• Bevor die Liste (von H.C. Stössinger) im Alten Forum versauert, hier die zusammengefasste Variante:

    Alt-Berliner Kirchen:
    Verlust-Liste und gerettete Kirchen


    Verlust-Liste:


    Der alte Stadtkern von Berlin war reich an Kirchgebäuden der unterschiedlichsten Epochen und Konfessionen. Vom späten Mittelalter bis in die Neuzeit prägten sie das Bild der Stadt. Vielfach umgebaut oder durch Neubauten ersetzt, waren sie neben dem Glauben auch Ausdruck eines städtischen Stolzes.

    Ich möchte hier nicht alle verlorenen Bauwerke aufführen. Davon gibt es eine große Zahl - wie z.B. den im 18. Jahrhundert abgebrochenen gotischen Dom oder die Ende 19. Jahrhundert verschwundene Gertraudenkirche auf dem Spittelmarkt. Viele Kirchgebäude im 20. Jahrhundert hatten Vorgängerbauten. Es geht hier um Kirchen, deren mehr oder weniger gut erhaltenen Baulichkeiten nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges einer ideologisierten Bulldoser-Politik zum Opfer fielen. Karl Marx kontra Martin Luther. Bauwerke, deren Türme und Kuppeln die Skyline von Berlin beherrschten und der Stadt ihre physische Identität gaben - die heute aus dem Stadtbild verschwunden sind. Gegenüber Prag oder München ist Berlin eine armseelige Stadt. Marx ist weiterhin allgegenwärtig - als Denkmal in der einplanierten Altstadt - und im gesamten Stadtbild. Seine Theorien gipfelten in dem Hass auf den Stein. Dieser Hass schlug der Stadt eine wohl nie mehr heilende Wunde.

    Der Verlusst der Türme und Kuppeln macht auch deutlich, wie unfähig die Moderne ist, einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadt eine neue Identität aufzusetzen. Die Gebäude fehlen einer 766 jährigen Stadt. Das noch Vorhandene ist nur ein schwacher Abglanz - - über einen Erhalt oder die Rekonstruktion der Häuser wären kommende Generationen dankbar gewesen.


    Nach 1945 verlorene Kirchen des alten Stadtkerns von Berlin


    Petrikirche (Pfarrkirche des alten Cölln) (Abriss 1960):



    Erasmuskapelle im Schloß (Abriss 1950)


    Schlosskapelle (Abriss 1951)



    Garnisonkirche (Abriss nach 1948)



    Dorotheenstädtische Kirche (Abriss nach 1960)



    Dreifaltigkeitskirche Friedrichstadt (Abriss Jahr??)



    Bethlehemkirche (Friedrichstadt)(Abriss 1960)



    Luisenstadtkirche (Abriss Jahr??)



    Französische Kirche (Klosterstraße)(Abriss Jahr??)


    Georgenkirche (Alexanderplatz) (Abriss 1950)



    Markuskirche (Stausberger Platz) (Abriss 19??)



    Andreaskirche (Ostbahnhof) (Abriss 19??)



    Jerusalemkirche (südl. Friedrichstadt) (Abriss nach 1954)



    Englische Kirche: Monbijou:


    Denkmalkirche

    - apsidenähnlicher Anbau des Kaiserdoms (Abriss: Politikum)

    Auf dieser Luftaufnahme gut zu erkennen: Die Denkmalkirche

    http://people.freenet.de/monarchisten/kaiserreich/dom.htm\r
    people.freenet.de/monarchisten/k ... ch/dom.htm


    http://www.brandenburg.de/land/stk/reden/2000/0204.htm\r
    http://www.brandenburg.de/land/stk/reden/2000/0204.htm

    Ein interessanter Aspekt von Stolpe: Palast der Republik rettet Kaiserdom.


    Grundriss vom Kaiserdom mit Denkmalkirche


    Neben der Denkmalkirche fehlt auch die Kaiserdurschfahrt auf der rechten Seite. Die alte Aussenkuppel wurde zudem durch einen kümmerlichen Neubau ersetzt:


    Einzig an der Stelle der kriegszerstörten Jerusalemkirche gab es einen Nachfolgebau - weil im damaligen Westberlin (Kreuzberg) gelegen. Da der alte Stadtkern nach dem Krieg hauptsächlich im stalinistischen Ostberlin lag, war das Schicksal so vieler Großkirchen besiegelt.


    (Kirchen-) Skyline Berlins:


    Gerettete Kirchen:


    Für alle Nichtberliner hier mal eine Positiv-Liste von mir


    Heiliggeistkapelle (um 1300):


    Nikolaikirche (um 1230):


    Marienkirche (um 1290):


    Hedwigskathedrale (1747):


    Französischer Dom (1645/1780):


    Bildquelle: Info-germany.de


    Deutscher Dom (1652/1780):


    Bildquelle: Courses.psu.edu


    Sophienkirche (1712):


    Bartholomäuskirche:


    Friedrichwerdersche Kirche (1830):


    Bildquelle: Courses.psu.edu


    Parochialkirche (1702):



    (Die Turmspitze fehlt heute leider immer noch - dort war das Glockenspiel installiert, welches für den eingestürzten Münzturm des Schlosses gedacht war)



    Klosterkirche (Ruine) (1250/1300):


    Bildquelle: Klosterruine-berlin.de


    Kaiserdom (1894-1905):


    (Danke fürs Foto!<img src=smile/biggrin.gif> )


    Annenkirche: (Den heute fehlenden Schul-Flügel will man in naher Zukunft rekonstruiert haben)


    Simeonkirche:


    Die Michealkirche (im Ostteil der Stadt):

    Da das Bauwerk im Schatten der Berliner Mauer lag, war der Platz wohl unbedeutend für die DDR-Hauptstadt-Macher. So konnten der Turm über der Vierung und der Chor wieder hergestellt werden.

    Die Thomaskirche:

    Von der Andreaskirche durch die Spree und von der Michaelkirche durch den Luisenstadtkanal getrennt - lag sie damals im freien Teil Berlins - also am sicheren Ufer.


  • Zu der Rede von Stolpe:

    Meint ihr, dass es je die Chance für eine korrekte Rekonstruktion des Berliner Doms geben wird? Mir gefällt die heutige Lösung nämlich gar nicht, vor allem die verkürzten und veränderten Kuppeln erzeugen eine extrem nach unten gedrungene Wirkung. Welche Details wurden neben den Kuppeln und ihren Türmen sowie der Kapelle noch geändert? Wie hoch wäre wohl der finanzielle Rahmen für eine Veränderung, wenn der Dom eh saniert werden würde?

  • frage an Novaearion: welche rede von stolpe (der stolpe? bm verkehr und bau?) meinst du?

    noch ne frage an die allgemeinheit: wo stand die garnisonkirche?

    die dreifaltigkeitskirche war wirklich sehr beeindruckend - sie ist wohl einer der großen verluste, die zu verzeichnen sind.

  • Sieht echt Klasse aus, deine Simulation! Wenn es nur irhgendwann auch Realität würde...

    Die Garnisonkirche stand südl. des Hackeschen Marktes. Heute führt teilw. eine STraßenbahnstrecke über das Grundstück. Den Rest des Grundstücks nimmt z.Zt. ein Parkplatz in Beschlag. Allerings ist(war?) dort das eine Projekt geplant...Ich such Mal schnell...

  • hab noch ne frage: was ist eigentlich aus dem engelbecken vor der michaelskirche geworden? es sollte doch wiederhergestellt werden? tut sich da noch was?

  • Weiß denn jemand von euch, wo in der Friedrichstadt die Dreifaltigkeits- und die Bethlehemkirche standen?
    Die beiden Kirchen ständen neben der Rekonstruktion von Marienviertel und Schloß ganz oben auf meiner "Reko-Wunschliste" für Berlin-Mitte. Das wären Projekte, für die es vielleicht sogar realistische Chancen gäbe.

    Und wo steht eigentlich die Heiliggeistkapelle? Ich hab' die noch nie gesehen :keine ahnung: .

  • Hallo campus solis,

    genau der. Ich meine die Rede, die Antiquitus oben zwischendrin kurz verlinkt hat: http://www.brandenburg.de/land/stk/reden/2000/0204.htm

    Deine Simulation ist wirklich toll und verdeutlicht, wie sehr der Dom verschandelt wurde. Ich fand den Dom schon immer relativ hässlich, seit ich mich für die Berliner Stadtgeschichte interessiere weiß ich auch, dass es nicht immer so war.
    Die Gegend um den Hackeschen Markt, die du meinst, ist eine der ganz wenigen Brachen in der Berliner Innenstadt. Sie liegt östlich des einzigen Plattenhochhauses am S-Bhf Hackescher Markt. Es gab im alten Forum einen Thread zu dem geplanten Projekt mit einer sehr kontroversen Diskussion, das geplante Gebäude ist auf jeden Fall deutlich besser als der Ist-Zustand und die nähere Umgebung. Ein Jammer, wenn man sich das alte Bild und die Häuser um die Garnisonkirche anschaut.

    Absolut rekonstruktionswürdig wären die Klosterkirche und die Georgenkirche, deren Turm den Krieg wohl unbeschadet überstanden haben muss. Schlimm, wenn man sich dann heute in der Gegend bewegt - Einer der hässlichsten Orte Berlins. Man könnte in dem Atemzug gleich das ganze Viertel abreißen und neubauen.

    Grüße

  • Philon

    Die standen entlang der Mauerstr., die Bethlehem neben dem heutige Philipp-Johnson-Haus und die andere hinterm Wilhelmplatz.
    Die Bethlehem könnte man auf jeden Fall noch rekonstruieren. Da ist nur der Grundriss im Pflaster nachgebildet, aber die Fläche ist noch frei. Bei der 3-Faltigkeits ist es schon schwioeriger...Man müsste erstens die korean. Botschaft abreißen und zweitens stünde sie mitten auf der Straße...Vielleicht wird ja der Wilhelmplatz doch eines Tages rekonstruiert, dann kann man einen Verein für die Reko der 3-Faltigkeits gründen :zwinkern: ...

    Die Heiliggeistkapelle steht neben dem DomAquaree an der Spandauer Str....

  • man muss aber besonders in berlin bedenken, dass der anteil der gläubigen äußerst gering ist - das erschwert die reko von kirchen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • @Ben:
    Danke für die Informationen!

    Zitat


    Man müsste erstens die korean. Botschaft abreißen und zweitens stünde sie mitten auf der Straße.


    Die nordkoreanische in der Glinkastrasse?! - da müssen wir ja nur abwarten bis Korea wiedervereinigt wird; dann wird das Teil überflüssig und der Rekonstruktion der Dreifaltigkeitskirche steht nichts mehr im Weg :gg:.
    Mitten auf der Straße stand die ja quasi ohnehin, wenn ich die Fotos richtig deute.
    Ich habe gerade mal im Netz was über die Geschichte der Kirche nachgelesen: allein die geistesgeschichtliche Bedeutung dieser Kirche für den norddeutschen Protestantismus müßte die Rekonstruktion tausendmal rechtfertigen (und das sag' ich als süddeutscher Katholik :daumenoben: ) - da wirkte ja ein bedeutender Theologe nach dem andern.

    Überhaupt wäre ja die ganze Mauerstr. allein aufgrund ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung eine vollständige Rekonstruktion wert. Wer hat da nicht alles gewohnt: die Brüder Grimm, Achim von Arnim und Clemens Brentano, Rahel Varnhagen,....das ganze "who is who" des Berlin der Goethezeit.

    Zitat

    Die Heiliggeistkapelle steht neben dem DomAquaree an der Spandauer Str....


    Das wäre die letzte Ecke gewesen, an der ich eine gotische Kapelle vermutet hätte. Werd' ich mir gleich morgen mal ansehen.

  • Und wie stehen die Chancen auf eine Wiedervereinigung?

    Mir ist die Geschichte 2trangig, ich finde solche Kuppelkirchen nur sehr schön...

  • Zitat

    Das wäre die letzte Ecke gewesen, an der ich eine gotische Kapelle vermutet hätte. Werd' ich mir gleich morgen mal ansehen.

    Ich glaube allerdings nicht, dass du reinkommst - wenn ich da war, war sie jedenfalls immer zu.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat

    Und wie stehen die Chancen auf eine Wiedervereinigung?

    Tja, das ist natürlich das kleine Problem in meiner schönen Rechnung :augenkrummblau:
    Wahrscheinlich wird eher die halbe Bevölkerung Nordkoreas verhungern.

  • Hallo Ben,

    Zitat


    Mir ist die Geschichte 2trangig, ich finde solche Kuppelkirchen nur sehr schön...

    Das sind sie natürlich sowieso. Als ich die alten Fotos der beiden Kirchen zum erstenmal gesehen habe, habe ich beinah an Rom oder Neapel gedacht. Die Dreifaltigkeitskirche war wirklich ein perfekter barocker Kirchenbau. Die Betlehemkirche fällt dagegen ein klein wenig ab, ist aber immer noch großartig.

  • Ich finde bei der Bethlehem schön, dass sie so leicht deplaziert wirkt. Nicht so geplant, mitten auf nem Platz oder so, sondern so an die Ecke gequetscht...Das macht es lebendiger, irgendwie...

  • Für absolut rekonstruktionsnotwendig halte ich die Petrikirche!

    Äußerst wünschenswert währen dann noch die Georgenkirche, die Dreifaltigkeitskirche und die Betlehemkirche.

    Schön, aber nicht unbedingt notwendig währen Englische, Dorotheenstädtische und Garnisonskirche.

    Weiß eigentlich jemand, was so eine grobe Rekonstruktion kosten würde? z.B. für eine der Kuppelkirchen. Hab letztens mal alte Zeichnungen des Stadtbildes gesehen, wusste gar nicht, dass die beiden Kuppelkirchen so dominierend waren.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)