Hallo, ich schreibe hier zum ersten Mal und bin froh, dass es noch Leute zu geben scheint, denen mein Anliegen auch wichtig zu sein scheint!
In der Stuttgarter Zeitung war vor ein paar Tagen ein Artikel, der sich mit Stuttgart 21 befasste. Das machte mich wieder nachdenklich und ich möchte hier schreiben, was mir schon seit Jahren auf der Seele brennt.
Wenn ich in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs bin, ergreift mich ein Gefühl der Trauer.
Kaum historische Bausubstanz, nur Glas, Beton, Stahl, Aluminium. Grau, schwarz, braun, silber - das sind die maßgeblichen Farbtöne dieser Stadt.
In einem anderen großen Architekturforum im Internet ergötzt sich der ein oder andere an Projekten wie Stuttgart 21 und den neuesten seelenlosen Glasbauten marke Kunstgalerie am Schloßplatz (oh, wie ich diesen grässlichen Glaskasten hasse!), welche dann als architektonische Meisterleistung und Prachtbau gefeiert werden.
In Stuttgart hat der Erhalt historischer Gebäude und gewachsener Stadtensembles nie eine große, erwähnenswerte Lobby gehabt. Man opfert nach wie vor alles dem Verkehr, der Wirtschaft.
Dem normalen Stuttgarter ist es egal, Hauptsache man kann gut einkaufen.
Stadtgeschichte?? Interessiert keinen!
Ich gebe zu, dass ich nicht gern in der Stuttgarter Innenstadt bin, weder tagsüber noch nachts. Bei Nacht fallen einem die üblen Bausünden nicht so arg auf wie bei Tag, aber ich bin einfach nur traurig, dass nicht einmal angefangen wird, über eine mögliche Rekonstruktion verlorener Gebäude nachzudenken.
Stattdessen beherrscht dieses leidige Thema Stuttgart 21 die Stadtoberen, die sich dadurch nur ein Denkmal für die, vermeintliche, Ewigkeit setzen wollen.
Wie gern hätte ich die Hohe Karlsschule gesehen, das komplette historische Bohnen- und Heusteigviertel. Das Gerberviertel ist auch nur ein Schatten vergangener Tage, mit einigen wenigen Gebäuden aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das alte Rathaus kenne ich auch nur aus Schwarz-Weiß-Bildern, genau so wie den Marktplatz, mit seinen malerischen Fachwerkhäusern, die heute ganz sicher ein Touristenmagnet wären.
Oder das alte Universitätsviertel, der damaligen Reichen Vorstadt. Nur ein paar kümmerliche, aber immerhin wieder hergerichtete Altbauten in der Calwer Straße zeugen noch von einer großen Vergangenheit.
Oder das alte Heslach, welches auch den Großteil seiner uralten Häuser im Fachwerkstil im Bereich der Böblinger Straße verlor.
Der Bombenkrieg hat innerhalb weniger Wochen Jahrhunderte mühsam gewachsener Geschichte ausradiert. Für immer!
Ich bin gebürtig aus Potsdam, doch in Stuttgart aufgewachsen. Und wenn ich meine Geburtsstadt mit meinem Wohnort und Lebensmittelpunkt vergleiche, schäme ich mich für meinen Wohnort.
Fragt mich ein Ortsfremder nach Sehenswürdigkeiten Stuttgarts, gehe ich das meistens aus bauhistorischer Sicht an.
Leider fallen mir kaum nennenswerte Plätze ein, daher nenne ich die üblichen Verdächtigen Fernsehturm, Wilhelma, Schloßplatz... Aber dann fängt es schon an zu haken. Nein, dann rate ich meistens doch lieber zu "fahren sie lieber in die umliegenden Städte, nach Esslingen, Ludwigsburg, Marbach usw, denn dort gibt es mehr zu sehen, als hier."
Einst sollte der Nesenbach wieder durch Stuttgart fließen, davon war Anfang des neuen Jahrtausends zu lesen, doch hat sich bis heute nichts getan!
Ein trockenes Rinnsal in der Nesenbachstraße wartet bis heute darauf, dass Wasser durch ihn fließt.
In Stuttgart wird nur disktutiert, aber nicht gehandelt!
Geht es um die Wirtschaft, ist man ruckzuck wie von der Tarantel gestochen auf den Beinen - doch geht es um die Stadt an sich und ihre Geschichte, tut sich nichts!
Ein weiteres Beispiel: Seit Jahren gammelt der letzte Rest des Lusthauses im Schlossgarten vor sich hin, droht endgültig zu verfallen.
Laut eines Zeitungsartikels vor ein paar Tagen, ist von der großen Treppe in 50 Jahren nur noch Sand übrig, wenn nichts getan wird! Es drohen sogar, wegen des Baus Stuttgart 21,
weitere Schäden, die der geschichtsträchtigen Ruine den letzten Rest geben könnten.
Stuttgart könnte eine so schöne Stadt sein - die topographischen Voraussetzungen sind ihr schon mal gegeben. Doch der Krieg, und der darauf folgende überhitzige und vom Wirtschaftswunder geprägte Wiederaufbau mit dem Willen eine autogerechte Stadt zu schaffen, zerstörten das Gesicht Stuttgarts, man nahm ihr endgültig die Seele.