wird offenbar ein schöner, offener Platzraum vor der Schule geschaffen. Und das ist schon etwas.

    Was bitte hätte noch schlimmer sein können als dieses Ding, das mich irgendwie an einen Kassenscanner erinnert? Nebendran wurde gleich noch der hübsche Torbogen abgerissen. Und »schön«? Schön und dieser Bau sind leider zu starke Gegensätze.


    So wertvoll [...] war der Vorgängerbau nun auch nicht.

    Aber unendlich mal wertvoller als dieses Teil, das da jetzt steht.

    Es heißt doch immer, wir hätten Nachverdichtung nötig. Und hier baut man einen Flachklotz, der dem Anschein jedenfalls nicht mehr Platz bietet als das alte Gebäude.

    Herzliche Grüße

    Bilder von mir finden sich auch bei Wikimedia.

  • Recht was einfallen lassen haben sie sich mit diesem Neubau nicht, das geb ich zu (wobei das Foto eigentlich zu schlecht ist, dass man die Qualität des Gebäudes vernünftig beurteilen kann. Materialwahl, Seitenansicht... das alles zeigt das Bild nicht).

    Trotzdem: Das Entstehen dieses tollen Platzes ist sicher eine große Bereicherung für die Umgebung (die umgebenden Gebäude sind übrigens eine Schule und ein Jugendzentrum) und rechtfertigt den Abriss meiner Meinung nach absolut. Man soll vieles stehenlassen, aber alles eben auch nicht - zumindest, wenn man, wie hier, eine deutlich bessere Lösung gefunden hat.

  • Man kann nur mit dem Kopf schütteln. Das ist absolut krank, einen intakten Straßenzug bewusst zerstören und verhässlichen zu wollen. Und wer sagt, ein Ort brauche auch Platz für moderne Architektur, dem sei gesagt: "Von mir aus, aber nicht an dieser Stelle. Es wird sich ja wohl ein anderer, passenderer Platz finden."
    Also entweder ist das ein Ergebnis von (bau-)mafiösen Strukturen oder den Leuten dort ist ihr Stadtbild und ihre Geschichte mittlerweile völlig egal geworden.