Berlin - Molkenmarkt und Klosterviertel

  • Ich würde gerne die Aufmerksamkeit auf ein wenig bekanntes, aber sehr bemerkenswertes Gebäude im alten Klosterviertel lenken: Die Turnhalle des Gymnasiums zum Grauen Kloster, errichtet 1904 von Ludwig Hoffmann.

    Sehr gut gefällt mir neben den liebevollen Details (wie z.B. den turnenden Berliner Bären) die Neuinterpretation der traditionellen norddeutsch/märkischen Backsteinarchitektur, die sowohl in die Gotik zurück, als auch in den Expressionismus nach vorne greift. Hoffmann gehört m.E. zu den besten historistischen Architekten überhaupt. Er schafft es, aus den Vorlagen klassischer Stile eine ganz persönliche Sprache zu entwickeln und wirklich eigenständige, sehr qualitätvolle Bauten zu schaffen, die sich perfekt in die Stadt einfügen und dennoch herausstechen.

    Nur wenigen Architekten gelingt das in dieser Zeit: Alfred Messel vielleicht; und Edwin Lutyens als überragendes Vorbild.

    Bilder: E. v. Brauchitsch, Architekturmuseum der TU, (CC BY-NC-SA)

  • Vielleicht als neue Aula? Eine Turnhalle so aufwendig zu gestalten, dürfte heute schwer umsetzbar sein, zumal der Hoffmann-Bau auch sicher in mindestens 20 Aspekten nicht den heutigen Erfordernissen, DIN-Normen und EU-Richtlinien für Sportstätten gerecht werden könnte.

  • Unbedingt ein Reko-Kandidat ! In meinen Augen ein herausragendes Bauwerk, das das Ensemble nicht störte, aus der gotischen Formensprache schöpft, aber doch keine reine Kopie von gotischen Versatzstücken war und eine gänzlich eigene kreative Lösung darstellte. So geht Bauen im Bestand! :thumbup:

  • Das traurige dabei ist, dass Giebel und Fassade 1946 noch standen - um dann auch dort einem Raum der Sinnleere Platz zu machen. Auch das Gymnasium im alten Kloster war eine Institution, die untrennbar mit Alt-Berlin verbunden war. Die Reihe der berühmten Schüler ist lang. Schinkel war dort und auch Bismarck. Da von nun an nur noch Marxismus gelehrt werden sollte, war der Geist des Grauen Klosters unerwünscht im Zentrum Ostberlins. Ein Jammer! Wiederaufbau als Gymnasium mit langer Tradition ist dringend zu empfehlen.

    http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image_s.cfm?image_id=1212

  • Dass der Giebel noch so gut erhalten war, wusste ich bislang gar nicht. Ganz schön schade!

    Hier noch eine weitere Detailaufnahme (angeblich auch vom Giebel, dürte aber an der straßenseitigen Längsseite gewesen sein):

    Direkt nach dem Krieg sollte das Graue Kloster ja noch wieder aufgebaut werden. Das nachfolgende Bild aus dem Jahr 1951 trug folgenden Begleittext:
    "Alte Kulturbauten werden wieder aufgebaut. Viele Kulturbauten, die untrennbar mit der Geschichte Berlins verbunden sind, wurden während des Hitlerkrieges zerstört oder beschädigt. Ausser anderen lebenswichtigen Bauvorhaben des demokratischen Magistrats werden auch diese alten Kulturbauten wieder restauriert und der Nachwelt erhalten. UBz: Das durch anglo-amerikanische Bomber schwer beschädigte "Graue Kloster" wird wieder aufgebaut, die Ruhe der Klosterkirche gesichert und damit vor dem Einsturz bewahrt."

    Ich bin bei dem chaotischen Ruinenbild nicht sicher, aber es müssten die Schulbauten nördlich der Kirche zu sehen sein.

    Es wäre schön, wenn die nach der Jahrtausendwende laut gewordenen Wiederaufbaupläne nach einer Verschmälerung der Grunerstraße nochmals an Widerhall gewinnen würden. Der Förderverein der Schule hat eine Tochter-Ausgründung und Wiedererrichtung am alten Standort zumindest noch als Satzungsinhalt.

    Diese Lithographie eines verschollenen Eduard Gärtner-Gemäldes der Neuen Friedrichstraße von 1840 zeigt rechts hinter dem Chor der Klosterkirche den (zukünftigen) Standort der Turnhalle.

    Ich bin nicht ganz sicher, ob die Begrenzungsmauer damals noch aus der mittelalterlichen Stadtmauer bestand. Links hinten übrigens das friderizianische Neue Kadettenhaus nach G. C. Unger, welches ab 1896 sukzessive dem (heutigen) Amts- und Landgericht weichen musste.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    3 Mal editiert, zuletzt von Mantikor (3. März 2015 um 22:28)

  • Hier noch eine weitere Detailaufnahme (angeblich auch vom Giebel):

    Nein. Das Relief befand sich straßenseitig an der Fassade (über dem Grüppchen huttragender Herren). Am Giebel waren immer nur drei Bären nebeneinander.


    E. v. Brauchitsch, Architekturmuseum der TU, (CC BY-NC-SA)

    Ich bin nicht ganz sicher, ob die Begrenzungsmauer damals noch aus der mittelalterlichen Stadtmauer bestand.

    Ich denke nicht. Die Stadtmauer befand sich doch eine Straße wieder außen, oder? Siehe.

  • Hallo,
    das ist die mittelalterliche Klostermauer
    gewesen. Diese grenzte den kirchlichen Bereich von den Laien ab.Drinnen galt kanonisches Recht draußen nicht.

  • Die Frage lautete aber, ob noch damals (1840) die Mauer hinter dem Chor noch substanziell der mittelalterlichen Stadtmauer entsprach.
    Ursprünglich wurde die östliche Klosterumgrenzung von der mittelalterlichen Stadtmauer gebildet; diese verlief nun mal exakt dort und es dürfte sicher nicht zwei aneinander gebaute Mauern gegeben haben.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • ^
    Ich denke auch, dass die Mauer auf Gärtners Bild unter dem Putz genauso aus Feldsteinen bestand wie der presente Mauerrest an der Waisenstr./Littenstr., der ein Sims vorgemauert wurde weil sie nun in der Stadt lag.

  • Passt zwar besser in einen anderen Strang, aber auch ganz gut hier zum Thema:

    1947:


    1951:


    1959, nach Vollendung des U-Bahn-Tunnels durch das Klostergelände:


    Trassenverlauf der U-Bahn, 1950:


    1967:

  • Direkt nach dem Krieg sollte das Graue Kloster ja noch wieder aufgebaut werden. Das nachfolgende Bild aus dem Jahr 1951 trug folgenden Begleittext:
    "Alte Kulturbauten werden wieder aufgebaut. Viele Kulturbauten, die untrennbar mit der Geschichte Berlins verbunden sind, wurden während des Hitlerkrieges zerstört oder beschädigt. Ausser anderen lebenswichtigen Bauvorhaben des demokratischen Magistrats werden auch diese alten Kulturbauten wieder restauriert und der Nachwelt erhalten. UBz: Das durch anglo-amerikanische Bomber schwer beschädigte "Graue Kloster" wird wieder aufgebaut, die Ruhe der Klosterkirche gesichert und damit vor dem Einsturz bewahrt."

    Viele hatten den kulturellen Wert des Gebäudeensembles erkannt und richtigerweise einen Wiederaufbau im Sinn. Wahrscheinlich aber hätte die neue Lehranstalt nicht mehr 'Graues Kloster' geheißen. Eine sozialistische Schule mit diesem Namen wäre nicht gegangen. 'Gymnasium zum Roter Oktober' oder so, wäre wohl gekommen. Auch wenn sich die neuen Machthaber an den Traditionen bedient hätten wie beim preußischen Stechschritt vor Schinkels Wache, wäre es nur eine steinerne leere Hülse gewesen. Mit dem alleinigen Machtanspruch der SED verschwand der liberale Geist des Gymnasiums. Verkehrsplanungen und Ausbau der Grunerstraße zur Autobahn setzten diesen Bestrebungen des Wiederaufbaus ein jähes Ende. Wenn es diese Pläne seitens des Magistrats gab, wurden sie jedoch vom Politbüro der SED zunichte gemacht. Schließlich brauchten sie die breiten Straßen um ihre Panzer in die Jubelarena auf dem Gebiet des gesprengten Stadtschlosses zu kriegen. Und bis in die Leipziger Straße wurde die Piste noch verlängert, damit ggf. die Panzer gleich bis Westberlin durchrollen konnten.

    Eine Reanimation des Lehrbetriebes wäre ein kultureller Gewinn für Berlin-Mitte. Nachdem Alt-Berlin von den SED-Genossen ausgelöscht wurde.


    Auch für einen Wiederaufbau der Kirche könnte ich mich begeistern.   :smile:

    2 Mal editiert, zuletzt von Tektor (4. März 2015 um 00:06)

  • Spreetunnel

    Wundervolle Bilder. Kannte ich zum Teil noch nicht. Der freigelegte ruinöse Baukörper sieht nach mittelalterlichem Ursprung aus, Mauerstützen waren in der Gotik üblich. Auf dem letzten Foto sieht es nach Sicherung und Konservierung der Ruine aus. Und dennoch wurde sie ein Opfer der Spitzhacke. Einfach unverzeihlich! :daumenunten:

    Weiß jemand, ob Folgendes noch aktuell ist?:

    http://www.stadtentwicklung.berlin.de

    Rekonstruktion des Arkadeneinganges wäre eine versöhnliche Geste, finde ich.

    2 Mal editiert, zuletzt von Tektor (4. März 2015 um 00:59)

  • Tatsächlich existierte die Schule zunächst auch mit diesem Namen weiter und bezog zuerst ein Gebäude in der Weinmeisterstraße und dann das des ehemaligen Französischen Gymnasiums in der Niederwallstraße. 1958 wurde ihr der Name entzogen (sicherlich aus genau den von Tektor genannten Gründen). Sie hieß dann Erweitere Oberschule Berlin-Mitte und war angeblich die einzige altsprachliche Schule in Ost-Berlin. 1963 gründete sich das Gymnasium zum Grauen Kloster in Schmargendorf neu.

    Damit ist eine inhaltlich-ideelle Traditionslinie gegeben, an die mit der Eröffnung einer Dependence der Schule in Mitte besser angeknüpft werden könnte, als wenn im Osten langfristig ein SED-konformer Lehrbetrieb unter diesem Namen stattgefunden hätte.

    Es gibt auch einen Förderverein, der sich der Wiederbelebung des Standorts nach genau dieser Maßgabe verschrieben hat: Link

    Einmal editiert, zuletzt von Atticus (4. März 2015 um 03:44)

  • Auf Spreetunnels Bild von 1951 sieht es so aus, als habe man auch angefangen, den Grunerstraßen-Flügel des Landgerichts wieder instand zu setzen. Mal wieder so ein Projekt, daß man dann zugunsten einer übereifrigen Stadtumplanung auf halbem Wege abgebrochen hat? Schon seltsam, wo man doch vorgeblich "nichts hatte" in der sog. DDR …

  • ^
    Ich weiß leider auch nur, was von SenStadt veröffentlicht wurde und aus privater Quelle daß in einem erneuten Workshop vor ein oder zwei Jahren die Einplanung einer Schule an der Stelle Vorgabe war. In wessen Trägerschaft diese dann tatsächlich sein würde, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Bester Ansprechpartner dürfte der Förderverein sein.

  • Werde dort demnächst mal anfragen, danke! Da es diesen Verein gibt, gehe auch davon aus, dass er sein gestecktes Ziel weiterhin verfolgt. Solange sich aber noch immer nichts tut an der Grunerstraße und ihrem Rückbau, solange ist ein neues Gymnasium nur ein schöner Gedanke.

  • Am Molkenmarkt fand ich immer den zentralen Bau mit der Uhr sehr interessant und wunderbar urban; das wäre aus meiner Sicht ein guter Leitbau für das Viertel am Stadthaus.

    Ich weiß nur nicht, ob das mit der Verkehrsplanung so überhaupt zusammen geht. Welcher Standort wäre das heute bzw. im künftigen Stadtgefüge, so wie es geplant ist?


    /Molkenmarkt 1902, lizenzfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl….jpg?uselang=de

    Weiß jemand Näheres über den Bau, Name/Adresse, Architekt, Baujahr, irgendwas? Danke.