Berlin - Staatsoper Unter den Linden

  • Es ist ja auch kein Barbieschloss-Rosa sondern Altrosa, eine Farbe, die im Kontext historischer Architektur und Innenausstattung eine führende Rolle spielte. Wenn man sich von dieser Farbe der Berliner Oper dazu anregen lässt, in das Daseinsgefühl vergangener Generationen einzutauchen, kann man ihr schon einiges abgewinnen. Eine Stadt, die so arm an historischer Ausstrahlung ist wie Berlin, darf m.E. bei entscheidenden Objekten etwas nachdrücklicher die Stimmungswerte vergangener Jahrhunderte beschwören, zumal diese Farbe bei der Staatsoper original zu sein scheint.

  • Sorry, aber bei dieser Bonbon-Oper tauche ich nirgendwo ein, ich empfinde diese Farbgebung als einen Angriff auf den guten Geschmack, historisch hin oder her. Aber zum durchgegenderten Berlin passt dieser "feminine Look" jetzt echt gut. Vielleicht sollte man alle Gebäude Unter den Linden rosa anstreichen, für die richtigen Stimmungswerte (ein bißchen polemisch darf's ja ruhig sein).

    In dubio pro reko

    2 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (28. Februar 2017 um 19:42)

  • Besonders beeindruckend fand ich die Oper nie, da gibt es weitaus schönere Beispiele in Deutschland (wenn ich da nur an Frankfurt denke). Aber mit dem neuen Anstrich ist sie jetzt sogar richtig hässlich geworden. Dennoch Danke für die aktuellen Fotos.

    Obwohl die Staatsoper mehrere Male erweitert wurde, ist sie vom Grundcharacter doch immer noch ein zurückhaltendes, eher bescheidenes Opernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das kann man nur schwer mit den Protzpalästen der Gründerzeit gut 100 Jahre später vergleichen.
    Den rosa Anstrich hingegen finde ich auch als ziemlich daneben gegriffen. Es passt einfach nicht zu einem würdevollen, palladianisch-klassizistischen Haus. Hässlich ist es dafür aber noch lange nicht.

  • Warum sollte man es nicht vergleichen können? Mir gefällt diese "zurückhaltende Bescheidenheit" in diesem Fall eben nicht so besonders. Ich finde eher du tappst ins Fettnäpfchen wenn du die Alte Oper in Frankfurt als "Protzpalast" bezeichnest.

    In dubio pro reko

  • Warum sollte man es nicht vergleichen können? Mir gefällt diese "zurückhaltende Bescheidenheit" in diesem Fall eben nicht so besonders. Ich finde eher du tappst ins Fettnäpfchen wenn du die Alte Oper in Frankfurt als "Protzpalast" bezeichnest.

    Du trittst eher mit solchen Aussagen ins Fettnäpfchen:

    Aber zum durchgegenderten Berlin passt dieser "feminine Look" jetzt echt gut. Vielleicht sollte man alle Gebäude Unter den Linden rosa anstreichen, für die richtigen Stimmungswerte (ein bißchen polemisch darf's ja ruhig sein).

    Da erkennt man nämlich gleich woher der Wind wirklich weht. ;)
    Lass mich raten, deiner Meinung nach dürfen richtige Männer wahrscheinlich auch kein rosa tragen?

  • Vielen Dank, Vulgow, für die prompte Reaktion, auch wenn ich mich gleichzeitig recht von Dir habe anfahren lassen müssen.

    Tatsächlich aber ist mein Eindruck tatsächlich seit eh' und je der, daß sich der Durchschnittsberliner eher NICHT mit Oper bzw. mit seinen eigenen Opernhäusern identifiziert und daß es ihm letztlich herzlich egal ist, wie sie sich präsentieren - dieser Eindruck durchaus auch untermauert von diesem nicht eben lebhaften Thread über all die Jahre. Wenn dem anders ist, sollte es mich freuen, aber ich würde mich trauen zu behaupten, daß die Bürger anderer Opernstädte - seien es nun die Wiener, die Münchner, die Dresdner und sogar die sonst eher drögen und allem Glanz abholden Hannoveraner - weitaus mehr mit ihrem Opernhaus identifizieren als eben unsere lieben Berliner.

    Übrigens stimme ich der Ansicht zu, daß man das Berliner Opernhaus, das immer noch als eines der ersten freistehenden, gänzlich losgelöst von einem fürstlichen Residenzkomplex erbauten Häuser gilt, tatsächlich nicht mit den im späteren 19. Jahrhundert erbauten und ungleich größeren Häusern vergleichen sollte, die - Königsbau möge mir dies verzeihen! - oftmals tatsächlich zum Protzen und Übertrumpfen der traditionsreichen Hoftheater erbaut wurden (Frankfurt als Bürgerstadt war hier durchaus gut dabei ein paar Jahre nach seiner als Erniedrigung empfundenen Aufgehen im preußischen Staatsgebilde).

    In seinem edel-schlichten palladianischen Stil finde ich persönlich die Oper Unter den Linden sogar um Längen schöner und bedeutender als so manches dieser jüngeren Häuser. Um das Eine hervorzuheben sollte man aber nicht das Andere in Bausch und Bogen verurteilen. Der Baustil der Lindenoper war in ihrer spätbarocken Erbauungszeit m. E. absolut zukunftsweisend und muss sich selbst vor späteren Theaterbauten wie dem Münchner Nationaltheater und den vielen hervorragenden, aber leider mittlerweile nicht mehr existierenden Opernbauten auf deutschen Boden nicht verstecken. Für eine solche spätbarocke (und eigentlich gar schon frühklassizistische) Schöpfung) finde ich auch den altrosa Anstrich absolut in der Ordnung. Wie oft wurde sich hier schon über das viele Milchkaffeebraun im Berliner Stadtzentrum echauffiert - und letztlich hat man sich auch an den beinahe gleichen Anstrich wie am Zeughaus vis-à-vis nach einem zunächst großen Aufschrei gewöhnt.

  • Man hätte vielleicht einen mit dem DHM korrespondierenden Mineralputz wählen sollen. Ansonsten geht es einem doch immer wieder ans Herz, wenn man trotz allem dem Berliner Sumpf noch etwas an architektonischer Qualität abringen kann.

  • Davon einmal abgesehen, dass diese Farbe in der Zeit von Rokoko und Frühklassizismus, aus der das Haus stammt, oft verwendet wurde, möchte ich auf folgenden Aspekt hinweisen:

    Nach einigen Jahren wird der rosa Farbton, durch Sonne und Witterung bedingt, sehr viel blasser werden, also in der Intensität der Farbe sehr viel schwächer als jetzt wirken. Auch denjenigen, die sich jetzt über die stark rosa Farbe ärgern oder echauffieren, sei gesagt: gemach und sich bitte nicht unnötig aufregen, denn schon nach einigen Jahren fällt die Farbe kaum mehr auf. Dies habe ich bei neu gestrichenen Fassaden schon oft beobachtet.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (28. Februar 2017 um 23:17)

  • Das Rosa ist ungewohnt aber durchaus gängig im 18. Jahrhundert und in der friderizianischen Baukunst. Die Assoziation mit "feminin" ist völlig modern. Babyblau und Mädchenrosa sind eine Erfindung der Zeit um 1900. "Pfirsichblütenfarben" war schlicht und einfach modern. Wir werden uns dran gewöhnen. Ästhetisch viel schlimmer finde ich die "Aufbockung" des Dachs.

  • Am Altrosa störe ich mich jetzt auch nicht unbedingt, eine normale Farbe für die Zeit des Rokoko; was aber entscheidend zum "schlechten" Erscheinungsbild beiträgt, ist diese Unruhe: das Tympanon im strahlenden Weiß, die Säulen und Teile des Kranzgesimses steinsichtig, andere Teile inkl. der Fensterumrahmung sandsteinfarben gestrichen; hätte man diese Teile einheitliche in einem gebrochenen Weiß gestrichen ergäbe sich ein wesentlich harmonischerer Eindruck. Aber das ist letztlich wohl wieder der Doktrin geschuldet, das die Oper eher als Denkmal des Wiederaufbaus gilt denn als Denkmal des Rokoko.

  • Genau. Das ist die Summe der ideologisch getroffenen Einzelentscheidungen. In Berlin streicht man Sandstein nicht (im Gegensatz zu z.B. Potsdam), die Denkmaltheorie sagt materialsichtig (obwohl es natürlich anders war). Hierzu fällt das Zinkgußrelief von Rietschel arg auseinander. Die palladianische Gesamtwirkung wird damit zerstört.

  • die Denkmaltheorie sagt materialsichtig (obwohl es natürlich anders war).

    Ein Hinweis auf den Vorrang des Zeitgeistigen in der Denkmalpflege vor aller sonst so hochgehaltenen materialen Authentizität. In der Nähe meines Wohnorts gibt es einen rekonstruierten Limes-Wachtturm, der mit grobem Mauerwerk steinsichtig erbaut wurde, obwohl man weiß, dass das römsche Original verputzt war mit aufgemalten Fugen. Eine also bewusst verfälschte Rekonstruktion, den heutigen Sehgewohnheiten zuliebe.

  • Heute entdeckt, auf der Post. Leute nehmt nicht alles so tierisch bierernst. Gerade in unserem Sujet ist das Frustrationspotential so groß, daß wir uns doch hin und wieder an den Humor erinnern sollten. Wie gesagt, rosa tut gut! Ist ne Herzfarbe obendrein!
    (Auch wenn die Herren Moderatoren sinnlose Einzeiler nicht mögen (Ist ein Mehrzeiler geworden), bitte ich darum die Lanze für den Humor hier stehen zu lassen)

    Quelle: eigenes Foto von Bildpostkarte (Seidel Verlag)

  • Ein multimedial bestückter Bericht anlässlich der morgigen Eröffnung der Spielstätte der Barenboim-Said-Akademie.

    Zitat

    Berlin hat eine neue Spielstätte für große Kammermusik: Am Samstagabend eröffnet der Pierre Boulez Saal im ehemaligen Magazinbau der Staatsoper Unter den Linden. Und der ist, so sein Gründer Daniel Barenboim, "ein akustisches Wunder".

    Eröffnung des Pierre Boulez Saals in der Staatsoper: "Das ist ein akustisches Wunder" - rbb online

    Frank Gehry erzählt:
    https://player.vimeo.com/video/181918758

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • 29. März 2017 - ein halbwegs freier Blick auf die Lindenseite und den Portikus-Unterbau ist nach langer Zeit wieder möglich.

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    (Immanuel Kant)

  • Danke!
    Der rosane Farbauftrag ist aber bei Nähe betrachtet angenehm gelungen. Kein satter deckender Farbauftrag, sondern transparent changierend im Farbton. Das gefällt. Sieht nach Mineralfarbe und alter Auftragstechnik aus. Macht die Farbflächen lebendig und gleichzeitig antikisierend.

  • Auch hier mal wieder (deprimierende) Aktualitäten:

    Der generelle Wiedereröffnungstermin am 3. Oktober (dieses Jahres!) wird wohl nicht zu halten sein. Vielleicht eine symbolische Aufführung und danach muss noch weitergebaut werden - schrittweise Eröffnung wird das genannt. :huh:Dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde für den 14. Oktober schon abgesagt.

    Die entsprechende Berichterstattung könnt ihr ja bei Interesse selber finden, hier nur ein angemessener Kommentar von Maria Ossowski bei rbb online:

    Die Kulturstadt Berlin hat sich bis auf die Knochen blamiert

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    (Immanuel Kant)

  • Ich habe da noch folgende Fernblicke auf Bühnenturm und Dach der Staatsoper.

    Und dann habe ich noch eine DDR-Postkarte aus den frühen 1960ern entdeckt, welche Rückschlüsse auf die ursprüngliche Farbgebung unter Paulick zulässt. Allerdings halte ich die Farbsättigung dieser Aufnahme insgesamt für überhöht.

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    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (11. April 2017 um 22:40)