Berlin - Molkenmarkt und Klosterviertel

  • Sie setzen eben auf einen plakativen Effekt, der irgendwie "fetzig" wirken soll und bei einigen Berlinern vielleicht als "kreative Gestaltung" wohlwollend wahrgenommen wird. Ich denke nicht, dass das nachhaltig sein wird. In spätestens 10 Jahren ist man des großen Auges überdrüssig, zumal man ja schon täglich mit immer monströseren Werbeaufnahmen im Stadtbild konfrontiert wird, die ebenfalls auf derartige grobe Effekte setzen. Dann wird auch die nächste Umgestaltung wieder diskutiert werden. So jedenfalls meine Vermutung.

  • Ich fühle mich an Regierungsarchitektur im Bonn der 1980er Jahre erinnert (allein das sollte in Berlin für einen kollektiven Aufschrei sorgen). Abgesehen davon grenzt das K62 an Körperverletzung.

    "Die Qualität städtischen Bauens resultiert aus einer Generationen währenden, kollektiven Leistung." Hans Kollhoff

  • Bin Anfang März (sorry, ist also nicht ganz aktuell) geschäftlich von der Bundesdruckerei in Richtung Torstraße unterwegs gewesen. Am Stadthaus wird ja offenbar permanent "gewerkelt". Sind das nur Renovierungen oder wird auch etwas ergänzt (Figuren o.ä.)? Das abgeschlagene Wappen im Giebelfeld wäre es wert, mal ersetzt zu werden . . .



    Etwas Zoom . . .


    Musste leider vom Auto raus fotografieren, was beim Fahren eh eine zweifelhafte Beschäftigung ist  :wink:  zudem war es morgens sehr trübe . . . trotzdem hier noch ein paar weitere, allgemeine Eindrücke (ich weiß, geht eigentlich über das Thema hier im Thread hinaus, will es aber nicht auseinanderreissen). Grundsätzlich fällt auf, dass die Verkehrsschneise in der Abfolge "Spittelmarkt - Petriplatz - Molkenmarkt" viel zu überdimensioniert ist. Das Amtsgericht Mitte sieht mit den beiden "Torpedos" auf dem Dach sehr komisch aus. Eine Vollrekonstruktion ist zwar völlig unwahrscheinlich, wäre aber das einzig Richtige.


    Wenn man dann die schlimme Ödnis zwischen Grunerstraße, Otto-Braun-Straße, Mollstraße in Richtung Torstraße verlassen hat, ist man echt erleichtert und froh, dass nun wieder so etwas wie ein städtisches Umfeld erlebbar ist . . .




    Hier war dann mein Ziel, in der Nähe des schön renovierten, gelben Gebäudes

    Wenn man dann die Strecke wieder in die andere Richtung fährt, offenbart sich m.M. nach die Qualitäten des Fernsehturms als "Landmarke". Solche Anblicke . . . das hat schon was (besonders wenn es diesig ist) :smile:


    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Ich verweise mal auf eine Diskussion im Skyscrapercity-Forum zum Thema. Dort findet sich viel schönes Bildmaterial zur Planung für das Molkenmarkt-/Klosterviertel. Über die Architektur wird zu reden sein, aber vom stadtplanerischen geht alles in die richtige Richtung. Leider werden wir es erst in 10 Jahren erleben dürften, dass sich dort die Situation neu entwickelt hat. Es wäre wirklich zu wünschen, dass es schneller ginge, denn je länger der Planungszeitraum, umso unwägbarer die Probleme.

    http://www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=1603796

  • Das gute an Berlin ist, selbst wenn diese extrem hässlich-brutalen Gebilde irgendwo auftauchen, die Stadt ist einfach so gross dass es sich gewissermaßen verläuft. Das Foto hier direkt über mir (sieht aus wie die Gegend um die Oranienstrasse/Torstrasse?) ist ein gutes Beispiel, es ist dermaßen erstaunlich wie viele alte bzw. alt wirkende Architektur es hier noch gibt. Wäre ich Tourist, ich würde nicht auf die Idee kommen dass die Stadt 1945 ein Ruinenmeer war.

    Ich kann mich generell noch immer über so etwas aufregen, obwohl es Kraft kostet und ich es mir deshalb abgewöhnen wollte. Geht nicht. Wenn ich so etwas sehe, krieg ich ne Krise. Wobei ich bei Berlin das beruhigende Gefühl habe, die Stadt ist sozusagen bereits "gerettet", ich kenne die Stadt gut, und ihrer Substanz und ihrem Character hat sie sich im Vgl. z.B. zu Dresden wenig verändert , das konnte auch der Krieg nicht erreichen. In Städten wie Dresden finde ich so etwas noch schlimmer, weil dort Stadtbausubstanz "from scratch" aus dem Nichts gezaubert werden muss, und sieht dort leider meist gar nicht zauberhaft aus. In Berlin ist zumindest Gott sei dank so etwas scheussliches nur "Beiwerk", es wird (Ausnahme Alexanderplatz und einige ähnliche Un-Orte) nicht dominieren können, denn dazu hat die Stadt in den Zentren noch zu viel intakte Bausubstanz.

    PS - ich werde mir diesmal nicht die Mühe machen nachzusehen wo der Baukünstler residiert, aber ich garantiere Euch, es ist in einem unzerstörten Altbauviertel.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Man sollte mMn auch einen Rückbau der Straße zu nem gewissen Grad in Betracht ziehen. Also weg mit dem Mittelstreifen. Dann könnte man das Nikolai/4 weiter nach Süden und ausweiten. Vielleicht springt ja hier oder da ne Reko dabei raus. Nach Osten dürfte es schwerer werden.

  • (...) Es wäre wirklich zu wünschen, dass es schneller ginge, denn je länger der Planungszeitraum, umso unwägbarer die Probleme.

    Vielleicht hat sich aber in 10 Jahren der Architekturgeschmack in unserem Sinne gewandelt und die gesamte Planung wird positiv verändert. - Tatsächlich wünsche ich mir aber auch eine schnelle Bebauung, damit dieser fiese Ist-Zustand schnell verschwindet.

  • Petersburg. Ja Berlin hat diese Substanz wenigstens in den Aussenbezirken, aber NICHT in die riesige Innenstadt, ausserhalb dann das Nordosten rund Häckischer markt. Die Bauten die nun im Molkenmarkt/ Klosterviertel vorgesehen sind, finde ich banal im Vergleich was da alles vor dem Krieg stand. Besonders die flachen Dächer stören mich optisch ungeheuer, weil gerade die Dächer im Krieg und danach gelitten haben. Bauten mit Steildächer sehen optisch einfach viel besser aus. Nun sind es wieder gefühlsarme Kuben die vorgezeigt werden. Vergleiche bitte die Neumarkt in Dresden mit diesen Entwürfe. Auch wichtig in völlig neu gestalteten Viertel ist dass es wenigstens einige Reko's darunter gibt sonst wirkt das ganze ziemlich Kulturarm oder armselig. An der Neumarkt ist das auch der Fall. Die Innenstadt von Dresden oder Berlin hätte aussehen können wie die heutige Innenstadt von Danzig.

  • Hmm.. Das mit der noch vorhandenen alten Bausubstanz in Berlin mag sogar stimmen. Der Erhaltungszustand ist mit Hamburg zu vergleichen. Aber: In Berlin ging man in der Nachkriegs- und DDR-Zeit derart brutal und geschichtsnegierend damit um, dass selbst intakte Straßenzüge wie die Torstraße dank Entstuckung nichts mehr an Altbaucharme besitzen. Weite Teile Berlins würden heute wohl aussehen wie Hamburg-Eppendorf, um beim Beispiel Hamburg zu bleiben. Statt dessen meilenweit Kratzputz! Man schaue sich nur an, was der Kaiserdamm ohne Entstuckung für ein Boulevard sein könnte.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Um - wie so oft - zum Strangthema zurückzukommen: Die angesprochene Einrüstung des Alten Stadthauses hatte u. a. die Bewandtnis, dass die Gesimse des Turmaufbaus mit Kupfer abgedeckt worden sind.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich weiß nicht so recht wohin mit diesen Bildern, da der Bau leider kein 100% gründerzeitlicher Prachtbau mehr ist, vorallem von außen, daher teile ich sie erstmal hier, Palantir kann ja immernoch verschieben. :wink:

    Moderationshinweis (Palantir): Ich habe es mal hierhin verschoben, da selbst der renommierte Berliner Geschichtsverein das Amts- und Landgericht zum Klosterviertel i. w. S. zählt: Das Gerichtsgebäude in der Littenstraße - Verein für die Geschichte Berlins


    Moderne Türmchen, bzw. Raketentürme wie man sie auch nennt.

    Detailansichten

    Innenhof vom Alexa aus


    Bilder von mir, ©Ludolf

    Beeindruckende Innenansichten wie diese dürften ja jedem bekannt sein. :wink:

  • Das neue Townhaus an der Waisenstraße 30 ist fertig und passt sich mit seiner kleinteiligen, auf die Umgebung in Form und Farbgebung abgestimmte Fassade sowie der Sockelzonengestaltung, die das quirlige Altstadtleben aufnimmt, nach § 34 BauGB hervorragend in das Klosterviertel ein. Senatsbaudirektorin R. Lüscher: "Die hohe Qualität der Architektur, die uns an dieser Stelle besonders wichtig war, schafft eine sensible Brücke von der DDR-Architektur der sozialistischen Hauptstadt" zum modernen Begriff eines kleinteiligen Stadtzentrums".

    (C) selsbt

  • Es scheint vorerst nichts zu passieren am Jüdenhof/Molkenmarkt. Der Jüdenhof, einer der ältesten Stätten jüdischer Kultur in Berlin, ist nach den archäologischen Untersuchungen wieder asphaltiert worden und wurde vom Bezirksamt Mitte an einen Privatbetreiber verpachtet, der gestern den gebührenpflichtigen "Parkplatz am Alex" eröffnete. Reurbanisierung stelle ich mir anders vor.

  • Das neue Townhaus an der Waisenstraße 30 ist fertig und passt sich mit seiner kleinteiligen, auf die Umgebung in Form und Farbgebung abgestimmte Fassade sowie der Sockelzonengestaltung, die das quirlige Altstadtleben aufnimmt, nach § 34 BauGB hervorragend in das Klosterviertel ein. Senatsbaudirektorin R. Lüscher: "Die hohe Qualität der Architektur, die uns an dieser Stelle besonders wichtig war, schafft eine sensible Brücke von der DDR-Architektur der sozialistischen Hauptstadt" zum modernen Begriff eines kleinteiligen Stadtzentrums".


    Betongewordene Realsatire. Zum Totlachen, wenn es nicht so traurig wäre...

    :augenkrummblau:

  • Sehe ich in der Einschätzung genauso.
    Wie die das wohl mit dem geringen Abstand zu ndl. Bostschaft machen? Laut Grundriss auf der Architektenseite kommt da wohl ein kleiner Innenhof im Bereich, wo jetzt das Loch in der Koolhaas-Kiste ist. Ob man sich dort allerdings aufhalten mag?

    Es gab vor kurzem einen Bericht im Tagesspiegel zum Hotelprojekt:
    Hotelneubau: Neue Botschaft aus Mitte

    Zitat

    Mit dem neuen Hotel kommt wieder mehr Leben in dieses historische Quartier. In der Klosterstraße mit der alten Parochialkirche und dem aufwendig rekonstruierten Friedhof der reformierten Gemeinde tut sich ebenfalls etwas. Zwischen dem Kirchhof und dem historischen Kaufhaus Tietz entsteht gerade das „Stadtpalais Klosterstraße“, ein Vier- Sterne-Hotel mit 250 Zimmern und Schwimmbecken im Dachgeschoss. [...]

    Ganz schön viele Fehler für ein lokales Blatt. nono:)

    Mittlerweile wird das mit dem Umbau des Eckgebäudes Stralauer Straße/Klosterstraße 62 zu einem Hotel wohl nichts mehr - laut Internetpräsenz werden jetzt Büros vermarktet und die Optik des Gebäudes bleibt dieselbe.
    Bild aus dem Sommer 2014:

    Es gab übrigens mal eine studentische Abschlussarbeit an der FH Potsdam zu einer Neubebauung auf diesem Grundstück:
    "Tradition und Gegenwart"

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (7. Februar 2015 um 12:20)

  • kommt da wohl ein kleiner Innenhof im Bereich, wo jetzt das Loch in der Koolhaas-Kiste ist. Ob man sich dort allerdings aufhalten mag?

    Zum Rauchen wird´s OK sein.

    Mittlerweile wird das mit dem Umbau des Eckgebäudes Stralauer Straße/Klosterstraße 62 zu einem Hotel wohl nichts mehr - laut Internetpräsenz werden jetzt Büros vermarktet und die Optik des Gebäudes bleibt dieselbe.

    Gott sei Dank. Das war doch dieses Projekt mit dem kitschigen Lamellen-Auge, oder? Das hat kein Mensch gebraucht. Dann lieber den Bestandbau herrichten und warten, bis bessere Zeiten kommen.

    Es gab übrigens mal eine studentische Abschlussarbeit an der FH Potsdam zu einer Neubebauung auf diesem Grundstück:
    "Tradition und Gegenwart"

    Das wäre natürlich die beste Lösung gewesen. Wird vielleicht irgendwann folgen.

  • Statt Auge gibt es dann lila Walfische. Wahrhaft urban.

    Solange man diese durch die NS-Zeit und die DDR entstandenen Großparzellen nicht wieder kleinschneidet und den Durchgangsverkehr aus der Altstadt rausbringt wird Stadt im europäischen Sinne hier nicht entstehen.