Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Auch ich habe heute am frühen Abend meine Heimfahrt mit der U-Bahn an der Station Dom-Römer unterbrochen. Als ich aus dem Tunnel kam war ich sofort begeistert von der Goldenen Waage, auch wenn diese noch immer nicht ganz ausgepackt ist, die Front wegen des Überbaus für den U-Bahn-Ausgang nicht direkt zu sehen ist. Dennoch wirkt die Goldene Waage trotz kräftiger Farben ruhig und gar nicht aufdringlich oder gar knallig - im Gegenteil, es ist ein geradezu vornehmer Glanz, den sie ausstrahlt.

    Ich hoffe, das drücken auch meine Handypics aus, trotz schlechten Lichts und grauem Wetter:



    Was natürlich noch fehlt ist der berühmte Arm, der eine goldene Waage hält. Aber dieser ist ja bereits in Arbeit.




    Einfach wunderbar. Fortsetzung folgt

    Einmal editiert, zuletzt von Bautradition (31. August 2017 um 21:01)

  • Hier nun die Domseite mit der kleinen Gaube.




    Hier kann man ein bisschen von dem unbeliebten Nachbarn der Goldenen Waage, Markt 7, "Weißer Bock" oder künftig "Frankfurter Latern'" erahnen. Er erhält offenbar tatsächlich die in den letzten Visus gezeigten Kragsteine, möglicherweise sogar echte Spolien, lässt sich aber (noch) nicht gut erkennen. Man kann auch schon die geriffelte Sandsteinfassade erkennen.

    Fortsetzung folgt

    Einmal editiert, zuletzt von Bautradition (31. August 2017 um 21:04)

  • Die beiden Herren Handwerker rechts im Bild auf dem U-Bahn-Abgangsdach waren so nett von Ihrer exponierten Stelle aus die darauffolgenden Schnappschüsse mit meinem Handy zu machen.


    Dieses und die folgenden Bilder zeigen sozusagen die Frontseite ohne Sockelgeschoss




    Fortsetzung folgt

  • Es ist ein wunderschönes Haus geworden, von dem man fast meinen könnte, es sei immer noch das 400-jährige Original. Bei der Farbgebung habe ich allerdings Einwände (ich nehme es aber gleich vorweg: meckern auf hohem Niveau):

    1. Die profilierten Gesimse sind gelb und blau hervorgehoben. Das Blau passt überhaupt nicht!!! Befunde hat es hier ja keine gegeben, da nur der Eckpfosten erhalten ist. Leider habe ich nirgendwo etwas über eine Farbuntersuchung des Eckpfostens lessen können, aber ich vertraute und hoffte darauf, dass das gemacht worden ist. Die farbliche Hervorhebung der Gesimse sieht man an einigen zeitgleichen Beispielen in Limburg. Dort ist es aber meistens ein Gelb und Blaugrün (drei Beispiele in Limburg a. d. Lahn: klick, klick und klick

    2. Die Gefache haben gegen die roten Balken ein graues Begleitband und schwarzes Filet (= Linie). Bei den filigranen Brüstungsbälkchenchen war dies nicht möglich, weshalb man die grauen Bänder und die Linien einfach weggelassen hat. Das finde ich ziemlich willkürlich, und ich kenne unter hunderten Farbuntersuchungen an historischen Fachwerkbauten keinen einzigen Befund, wo dies so war!

  • Dieses wunderschöne Haus Goldene Waage wird sehr viele Menschen begeistern und es weckt bei sehr vielen Betrachtern das Verlangen nach weiteren Rekonstruktionen herausragender Gebäude in Frankfurt a. M. Es sollten sich nun auf Grund dieses Beispiels der Goldenen Waage Mittel und Wege finden lassen, auch andere Frankfurter Häuser und Höfe wieder auferstehen zu lassen, nur als ein Beispiel von Vielen, z. B. das herrliche Salzhaus wieder aufzubauen. Nichts ist unmöglich, oder wie der Volksmund so schön sagt: wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

    3 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (31. August 2017 um 22:05)

  • Nach all den Bildern möchte ich auch gerne eine kurze Einschätzung abgeben:

    1. Der Bau ist in Ausführung und Qualität fantastisch. Ich möchte da dem Architektenteam mal ein riesiges Kompliment machen, da es ja durchaus jene waren, die vorher nicht unbedingt für die Altstadt waren. Was man dann aber draus gemacht hat, Respekt. Auch wenn Riegel mit dem ein oder anderen Detail nicht ganz zufrieden ist, so muss ich sagen, ist das echt Fehlersuche auf aller aller höchster Ebene. Ich finde, was Authentizität, Detailreichtum, Materialität etc angeht, werden auch für Rekos hier neue Maßstäbe gesetzt, an denen man sich hoffentlich in Zukunft orientiert!

    2. Insbesondere auf den Bildern von Adama aus dem DAF, der auch die Perspektive zum Stadthaus fotografiert hat, wird deutlich, dass die Einpassung der Goldenen Waage an das moderne Stadthaus nicht gänzlich geglückt ist. Leider leider wirkt der Bau etwas reinmontiert, und leider fürchte ich, ist das genau der Effekt, den die Kritiker haben wollten. Die wird durch den völlig verunglückten Bau am Krönungsweg direkt neben der Waage leider nochmals verstärkt werden. Die Goldene Waage hat eine solche Präsenz, allein durch den Bauschmuck, dass es unabdingbar gewesen wären, ihr zumindest rechts und links eine Reko zur Seite zu stellen, die durch ihre Zurückhaltung die Präsenz der Goldenen Waage auffangen und gleichzeitig harmonisch mit ihr im Enselmble wirken kann.

    Daher war es auch nicht wirklich klug, die Platzkante des Stadthauses am Dom nach vorn zu ziehen, so wirkt die Goldene Waage wie eingezwängt, es hätte auch zum Dom die historische Raumflucht mit den 2 folgenden Rekonstruktionen gebraucht, um die Goldene Waage richtig zu rahmen. Dafür hätte ich woanders dann auch auf 2 Rekos verzichtet. Dies ist Jammern auf hohem Niveau, trotzdem muss man diesen städtebaulichen Fehler ansprechen.

    3. Kann ich Villa nur zustimmen und hoffen, dass es gerade nicht das Ende, sondern der Anfang für mehr Altstadt ist, schon jetzt ist klar, dass das Areal ein riesiger Erfolg werden wird. Ich hoffe, man nutzt diesen Erfolg und denkt das Projekt nach allen Himmelsrichtungen weiter. Man denke nur, wie das Fünffingerplätzchen aussehen würde, wenn es in dieser Qualität wie am Dom Römer zurückkehren würde. Auch sonst ist in der Kernaltstadt noch viel Platz für neue Projekte, wenn man denn will. Ich bin echt extrem gespannt. Aber zumindest das Dom-Römer-Projekt kann uns keiner mehr nehmen und wenn keinen Katastrophen passieren, steht die Goldene Waage auch noch in 500 Jahren während vieles von dem, was in Frankfurt heute gebaut wird, dann schon seit Jahrhunderten wieder Geschichte ist. Qualität setzt sich langfristig eben immer durch.

    APH - am Puls der Zeit

  • Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, Vergleichsbilder einzustellen, insbesondere weil Wissen.de die städtebauliche Situation treffend formuliert hat:


    Von links nach rechts: Höllgasse 9, 11, Goldene Waage, Markt 7, 9, 11 (Bildquelle: Kunstanstalt Lautz & Balzar, Darmstadt, ca. 1900)


    Das nächste Bild ist übrigens sehr stark vergrösserbar - unbedingt mit der neuen "Waage" vergleichen:


    Von links nach rechts: Höllgasse 7, 9, 11, Goldene Waage, Markt 7, 9, 11... (Bildquelle: Verlag von Emil Hartmann, Mannheim, ca. 1940)


    (aus dem Beitrag "Die Nachbarhäuser der Goldenen Waage" aus dem Frankfurter Fachwerkstrang)

  • Danke für die aktuellen Bilder, Bautradition. Bei den von Dir angesprochen Kragsteinen von Markt 7 handelt es sich tatsächlich um Spolien, die sogar an ihren Originalstandort zurückgekehrt sind.

    Markt 7 hatte um 1900 ein "modernes" Erdgeschoss erhalten. Die wertvollen Kragsteine waren bereits damals ins Museum gewandert und blieben uns so erhalten.

  • Einfach großartig die Aufnahmen der gerüstfreien Goldenen Waage. Danke dafür auch von mir Bautradition! Auf den Tag habe ich gewartet und nun endlich hat man freie Sicht auf dieses Meisterwerk der Zimmermannskunst. Das rheinisch-fränkische Fachwerk, dessen Farbgestaltung in Ochsenrot sehr an das Moselgebiet bzw. die Mittelrheinregion erinnert siehe Bernkastel-Kues, Ediger-Eller oder Braubach wirkt so authentisch echt, als ob das Gebäude schon seit Jahrhunderten wieder steht :daumenoben: Diese Authentizität hat auch damit zu tun, dass man ein professionelles Handwerksunternehmen aus Westpfahlen (Kramp und Kramp) beauftragt hat! Riegels Kritik zu den Details kann ich schon verstehen, aber das ist wirklich Jammern auf allerhöchsten Niveau! Zu der Farbgestaltung bin ich jedenfalls froh, dass dabei dieses Rot für die Balken rauskam, auf den Visualisierungen war ein ziemlich untypisches Hellbraun vorgesehen, was meiner Meinung nach nicht so gut gepasst hätte. Ja es ist wünschenswert, dass dieses Projekt eine breite Masse begeistern wird, die dadurch weitere Rekonstruktionen in Frankfurt fordert und somit die Politiker unter Druck setzt! :anbeten:

  • Auch die Frankfurter Neue Presse war schon da:

    http://www.fnp.de/lokales/frankf…;art675,2754519

    Das Gebäude ist echt klasse geworden, sieht fast aus wie ein "gut restaurierter" Altbau. Die städtebauliche Situation wird meiner Meinung nach weniger durch das Stadthaus negativ beeinflusst, als durch das Haus am Dom.

    Hier bleibt zu hoffen das -mittelfristig- der Neubauteil der in den Markt hineinragt gekürzt wird.(ich glaube es waren die Freien Wähler, die 2005 mit der aufkommenden Altstadtdebatte einen Baustopp am gerade im Bau befindlichen Haus am Dom forderten, leider ohne Erfolg)

    Einmal editiert, zuletzt von Götzenhainer (1. September 2017 um 09:11)

  • Danke für die aktuellen Bilder, Bautradition.

    Der Danksagung möchte ich mich anschließen. Tolle Bilder, und der fertiggestellte Bau ist einfach der Hammer! Wirkt tatsächlich wie ein vorbildlich restauriertes Original. Eine Lehrstunde für all die Meckerer, die immer vorbringen, so etwas könne man nicht rekonstruieren.

    Da fällt mir ein, wie ich vor weit über 20 Jahren überhaupt zum ersten Mal etwas gelesen habe über die Goldene Waage: In einem bebilderten Büchlein mit dem Titel Frankfurt-Lexikon, in dem alle möglichen Sehenswürdigkeiten und sonstigen wissenswerten Dinge aus Frankfurt (Römer, U-Bahn, Handkäs, Schirn, Palmengarten etc.) in alphabetischer Reihenfolge aufgezählt und in ein paar Sätzen mit wissenswerten Fakten beschrieben waren. Unter "G" kam die Goldene Waage, mit einem kleinen Schwarzweiß-Foto. Meine allererste Reaktion war damals "Hä, wo steht das denn?", und dann "Ach so sad:) ...", denn als letzter Satz stand dort: 1944 unwiederbringlich zerstört. Seitdem beschäftigte mich die Frage "Warum eigentlich "unwiederbringlich". Könnte man nicht... aber das wird ja vermutlich leider eh nicht passieren.

    Jetzt kann man sagen: Von wegen unwiederbringlich!

  • Es ist ein wunderschönes Haus geworden, von dem man fast meinen könnte, es sei immer noch das 400-jährige Original. Bei der Farbgebung habe ich allerdings Einwände.

    Auch die Frankfurter Neue Presse war schon da.

    Dann wissen wir (oder zumindest ich) jetzt auch, wie es zu der Farbgebung kam. Vorbild/Maßstab war das Killingerhaus (nicht Dillingerhaus wie bei der FNP) in Idstein.
    Das kannte ich bislang noch nicht, aber - mein lieber Scholli - das ist ein Juwel!

    Bildquelle: Wikimedia, Urheber 'Mylius', CC BY-SA 3.0 unportiert

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Was man hier alles lernt...
    Hab grad einen Hessen-Urlaub beschlossen, wenn die Frankfurter Altstadt fertig ist. Und Idstein steht oben auf dem Programm.
    https://www.google.at/search?q=idste…f=1504256804782
    Unglaublich, was mein mittlerweile verstorbener hessischer Freund da unterschlagen hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, Vergleichsbilder einzustellen, insbesondere weil Wissen.de die städtebauliche Situation treffend formuliert hat:

    Zusätzlich möchte ich auch noch auf einen Beitrag hinweisen, der die städtebauliche Situation der Goldenen Waage vor 1900 beschreibt, als zwischen ihr und dem Domturm noch eine weitere Häuserzeile stand: Frankfurt in alten Ansichten


    Als "Appetizer" zwei Bilder aus dem verlinkten Beitrag:


    Grundlage: Reiffensteinplan von 1861
    lila: "Goldene Waage"; hellblau: 1900 abgebrochener Häuserblock an der Höllgasse; Domschule und "F4F" 1867 abgebrannt

    Mit dem Bau des Stadthauses wurde die Höllgasse erstmalig überbaut!!! Es nimmt den Platz von Nr. 8, 9, 10 (südliche Hälfte) und 11 ein. Die Höllgasse entstand natürlich erst nach dem Abgang der karolingischen Kaiserpfalz. Sie bestand aber mindestens seit dem Bau der Goldenen Waage. Heute haben wir also keine "Höllgasse" mehr, dafür aber einen "Höllplatz".



    Blick vom Domplatz in den Alten Markt, Aufnahme von C. F. Mylius, 1860
    (Abb. aus "Das schöne Gesicht von Frankfurt am Main, 1924")

    Die Blickrichtung dieses Bildes entspricht im Kartenausschnitt dem Pfeil Nr. 4. Die "Goldene Waage" im Hintergrund rechts ist hier noch auf beiden Seiten eingezwängt. Am linken Bildrand erkennt man knapp den Domturm (Masswerk!).

  • @Riegel u. a.: Ich nehme an, dass das folgende das spätere Bild (Beginn der Freilegung) ist? Die jeweile Datierung auf 1899 erscheint doch ein wenig zweifelhaft.


    An diese beiden tollen Bilder hatte ich gar nicht mehr gedacht! Vielen Dank!

    Interessant ist auch, dass das Hauszeichen (ausgestreckter Arm mit Waage) vor der Freilegung des Fachwerks noch in der Mitte der Giebelfassade hing, und nicht an der Ecke. Das zweite Bild zeigt sicher den Beginn der Freilegung. Ob diese 1898, 1899, oder erst 1900 gleichzeitig mit der Niederlegung der Höllgasse-Häuser erfolgte, weiss ich nicht. Ich schreibe Jahrzahlen jeweils auch nur ab, und betreibe nicht Quellenforschung. Hingegen überprüfe ich Datierungen von Fotos auf offensichtliche Fehler, bevor ich Beiträge absende (Beispiel aus Nürnberg, wo bei Fotos des Albrecht Dürer-Hauses offensichtliche Falschdatierungen existierten: Nürnberg, Neutormauer 42).

  • Noch ein Bild der ursprünglichen Waage mit dem giebelseitigen Erdgeschoss gegen den Alten Markt. Wie man sieht, hatte sich das Erdgeschoss stark nach Osten geneigt. Offenbar war das Erdgeschoss doch zu filigran und damit zu gewagt gebaut worden. Ich stelle das Bild hier ein, weil ich einmal bemängelte, dass bei der neuen Waage zuviel Beton verbaut worden war, was aber den heutigen Vorschriften (insbesondere Erdbebensicherheit) geschuldet ist.


    Bild gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AFr…arkt_-UCSAR.jpg


    Erdgeschoss der Goldenen Waage.