Berlin - Staatsoper Unter den Linden

  • Die größtenteils abgerüstete Westseite am Bebelplatz heute.

    Changierende Farbgebung wäre ja auch mal etwas.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Wie versprochen will ich von meinem Besuch in der fast fertig gestellten Barenboim-Said-Akademie berichten.

    Die Führung fand heute um 15:00 Uhr statt und dauerte 75 Minuten.

    Zuerst ein Foto aus der Vergangenheit mit den Ruinenresten der ehemaligen Banken 1946 auf dem Areal der Opernintendanz von Richard Paulick:

    Das heutige Ansehen von der Französischen Straße:

    Das Gebäude wurde vor der Umgestaltung als Magazinlager genutzt. Das heißt, es war im Gegensatz zum barock wirkenden Äußeren ein rein funktionales Haus mit dem Charme einer Fabrikhalle. Zu Ehren des Architekten Paulick hat man im Foyer sehr viel vom Ursprünglichen belassen, so die Stützen, Teile der Förderanlage und vor allem die Schiebetüren zu den ehemaligen Lagerräumen (Schotten) für die Kulissen.

    Nun ist hier das Foyer untergebracht, im westlichen Teil liegen die Übungsräume und die Büros und im östlichen Teil der neue Pierre-Boulez-Saal über alle Etagen.

    Bild aus dem kleinen Vortrag zu Beginn über die Aufteilung (hier EG):


    Nun das Foyer:


    Blick zur Decke:


    Blick zum Eingang an der Französischen Straße, links gehts zum Konzertsaal:



    Impressionen aus dem Treppenhaus:






    Da Daniel Barenboim Chefdirigent der Staatsoper und Präsident der Akademie ist bat er um eine Verbindungstür zwischen der Intendanz und der Akademie, um nicht außen herum laufen zu müssen, er ist halt nicht mehr der Jüngste :D . Hier geradeaus die Wunschtür:



    Das Büro des Präsidenten Barenboim:


    Ein Raum für Physiotherapie:


    Einer der kleinen Übungsräumen im Inneren ohne Ablenkung, Fenster etc. aber belüftet. Hier mit einem Hornisten bei seinen Übungen:


    Nun zum Pierre-Boulez-Saal, der an der Oberwallstraße gelegen ist. Der Saal ist mit Douglasienholz getäfelt, der Boden aus Eiche. Auf den Fotos sieht das ganze leider etwas rötlich aus, da nur eine Baubeleuchtung herrschte, in Wirklichkeit kommt die Farbe aber viel heller rüber:



    Die beiden Oberränge sind geschwungen angelegt, es liegt also nicht an der Verzerrung meines Weitwinkelobjektives:




    Schattenspiel mit Geländer und Fotografen:



    Blick nach Süden zur Französischen Straße:




    Decke mit Licht von der Oberwallstraße:


    Übergang vom 1. zum 2. Rang:


    Blick ins Parkett mit den variablen Stuhlbefestigungen, so dass man die Sitzordnung hier jederzeit umgestalten kann. Maximal haben 680 Personen Platz, dies kann aber auch variieren je nach den wie man den Saal umgestaltet:



    Die Elemente an denen die Sitze befestigt werden:



    Zum Kontrast zur Wand- und Deckengestaltung sind die Sitze blau-rot gehalten, aber da bei Konzerten diese besetzt sind (hoffentlich) wird dies nicht so sehr ins Gewicht fallen.


    Hier zwei Probebestuhlungen:




    Die Fenster sind schalldicht, d.h. vor die historischen Fenster zur Straße werden zwei weitere Scheiben angebracht, dazwischen herrscht dann ein Vakuum. Zusätzlich können Jalousien das ganze abdunkeln.

    So das war's mit dem Inneren.

    Nun zum Schluss nochmals 2 Fotos von den eigenartigen Beleuchtungskörpern an der Straße 'Hinter der Katholischen Kirche', die hier schon gezeigt wurden. Meiner Meinung nach sind das Strahler, die Hedwigskirche und Intendanz/Akademie wirkungsvoll in Szene setzen sollen und keine gewöhlichen modernen Straßenbeleuchtungen:



  • Ein großartiges Projekt!

    So wie du es vorgestellt hast, ist dieses Projekt trotz aller Schwierigkeiten gut vollendet worden.
    Zudem sieht das Innere sehr wertig und gelungen aus.

  • Sieht von innen aus wie eine neu gebaute Gesamtschule in Berlin-Zehlendorf oder ein Oberstufenzentrum in München - mit Aula (obwohl man diesen revanchistischen Begriff bei solchen Bauwerken wohl kaum verwendent). Brrr....

  • Was soll denn in diesem Pierre-Boulez-Saal stattfinden? Er sieht weder nach Theatersaal, Konzertsaal, Kongresssaal etc. aus, einfach nach nichts (am ehesten nach Radrennsaal, wobei die Zuschauer die Akteure von unten beobachten und anfeuern). Oder ist das eine Studiobühne? Hat was von Sauna und Turnhallenoptik. Ich weiss nicht, wie ich diesen Beitrag formulieren soll - irgendwie bin ich ratlos, aber für mich ist das ein holzvertäfelter, viereckiger Raum mit eingeschnittenen Öffnungen, und im Gegensatz zum ganzen restlichen Bauvorhaben nicht gelungen.

    Das Äussere und Innere stimmen überhaupt nicht überein. Das ist meistens so, wenn in ein Stockwerksgebäude ein mehrgeschossiger Saal eingebaut wird. Für mich ein Beweis, dass dieser Raum schon im Ansatz ein Fehlentscheid war.

  • Es soll die Heimstatt für die Konzerte des arabisch-israelischen Orchesters von Daniel Barenboim die Heimstatt werden und ist von Starchitekten und Spitzenakustikern entworden. Das schützt aber eben leider nicht vor den Effekten, die Du richtig beschreibst.

    Dass das Innere und Äußere übereinstimmen muss ist ein Ideologismus der Moderne, der vorwiegend dazu verwedet wird um historische Bauten zu diskreditieren. Bei baulichen Vergewaltigungen wie im Falle der Baudenkmals Intendanz Staatsoper, gilt das natürlich nicht. Hier gilt es ja den Geist des Historischen auszutreiben und durch den Linoleumduft einer Gesamtschule zu ersetzen - da kann man sich nicht mit selbst aufgestellen Grundsätzen aufhalten.

  • Der Pierre-Boulez-Saal... ich sag mal so: wenn der in Görwihl, Todtmoos oder Rickenbach stünde, würde ich die reichliche Verwendung von Holz ja loben, aber mitten in Berlin wirkt das irgendwie... deplaziert.

  • Na ja, Eure Vergleiche in Ehren, alles nachvollziehbar, aber nicht unbedingt architekturkritisch von differenzierter Warte aus gesprochen ... !
    Was ich unterschreiben kann ist die Diskrepanz zwischen Außenbau und Innenarchitektur. Beides hat nichts miteinander zu tun, außer sich abzustoßen. Allein die Fensterverteilung in der Innenarchitektur nicht zu berücksichtigen, sondern sie gezwungenermaßen mit Lichtschächten irgendwie in den Raum reinzuquetschen zeugt von leider völliger Ignoranz gegenüber der vorgefundenen architektonischen Hülle. Die Herausforderung wäre doch gerade gewesen, das vorhandene mit einem modernen Saal in verbindender, sich durchdringender, synthetisierender Weise zu vereinen. Also im Sinne des architektonischen Gesamtkunstwerkes.Gleich beim Grundriß habe ich gestutzt und mich gefragt, weshalb der ovale Saal asymmetrisch im rechteckigen Raum liegt. Das wirkt gewaltsam hipp und anders sein wollend, tsss!?
    Dieser Saal, an sich für sich genommen durch das viele Holz sicher mit angenehmer Aufenthalts- und vor allem Tonqualität, schreit jedoch geradezu nach seiner abgestriffenen Hülle, irgendwo in einem anderen modernen urbanen Viertel, auf dem Planungswege verirrt, verloren gegangen.
    Das viele Douglasienholz wird allerdings eine wunderbare Akustik abgeben. Nimmt man doch gerne für Resonazböden von Geigen und Cembali feinjährige , langsam gewachsene Nadelhölzer wie Tanne oder Lärche. Die Atmosphäre sicher eine warme, auch im Klang! Das Douglasienholz wird den Nachhall dämpfen, jedoch ohne ihn zu verschlucken und die feinen Tonfrequenzen fein herausmodulieren - könnte ich mir vorstellen.

  • Gleich beim Grundriß habe ich gestutzt und mich gefragt, weshalb der ovale Saal asymmetrisch im rechteckigen Raum liegt. Das wirkt gewaltsam hipp und anders sein wollend, tsss!?


    Gleich erging es mir, als ich im Grundriss die schräg eingestellten Wände der Proberäume sah. Dabei dachte ich zuerst 'Nein, nicht schon wieder... uraltes, abgegriffenes architektonisches Thema... 100-mal schon gesehen'. Das ist eben eine Möglichkeit, um sich von der originalen Struktur abzusetzen. Insofern findet die schräg eingesetzte Ellipse so die Entsprechung.

    Das Gebäude wurde vor der Umgestaltung als Magazinlager genutzt. Das heißt, es war im Gegensatz zum barock wirkenden Äußeren ein rein funktionales Haus mit dem Charme einer Fabrikhalle. Zu Ehren des Architekten Paulick hat man im Foyer sehr viel vom Ursprünglichen belassen.


  • Vielleicht sollte man noch einmal darauf hinweisen, dass das Innere ein Lagerraum war mit einer über alle Geschosse gehenden Halle, mit Lastenfahrstühlen versehen, in denen die Kulissen in die jeweiligen Schotten gebracht wurden.

    Es gab also immer diese Diskrepanz zwischen der äußeren Hülle und dem Inneren!

    Ich finde das ist gerade gelungen, nämlich dieses Innere zu bewahren und auch in den Räumen erlebbar zu machen. Die Fenster im Konzertsaal sind alle noch vorhanden, wenn man die Ränge entlangläuft kann man durch sämtliche in die angrenzenden Straßen schauen, was aber bei einem Konzert wohl eher nicht gewollt ist. Man kann sie also alle verdunkeln.

    Folgendes Foto hatten wir noch nicht. Links die Öffnungen gehen in den Lichthof, das Foyer und stehen für die ehemaligen Schottentüren:

    Was die besondere Form des Saale anbelangt so ist gerade mit dieser leicht ovalen Form der Saal in alle Richtungen variabel, das Musikerteam kann also mittig, in einer Ecke oder verteilt sitzen und ebenso können die Zuhörer verteilt werde, zumindest im Parkett.

    Dies wird zwar ein öffentlicher Konzertsaal, der auch die Lücke zwischen dem Philharmonie-Kammermusiksaal und dem Otto-Braun-Saal von den Besucherzahlen schließt, aber er ist auch Experimentierraum für die Sudenten, die hier studieren, auftreten und dabei auch sicher wieder mal was Neues probieren.

    Die Studenten der Barenboim-Said-Akademie gehören zu den besten Nachwuchstalenten aus aller Welt und werden nach 4 Jahren ihren Bachelor gemacht haben. Zur Zeit sind es ca. 38 Studenten und -innen, jedes Jahr kommen ca. 20 dazu, bis die maximale Anzahl von 80 erreicht ist. Es wird nicht nur Musik gelehrt sondern auch einige Geisteswissenschaften.

    Ich empfehle, sich das selber anzuschauen und anzuhören, das Programm ist durchaus vielfältig und nicht unbedingt nur modern, z. B. im nächsten Jahr verschiedene Schubertabende.

    Ich selbst habe mal Akustik als Vertiefungsfach an der TU studiert und weiß um die Problematik guter Akustik Bescheid. Bei diesem Projekt ist einer der führenden Akustiker begleitend dabei, der auch noch im Betrieb diesen Saal betreuen wird, wie es auch Prof. Cremer damals bei der Philharmonie gemacht hat.

    Die ovalen Plastikschilde mit blauem Band gehören z. B. zu den notwendigen Einbauten (dann natürlich ohne die blauen Bänder, die die der Bauphase notwendig sind um zu verhindern, dass jemand die Schilde übersieht).

    Solche Schallsegel gibt es in der Philharmonie an der Decke und auch in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zur besseren Reflektion bzw. verkürzen der Schalllaufzeiten.

    Ich jedenfalls bin auf das Ergebnis sehr gespannt und werde dabei sein, wenn die ersten Musikstücke erklingen.

    Mehr hier:

    barenboim said akademie

  • Bezüge mit solchen Mustern/Farben waren doch in den frühen 90ern in Bussen eher provinzieller Verkehrsbetriebe in Mode :D


    Ich musste auch sofort an "Kässbohrer" denken

    Am Ufer der Sonne wo die wesen vom sehen träumen ist in Echtzeit überall Nacht

  • Ich muß ehrlich sagen: mir gefällt das neue Innere des Magazingebäudes.
    Das Einzige, was ich nun wirklich schaurig finde ...ist der Bezug der Sessel...da bekommt man ja ehrlich Augenkrebs umso länger man hinschaut auf den Polsterstoff...da bleibt nur zu hoffen, dass die Sessel wenigstens bequem sind;-)


  • [...] Meiner Meinung nach sind das Strahler, die Hedwigskirche und Intendanz/Akademie wirkungsvoll in Szene setzen sollen und keine gewöhlichen modernen Straßenbeleuchtungen:



    Na dann wollen wir mal hoffen, dass wenn es so ist, sie es auch bringen. In Görlitz hat man diese Säulen auch auf den Postplatz gestellt und sollen dort die Muschelminna in der Mitte des Platzes anstrahlen. So war zumindest der Plan.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Also gut, das Holz ist für die Akustik, aber könnte man es nicht wenigstens lasieren oder kalken oder dergleichen, damit es nicht gar so nach Schwarzwald oder Alpenstil aussieht, sondern etwas urbaner?
    Bei der schrägen Ellipse vermute ich mal, daß die weniger wegen Hipness und mehr wegen Klang und Bestuhlung gewählt wurde - die Öffnung ist größer, wenn man die Ellipse schräg legt, als wie wenn man sie der Längsachse entlangzieht.


    Gibt es eigentlich irgendwo einen Raum, der wie das Innere einer Geige oder eines Kontrabasses gebaut ist, also vage birnenförmig? Das müßte doch auch eine recht eigene Akustik ergeben.


    Ansonsten finde ich aber nicht, daß "vorher war es eine Rumpelkammer" ein Argument abgibt, den Saal, den man daraus macht, in irgendeiner Weise rumpelkammermäßig zu gestalten.

  • Würde man das Holz mit Farbe etc. behandeln, so gingen seine akustischen Eigenschafen flöten! Zudem ist es sehr wichtig, dass eine bestimmte Masse m vorhanden ist, so wurde in den Deckenbereich noch nachträglich jede Menge Beton eingebracht, damit die akustischen Eigenschafen für alle Frequenzen stimmen.

    Holz hat da nun mal bessere akustische Eigenschaft als Gips, Putz etc. Die akustischen Probleme bei der Berliner Philharmonie hingen in der Entstehungszeit auch mit dem zu harten Material zusammen. Soviel ich mich erinnern kann hat man da zwei Jahre herumgedoktert und selbst heute gibt es Ecken mit merkwürdiger Akustik, trotz des Einbaus verschiedener Korrekturelemente wie Helmholtzresonatoren, Schallsegeln und speziellem absorbierenden Putz

    Die Stuhlbezüge sind ja noch nicht unbedingt die letzte Entscheidung, sondern nur Muster, wie ich oben schrieb. Aber bedenkt auch, dass z. B. helle Bezüge sehr stören würden, wenn der Saal abgedunkelt ist und Stühle leer bleiben würden.

    Außerdem brächten sie wenigstens etwas Farbe in den ansonsten ja sehr farblich gleichförmig gestalteten Saal.

    Für mich ist das alles nicht so wichtig, Hauptsache die Musik im Saal klingt gut! Und wenn das Licht abgedunkelt ist ud man nur die Musiker sieht und hört spielt das andere gewiss keine Geige mehr.

    Zur Frage, ob man da nicht eine Geige in großem Stil als Konzertsaal nehmen könnte, könnte man, dann müssten aber die HörerInnen durch die beiden f-Löcher kriechen, was nicht so bequem wäre und ob der Schall im Inneren anders klingt als außen habe ich noch nicht probiert :D

    Wenn der Saal fertig ist, wird sich der Eindruck einer 'Rumpelkammer' sicher relativieren!

  • Bei der schrägen Ellipse vermute ich mal, daß die weniger wegen Hipness und mehr wegen Klang und Bestuhlung gewählt wurde - die Öffnung ist größer, wenn man die Ellipse schräg legt, als wie wenn man sie der Längsachse entlangzieht.

    Mag sein, daß der Architekt so gedacht hat. Dann hat er allerdings diese Möglichkeit nicht voll ausgenützt, denn das Saaloval liegt nicht exakt in der Diagonalen des Raumes. Das erzeugt eine seltsame, unordentliche Spannung. Ob das der Raumatmosphäre dann wirklich so gut tut!? (ich denke da nur an klassische Raumordnungsmuster und deren anerkannte Raumatmosphären!?